Haushalt. Eurozone in der Dauerkrise! Kann ein Staat einfach Pleite gehen?


Forschungsarbeit, 2014

28 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Eurozone in der Dauerkrise!- kann ein Staat einfach Pleite gehen?

[1] /[2] [3] / [4] / [5] Politökonomisch bedeutet die Aufgabe beziehungsweise Einschränkung des No-Bail-Out-Prinzips eine Art Einladung, über seine Verhältnisse auf Kosten anderer zu leben.“[6]

„Causa debiti - für einen Minister ist es sehr verführerisch, ein derartiges Mittel[die Neuverschuldung] zu nutzen, das ihn in den Stand versetzt, während seiner Verwaltung den großen Mann zu spielen, ohne das Volk mit Steuern zu überladen oder eine sofortige Unzufriedenheit gegen sich zu erregen." [David Hume, 1741]

„Die Europäische Währungsunion beruht auf dem Grundsatz der finanziellen und wirtschaftlichen Eigenverantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten“.[7]

„Es war der Geburtsfehler der EWU, souveräne Staaten mit fortbestehender Budgethoheit und ganz unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung in das Korsett eines einheitlichen Währungssystems zu zwängen, sie aber in ihrer souveränen Budget- und Wirtschaftspolitik ansonsten nicht einzuschränken“.[8]

„Staatsinsolvenzen sind kein Unglück, solange man Umschuldungen nicht tabuisiert und verhindert“.[9] /[10]

Eine europäische Verfassung, die in einem Referendum von den Bürgern Europas verabschiedet würde, hätte dennoch einen unübersehbaren legitimatorischen Vorteil gegenüber der Verfassungsgebung durch völkerrechtlichen Verfassungsvertrag: Allein der Prozess der Vorbereitung und Durchführung eines solchen Referendums in allen Mitgliedstaaten der EU würde zwingend europaweit eine politische Diskussion und Auseinandersetzung über die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen und Folgen der europäischen Integration in Gang setzen.[11]

1. Art.38 GG schützt die wahlberechtigten Bürger vor einem Substanzverlust ihrer verfassungsstaatlich gefügten Herrschaftsgewalt durch weit reichende oder gar umfassende Übertragungen von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages, vor allem auf supranationale Einrichtungen.[12] Die abwehrrechtliche Dimension des Art.38 Abs1 GG kommt in Konstellationen zum Tragen, in denen offensichtlich die Gefahr besteht, dass die Kompetenzen des gegenwärtigen oder künftigen Bundestages auf eine Art und Weise ausgehöhlt werden, die eine parlamentarische Repräsentation des Volkswillens, gerichtet auf die Verwirklichung des politischen Willens der Bürger, rechtlich oder praktisch unmöglich macht.

2. Die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben deröffentlichen Hand ist grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat.[13] Der Deutsche Bundestag muss dem Volk gegenüber verantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entscheiden. Das Budgetrecht stellt insofern ein zentrales Element der demokratischen Willensbildung dar.[14] Als Repräsentanten des Volkes müssen die gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch in einem System intergouvernementalen Regierens die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten.

3. Der Deutsche Bundestag darf seine Budgetverantwortung nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure übertragen. Insbesondere darf er sich, auch durch Gesetz, keinen finanzwirksamen Mechanismen ausliefern, die - sei es aufgrund ihrer Gesamtkonzeption, sei es aufgrund einer Gesamtwürdigung der Einzelmaßnahmen - zu nicht überschaubaren haushaltsbedeutsamen Belastungen ohne vorherige konstitutive Zustimmung führen können. Es dürfen keine dauerhaften völkervertragsrechtlichen Mechanismen begründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind. Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs im internationalen oder unionalen Bereich muss vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden. Darüber hinaus muss gesichert sein, dass hinreichender parlamentarischer Einfluss auf die Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln besteht.

4. Die Bestimmungen der europäischen Verträge stehen dem Verständnis der nationalen Haushaltsautonomie[15] als einer wesentlichen, nicht entäußerbaren Kompetenz der unmittelbar demokratisch legitimierten Parlamente der Mitgliedstaaten nicht entgegen, sondern setzen sie voraus. Ihre strikte Beachtung gewährleistet, dass die Handlungen der Organe der Europäischen Union in und für Deutschland über eine hinreichende demokratische Legitimation verfügen.[16] Die vertragliche Konzeption der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft ist Grundlage und Gegenstand des deutschen Zustimmungsgesetzes.[17] Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, für Gewährleistungen einstehen zu müssen, kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu, der vom Bundesverfassungsgericht zu respektieren ist. Entsprechendes gilt auch für die Abschätzung der künftigen Tragfähigkeit des Bundeshaushalts und des wirtschaftlichen Leistungsvermögens der Bundesrepublik Deutschland.

….Mit ihren Verfassungsbeschwerden[18] wenden sich die Beschwerdeführer gegen deutsche und europäische Rechtsakte sowie weitere Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Versuchen zur Beilegung der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise im Raum der Europäischen Währungsunion stehen. Alle Beschwerdeführer sehen sich in ihren Grundrechten aus Art.38 Abs.1, Art.14 Abs.1 und Art.2 Abs.1 GG verletzt…..

Die Verfassungsbeschwerden gegen das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz und gegen das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus sind zulässig, soweit sie auf der Grundlage von Art.38 Abs.1 Satz1, Art.20 Abs.1 und Abs.2 in Verbindung mit Art.79 Abs.3 GG eine Verletzung der dauerhaften Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages rügen…Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden unzulässig.

Das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz und das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus können als Maßnahmen der deutschenöffentlichen Gewalt Beschwerdegegenstände im Verfassungsbeschwerdeverfahren sein.

[...]


[1] Mit Erläuterungen von Direktor des FOI (an der DHBW), Prof. Dr. jur. utr. Dr. Siegfried Schwab, Assessor jur., Mag. rer. publ. unter Mitarbeit von Diplom-Betriebswirtin (DH) Silke Schwab und Lehrerin Heike Tippl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. September 2011 - 2 BvR 987/10 - - 2 BvR 1485/10 - - 2 BvR 1099/10; die hektische „Flucht nach vorn – Politik“ bei gleichzeitigem Beschwören des Integrationsgedankens der EU hat sämtliche einschlägigen unionsrechtlichen Bindungen, wie etwa die Maastricht-Kriterien zur Defizit- und Schuldenstandsquote, außer Kraft gesetzt. Die Rating-Agenturen heizen durch ihre Bewertungen den sich – auf Grund der US-Schuldenkrise inzwischen weltweit – ausdehnenden Flächenbrand weiter an, ein „Rettungsmodell“ jagt das andere, nachdem Italien, Spanien, Irland und Belgien jetzt ebenfalls Schutz unter dem „Rettungsschirm“ und bei weiteren „Hilfspaketen“ suchen. National nützt es dagegen wenig, beim BVerfG auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der deutschen Rechtsakte zur Griechenland-Nothilfe zu klagen. Der Zweite Senat hat nämlich im Urteil vom 7. 9. 2011 (BeckRS 2011, 53837) festgestellt, dass der Bundestag mit dem Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz und dem Euro-Stabilitätsmechanismus-Gesetz weder sein Budgetrecht noch die Haushaltsautonomie künftiger Bundestage in verfassungswidriger Weise verletzt hat. Die Karlsruher Richter haben damit (wieder einmal) verdeutlicht, dass sie die begehrte Feststellung nicht zu treffen gewillt waren – mit dem aus anderen Entscheidungen bekannten Hinweis auf den politischen „Einschätzungsspielraum“. Ein Grundrecht auf stabile Währung kann dagegen nach gegenwärtigem Grundrechtsverständnis aus Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls (noch) nicht abgeleitet werden, so Knopp, NJW Editorial 38/2011. "Sehr zufrieden" hat sich Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert am Mittwoch, 7. September 2011, mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom gleichen Tag zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm gezeigt. Mit dem Urteil habe das Gericht auch seine begründete Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass es ohne eine konstitutive Mitwirkung des Parlaments keine verfassungsfesten Lösungen gebe. Das Gericht habe festgestellt, dass der Bundestag seine Budgetverantwortung nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigung auf andere Akteure übertragen dürfe. Mit der Zurückweisung der Verfassungsbeschwerden habe das Gericht auch deutlich gemacht, dass es eine mangelhafte Sorgfalt in den Gesetzgebungen "offensichtlich nicht gibt". Der Gesetzgeber habe keine Kompetenzen delegiert, auch nicht an die Regierung. "Gewinner ist die Demokratie", sagte Lammert. Auch der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU/CSU), stellt fest, das Gericht habe mit seiner Entscheidung bestätigt, dass das Parlament seiner Verpflichtung nachkommen müsse, Regierungsvorlagen kritisch zu prüfen. Der Bundestag habe das Heft in der Hand und dürfe sich bei seinen Beratungen nicht unter Druck setzen lassen. "Damit unterstreicht Karlsruhe das Recht der Parlamentarier, über die wesentlichen Elemente der Euro-Rettungspakete frei zu entscheiden", so Kauder. Das Gericht räume den Abgeordneten einen breiten Raum politischer Gestaltung ein, ziehe aber auch klare Grenzen. Der Versuchung, parlamentarische Rechte "vertrauensvoll" in die Hände der Regierung zu geben, müsse das Parlament widerstehen. Es entspreche dem Wählerauftrag, eigenständig und selbstbewusst auch Regierungsvorlagen auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung zu prüfen. Dieser Verpflichtung sei der Bundestag nachgekommen.

[2] Eine dreifache Aufgabe ist in der Finanzkrise der Gegenwart zu erfüllen, um die verlorene Stabilität wiederzugewinnen. Staaten müssen dafür Sorge tragen, dass ihreöffentliche Verschuldung langfristig tragbar bleibt – nichts anderes bedeutet auch das Verbot übermäßiger Verschuldung in Art.126AEUV. Gegenüber den Finanzinstituten müssen die Staaten hoheitlich durchsetzen, dass einzelne Unternehmen nur die Risiken übernehmen, die mit ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit vereinbar sind. Im Hinblick auf die Finanzmärkte insgesamt muss ihre Stabilität sichergestellt werden. Dazu gehört, dass der Zusammenbruch einzelner Unternehmen keine Systemgefährdungen auslöst. Schließlich bedarf es der sinnvollen Verknüpfung der vier Stabilitätsziele, da sie zwingend aufeinander bezogen sind. Die 4 quantitativen Ziele der Wirtschaftspolitik sind:
hoher Beschäftigungsstand
Preisniveaustabilität
Wirtschaftswachstum
außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Qualitative Ziele der Wirtschaftspolitik sind:
Verteilungsgerechtigkeit (§ 2 GSachvR)
Umweltschutz (Art. 20a GG).
So konsensfähig diese Aufgabe sein mag, so große Schwierigkeiten löst der Versuch aus, sie in einer Zeit zu erreichen, die durch anhaltende Verunsicherungen gekennzeichnet ist. Insbesondere der Weg zurück zu stabilen fiskalischen und monetären Verhältnissen in Europa ist nicht eindeutig vorgezeichnet, wie an den Debatten über den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone, den wirtschaftlichen Sinn der staatlichen Garantien für Griechenland und die Notwendigkeit einer freiwilligen oder verpflichtenden Beteiligung privater Gläubiger an den Restrukturierungsbemühungen abzulesen ist. Die Schwierigkeiten reichen indes tiefer und sind struktureller Natur, denn die Lösungsversuche stoßen im internationalen Mehrebenensystem an Funktionsgrenzen und Sachgrenzen normativer Steuerung, Ohler, Finanzkrisen als Herausforderung, DVBl 2011, 1061ff

[3] Vgl. Kirchhof, Ein Staat kann nicht einfach pleite gehen, FAZ vom 18.10.2006 - Was sind die Voraussetzungen einer extremen Haushaltsnotlage? Ist ein Insolvenzrecht für Staaten sinnvoll? Ein Staat kann nicht einfach das Licht ausmachen und sich verabschieden. Ein bankrottes Unternehmen schadet nur seinen Gläubigern und Angestellten. In einem bankrotten Staat gäbe es keine Schulen, Krankenhäuser oder Polizei. Ein Staat finanziert sich auch nicht mit einer originellen Geschäftsidee. Nur einseitig mit dem Zwangsinstrument der Steuer. Die Wähler müssen die Konsequenzen dafür tragen, dass sie für eine spendable Regierung gestimmt haben? Machen denn die Regierungen immer ihr späteres Handeln vorab bekannt? „Mir wird allzu leichtfertig mit dem Begriff des "Staatsbankrotts" umgegangen.“ Kaum einer sagt präzise, was damit gemeint sein könnte. Offenkundig suggeriert der Begriff zunächst die Zahlungsunfähigkeit eines Staates. Doch ist ein Staat wirklich in der Lage, pleite zu gehen? Ist ein Staat wie ein Unternehmer, der Insolvenz anmelden muss, wenn seine Bonität schwindet und er nicht mehr an frisches Eigenkapital gelangt – eine Einheit, die wie ein Markenname dann einfach verschwindet ? Wohl kaum. Ein Staat wird nicht von der Landkarte verschwinden können. Weder wird die Landkarte zum weißen Fleck, noch werden andere, reichere Länder den Staat übernehmen. Es muss einem klar sein, dass die Marken "USA", "Deutschland", "Ungarn" und andere nicht zu den Opfern dieser Krise gehören werden wie etwa "Schiesser" oder "Märklin", so Walter, Welt Online, 23.03.2009.

[4] Nach Einführung der EWU scherten sich viele Mitgliedstaaten wenig um die Gebote der Haushaltsdisziplin. Sanktionen wegen Verstößen gegen die Regeln des Stabilitätspakts wurden nicht geahndet. So blieb ein Defizitverfahren gegen Portugal 2002 ohne Sanktion, was schon der damalige Präsident der EU-Kommission Prodi als Dummheit bezeichnete, BBC News article; http//news.bbc.co.uk/2/hi/business/2336823.stm.

[5] Horn schlägt vor: „Mindestforderungen hinsichtlich einer Verbesserung des Reformwerks sind die Einführung einer unbedingten Pflicht des Schuldnerstaats zur Umschuldungsbemühung nach Vorgaben des EFM als Teil der Konditionalität bei jeglichem Hilfsersuchen, die strikte Begrenzung (besser: Verkleinerung) des Volumens des ESM (Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)) und die Erleichterung und Befürwortung von Exit-Möglichkeiten“. Hintergrund: Am 2. Mai 2010 einigten sich die Staaten der Euro-Gruppe auf ein drei Jahre laufendes Hilfspaket zugunsten Griechenlands mit einem Kreditvolumen von 110 Mrd. Euro (deutscher Anteil: 22, 4 Mrd. Euro). Umgesetzt wurde das Griechenland-Paket in Deutschland durch das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz (WFStG). Das Bundesministerium der Finanzen ist hiermit ermächtigt, Gewährleistungen für die ausgereichten Kredite zu übernehmen. Der am 9./10. Mai 2010 beschlossene, auf drei Jahre befristete Euro-Rettungsschirm besteht zum einen aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), einem Instrument der EU, mit einem Finanzmittelvolumen von bis zu 60 Mrd. Euro, zum anderen aus der zwischenstaatlich verfassten Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) mit einem Volumen von bis zu 440 Mrd. Euro. In Deutschland wurde die haushaltsrechtliche Ermächtigung zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen der EFSF in Höhe von bis zu 123 Mrd. Euro durch das Stabilisierungsmechanismusgesetz(StabMechG) geschaffen. Zulässige Beschwerdegegenstände waren nur das WFStG und das StabMechG als Maßnahmen der deutschenöffentlichen Gewalt. Die umstrittenen unionsrechtlichen Fragen waren nicht Gegenstand der Prüfung. Das BVerfG beschränkt seine Kontrolle einer verbotenen Entäußerung der Haushaltsautonomie auf die Frage, ob eineevidente Verletzungdes Demokratieprinzips vorliegt. Es respektiert dabei einen nicht überprüfbaren finanzpolitischen Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers.

[6] Issing, Gefahr für den Euro, FAZ v. 11.11.2010, S. 14.

[7] Horn, Die Reform der Europäischen Währungsunion und die Zukunft des Euro, NJW 2011, 1398. Die direkte Kreditgewährung der Europäischen Zentralbank (EZB) oder ihrer Mitgliedsbanken an die Mitgliedstaaten oder der Ankauf von deren Schuldtiteln ist verboten (Art.123 AEUV). Art. 125 AEUV normiert die Selbstverantwortung der Mitgliedstaaten durch das Verbot einer Haftung der Union und ihrer Mitglieder für Schulden von Mitgliedstaaten (Nichthaftungsklausel; no-bail-out-Regel). Die EU-Mitgliedstaaten sind nach Art. 126 AEUV zur Haushaltsdisziplin verpflichtet.

[8] Horn, Fußn. 2. Das einheitliche Währungssystem nahm ihnen die bis dahin bestehende Möglichkeit, sich auch bei unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung und negativer Leistungsbilanz durch Abwertung des Außenwerts ihrer nationalen Währung international wettbewerbsfähig zu halten. Es war daher schon zur Zeit der Gründung der EWU nicht schwer, die heutigen Schwierigkeiten und eine Aushöhlung des Prinzips der finanziellen Selbstverantwortung der Staaten vorauszusagen, „We cannot rule out that some countries will fall back to their usual habit of deficit spending and accumulating public debt with the hope that the no-bail-out-rule will not be applied against them”, Horn, in: Horn (Hrsg.), German Banking Law and Practice in International Perspective, 1999, S. 25, 35.

[9] Weber, Finanzpolitische Herausforderungen der Wirtschafts- und Finanzkrise (Ludwig-Erhard-Lecture 14. 10. 2010), Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln Nr. 2, 12. 1. 2011, S. 5f.

[10] Das neue Reformwerk ruft bei vielen die Befürchtung hervor, dass die Euro-Zone sich endgültig vom Prinzip der finanziellen Selbstverantwortung der Staaten, verkörpert in der no-bail-out-Regel des Art. 125 AEUV, verabschiedet und unabänderlich den Marsch in eine Transferunion angetreten hat, in der die schwachen Staaten für immer am Tropf der indirekten Transfers durch die wirtschaftlich stärkeren Staaten hängen, Zur verbreitet sehr kritischen Beurteilung der Entscheidungen v. 24./25. 3. 2011 vgl. nur Steltzner , Transferunion, FAZ v. 25. 3. 2011; Donges/Feld/Möschel/Neumann, Das Reformpaket – ein starkes Stück, FAZ v. 28. 3. 2011, S. 13; Gerken , Ein Fass ohne Boden, FAZ v. 30. 3. 2011, S. 12; zur Kritik der EWU-Reform durch den wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium als Verfestigung der Fehlsteuerung in der Finanzpolitik FAZ v. 28. 3. 2011, S. 13.

[11] Pache, Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, DVBl 2011, 1154 -kollektive Identität wird als das elementare Konstruktionsprinzip moderner Gesellschaften angesehen - schließlich kann bereits der Weg zu einer europäischen Verfassung, kann eine europäische Verfassungsgebung mit herausragender Intensität zur Identität Europas beitragen. Eine derartige integrative und identitätsbildende Erfahrung dürfte weniger durch die Fortschreibung der bisherigen Methode europäischer Integration, also durch einen zwischen den Mitgliedstaaten auszuhandelnden und in den nationalen Parlamenten zu ratifizierenden neuen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten der EU, durch einen europäischen Verfassungsvertrag, erreichbar sein. Inhaltlich muss die Verfassung die Organisation der Europäischen Union, also ihre Institutionen und Entscheidungsverfahren, eindeutig und für den Bürger nachvollziehbar festlegen. Dabei muss sie die Effizienz und Transparenz des Entscheidungsprozesses steigern, die demokratische Legitimation getroffener Entscheidungen gewährleisten und die Entscheidungsverfahren strukturell an die bevorstehenden Beitritte von bis zu 12 weiteren Mitgliedstaaten anpassen. Die Europäische Verfassung muss weiter die Zuständigkeiten und Kompetenzen der Europäischen Union im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten regeln und soll dabei nach dem Auftrag des Europäischen Rates von Laeken (EUROPÄISCHER RAT (LAEKEN) 14. UND 15. DEZEMBER 2001) zu einer besseren Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten führen. In einem Moment, in dem die Europäische Union ihre einheitliche Währung einführt, ihre Erweiterung Gewissheit wird und sie in eine maßgebliche Debatte über ihre Zukunft eintritt, hat der Europäische Rat am 14. und 15. Dezember 2001 in Laeken neue Impulse zur Verstärkung der Integrationsdynamik gegeben.

[12] BVerfGE 89, 155 <172>; 123, 267 <330>.

[13] Vgl. BVerfGE 123, 267 <359>.

[14] Vgl. BVerfGE 70, 324 <355f.>; 79, 311 <329>.

[15] Horn, Die Reform der Europäischen Währungsunion und die Zukunft des Euro, NJW 2011, 1401 - Exit-Regelungen sind unabdingbar, weil viele Länder den Anpassungsprozess ihrer Wirtschaft innerhalb des starren Korsetts der einheitlichen Währungsordnung verfehlen werden und nur ihr Ausscheiden diesen systemischen Fehler der EWU beseitigen kann. Das alte und neue Vertragswerk sieht keine Regelung des Ausschlusses eines Mitgliedslands vor, obwohl dies für manches Land der beste Weg wäre, gestützt auf eine eigene (weiche) Währung, seine wirtschaftliche Anpassungsfähigkeit an die internationalen Märkte wieder zu gewinnen. Die EU kennt zwar ein Austrittsrecht, nicht aber ein Recht zum Ausschluss. Die Einführung eines Ausschlussrechts aus der EWU ist derzeit politisch nicht erreichbar. Erwägenswert bleibt es, ein solches Ausschlussrecht aus allgemeinem Völkervertragsrecht herzuleiten, Horn, in: Festschrift für Maier-Reimer, S. 261f. Kerber/Städter, Die EZB in der Krise: Unabhängigkeit und Rechtsbindung als Spannungsverhältnis, EuZW 2011, 536 - Art. 17 GRCh schützt das Eigentum in der Europäischen Union als zentrales Grundrecht. Der Inhalt dieses subjektiven Rechts setzt sich wie Art. 14 GG aus den Normen des nationalen und europäischen Rechts zusammen, liegt ein Eingriff in den Schutzbereich vor, wenn eine eigentumsfähige Position entzogen oder ihre Nutzung, Verfügung oder Verwertung Beschränkungen unterworfen wird. Mit Blick auf den normbezogenen Schutzbereich ist eine Verletzung desselben auch dann anzunehmen, wenn gegen eine das Eigentum ausgestaltende Vorschrift verstoßen wird. Die Vorschriften über die EZB verpflichten die Zentralbanken zur Gewährleistung der Preisstabilität. Dieses normative Kostüm ist darauf angelegt, die EWU als Stabilitätsgemeinschaft zu erhalten. Die Verbotsnormen der Art. 123–126 AEUV und die Unabhängigkeit der EZB sowie ihre Pflicht zur Erhaltung der Preisstabilität bilden dabei einen Schutzschild, der lückenlos Inflation sowie kollektive Schuldübernahme abwehren soll. Die No-Bail-Out - Regelung des Art.125 AEUV zielt darauf ab, dass jeder Euro-Mitgliedstaat für seine eigenen Schulden haftet und ein stabilitätswidriges Fiskalverhalten durch die Kapitalmärkte – notfalls mit einer staatlichen Insolvenz des Finanznotstandslands –abgestraft wird. Fraglich ist, ob sich der Erwerb von Staatsanleihen von Eurozonenländern unabhängig von deren Bonität mit Art. 123 AEUV vereinbaren lässt. Dieökonomischen Wirkungen des unmittelbaren und des mittelbaren Erwerbs sind äquivalent. Beide führen zu einer Erhöhung der in Umlauf befindlichen Geldmenge. Ausweislich der Motive der vertragsschließenden Parteien wollte Art. 123 AEUV eine Finanzierung der nationalen Haushalte – unmittelbar oder mittelbar – durch die EZB/das ESZB verhindern. Dagegen wird aber mit dem Erwerb von griechischen Staatsanleihen zur Stützung des Banken-/Kreditsektors verstoßen.

[16] BVerfGE 89, 155 <199ff.>; 97, 350 <373>.

[17] BVerfGE 89, 155 <205>.

[18] Den anderen achten", Kirchhof, FAZ vom 6. März 2014, S. 6 - die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft, deren Rechtlichkeit allerdings noch nicht hinreichend gefestigt ist. Europarecht will mehr bewegen als bewahren, ein Recht auf Rädern mit einer Fülle von Rechtsänderungen. Die wichtigste Eigenheit ist die Gewaltenteilung in europäische und mitgliedstaatliche ausgleichende und sich ergänzende, kooperative Gerichtsbarkeiten(EuGH und BVerfG)Die Kompetenzen beider Gerichte sind klar vorgezeichnet. Der EuGH legt das Europarecht verbindlich für alle Mitgliedstaaten aus. Das BVerfG gewährleistet die Verbindlichkeit und Gestaltungskraft des Verfassungsrechts. Das primäre Europarecht ist dann, wenn es das Parlament anordnet, in der Lage, Kompetenzen und Befugnisse von deutschen Organen zu übertragen

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Haushalt. Eurozone in der Dauerkrise! Kann ein Staat einfach Pleite gehen?
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, früher: Berufsakademie Mannheim  (Forschungsinstitut (FOI))
Note
1,2
Autor
Jahr
2014
Seiten
28
Katalognummer
V274075
ISBN (eBook)
9783656669562
ISBN (Buch)
9783656669531
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Europa- und Staatsrecht
Schlagworte
Europarecht, Währungsunion, Stabilität, Verhältnis EuGH/Bundesverfassungsgericht, den anderen achten+
Arbeit zitieren
Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Autor:in), 2014, Haushalt. Eurozone in der Dauerkrise! Kann ein Staat einfach Pleite gehen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274075

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