Der Aufstieg des Nationalsozialismus 1928 bis 1932


Seminararbeit, 2014

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Aufstieg und Wahlerfolge der NSDAP ab 1928

3. Die Ursachen des nationalsozialistischen Aufstiegs
3.1.Weltwirtschaftskrise
3.2.Innenpolitische Instabilität und wachsendes soziales Konfliktpotential
3.3.Führerkult, Propaganda und innerparteiliche Organisationsstruktur

4. Wählergruppen
4.1.Die Bauern und das Beamtentum
4.2.Das Arbeitermilieu
4.3.Andere Wählerschichten

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einführung

„Warum habt ihr Hitler gewählt?“ Diese bohrende Frage der Nachkriegsgenerati- onen an ihre Eltern und Großeltern, die Zeitzeugen der Weimarer Republik, hat bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, hat doch die nationalsozialistische Diktatur Deutschlands den schlimmsten Krieg aller Zeiten ausgelöst.1 Insbesonde- re der schnelle politische Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung von 2,6 Prozent der Stimmen im Mai 1928 auf 37,4 Prozent oder umgerechnet etwa 13,7 Millionen Stimmen im Juli 1932 beschäftigt noch heute die Wissenschaft sowie eine große geschichtsinteressierteöffentlichkeit. Wie konnte es der NSDAP in- nerhalb weniger Jahre gelingen, eine erdrutschartige Verschiebung der politischen Machtverhältnisse in der Weimarer Republik zu erreichen und zur mächtigsten Partei aufzusteigen? Wer wählte diese Partei? Waren es primär Protestwähler, die von der demokratischen Republik enttäuscht waren und deshalb der Partei Hitlers ihre Stimme gaben oder erreichte die nationalsozialistische Ideologie alle Wähler- schichten gleichermaßen? Welche Motive veranlassten die Menschen ihre Stimme der NSDAP zu geben?

Zur Beantwortung dieser Fragen wird zuerst die chronologische Entwicklung der NSDAP von einer unbedeutenden Splitter- bzw. Randpartei hin zu einer Massen- bewegung behandelt. Im Fokus stehen hierbei die vier Reichstagswahlen zwi- schen 1928 und 1932. Auf die letzte Reichstagswahl der Weimarer Republik am 5. März 1933 wird im Folgenden nicht intensiver eingegangen, da sie nicht mehr unter demokratischen Voraussetzungen abgehalten wurde und Hitler zu diesem Zeitpunkt Deutschland bereits unter seiner Gewalt hatte.

Während Kapitel 3 die Ursachen des nationalsozialistischen Erfolges in der Wei- marer Republik anhand der aktuellen Forschungsmeinung genauer erläutert, un- tersucht das vierte Kapitel das Wahlverhalten der nationalsozialistischen Anhä- ngerschaft sowie derenökonomische und soziale Merkmale. Die Grundlage dieses Kapitels stellen die umfangreichen Wahlforschungsergebnisse von Jürgen Falter2 im Jahr 1991 dar. Seine in aufwendigen statistischen Erhebungen gewonnenen Erkenntnisse revidierten einige bis dato gültigen Aussagen zur NS-Wählerschaft und stellten diesen gesamten Forschungsbereich auf eine fundierte Grundlage. Kapitel 5 fasst die Ergebnisse zusammen und schließt diese Arbeit.

2. Aufstieg und Wahlerfolge der NSDAP ab 1928

Lange Zeit spielte die NSDAP in der Parteienlandschaft der Weimarer Republik nur eine geringe Rolle. Insbesondere in der stabilen Phase zwischen 1924 und 1928 gelang es ihr nicht, ihre demokratiefeindliche Ideologie in Wählerstimmen umzumünzen. Bei den Reichstagswahlen im Mai 1928 konnte die NSDAP ihre Rolle als Splitterpartei mit lediglich 2,6 Prozent oder 810.000 Stimmen noch nicht überwinden. In den 35 Reichswahlkreisen waren sie lediglich in insgesamt vier Kreisen über 5 Prozent der Wählerstimmen gekommen. Dennoch erhöhten die zwölf errungenen Reichstagsmandate dieöffentliche Wahrnehmung der NSDAP in Deutschland und Hitler konnte nun in der gesamten Republik durch Parteiauf- tritte sein Redetalentöffentlichkeitswirksam entfalten.3 Die aus der Reichstags- wahl gewonnenen Erkenntnisse nutzte die Partei, um sich organisatorisch und thematisch neu aufzustellen. Besonders die ländliche Bevölkerung, bei welcher 1928 durchaus erste Wahlerfolge erzielt wurden, sollte durch eine traditionsbe- wusstere Politik für den Nationalsozialismus begeistert werden.4

Einen politisch zählbaren Erfolg erlebten die Nationalsozialisten mit dem Beginn der Wirtschaftskrise und den Protesten gegen den „Young-Plan“5 Ende der 1920er Jahre.6 Die DNVP, die NSDAP und weitere rechte Verbände protestierten gegen diese neue Regelung der Reparationszahlungen Deutschlands und legten in einem Reichsausschuss einen Entwurf für ein „Gesetz gegen die Versklavung des deut- schen Volkes“7 vor. Auch wenn dieser Volksentscheid am 22. Dezember 1929 in einem Desaster endete und das Gesetz vom Volk mit großer Mehrheit abgelehnt wurde,8 war die Kampagne insbesondere durch die Hugenberg-Presse9 für die NSDAP ein wichtiger Erfolg und markierte einen weiteren Schritt der Partei hin zur Massenbewegung. Viele Bürger der Republik standen den demokratischen Partien nun reserviert bis feindlich gegenüber. Sie waren von der Demokratie Weimars enttäuscht und glaubten, auch im Rückblick auf die Hyperinflation 1923, nicht mehr an die Fähigkeiten der Republik im Land.10

Abbildung 1: Reichstagswahlergebnisse der NSDAP zwischen 1928 und 1932

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene grafische Aufbereitung; Das Datenmaterial stammt von Jürgen W. Falter; Thomas Lindenberger; Siegfried Schumann: Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wählerverhalten 1919-1933, München 1986, S. 44.

Im März 1930 brach das sozialdemokratisch geführte Kabinett aus SPD, DDP, DVP und Zentrumspartei aufgrund innerer politischer Widersprüche zusammen. Die nachfolgende Regierung unter dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning brauchte sich, so die Zusage des Reichspräsidenten Hindenburg, nun um parla- mentarische Mehrheiten nicht mehr kümmern, da sie mit Notverordnungen auf- grund des Artikels 4811 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) regieren konnte.12 Bereits im Sommer 1930 führte jedoch die Unfähigkeit der SPD und DVP ein gemeinsames Konzept zur Bewältigung der finanzpolitischen Probleme des Rei- ches zu finden zum erneuten Bruch der Regierungskoalition.13 Bei der darauffol- genden Reichstagswahl im September 1930 erreichte die NSDAP schließlich 18,3 Prozent der Stimmen (siehe Abb. 1) und wurde nach der SPD zweitstärkste politi- sche Kraft im Parlament. Insgesamt hatte sich die politische Landschaft Deutsch- lands, bedingt durch die geschürten Ängste der Weltwirtschaftskrise und der Mas- senarbeitslosigkeit, stark radikalisiert. Nutznießer dieser Extremisierung waren insbesondere die Nationalsozialisten.

Als im April 1932 die siebenjährige Amtszeit Hindenburgs als Reichspräsident endete, wurde er von den mitte-links gerichteten Parteien gebeten, zur Verhinde- rung einer Präsidentschaft Hitlers, erneut zu kandidieren. Der bereits 85-jährige Paul von Hindenburg gewann die Wahl schließlich im zweiten Wahldurchgang und verhinderte dadurch einen Reichspräsidenten Hitler. Die Fronten dieser Wahl unterschieden sich jedoch erheblich von der Wahl im Jahr 1925. Hatten damals die rechten Parteien Hindenburg an die Macht gehievt, so war es diesmal para- doxerweise ein Bündnis aus SPD, Zentrum und den Resten des liberalen Bürger- tums.14

Der amtierende Reichskanzler Brüning führte seit seiner Amtseinsetzung 1930 einen strikten Spar- und Deflationskurs, der die deutsche Volkswirtschaft weiter lähmte und zur Verschärfung derökonomischen und politischen Krise in der Re- publik führte. Aufgrund der offensichtlichen Erfolglosigkeit seiner Politik wurde er schließlich von Hindenburg fallen gelassen und Neuwahlen anberaumt.15 Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 erreichten die Nationalsozialisten mit über 37 Prozent ihr bis dahin bestes Wahlergebnis und zogen als stärkste Partei in den Reichstag ein. Der Grund hierfür lag einerseits, ähnlich wie bei der Reichstags- wahl 1930, in der sich anhaltend verschlechterndenökonomischen Situation der Menschen in der Weimarer Republik. Andererseits hatte sich 1932 der Zuspruch der traditionellen Mittelschicht, die aus Lehrern, Beamten, Angestellten und Ge- werbetreibenden bestand, von den konservativen und liberalen Parteien in Rich- tung der NSDAP verschoben.16

Nachdem Hindenburg Hitler nach diesem imposanten Wahlergebnis jedoch nicht zum Kanzler ernennen wollte, regierte der Zentrumspolitiker Franz von Papen, der bereits vor den Juliwahlen 1932 als Kanzler vereidigt wurde, mit einem anti- zyklischen Konjunkturprogramm und gewann dadurch die Unterstützung der deutschen Unternehmer. Bevor sich Papen jedoch in der neuen Regierungserklä- rung im September 1932 zu seinem weiteren politischen Programm äußern konn- te, wurden er und sein Kabinett durch ein erneutes Misstrauensvotum gedemü- tigt.17 Da dieses von den Kommunisten eingebrachte Votum mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde, stand Deutschland eineinhalb Monate nach der letzten Wahl erneut im Wahlkampf. Auffallendstes Ergebnis der Reichstagswahl im November 1932 war ein Verlust der NSDAP von etwa zwei Millionen Wähler- stimmen auf 33,1 Prozent (siehe Abb. 1) sowie die gesunkene Wahlbeteiligung. Insbesondere die Gruppe der potentiellen Nichtwähler, die noch im Juli 1932 aus Protest für die NSDAP votiert hatte, waren aus Enttäuschung über die weitere Situation wieder zu Hause geblieben.18 Dieser Urnengang zeigte erstmals Anzei- chen der Erschöpfung und inneren Spannung der Partei, welche sich seit 1930 unaufhaltsam emporgearbeitet hatte. Trotzdem ernannte der Reichspräsident Hin- denburg Hitler nach einem politischen Tauziehen am 30. Januar 1933 schließlich zum Reichskanzler, der durch das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ vom 24. März 1933, dem sog. Ermächtigungsgesetz, binnen weniger Mo- nate den Staat in eine nationalsozialistische Diktatur verwandelte.

3. Die Ursachen des nationalsozialistischen Aufstiegs

Die Historiker sind sich heute einig, dass ein ganzes Bündel von Gründen diesen unvergleichlichen Aufstieg Hitlers und der NSDAP seit Ende der 1920er-Jahre verursachte.19 Auch schon vor der Weltwirtschaftskrise hatte die Weimarer Re- publik mit immensen Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen. Bereits die No- vemberrevolution 1918, welche zur Gründung der Republik führte, wurde von rechten, deutschnationalen Gruppierungen zur sog. Dolchstoßlegende20 weiterver- arbeitet und diesbezüglich die linksdemokratischen Kräfte für die Kriegsniederla- ge verantwortlich gemacht. Eberhard Kolb spricht hier gar von einem Geburtsfeh- ler der Republik.21 Ebenso führte das Aufbegehren der Bürger gegen den im Juni 1919 geschlossenen Versailler Vertrag, den sie für einen Diktatfrieden hielten, bereits in der Anfangszeit zu intensiven Spannungen. Insbesondere der sog. Kriegsschuldartikel22, der Deutschland die alleinige Schuld am Ausbruch des Ers- ten Weltkrieges zuwies, löste in der gesamten deutschen Gesellschaft Empörung und Wut gegenüber den Siegermächten aus.23

[...]


1 Vgl. Möller: Demokratie und Föderalismus - Diktatur und Totalitarismus: Der Weg des Natio- nalsozialismus an die Macht, in: Patzelt, Sebalt, Kranenpohl (Hrsg.): Res publica semper refor- manda - Wissenschaft und politische Bildung im Dienste des Gemeinwohls, Wiesbaden 2008, S. 441.

2 Vgl. Falter: Hitlers Wähler, München 1991.

3 Vgl. McDonough: Hitler and the Rise of the Nazi Party, 2012, S. 84.

4 Vgl. Kolb: Die Weimarer Republik, München 2013, S. 113.

5 Young-Plan: Ein im Juni 1929 von einer Expertenkommission unter dem US-Amerikaner Owen D. Young vorgelegter Plan zur Regelung der deutschen Reparationszahlungen.

6 Vgl. Bendersky: A Concise History of Nazi Germany, Plymouth 2014, S. 58f.

7 „Gesetz gegen die Versklavung des deutschen Volkes“: Hierbei handelt es sich um ein von rechten Parteien und Organisationen gestartetes Volksbegehren gegen die Höhe und Bedingungen der Reparationszahlungen im 1929 verabschiedeten Young-Plan.

8 Vgl. Bauer: Nationalsozialismus - Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall, Wien 2008, S. 135.

9 Die unterstützende Wirkung der Hugenberg-Presse für Hitler und die NSDAP wird in Kapitel 3.1 eingehender behandelt.

10 Vgl. McDonough: Rise of the Nazi Party, S. 84.

11 Artikel 48 der WRV: Hierbei handelte es sich um die Ermächtigung des Reichspräsidenten bei Gefahr deröffentlichen Sicherheit und Ordnung sog. Notverordnungen zu verabschieden. Diese konnten ohne parlamentarische Mehrheit durchgesetzt werden. Die Notverordnung wurde damit zur Grundlage der nationalsozialistischen Diktatur und zu einem Freibrief für Hitler.

12 Vgl. Wildt: Geschichte des Nationalsozialismus, Göttingen 2008, S. 52.

13 Vgl. Grevelhörster: Kleine Geschichte der Weimarer Republik, Münster 2000, S. 146.

14 Vgl. Bauer: Nationalsozialismus, S. 173.

15 Ebd., S. 166.

16 Vgl. McDonough: Rise of the Nazi Party, S. 96.

17 Vgl. Burleigh: Die Zeit des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2000, S. 176.

18 Vgl. Bauer: Nationalsozialismus, S. 184.

19 Vgl. Kolb: Die Weimarer Republik, S. 277.

20 Dolchstoßlegende: Eine von der deutschen Heeresleitung initiierte Verschwörungstheorie, die die Schuld an der militärischen Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg vor allem auf linke Politiker abwälzen sollte. Sie besagte, das deutsche Heer sei im Felde unbesiegt geblieben und habe erst durch oppositionelle Zivilisten aus der Heimat einen Dolchstoß von hinten erhalten.

21 Vgl. Kolb: Die Weimarer Republik, S. 36.

22 Der Art. 231 des Versailler Vertrages weist Deutschland die alleinige Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu. Daher wird er in der Forschung als sog. „Kriegsschuldartikel“ bezeichnet.

23 Vgl. Kolb: Die Weimarer Republik, S. 238.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Aufstieg des Nationalsozialismus 1928 bis 1932
Hochschule
Universität Konstanz  (Fachbereich Geschichte u. Soziologie)
Veranstaltung
Die Weimarer Republik im Europa der Zwischenkriegszeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
20
Katalognummer
V274037
ISBN (eBook)
9783656666363
ISBN (Buch)
9783656666325
Dateigröße
923 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hitler, Wählerschichten, Wähler, Führerkult, NSDAP, Weimarer Republik
Arbeit zitieren
Diplom-Volkswirt Peter Lippert (Autor:in), 2014, Der Aufstieg des Nationalsozialismus 1928 bis 1932, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274037

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