Die staatlichen B-Waffenprogramme der USA, der Sowjetunion und des Irak


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Biowaffenprogramm der USA
2.1 Die Anfänge des US-Biowaffenprogramms
2.2 Das biologische Aufrüsten im Kalten Krieg
2.3 Das Ende des offensiven Biowaffenprogramms
2.4 Das B-Waffen-Abwehrprogramm und die "Dual Use"-Problematik

3. Das Biowaffenprogramm der ehemaligen Sowjetunion
3.1 Der Start des sowjetischen Biowaffenprogramms
3.2 Der Ausbau des Biowaffenprogramms im Kalten Krieg
3.3 "Enzym" und "Biopreparat"
3.4 Aufdeckung und "Ende" des geheimen Biowaffenprogramms

4. Das BC-Waffenprogramm des Irak
4.1 Überblick über das BC-Waffenprogramm des Irak
4.2 Der Zweite Golfkrieg und das Ende des BC-Waffenprogramms
4.3 Ungereimtheiten und Zweifel

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Biologische Waffen gehören zu den gefährlichsten Massenvernichtungswaffen, die jemals von der Menschheit entwickelt wurden. Schon früh erkannte man den militärischen Nutzen bestimmter Bakterien, Viren und Toxinen, die den Feind handlungsunfähig machen oder gar töten konnten. So setzten bereits die Tataren im Jahr 1346 Beulenpestleichen ein, um die Stadt Kaffa am schwarzen Meer einzunehmen.[1] Das erste groß angelegte staatliche Programm zur Erforschung und Herstellung biologischer Waffen startete dann zu Beginn der 30er Jahre das Kaiserreich Japan. Unter dem Mikrobiologen Shiro Ishii entstand unter dem Namen "Einheit 731" ein riesiger Komplex mit dem Zweck, Erreger wie Anthrax, Pest oder Cholera militärisch nutzbar zu machen.[2]

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Biowaffenprogrammen, die von staatlicher Seite in Auftrag gegeben wurden, um gegenüber anderen Staaten einen militärischen Vorteil zu erringen. So beschäftigten sich neben Japan unter anderem auch Großbritannien, die USA, die Sowjetunion und der Irak mit der Herstellung und Entwicklung biologischer Kampfstoffe und Waffen. In dieser Arbeit sollen die seit dem Projekt der Japaner wohl umfangreichsten Biowaffenprogramme beschrieben und miteinander verglichen werden, nämlich die der USA, der ehemaligen Sowjetunion und des Irak. Auch wenn die Erforschung und Entwicklung biologischer Waffen seit dem Biowaffenübereinkommen (BTWC) von 1972 geächtet ist, haben etwa die Sowjetunion und der Irak weiterhin an ihren offensiven Biowaffenprogrammen festgehalten, bzw. neue ins Leben gerufen. Auch bezüglich der USA fanden sich in den letzten Jahren immer wieder Hinweise darauf, dass die Arbeit an diesen Waffen nie endgültig eingestellt wurde.

Zunächst soll das Biowaffenprogramm der USA behandelt werden. Dazu wird zunächst geschildert, wie das offensive Programm zur Entwicklung biologischer Waffen begann, bevor dann der Ausbau während des Kalten Krieges erörtert wird. Danach wird beschrieben, wie es zum Ende des offensiven Programms kam und letztendlich soll aufgeführt werden, inwieweit auch danach an kritischen Projekten gearbeitet wurde und noch wird, die als ein erneuter Versuch gedeutet werden könnten, neue biologische Waffen zu entwickeln. Im zweiten Kapitel dieser Arbeit soll dann das Biowaffenprogramm der ehemaligen Sowjetunion vorgestellt werden. Auch hier soll zunächst das Entstehen des Programms geschildert werden, bevor dann die biologische Aufrüstung zur Zeit des Kalten Krieges abgehandelt wird, wobei vor allem das Projekt "Enzym" und der Komplex "Biopreparat" eine entscheidende Rolle spielten. Abschließend soll aufgezeigt werden, wie der Westen von dem streng geheimen Biowaffenprogramm der UdSSR erfuhr. Zudem sollen kurz einige Fakten angeführt werden, die darauf hinweisen, dass auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion weiterhin in russischen Einrichtungen an Biowaffen geforscht wurde. Im dritten Kapitel werden dann die Bio- und Chemiewaffenprogramme des Irak vorgestellt. Hier soll zunächst ein Überblick über Entstehung und Umfang der Programme gegeben werden. Danach werden die Umstände des offiziellen Stopps der Programme geschildert, bevor dann die Offenlegung und die Zweifel des Westens an der Beendigung dieser behandelt wird. Als Abschluss dieser Arbeit soll nach der Darlegung der bekannten Fakten die Frage beantworten werden, inwieweit heute die Gefahr besteht, dass die genannten Staaten noch immer biologische Waffen besitzen oder entwickeln und diese vielleicht sogar einsetzen könnten.

An Arbeiten zu diesem Thema ist vor allem die von Alibek und Handelman[3] zu nennen. Ken Alibek war zwischen 1988 und 1992 Erster Stellvertretender Direktor von Biopreparat, bevor er in den Westen floh.[4] Die Arbeit bietet durch Alibeks Mitarbeit an dem sowjetischen Biowaffenprogramm detaillierte Einblicke in das Geschehen und ist somit eine verlässliche und umfangreiche Informationsquelle. Außerdem zu nennen ist die Arbeit von Langbein u.a.[5], die eine gute Darstellung vor allem des amerikanischen Biowaffenprogramms bietet. Außerdem wird hier zusätzlich ein guter Überblick über die Programme der Sowjetunion und des Irak gegeben. Als weitere Arbeit zu dem Thema ist die von Kiper und Streich[6] zu nennen, in der sich zwei kurze Kapitel den problematischen Forschungen in den USA und der Sowjetunion nach Unterzeichnung der Biowaffenkonvention widmen. Hinsichtlich des

BC-Waffenprogramms des Irak ist vor allem auch die Arbeit von Möller[7] interessant, die vor allem einen guten Überblick über die verschiedenen Einrichtungen zur Entwicklung und Produktion biologischer und chemischer Waffen im Irak bietet.

2. Das Biowaffenprogramm der USA

2.1 Die Anfänge des US-Biowaffenprogramms

Die USA begannen als letzte der Großmächte mit der Entwicklung biologischer Waffen. Der damalige amerikanische Kriegsminister Harry L. Stimson ließ 1941 durch die National Academy of Sciences ein Gremium gründen, das sich mit der Forschung an biologischen Kampfstoffen beschäftigen sollte. Nach dem Angriff Japans auf Pearl Harbour und dem damit verbundenen Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg wurde 1942 der War Research Service (WRS) gegründet. Dieser stand unter der Leitung des Pharmaunternehmers George W. Merck und hatte den Zweck, das Biowaffenprogramm der USA zu koordinieren. Allerdings wurde der zivile WRS kurze Zeit später aufgelöst und das Programm zur Herstellung biologischer Waffen ging in die Hände des Kriegsministeriums über. Der Chemical War Service (CWS) übernahm nun die Verantwortung für das Programm und war zuständig für die Herstellung der biologischen Kampfstoffe, die Beschaffung von Informationen und Nachrichten und die Abwehrmaßnahmen.[8]

1943 begannen auf dem ehemaligen Luftwaffenstützpunkt in Camp Detrick, Maryland vier große Anlagen mit der Produktion von biologischen Kampfstoffen. Die verschiedenen Anlagen widmeten sich unter anderem der Produktion von Botulinumtoxin, der Züchtung von Anthraxsporen und eines Anthraxsimulanten, der Herstellung von Pflanzenpathogenen und der Produktion von Brucella-Bakterien. Hinzu kamen viele weitere biologische Kampfstoffe, die in Camp Detrick hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Waffe erforscht wurden. Von besonderem Interesse für die Forscher in Camp Detrick war jedoch der Erreger Anthrax. So wurden die eigentlich harmlosen Anthraxsimulanten, mit denen sich die Ausbreitung des echten Bakteriums simulieren lässt, in Bomben verschiedener Größen getestet. Die biologischen Kampfstoffe, die in Camp Detrick erforscht wurden, sollten verschiedene Bedingungen erfüllen. So sollten etwa Kampfstoffe entwickelt werden, die bereits in kleinen Mengen zum Tode führen, die Gegner nur kurzzeitig handlungsunfähig machen oder nicht von Mensch zu Mensch übertragbar sind. Die amerikanischen Biowaffenforscher waren auch die ersten, die sich mit der Entwicklung von Aerosolen, feinen Sprühnebeln, beschäftigten, um die biologischen Kampfstoffe über die Luft verteilen zu können. Die damit verbundene Verarbeitung der Stoffe zu Pulver gelang den Wissenschaftlern jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg.[9]

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gelang es den USA, ein beachtliches Programm zur Herstellung biologischer Waffen aufzubauen. Waren ursprünglich 3,5 Millionen US-Dollar für die Herstellung biologischer Waffen zur Verfügung gestellt worden, so hatten die USA bis zum Ende des Krieges bereits 60 Millionen US-Dollar für das Programm aufgewandt.[10]

2.2 Das biologische Aufrüsten im Kalten Krieg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs führten die USA die Erforschung und Entwicklung biologischer Waffen konsequent fort, wohl auch aufgrund der Angst vor dem sowjetischen Biowaffenprogramm. So gab es offiziell nur vage Hinweise auf die Entwicklung biologischer Waffen durch die Sowjetunion, die jedoch von der Presse aufgegriffen wurden, um die Öffentlichkeit zu warnen und in Angst zu versetzen. Deutlich wurde von der Entwicklung biologischer Waffen durch die Sowjets und deren Absicht berichtet, diese gegen Soldaten und Zivilisten im Westen einzusetzen. Allerdings dienten die Rüstungsanstrengungen im biologischen Bereich wohl auch dazu, selbst die Vormachtstellung auf dem Gebiet biologischer Kriegsführung zu erringen.[11]

1946 wurde dann auch die amerikanische Öffentlichkeit durch das US-Kriegsministerium über die Existenz eines Programms zur Herstellung biologischer Waffen informiert. Man versuchte das amerikanische Volk zu beruhigen, indem man auf die Vorsichtsmaßnahmen aufmerksam machte, um den Schutz der Menschen vor Infektionen sicherzustellen. Zudem wies man darauf hin, dass es in den verschiedenen Labors zu lediglich sechzig Unfällen mit biologischen Kampfstoffen gekommen sei, bei denen es keinen einzigen Todesfall gegeben hätte. In den folgenden Jahren wurde in den geheimen Anlagen weiter verstärkt an der Entwicklung von biologischen Waffen gearbeitet. So war man nach Ende des Zweiten Weltkriegs unter anderem an umfangreiches Material aus dem japanischen Biowaffenprogramm gelangt, das den USA durch den japanischen General Shiro Ishii übergeben wurde. Außerdem wurden die Anlagen in Camp Detrick modernisiert und erweitert und 1950 gab der amerikanische Kongress seine Zustimmung für den Bau einer zweiten großen Anlage zur Herstellung biologischer Waffen in Pine Bluff, Arkansas. Die Anlage besaß unter anderem zehn Fermentierungsanlagen zur Herstellung biologischer Kampfstoffe. Ab 1954 waren in Pine Bluff 858 Mitarbeiter beschäftigt, die zunächst an der Herstellung von Brucellose- und Tularämieerregern arbeiteten, später dann auch an der Herstellung von Botulinumtoxin und Anthrax. Zum amerikanischen Arsenal an biologischen Kampfstoffen kamen bald auch die Pest, Cholera, Q-Fieber und weitere Erreger hinzu.[12]

Auch der Ausbruch des Koreakriegs war ab 1950 für den Ausbau des amerikanischen Biowaffenprogramms verantwortlich. Während des Koreakriegs gab es auch Hinweise dafür, dass die USA hier biologische Waffen einsetzten. So kam es etwa zu Beginn des Jahres 1952 in Nordkorea zu einem verstärkten Aufkommen pestübertragender Flöhe, wobei eine natürliche Vermehrung aufgrund des Klimas in dieser Region weitestgehend ausgeschlossen werden kann. Zudem beschuldigte Nordkorea im gleichen Jahr die USA, mit Milzbrand infizierte Insekten sowie durch Cholera kontaminiertes Stroh und Muscheln über Nordkorea abgeworfen zu haben. Die Anschuldigungen wurden durch die USA jedoch dementiert und als kommunistische Propaganda bezeichnet.[13] Die USA bestätigten allerdings schon während des Koreakriegs den Besitz biologischer Waffen.

In den 50er Jahren beschäftigten sich die amerikanischen Biowaffenforscher auch zunehmend mit Viren. So wurden unter anderem Tests mit Gelbfieber-Viren durchgeführt, die durch gezüchtete Moskitos übertragen werden sollten. Es wurden auch nicht infizierte Moskitos in den USA freigelassen, um zu überprüfen, inwieweit sich ein Erreger durch diese verbreiten lassen könnte. Zudem plante man die Verbreitung der Moskitos durch Flugzeuge, Raketen und Bomben. Auch mit Flöhen und Fliegen wurde gearbeitet, mit denen etwa Cholera oder Milzbrand hätte übertragen werden können. Auch an Menschen wurden in den USA biologische Kampfstoffe getestet. So ließen sich 1955 in Camp Detrick Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Adventisten freiwillig dem Erreger des Q-Fiebers aussetzen, um so den Militärdienst zu umgehen, den sie aus religiösen Gründen verweigerten. Die Versuche fanden unter medizinischer Aufsicht und der Einnahme von Antibiotika statt. Die Versuche an den Freiwilligen, die sich Aerosolen aus den Erregern aussetzten, zeigten den Wissenschaftlern, dass diese besonders gut für die Verbreitung der biologischen Kampfstoffe geeignet waren. In den 50er Jahren fanden Versuche an Menschen jedoch nicht nur an Freiwilligen statt. So wurden in den gesamten USA geheime Tests mit Simulanten biologischer Kampfstoffe durchgeführt, um die Verbreitung dieser im Ernstfall vorhersagen zu können. Mit speziellen Messgeräten ließ sich die Ausbreitung der Erreger messen. 1950 etwa wurde durch zwei Schiffe der US-Navy eine große Menge des Bakteriums Serratia marcescens vor der Küste von San Francisco versprüht. Die Messergebnisse zeigten, dass etwa 800.000 Menschen in einem Gebiet von 117 Quadratmeilen dem Bakterium ausgesetzt wurden. Obwohl das Bakterium als eigentlich harmlos angesehen wurde, kam es wenige Tage nach dem Test bei elf Anwohnern zu Krankheitssymptomen, wobei einer der Infizierten sogar starb. 1957 kam es im ganzen Land zu weiteren Tests mit Simulanten, wobei Erreger sowohl in ländlichen Gebieten als auch in Großstädten durch Sprühflugzeuge oder speziell umgebaute Autos freigesetzt wurden. Diese Tests zeigten den US-Wissenschaftlern und Militärs erneut den riesigen Verbreitungsradius der Erreger. So wurden Simulanten eines Versuchs im US-Bundesstaat Minnesota durch den Wind bis nach Kanada und New York getragen, bei einem erneuten Test bis in den Golf von Mexiko. Die Tauglichkeit biologischer Kampfstoffe als Massenvernichtungswaffen war durch diese Versuche endgültig bewiesen worden.[14]

[...]


[1] Vgl. Langbein, S. 58 ff.

[2] Vgl. ebd., S. 71 ff.

[3] Alibek, Ken; Handelman, Stephen, Bioterror. Tod aus dem Labor, 1. Auflage, München, Econ, 2001.

[4] Vgl. Alibek, S. 10

[5] Langbein, Kurt; Skalnik, Christian; Smolek, Inge, Bioterror. Die gefährlichsten Waffen der Welt,

Stuttgart/München, DVA, 2002.

[6] Kiper, Manuel; Streich, Jürgen, Biologische Waffen: Die geplanten Seuchen, Reinbek bei Hamburg,

Rowohlt, 1990.

[7] Möller, Harald, Waffen für Iran und Irak. Deutsche Rüstungsexporte und ihre Querverbindungen zu den

ABC-Waffenprogrammen beider Länder. Ursachen, Hintergründe, Folgen, 1. Auflage, Berlin, Köster, 2006.

[8] Vgl. Langbein, S. 84 f.

[9] Vgl. ebd., S. 85 f.

[10] Vgl. ebd., S. 86

[11] Vgl. Kiper, S. 21 f.

[12] Vgl. Langbein, S. 91 f.

[13] Vgl. Kiper, S. 22 f.

[14] Vgl. Langbein, S. 93 ff.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die staatlichen B-Waffenprogramme der USA, der Sowjetunion und des Irak
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Sozialwissenschaften: Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Die Proliferation von Massenvernichtungswaffen: Globale Bemühungen zur Nichtweiterverbreitung
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
26
Katalognummer
V274171
ISBN (eBook)
9783656666134
ISBN (Buch)
9783656666103
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
staatliche, b-waffenprogramme, sowjetunion, irak
Arbeit zitieren
M.A. Philip Wagenführ (Autor:in), 2010, Die staatlichen B-Waffenprogramme der USA, der Sowjetunion und des Irak, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274171

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