Die Linguistik der Satire

Eine sprachwissenschaftliche Herangehensweise


Seminararbeit, 2013

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Politische Satire
2.1 Die Titanic
2.2 Der Postillion

3. Linguistische Theorien
3.1 Die konversationale Implikatur
3.1.1 Kommunikationsmodelle als Hilfestellung
3.2 Präsuppositionen
3.3 Textlinguistik

4. Die Praxis
4.1 Die Titanic in der Analyse
4.2 Der Postillion in der Analyse

5. Fazit

6. Primärliteratur

7. Sekundärliteratur

6. Anhang

1. Einleitung

„Es geht nicht um dieses Kind, sondern es geht um diese ungeheure Werbekampagne für das Bild der kleinen Maddie. Das ist beispiellos, und wir hatten die Befürchtung, dass irgendein Discounter sich denkt, das ist eine gute Marke und so eine geschmacklose Werbekampagne startet, wie wir sie dann gezeigt haben.“[1]

Auf die Frage, weshalb die Titanic das Bild eines seit 2007 vermissten englischen Mädchens auf Discounterprodukten abdruckt, antwortete der deutsche Satiriker Martin Sonneborn mit diesem Satz in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Es handelt sich dabei um ein Phänomen, womit man immer wieder konfrontiert wird, wenn man sich mit Satire auseinandersetzt. Die expliziten und impliziten Aussagen von satirischen Artikeln oder Auftritten zu deuten, kann sehr schnell zu einer künstlerischen Auseinandersetzung ausarten. Doch wie funktioniert dieses Deutungsverfahren? Wie kann es für den Rezipienten möglich sein, das Explizite von dem Impliziten zu unterscheiden? Eine Antwort auf diese Frage könnte man möglicherweise durch die sprachwissenschaftliche Auseinandersetzung finden. Da die Linguistik einen hohen Wert darauf legt, ein sprachwissenschaftliches Phänomen wertungsfrei zu analysieren, scheint dies auch die einzige Möglichkeit zu sein, eine Antwort auf die gestellten Fragen zu finden.

Politische Satire nimmt eine wesentliche Rolle in einer Demokratie ein. Ein demokratischer Staat kann erst als ein wirklich demokratischer Staat bezeichnet werden, wenn die Sicherheit der freien Meinungsäußerung rechtlich gefestigt ist. Politische Satire ist in Deutschland eine Gratwanderung im deutschen Grundgesetz. Dabei handelt es sich um ein Wechselspiel zwischen der im Grundgesetz gefestigten freien Meinungsäußerung und der Unantastbarkeit der menschlichen Würde. Wenn Politiker, religiöse Einrichtungen und Menschen des öffentlichen Lebens auf einer humorvollen Art und Weise an den Pranger gestellt werden, können und dies im Einklang der rechtlichen Verhältnisse des jeweiligen Staates geschieht, erfüllt die politische Satire ihren Dienst.

Setzt man sich nun tiefer mit der Satire auseinander, so stellt man fest, dass immer wieder Ähnlichkeiten im Stil auftauchen. Ironie, Metaphern, Hyperbeln und oft auch scharfer Sarkasmus, sind rhetorische Mittel, von denen sich die Satire bedient. Ein anderes, oft eintretendes Merkmal der Satire ist die Parodie. Schriftliche Satiremagazine, wie die Titanic oder Internetportale wie der Postillion parodieren oft den Stil von Zeitungsartikeln, um beim Leser Assoziationen und den Anschein zu erwecken, einen seriösen Zeitungsartikel zu lesen. Das Stilmittel der Parodie fällt nicht nur in schriftlich verfasster Satire auf, sondern auch in anderen Bereichen. Schaut man sich einmal einen Auftritt Martin Sonneborns, den derzeitigen Bundesvorsitzenden der satirischen Scherzpartei „Die PARTEI“, im Fernsehen an, so stellt man fest, dass auch dieser einen gewissen Stil der politischen Rhetorik parodiert. Zu der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin 2011 war die Partei Sonneborns zugelassen, weswegen Sonneborn auch in einer Sendung im RBB auftreten konnte. Auf eine Frage der Moderatorin antwortete Sonneborn: „Ich bedanke mich für diese Frage und möchte erst einmal eine andere beantworten.“[2] Diese Stilmittel können beim Leser oder Zuschauer entweder zu Verwirrung oder zur Verstärkung des Witzes führen. Hier wird die Relevanz des Vorwissens deutlich, das der Rezipient mitnehmen muss. Würde der Zuschauer nicht wissen, dass Martin Sonneborn Satiriker und Die PARTEI ein satirisches Projekt ist, so würde dieser den Auftritt Sonneborns möglicherweise falsch verstehen. Die Gründe für das Funktionieren und das Fehlschlagen der Satire werde ich nun in der Hausarbeit aus einer linguistischen Perspektive betrachten und einen Versuch der Analyse betreiben. Die Hausarbeit wird sich ausschließlich der schriftlichen Satire zuwenden, anhand von Beispielen aus dem Satiremagazin „Titanic“ und des satirischen Internetportals „Der Postillion“. Diese werden in den folgenden Kapiteln kurz vorgestellt. Anschließend werde ich mehrere linguistische Theorien vorstellen. Die Theorien werden sich größtenteils im linguistischen Fachbereich der Pragmatik bewegen. Unter anderem werden die konversationale Implikatur von Herbert Paul Grice und die Präsuppositionen eine Rolle spielen. Da sich die konversationale Implikatur nach Grice nur auf interpersonale face-to-face Kommunikation bezieht und sich die Hausarbeit auf schriftliche Satire konzentriert, werde ich in den Kapiteln der Theorievorstellung einen Ausflug in die Kommunikationswissenschaft vornehmen, um die Wahl dieser Theorie zu rechtfertigen. Außerdem werden verschiedene textlinguistische Theorien über Textsorten und Textfunktion dargestellt, um auf den Stil der Imitation der Satire eingehen zu können. Im letzten Kapitel werden die Theorien anschließend auf ausgewählte Artikel der jeweiligen Magazine angewendet. Die Ergebnisse werden dann zuletzt im Fazit zusammenfassend dargestellt.

2. Politische Satire

2.1 Die Titanic

Möchte man in Deutschland über schriftliche Satire sprechen, kommt man nicht um das Satiremagazin „Titanic“ herum. Bei der Titanic handelt es sich um das berühmteste Satiremagazin, das in der Bundesrepublik im Umlauf ist. Die Titanic bezeichnet sich daher auch selbst als das „endgültige Satiremagazin" und schreibt sich somit auch eine gewisse Relevanz in der deutschen Satireszene zu.

Die Erstausgabe der Titanic erschien im November 1979 und ist seit dem monatlich in den deutschen Kioskläden erhältlich. Der derzeitige Chefredakteur ist Tim Wolff (stand 2014). Aufgrund ihrer kontroversen Artikel und Titelseiten kommt es oft vor, dass Betroffene rechtlich gegen das Satiremagazin vorgehen.[3] So hat beispielsweise Johannes Dyba, der ehemalige Erzbischof von Fulda, seinen Anwalt eingeschaltet, als die Titanic einen Comic mit dem Titel „Abtreibung ab sofort erlaubt“ veröffentlicht hatte, in dem ein Priester einen Messdiener fragt: „Na mein Sohn, heute schon Abt gerieben?“[4]

Die Titanic kommentiert aktuelle Geschehnisse aus der Politik, des Sports und des allgemeinen öffentlichen Lebens anhand von Artikeln, Illustrationen und anderen Textsorten, wie beispielsweise einer Auflistung „beneidenswerter Menschen“.[5] Im Verlauf der Hausarbeit werde ich einen Artikel der Ausgabe vom März 2014 aussuchen und anschließend anhand der vorgestellten sprachwissenschaftlichen Theorien analysieren.

2.2 Der Postillion

Bei dem Postillion handelt es sich um eine satirische Webseite, die am 28. Oktober 2008 von Stefan Sichermann gegründet wurde. Die Webseite bedient sich einem äußerlichen Stil, das auf dem ersten Blick den Internetseiten der grundsätzlich bekannten Tageszeitungen wie der Frankfurter Allgemeine und der Süddeutschen Zeitung ähnelt. Bis heute betreibt Sichermann die Internetseite allein und schreibt die Artikel selbst.[6]

Der Postillion gibt sich als eine seriöse und ernstzunehmende Nachrichtenagentur aus und betitelt die Hauptseite selbst mit den Worten „Ehrliche Nachrichten – unabhängig, schnell, seit 1845“.[7] Den Stil von Zeitungsartikeln parodierend, kommentiert der Postillion, ähnlich wie die Titanic, die aktuellen Geschehnisse des öffentlichen Lebens. So liest man beispielsweise einen Artikel, in dem sich ein Botschafter eines fiktiven Staates namens „Absurdistan“ in einem offenen Brief bei der deutschen Regierung darüber beschwert, dass deutsche Politiker bei jeder Äußerungen über einen schlechten Zustand „Absurdistan“ als ein Paradebeispiel darstellen.[8] Auch hier werde ich im Verlauf der Hausarbeit einen Artikel aussuchen, darstellen und diesen anschließend aus einer linguistischen Sicht betrachten.

3. Linguistische Theorien

Eine linguistische Theorie, die sich speziell mit Satire auseinandersetzt gibt es nicht. Auch bei der Literatursuche zu diesem Thema stellt man zügig fest, dass sich bisher nur wenig Linguisten mit der Satire auseinandergesetzt haben. Die Möglichkeit, die man in diesem Fall hat, ist zu betrachten, welche Stilmittel die Satire benutzt, um zu funktionieren. Wie schon in den vorherigen Kapiteln festgestellt, funktioniert Satire einerseits dadurch, dass sie sich rhetorischen Mitteln wie Ironie, Metaphern und Sarkasmus bedient, und andererseits durch die Nachahmung von Textformen und deren charakteristischen Eigenschaften.

Die rhetorischen Mittel findet man im linguistischen Fachbereich der Pragmatik wieder, in der sich der englische Philosoph Herbert Paul Grice mit der konversationalen Implikatur auseinandergesetzt hat. Anhand dieser Theorien kann man einen Ansatz dafür finden, wie Ironie und Sarkasmus in der Satire stattfindet und funktioniert.Konversationale Implikatur setzt aber, besonders wenn es um den Bereich der Satire geht, auf ein gewisses Vorwissen, das der Rezipient mitbringen sollte, um die Pointen zu verstehen. Die Präsuppositionen setzten sich mit diesem Vorwissen auseinander, das vom Rezipienten vorausgesetzt wird, um den Kontext und somit auch die Pointe der Satire zu verstehen.

Der zweite Ansatz wäre der Schritt in die Textlinguistik. Anhand von diesem linguistischen Fachbereich kann man darstellen, wie die Satire durch Parodie und Nachahmung von bestimmten Textsorten beim Leser und Rezipienten Assoziationen herbeiruft und somit für das Verstehen einer Pointe Abhilfe schafft. In den folgenden Unterpunkten werden die jeweiligen sprachwissenschaftlichen Theorien vorgestellt.

3.1 Die konversationale Implikatur

Wie bekanntlich spricht man nicht immer das aus, was man mit dem Gesagten wirklich bezwecken will. Man könnte mehr meinen, als man sagt, oder genau das Gegenteil dessen, was man sagt. Dieser sprachwissenschaftliche Problemaufriss gehört zum linguistischen Fachbereich der Pragmatik. Der Philosoph Herbert Paul Grice hat sich bei der konversationalen Implikatur mit genau diesem Thema auseinandergesetzt:

[...]


[1] Süddeutsche Zeitung: abgedruckt in: http://www.sueddeutsche.de/panorama/interview-mit-titanic-autor-martin-sonneborn-wir-reagieren-nur-1.332692, eingesehen am 13.03.2014.

[2] YouTube:http://www.youtube.com/watch?v=ewqbFrbvfEg, eingesehen am 13.03.2014.

[3] Vgl., Stern: abgedruckt in: http://www.stern.de/kultur/buecher/titanic-die-witz-zentrale-594620.html, eingesehen am 13.03.2014.

[4] Der Spiegel: abgedruckt in: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7957214.html, eingesehen am 13.03.2014.

[5] Titanic: abgedruckt in: http://www.titanic-magazin.de/news/liste-beneidenswerter-menschen-6344/, eingesehen am 13.03.2014.

[6] Vgl., Academicworld: abgedruckt in: http://www.academicworld.net/artikel-allgemein/article/gestatten-der-postillon/, eingesehen am 13.03.2014.

[7] Der Postillion: abgedruckt in: http://www.der-postillon.com/, eingesehen am 13.03.2014.

[8] Vgl., Ebd., abgedruckt in: http://www.der-postillon.com/2013/12/botschafter-absurdistans-beklagt-sich.html#more, eingesehen am 13.03.2014

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Linguistik der Satire
Untertitel
Eine sprachwissenschaftliche Herangehensweise
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
20
Katalognummer
V274773
ISBN (eBook)
9783656668183
ISBN (Buch)
9783656668176
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
linguistik, satire, eine, herangehensweise
Arbeit zitieren
Hasan Ermis (Autor:in), 2013, Die Linguistik der Satire, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274773

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