Inverse Stresstests im Risikocontrolling von Banken


Masterarbeit, 2014

56 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abkurzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Formelverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Gesetzliche Grundlagen
1.2 Aktuelle Diskussion

2 Methodische Grundlagen
2.1 Vorgehen
2.2 Risikofaktoren

3 Quantitative inverse Stresstests
3.1 Die Idee des inversen Stresstestings
3.2 Eigenkapitalanforderungen
3.3 Das erweiterte CreditMetrics-Modell nach Grundke
3.3.1 Bewertung des Portfolios im Risikohorizont
3.3.2 Recovery Rate bei Ausfall einer Position
3.4 Stresstestprozedur
3.4.1 Vorgehen
3.4.2 Risikokennziffern
3.4.3 Ergebnisse
3.4.4 Interpretation der Ergebnisse
3.4.5 Zweiter inverser Stresstest zur Verbesserung der Ergebnisse in der Modellumgebung
3.4.6 Dritter Stresstest zur Problembehebung
3.5 Alternativer Ansatz
3.5.1 Vergleich der Ansatze nach Grundke und Druen/Florin
3.5.2 Vorgehen beim Ansatz von Druen/Florin
3.5.3 Risikomessmodelle
3.5.4 Fazit des Vergleichs

4 Qualitative inverse Stresstests
4.1 Vorgehen beim qualitativen inversen Stresstest mit Fehlerbaumen
4.2 Fazit zu qualitativen inversen Stresstests

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Beispiel far Risikofaktoren des Adressrisikos

Abbildung 2: Verdeutlichung des Betrachtungszeitpunkts

Abbildung 3: Der Portfolioverlust bei verschiedenen Auspragungen des Zinsrisikofaktors

Abbildung 4: Der erwartete Portfolioverlust

Abbildung 5: Ausfalle des BBB-Kredits

Abbildung 6: Berechnung des erwarteten Expected Shortfalls

Abbildung 7: Ergebnisdarstellung nach Druen und Florin

Abbildung 8: Fehlerbaum eines qualitativen inversen Stresstests

Abbildung 9: Migrationsmatrix XI

Formel 1: Bestimmung des regulatorischen Eigenkapitals

Formel 2: Berechnung des Expected Loss

Formel 3: Formel zur Ermittlung des IRBA-Risikogewichts

Formel 4: Restlaufkorrekturfaktor im IRBA-Ansatz

Formel 5: Korrelation mit dem okonomischen Faktor

Formel 6: Berechnung der Rendite derNullkuponanleihen im CreditMetrics-Modell

Formel 7: Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ratings bei bestimmtem Firmenwert

Formel 8: Berechnung derVermogensanderungsgrenze

Formel 9: Risk free short rate im Modell von Vasicek

Formel 10: Risk free short rate Gesamtformel

Formel 11: Rendite einer Nullkuponanleihe mit unendlicher Laufzeit

Formel 12: Wert eines Kredites im Risikohorizont H

Formel 13: Wert eines Kredites bei Ausfall und damit einhergehendem D-Rating

Formel 14: Wert des Kreditportfolios im Risikohorizont

Formel 15: Wert einer Nullkuponanleihe im Risikohorizont - formal

Formel 16: Preis einer Triple-A-geratetenNullkuponanleihe

Formel 17: Portfoliowert Vp im Risikohorizont

Formel 18: In Formel 12 eingesetzte Zinsstruktur und Credit Spreads

Tabelle 1: Variablen des IRBA-Ansatzes

Tabelle 2: Uberblick Eigenkapitalanforderungen nach IRBA

Tabelle 3: Einjahrige Migrationswahrscheinlichkeiten eines AA-bewerteten Schuldners

Tabelle 4: Migrationswahrscheinlichkeiten

Tabelle 5: Beispielhaft erzeugte Renditen und zugehoriges Rating

Tabelle 6: Parameter des VASICEK-Modells

Tabelle 7: Ergebnis des inversen Stresstests mit dem Expected Shortfall

Tabelle 8: Ausschnitt aus den Ergebnissen eines angepassten Stresstests

Tabelle 9:Von Experten geschatzte Eintrittswahrscheinlichkeiten

Tabelle 10: Benchmark Spreads und implizite Ausfallwahrscheinlichkeiten

Tabelle 11: Auszug aus dem Ergebnis eines inversen Stresstests - Risikokennziffer ES

1 Einleitung

1.1 Gesetzliche Grundlagen

Stresstesting im Bankensektor ist ein hochaktuelles Thema und wird zwar kontrovers, aber meist nur oberflachlich in den Medien diskutiert. Mit dem Bankenregulierungspaket Basel II haben Stresstests im Regulierungsalltag des Bankensektors Einzug erhalten. Basel II stellt hierbei ein Sammelbegriff fur eine Gesamtheit von Eigenkapitalvorschriften dar, die vom Baseler Ausschuss fur Bankenaufsicht vorgeschlagen wurden. In Deutschland werden diese EU-Richtlinien durch das Kreditwesengesetz, die Solvabilitatsverordnung (SolvV) und die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) angewendet.

Die Regelungen fur Stresstests ergeben sich aus den MaRisk, welche von der Bundesanstalt fur Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erstmals am 20.12.2005 veroffentlicht wurden. Seitdem wurden die Regelungen auch mit den sich noch in der Umsetzung befindlichen Rege­lungen von Basel III weiterentwickelt, erweitert und konkretisiert.

Die Anspruche bezuglich der Art, des Umfangs und der Frequenz von Stresstests sind in dem MaRisk-Modul ,,AT 4.3.3 Stresstests“ festgelegt. Der Umfang und die Frequenz der Stress- tests haben sich demnach aus der Art, dem Ausmafi, der Komplexitat und dem Risikogehalt der Geschaftsaktivitaten zu ergeben.

Des Weiteren gehen aus den MaRisk die von deutschen Kreditinstituten durchzufuhrenden Stresstests hervor. Hiernach sind historische und hypothetische Szenarien darzustellen und die Auswirkungen eines schweren konjunkturellen Abschwungs auf Gesamtinstitutsebene zu ana- lysieren. Mit der MaRisk-Novelle vom 15.10.2010 wurden sogenannte ,,inverse Stresstests“ verbindlich eingefuhrt.[1]

1.2 Aktuelle Diskussion

Zwar gibt es zum Thema der inversen Stresstests eine rege Diskussion, aber verhaltnismafiig wenige wissenschaftliche Veroffentlichungen.

Die meisten Arbeiten stellen die Idee des inversen Stresstestings im Allgemeinen dar, wie z.B. Muller und Schoning[2], welche die aufsichtsrechtlichen Anforderungen zusammenfas- sen, oder Strausberg [3], der ein allgemeines Vorgehen bei der Entwicklung eines Stresstes- ting-Programms vorschlagt, das inverses Stresstesting beinhaltet. Borio et al.[4] erlautern unter anderem die Moglichkeiten des inversen Stresstestings bei makrookonomischen Stresstests. Das Risikomanagement-Framework, welches benotigt wird, um inverse Stresstests durchzu- fuhren, wird von Jorion diskutiert, wobei er jedoch nicht auf inverse Stresstests per se ein- geht.[5] Weitere Arbeiten stammen von Liermann und Klauck[6] sowie Skoglund und Chen[7]. Drei Arbeiten, die explizite inverse Stresstesting-Modelle vorstellen, wurden von Glasser- mann et al.[8] , Grundke[9] und Druen/Florin[10] veroffentlicht. Das Modell von Glassermann et al. basiert auf dem empirischen Likelihood-Schatzer, wie er von Owen in seinem Aufsatz von 1988 eingefuhrt wurde:[11] Mithilfe dieses Schatzers wird der bedingte Erwartungswert der zugrunde liegenden Marktfaktoren geschatzt; gegeben, dass grofie Verluste realisiert werden. Die Modelle von Grundke bzw. Druen und Florin basieren auf den Kreditrisikomanage- mentsystemen CreditMetrics bzw. CreditRisk+ und werden im Folgenden genauer analysiert.

2 Methodische Grundlagen

2.1 Vorgehen

Es gilt grundsatzlich Methodenfreiheit bei der Durchfuhrung von Stresstests. Die Aufsichts- behorden verfolgen mit dieser Freiheit das Ziel, bankinterne, individuelle Uberlegungen zur Ausgestaltung von Stresstests nicht zu behindern, sondern zu fordern.[12] Als Ergebnis dieser Politik fuhrt jedes Institut individuelle Stresstests durch, welche sich deutlich voneinander unterscheiden konnen.

Nichtsdestoweniger lasst sich das grundsatzliche Vorgehen bei der Durchfuhrung von inver- sen Stresstests in vier Schritten beschreiben:[13]

1. Auswahl der Portfolioebene:

Prinzipiell kannjedes denkbare Portfolio einem Stresstest unterzogen werden, solange der Wert der Positionen im Portfolio hinreichend gut geschatzt werden kann. Es sind ver- schiedenste Portfolioebenen denkbar, so zum Beispiel die Unterteilung nach Branchen, Ratingsegmenten, Landern oder Laufzeiten.

2. Festlegung der Risikomessmodelle:

Sofern mehrere Messmodelle fur das Risiko zur Verfugung stehen, muss festgelegt wer­den, welches Modell am geeignetsten fur den Stresstest erscheint.

3. Bestimmung der Risikotreiber:

Risikotreiber sind diejenigen Variablen, welche den Wert der zu bewertenden Assets be- einflussen. In diesem Schritt geht es lediglich um die Identifizierung der Risikoparameter.

4. Ermittlung der Stressausschlage der Risikoparameter:

Anders als bei herkommlichen Stresstests werden bei inversen Stresstests die Parameter- ausschlage gesucht, welche die Bank an den Rand der Geschaftsunfahigkeit fuhren. Die Auspragungen der Risikoparameter stellen hierbei das Ergebnis des inversen Stresstests dar. Dieser Schritt ist der mathematisch aufwendigste Teil und wird ab Kapitel 3.3 aus- fuhrlich dargestellt.

2.2 Risikofaktoren

Beim inversen Stresstest ist der Einfluss von mehreren Risikofaktoren, die gleichzeitig auf den Wert des Portfolios wirken, relevant. In Abbildung 1 ist eine Auswahl an moglichen Risi­kofaktoren aufgelistet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Beispiel fur Risikofaktoren des Adressrisikos. In Anlehnung an Muller & Schoning, 2012.

Diese Risikoparameter determinieren das Risiko eines Kreditportfolios. Eine Anderung eines oder mehrerer der Parameter beeinflussen den Wert des Portfoliorisikos.

In den folgenden Ausfuhrungen soil ein Beispiel-Kreditportfolio aus dem Anlagebuch einer Beispielbank einem inversen Stresstest unterzogen werden.

3 Quantitative inverse Stresstests

3.1 Die Idee des inversen Stresstestings

Wahrend bei regularen Stresstests bestimmte Szenarien auf der Grundlage von historischen Daten und Expertenwissen entwickelt werden, wird beim inversen Stresstesting nach genau den Szenarien gesucht, welche die Bank an den Rand der Geschaftsunfahigkeit fuhren konn- ten. Ein Szenario ist hier als bestimmte Kombination von Realisationen der Risikoparameter definiert. Beim regularen Stresstesting sind die Szenarien existent und die erwarteten Portfo- lioverluste werden aufgrund der Szenario-Annahmen bestimmt. Dagegen sind beim inversen Stresstesting die zur Geschaftsunfahigkeit fuhrenden Verluste bekannt und die Szenarien, welche dazu fuhren konnen, mussen ermittelt werden. Wenn ein oder mehrere Szenarien ge- funden wurden, welche zu einer Gefahrdung der Geschaftsfahigkeit der Bank fuhren konnen, wird das wahrscheinlichste dieser Szenarien genauer analysiert.[14]

Nach AT 4.3.3 (3) der MaRisk konnen inverse Stresstests sowohl qualitativ als auch quantita- tiv durchgefuhrt werden. Hierbei wird nicht weiter definiert, was ein qualitativer Stresstest sein konnte oder wie dieser durchgefuhrt werden soll. Dafur wird explizit darauf hingewiesen, dass die kritische Reflexion eines Stresstests Prioritat hat. Daraus lasst sich schliefien, dass bei inversen Stresstests nicht diejenigen Szenarien relevant sind, welche zu einem vielfachen Uberschreiten der Grenze zur Geschaftsunfahigkeit einer Bank fuhren, sondern die Szenarien, welche die Bank an den Rand zwischen Geschaftsfahigkeit und dem Unterschreiten der ge- setzlichen Anforderungen bzw. dem Verlust der Liquiditat fuhren konnen.

Inverse Stresstests stellen ein weiteres Instrument des Risikocontrollings dar, mit dem die Risikosituation der Bank genauer eingeschatzt werden kann. Sie sind zusatzlich eine geeigne- te Methode, um die Plausibilitat der Annahmen zu den regularen Stresstests zu uberprufen.[15]

Im Folgenden wird ein Verfahren zum inversen Stresstesting vorgestellt, welches auf den Me- thoden der von J. P. Morgan entwickelten CreditMetrics-Systematik aufbaut.

Die CreditMetrics-Systematik ist ein Bottom-Up-Ansatz. Das bedeutet, dass die Wechselwir- kungen der verschiedenen Risikofaktoren eines Portfolios auf der Ebene der einzelnen Fi- nanzinstrumente modelliert werden konnen und das Kreditrisiko ohne die Zuhilfenahme von Copulas oder ahnlichem beziffert werden kann.[16] Es konnen alle Finanzinstrumente in das Modell implementiert werden, welche bewertbar sind und deren Wert mit der Veranderung der Risikofaktoren variiert. Der besondere Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass der Ein- fluss von verschiedenen Risikotypen auf den Wert eines aus Finanzinstrumenten bestehenden Portfolios miteinbezogen werden kann. Genau diese Eigenschaft qualifiziert das Modell fur den Einsatz im Rahmen von inversen Stresstests. Es konnen demnach Szenarien gefunden werden, die durch mehrere Risikofaktoren definiert werden. Bei einem aus Zero-Coupon- Bonds bestehenden Portfolio haben das Marktrisiko sowie das Kreditrisiko einen starken Ein- fluss auf den Wert der Papiere. Es sollen im Folgenden Szenarien gefunden werden, welche Kombinationen aus Risikotreibern des Marktrisikos und Risikotreibern des Kreditrisikos her- vorbringen, die eine Bank an den Rand der Geschaftsunfahigkeit fuhren konnen.[17]

Fur einen exemplarischen Stresstest werden folgende Annahmen getroffen:

1. Auswahl der Portfolioebene:

Ein Kreditportfolio aus dem Anlagebuch einer Beispielbank, bestehend aus drei Kredit- nehmern mit folgenden Kreditrahmen und Ratings:

2. Festlegung der Risikomessmodelle:

Bottom-Up-Ansatz auf Grundlage der CreditMetrics-Systematik

3. Bestimmung der Risikotreiber:

Xr: Zinsrisikofaktor (Risikotreiber fur das Marktrisiko)

Z: Systemischer Kreditrisikofaktor (Risikotreiber fur das Kreditrisiko)

£n: spezifisches Kreditrisiko

4. Ermittlung der Stressausschlage der Risikoparameter:

Die Stressausschlage der Risikoparameter sind das Ergebnis des inversen Stresstests.

Der nachfolgend durchgefuhrte Ansatz eines inversen Stresstests, wie er ursprunglich von Grundke vorgeschlagen wurde, wird in dieser Arbeit an verschiedenen Stellen abgewandelt und erweitert. Ein wichtiger Unterschied zu Grundke sind die naher an der Realitat gehalte- nen Annahmen zu den Eigenkapitalanforderungen einer Bank, welche, wie vielfach in der Literatur zu regularen Stresstests, mithilfe des IRB-Ansatzes (Internal Ratings Based Ap­proach) ermittelt werden. Eine weitere Abwandlung stellt die Annahme bezuglich der Credit Spreads dar, welche Grundke als multivariat standardnormalverteilte Zufallsvariablen defi- niert. In dieser Arbeit werden die Benchmark Spreads, die von Reuters zur Verfugung ge- stellt werden, als Datengrundlage fur die Credit Spreads der Kreditnehmer im Beispielportfo- lio genutzt. Des Weiteren wurde der Ansatz nach Grundke dahingehend erweitert, dass Port­folios aus Glaubigern verschiedener Ratingklassen einem gemeinsamen Stresstest unterzogen werden konnen und keine separaten Stresstests fur jede einzelne Ratingklasse durchgefuhrt werden mussen. Gemischt bewertete Portfolios konnen dadurch einem Stresstest unterzogen werden. Die Methodik unterscheidet sich bei dieser Erweiterung nicht von der ursprunglichen, es ist jedoch ein komplexerer Programmieraufwand notwendig. Das genaue Vorgehen wird im Folgenden erortert.

3.2 Eigenkapitalanforderungen

Wie oben erwahnt, sollen Auspragungen der Risikoparameter gefunden werden, welche die Beispielbank an den Rand der Geschaftsunfahigkeit bringen wurden. Hierfur muss in einem ersten Schritt definiert werden, wann die Bank geschaftsunfahig wird. Dies konnte z. B. ein- treten, wenn die Bank illiquide wird und ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann oder wenn das Institut die regulatorischen Eigenkapitalanforderungen nicht mehr erfullt. Fur diesen Stresstest soll die regulatorische Eigenkapitalausstattung als Kriterium fur die Ge- schaftsfahigkeit der Bank dienen. Sollte also eine bestimmte Kombination von Risikoparame- [18] terauspragungen gefunden werden, die dazu fuhrt, dass die Bank an die Grenze der Minde- steigenkapitalreserve gelangt, ist ein plausibles inverses Stresstestszenario gefunden. Dafur muss zunachst das regulatorische Eigenkapital der Beispielbank ermittelt werden.

Laut SolvV muss ein Institut uber angemessene Eigenkapitalreserven zur Unterlegung des Risikos verfugen.[19] Eine angemessene Eigenkapitalausstattung ist dann gegeben, wenn die Risikopositionswerte des Adressrisikos, des operationellen Risikos sowie des Marktrisikos die 12,5-fache Summe des haftenden Eigenkapitals nicht uberschreiten.[20] Das bedeutet im Um- kehrschluss, dass fur die aufgefuhrten Risiken mindestens 8 % Eigenkapital hinterlegt sein muss.

Formel 1: Bestimmung des regulatorischen Eigenkapitals

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die SolvV schreibt den Instituten vor, wie die Risikopositionswerte zu berechnen sind, mit denen die Eigenkapitalanforderungen bestimmt werden.

Die Unterlegungsbetrage fur das Kreditrisiko werden mithilfe des Expected Loss (EL) sowie dem Unexpected Loss (UL) ermittelt:

Formel 2: Berechnung des Expected Loss:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Unexpected Loss berechnet sich aus einer Bemessungsgrundlage, welche mit dem aus- fallgewichteten IRBA-Risikogewicht (Internal Ratings Based Approach) gewichtet wird. Das ausfallgewichtete Risikogewicht wird mit folgender Formel ermittelt:

Formel 3: Formel zur Ermittlung des IRBA-Risikogewichts

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Variablen des IRBA-Ansatzes

Mit

Formel 4: Restlaufkorrekturfaktor im IRBA-Ansatz[21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Formel 5: Korrelation mit dem okonomischen Faktor

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zuerst muss die Korrelation mit dem okonomischen Faktor R berechnet werden. Dafur muss eine zusatzliche Annahme uber die Hohe des Jahresumsatzes der Kreditnehmer getroffen werden. Es wird angenommen, dass der Jahresumsatz keines der Kreditnehmer 50 Mio. € uberschreitet. In diesem Fall werden die Kreditnehmer den kleinen und mittelstandischen Un- ternehmern (KMU) zugeordnet, sodass der Korrelationsabschlag fur KMU berucksichtigt werden kann.[22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[23]

Fur den Kreditnehmer A ware folgende Eigenkapitalausstattung notwendig:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Restlaufkorrekturfaktor fur den Kreditnehmer A berechnet sich wie folgt:[24]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Damit kann das IRBA-Risikogewicht ermittelt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit diesem Risikogewicht wird die Bemessungsgrundlage multipliziert, um den risikogewich- teten Positionswert zu erhalten. Die Bemessungsgrundlage ist hier der Kreditrahmen. Fur den Kreditnehmer A ware das:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Fur das gesamte Kreditportfolio der Beispielbank ergeben sich somit Eigenkapitalanforderun- genvon 3,66 €.

Fur die Berechnung der Eigenkapitalanforderungen wurde hier eine globale homo gene Ver- lustquote (LGD) von 0,75 fur das Kreditportfolio angenommen.[25] Die Ausfallwahrscheinlich- keiten (PD) wurden mithilfe einer Migrationsmatrix bestimmt.[26]

Tabelle 2: Uberblick Eigenkapitalanforderungen nach IRBA

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[27]

Um das Ergebnis des folgenden Stresstests bewerten zu konnen, sei hier ein haftendes Eigen- kapital der Beispielbank in Hohe von 20,00 € angenommen. Sie hatte damit einen Eigenkapi- talpuffer i.H.v. 16,34 €, der aufgezehrt werden kann, bevor die Bank an die 8%-Grenze stofit. Geeignete Stresstestszenarien waren dann gegeben, wenn die Summe aus dem erwarteten Portfolioverlust und dem okonomischen Bankeigenkapital[28] den Kapitalpuffer aufzehrt. Die­ses Eigenkapital konnte alternativ als Risikodeckungskapital interpretiert werden, welches zur Deckung der Risiken des Beispielportfolios zur Verfugung steht, es ware dann nur ein Teil 2Q des Eigenkapitals der gesamten Bank.[29]

Im Folgenden wird die Annahme getroffen, dass die Kredite im Beispielportfolio wie Nullku- ponanleihen strukturiert sind, was bedeutet, dass die Kreditnehmer eine bestimmte Kreditaus- zahlung erhalten und am Laufzeitende eine hohere Summe zuruckzahlen mussen. Die hohere Ruckzahlung umfasst die Tilgung sowie die Zinszahlungen. Weiterhin wird angenommen, dass die Kredite einem variablen Zinssatz unterliegen, wodurch das Portfolio ein Marktrisiko hat. Der Portfoliowert kann dadurch mit dem CreditMetrics-Ansatz bestimmt werden.

3.3 Das erweiterte CreditMetrics-Modell nach Grundke

3.3.1 Bewertung des Portfolios im Risikohorizont

Um den erwarteten Portfolioverlust am Risikohorizont zu bestimmen, verwendet Grundke ein erweitertes CreditMetrics-Modell, welches das korrelierte Zinsrisiko (Marktrisiko) und Credit-Spread-Risiko (Kreditrisiko) aufzeigt. Er konzentriert sich auf ein Mark-to-market- Modell, bei dem die Kreditwurdigkeit eines Schuldners n im Risikohorizont H an dessen Ra­ting gemessen wird. Die Rendite R auf ns Anlagen wird durch folgendes lineares Zwei- Faktoren-Modell erklart[30]:

Formel 6: Berechnung der Rendite der Nullcouponanleihen im CreditMetrics-Modell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wobei Z, Xr, und ei,..., £ngegenseitig unabhangige, standardnormalverteilte Zufallsvariablen sind. En ist das spezifische Kreditrisiko, Xr steht fur den Zinsrisikofaktor und Z steht fur einen systemischen Kreditrisikofaktor. Er kann als Eigenkapitalrisikofaktor verstanden werden, als makrookonomische Variable oder als Aggregation verschiedener systemischer Risikofakto- ren. Das Rating des Schuldners im Risikohorizont wird durch die Rendite innerhalb des Zeit- raumes von 0 bis H bestimmt. Aus der Formel 6 geht eine Korrelation pR = corr{Rn,Rm),n A m zwischen den einzelnen Renditen selbst und eine Korrelation zwischen den Renditen und dem Zinsrisikofaktor Xr hervor: pXr,R = corr{Rn,Xr),n A m. Xr ist auch diejenige Zufallsvariable, welche die Terminstruktur des risikolosen Zinssatzes be- stimmt.[31] Eine genauere Erlauterung folgt unten. Die Korrelation findet hier jedoch Erwah- nung, um zu verdeutlichen, dass in diesem Modell die einzelnen Renditen miteinander korre- liert sind, womit Portfolioeffekte berucksichtigt werden.[32]

Die Renditen der Kredite spielen eine zentrale Rolle im Stresstesting-Prozess, da die erwartete Rendite im Risikohorizont das Rating des Kreditnehmers und die damit verbundenen erwarte- ten Wertanderungen bestimmt. Dieses Mapping von Renditen und damit verbundenen Ratin­ganderungen ist eine Kernleistung des CreditMetrics-Ansatzes, welches ein Vertreter der As- set-Value-Modelle ist. Es wird dazu genutzt, um bedingte Wahrscheinlichkeiten von Ra- tingupgrades, Ratingdowngrades sowie Ausfallen von Bonds zu modellieren. Dieser Ansatz wird verfolgt, da es in der Realitat schwierig ist, diese bedingten Wahrscheinlichkeiten direkt zu schatzen, beispielsweise wegen des Mangels an empirischen Daten zu gemeinsamen Kre- ditausfallen (Joint Defaults). Das Asset-Value-Model schatzt die Wahrscheinlichkeiten daher indirekt.[33]

In einem ersten Schritt wird dazu angenommen, dass den Ratinganderungen ein Prozess zu- grunde liegt, welcher entgegen den realen Begebenheiten, die die Ratinganderungen auslosen, beobachtbar und bekannt ist. In einem zweiten Schritt werden die Parameter fur diesen Pro­zess geschatzt.[34] Als Prozess, welcher die Veranderungen im Kreditrating bestimmt, wird hier der Vermogenswert der bewerteten Firma unterstellt. Der Wert des Vermogens einer Firma namlich hangt mit der Fahigkeit der selbigen zusammen, seine Kreditoren bedienen zu kon- nen. So wird angenommen, dass es fur das Unternehmen unmoglich wird, seine Schulden zu bedienen, wenn der Wert des Vermogens unter einer bestimmten Grenze liegt. Dies hatte die Insolvenz zur Folge. Mit derselben Argumentation werden bestimmte Grenzen bestimmt, in welchen der Vermogenswert liegen muss, um einem bestimmten Rating zu entsprechen. Spe- ziell werden die Vermogenswerte einer Firma in der nachsten Periode geschatzt und dement- sprechend ein Rating zugeordnet. Vorerst wird nur angenommen, dass dieser Zusammenhang existiert und die Wertgrenzen an sich noch unbekannt sind.[35]

Ware die Wertgrenzen einer Firma schliefilich bekannt, musste allein die Wertanderungen modelliert werden, um die Ratingentwicklung zu beschreiben. Um dies zu bewerkstelligen wird angenommen, dass die prozentualen Vermogenswertanderungen (bzw. Renditen) nor- malverteilt sind, einen Mittelwert von p und eine Standardabweichung von o haben.[36] Die Renditen werden im spateren Verlauf des Verfahrens mittels Monte-Carlo-Simulation simuliert. Das bedeutet, dass die Zufallsvariablen in der Renditeformel 6 D-mal neu berechnet und die Ergebnisse festgehalten werden. D stellt damit die Anzahl an Simulationen dar, und D unterschiedlich ausgepragte Renditen werden erzeugt.

Tabelle 3: Einjahrige Migrationswahrscheinlichkeiten eines AA- bewerteten Schuldners. In Anlehnung an Gupton, Finger, & Bhatia, 1997, S. 87

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im nachsten Schritt wird jedoch zu- nachst die Verbindung zwischen den Vermogenswertanderungen und dem Rating hergestellt. Als Grundlage wird eine einjahrige Ubergangsmatrix fur Ratingande- rungen[37] genutzt.

Wie oben erwahnt, mussen Vermo- gensanderungsgrenzen (ZDef, Zccc, ZBbb etc.) existieren, fur die gilt, dass wenn Rn<ZDef ausfallt, der Schuldner insolvent geht bzw. der Schuldner auf CCC abgewertet wird wenn ZDef<Rx<ZCCC. steht hier fur die Renditen auf das Vermogen (die Vermogenswertanderungen) von Kreditnehmer A. Da angenommen wurde, dass die Renditen normalverteilt sind, konnen die Wahrschein- lichkeiten, dass diese Falle eintreten, berechnet werden:

Formel 7: Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ratings bei bestimmtem Firmenwert

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Vermogenswertgrenzen fur die einzelnen Ratinganderungen sind in der dritten Spalte von Tabelle 3 aufgefuhrt. Um die Verbindung zu vollenden, muss die Feststellung, dass die Wahr- scheinlichkeiten der zweiten und dritten Spalte der Tabelle 3 gleich sein mussen, umgesetzt und der Term nach der Vermogenswertgrenze aufgelost werden:

Formel 8: Berechnung der Vermogensanderungsgrenze, welche unterschritten werden muss, damit der Glaubiger mit D bewertet wird und mit hoher Wahrscheinlichkeit ausfallt bzw. in die Ratingklasse CCC fallt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Vermogenswertgrenzen (Thresholds) stellen Obergrenzen dar, welche unterschritten werden mussen, damit die im Subskript stehende Ratingklasse realisiert wird.

Die eigentliche Leistung des Asset-Value-Modells liegtjedoch in der gemeinsamen Modellie- rung eines ganzen Portfolios mit den dazugehorigen Korrelationen. Dazu wird ein zweiter Schuldner, der ein BBB-Rating innehat, ins Portfolio aufgenommen, dessen Renditen R2 auch standardnormalverteilt sind mit einer Standardabweichung von o‘ und einem Mittelwert von p‘. Die Vermogenswertgrenzen werden mit Z‘AA usw. betitelt. Fur den dritten Kreditnehmer mit einem Triple-A-Ausgangsrating wird analog vorgegangen.

Tabelle 4: Migrationswahrscheinlichkeiten und dazugehorige Vermogenswertanderungsgrenzen fur einen mit BBB bewerte- ten Schuldner. In Anlehnung an Gupton, Finger, & Bhatia,

Die Korrelation pR der einzelnen Rendi­ten Rnuntereinander wird als fix und hier in Anlehnung an Grundke mit dem Wert 0,1 angenommen. Die Standardabwei­chung a spielt im Asset-Value-Modell keine Rolle, da das Kreditrisiko Rating- abhangig ist und fur jeden Kreditnehmer eines Ratings dasselbe ist.

[...]


[1] Vgl. BaFin, 2012, AT 4.3.3 Stresstests.

[2] Vgl. Muller & Schoning, 2012.

[3] Vgl. Strausberg, 2012, S. 308.

[4] Vgl. Borio, Drehmann, & Tsatsaronis, 2012, S. 16.

[5] Vgl. Jorion, 2009, S. 932.

[6] Vgl. Liermann & Klauck, 2009.

[7] Vgl. Skoglund & Chen, 2009.

[8] Vgl. Glassermann, Kang, & Kang, 2012.

[9] Vgl. Grundke, Reverse stress tests with bottom-up approaches, 2011.

[10] Vgl. Druen & Florin, 2010.

[11] Vgl. Owen, Empirical likelihood ratio confidence intervals for a single functional, 1988; Owen, Empirical Likelihood, 2001.

[12] Vgl. Bundesbank, 2007, S. 4.

[13] Vgl. Muller & Schoning, 2012, S. 52.

[14] Vgl. Grundke, Reverse stress tests with bottom-up approaches, 2011, S. 72; Basel Committee on Banking Supervision, 2009, S. 14.

[15] Vgl. Grundke, Risk measurement with integrated market and credit portfolio models, 2005; Mahlknecht, 2007.

[16] Vgl. Gupton, Finger, & Bhatia, 1997, S. 1.

[17] Vgl. Grundke, Reverse stress tests with bottom-up approaches, 2011, S. 76.

[18] Vgl. Grundke, Reverse stress tests with bottom-up approaches, 2011, S. 81ff.

[19] Vgl. § 2 Abs. 2 SolvV i.V.m. §§ 269 - 293 SolvV.

[20] Vgl. § 2 Abs. 6 SolvV.

[21] Die Werte werden in der SolvV vorgegeben. Siehe bspw.: <http://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aufsichtsrecht/dl_solvv_anl2_ab_101231_ba.pdf? blob=pu blicationFile>, Formel 4 [19.01.2014].

[22] Vgl.§91Abs. 1, 2 SolvV.

[23] Vgl. Anlage 2, Formel 2 SolvV.

[24] Da der Parameter Mlaut § 96 Abs. 1 Nr. 4 SolvV den Wert „2,5“ erhalt.

[25] Vgl. Muller & Schoning, 2012, S. 54.

[26] Vgl.Klauck,2006, S. 110.

[27] Korrelation mit dem okonomischen Faktor.

[28] Das okonomische Bankeigenkapital ist Eigenkapital, das von einer Bank selbst als notwendig erachtet wird bzw. auf Grund eines umsichtigen Risikomanagements als notwendig angesehen werden sollte (bankinterne Eigenkapitalanforderung). Das okonomische Bankeigenkapital wird mithilfe eines Risikomafies bestimmt. In diesem Fall wird das okonomische Bankeigenkapital als Expected Shortfall bzw. CVaR und dem VaR bestimmt.

[29] Vgl. Druen & Florin, 2010, S. 6.

[30] Vgl. Grundke, Reverse stress tests with bottom-up approaches, 2011, S. 78.

[31] Vgl. Grundke, Reverse stress tests with bottom-up approaches, 2011, S. 77f.

[32] Vgl. Wahrenburg &Niethen, 2000, S. 5.

[33] Vgl. Gupton, Finger, & Bhatia, 1997. S. 85.

[34] Vgl. ebd.

[35] Vgl. Gupton, Finger, & Bhatia, 1997. S. 86.

[36] Vgl. ebd.

[37] Transition Matrices werden von Ratingagenturen veroffentlicht. Sie werden auf der Grundlage von historisch beobachteten Ratingveranderungen und Ausfallen erstellt. In dieser Arbeit wird mit einer Transition Matrix von Fitch gearbeitet, welche aufDaten der Jahre 1990-2012 beruht. Vgl. Fitch Ratings, 2013, S. 7.

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Details

Titel
Inverse Stresstests im Risikocontrolling von Banken
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Lehrstuhl für Finanzierung und Banken)
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
56
Katalognummer
V274573
ISBN (eBook)
9783656663874
ISBN (Buch)
9783656664468
Dateigröße
1754 KB
Sprache
Deutsch
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Schlagworte
inverse, stresstests, risikocontrolling, banken
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Alexander Herndl (Autor:in), 2014, Inverse Stresstests im Risikocontrolling von Banken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274573

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Titel: Inverse Stresstests im Risikocontrolling von Banken



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