Entwicklung eines Interventionsprogramms zur Bewegungsförderung

Die Rolle der sportbezogenen sozialen Unterstützung


Examensarbeit, 2012

104 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Soziale Unterstützung und Gesundheit
2.1 Geschichte der Unterstützungsforschung
2.2 Der Begriff soziale Unterstützung
2.2.1 Definitionen
2.2.2 Soziale Unterstützung vs. soziale Integration
2.2.3 Unterteilungen und Funktionen
2.2.4 Abhängigkeiten 11a
2.3 Die Unterstützungsinteraktion
2.4 Wirkungsweisen sozialer Unterstützung
2.4.1 Das Haupteffektmodell
2.4.2 Das Puffereffektmodell
2.4.3 Kausalmodelle
2.5 Negative Aspekte sozialer Unterstützung
2.6 Psychobiologische Mechanismen

3 Soziale Unterstützung und Sport
3.1 Die sportbezogene soziale Unterstützung
3.2 Messinstrumente
3.3 Forschungsstand: Soziale Unterstützung und Sportteilnahme in bisherigen Interventionsstudien
3.4 Fazit

4 Das Interventionsprogramm „Lust auf Bewegung“
4.1 Zielsetzung
4.2 Konzeptionelle Grundlagen
4.3 Interventionsdesign
4.4 Strukturelle Voraussetzungen
4.4.1 Zielgruppe und Rekrutierung
4.4.2 Räumliche Bedingungen
4.4.3 Materialien
4.5 Organisation und Vorbereitung
4.6 Inhalte der Kurseinheiten

5 Die Evaluation des Programms „Lust auf Bewegung“
5.1 Beschreibung der Messinstrumen
5.2 Die Stichprobe
5.3 Dropouts und fehlende Werte
5.4 Fragestellung
5.5 Statistische Auswertung
5.6 Ergebnisse
5.6.1 Test auf Normalverteilung
5.6.2 Haupteffekte des Messwiederholungsfaktors „Zeit“
5.6.3 Haupteffekte des Faktors „Gruppe“
5.6.4 Feedback

6 Diskussion der Ergebnisse
6.1 Sportliche Aktivität
6.2 Sportbezogene soziale Unterstützung
6.3 Methodische Schwächen und Stärken

7 Zusammenfassung

8 Literatur

9 Anhang

1 Einleitung

Chronische Krankheitsbilder wie Herz- Kreislauferkrankungen, Krebsleiden, Adipositas, Diabetes mellitus Typ II oder Osteoporose gehören in der heutigen Welt längst zu den gängigen Gesundheitsstörungen. Ergänzt werden diese noch durch eine stetige Zunahme psychischer Erkrankungen. Eine Erklärung für diese nicht sehr erfreuliche Entwicklungstendenz kann in den modernen Lebensgewohnheiten und den wachsenden Belastungen in der Berufswelt für den einzelnen gesehen werden. Globalisierung, wachsende Verbreitung neuer Informationstechnologien, ständiger Personalabbau, Kundenorientierung und Qualitätsmanagement sind nur einige Schlüsselbegriffe, die die Rahmenbedingungen der modernen Arbeitswelt bilden. Der technische Fortschritt hat dazu geführt, dass der Mensch zunehmends durch Maschinen ersetzt wird und zahlreiche Tätigkeiten aus reiner Bildschirmarbeit bestehen. Bewegungsmangel und körperliche Inaktivität sind die Folgen, die in modernen Gesellschaften zu bedeutsamen Risikofaktoren zählen. Laut dem aktuellen Gesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts treiben in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht lediglich zwischen 22 und 52% der deutschen Bevölkerung mehr als zwei Stunden Sport pro Woche (Rütten et al., 2005). Die WHO (2002) schätzt, dass weltweit jährlich 1,9 Millionen Menschen aufgrund körperlicher Inaktivität frühzeitig sterben (Woll, Tittlbach, Bös, 1998). Berufstätige Personen des Erwachsenenalters mit Bewegungsmangel gewinnen so als Zielgruppe des Sports immer mehr an Bedeutung. Mit der Charta von Ottawa 1986 wurden auf der ersten internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung zum ersten Mal Ziele derer definiert: „[…] allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit befähigen“ (World Health Organization, 1986). Menschen müssen dazu in soziale Gemeinschaften und Netzwerke integriert werden, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihre eigene Gesundheit als ureigenes Interesse zu erkennen und zu verfolgen (Fuchs, 2003). In der Folge entwickelte sich die Sparte „Gesundheitssport“, die sich im Besonderen die Verminderung von Risikofaktoren sowie die Bindung an gesundheitssportliche Aktivität zum Ziel gesetzt hatte.

In der Luxemburger Deklaration (1997) haben sich die Mitgliedsländer der Europäischen Union, die Schweiz und alle Staaten des europäischen Wirtschaftsraums erstmals verpflichtet, Gesundheitsförderung aktiv in die Arbeitsstätten zu integrieren. Immer mehr Betriebe erkannten fortan ihre Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter1: Die betriebliche Gesundheitsförderung war geboren. Denn nicht nur die Beschäftigten profitieren von gesundheitsfördernden Maßnahmen, sondern auch für die Unternehmen ergeben sich wirtschaftliche Vorteile durch eine bessere Mitarbeitergesundheit (Fuchs, 2003). Unterschieden werden können dabei zwei unterschiedliche Arten von Interventionen: verhaltensbezogene und verhältnisbezogene. Erstere gehen davon aus, dass die Gesundheit des Individuums durch bestimmte Verhaltensweisen in Bereichen wie Bewegung, Entspannung, Ernährung verbessert oder aufrechterhalten werden kann. Bei verhältnisbezogenen Strategien wird durch veränderte Lebensbedingungen und eine veränderte Umwelt Einfluss auf Gesundheit und Krankeit von Personen genommen. Dazu gehören beispielsweise Ergonomie am Arbeitsplatz oder eine flexible Arbeitszeitregelung (Bayerisches Staatsministeriun der Finanzen, 2010). Um längerfristig Menschen an Bewegung zu binden, scheint es sinnvoll, bei der Veränderung der indivuduellen Einstellungen anzusetzen, weshalb verhaltensbezogene Maßnahmen zu bevorzugen wären. Im betrieblichen Setting zählen dazu beispielsweise Sportangebote, Duschmöglichkeiten im Unternehmen, Informationen zu gesunder Ernährung, gesundes Essen in der Kantine, Gesundheitstage, Raucherentwöhnung oder Vorträge zu gesundheitsbezogenen Themen. Das Gesundheitsbewusstsein sowie Kenntnisse der Mitarbeiter über einen gesunden Lebensstil sollten dadurch erhöht und die persönliche Motivation zu einem aktiveren Leben gesteigert werden. Die Schaffung von Gelegenheiten, die neuen Fähigkeiten und Verhaltensweisen auszuprobieren sollten Anreiz zur Veränderung sein (Fuchs, 2003). Oft werden bei solchen Maßnahmen allerdings die Prinzipien der Verhaltensänderung aus der Gesundheitspsychologie vernachlässigt und begleitende wissenschaftliche Evaluationen finden selten statt (Kanning& Schlicht, 1998). Umso mehr ist die Bedeutung des folgenden Projekts hervorzuheben.

In der vorliegenden Arbeit geht es im Allgemeinen um die Evaluation des Interventionsprogramms „Lust auf Bewegung“. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Freiburger Unternehmen realisierte das Projektteam unter der Leitung von Dipl.-Psych. Anke Stark am Lehrstuhl für Sportpsychologie der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg dieses Forschungsvorhaben. Auf der Grundlage des Freiburger MoVo-(Motivations-Volitions) Modells wurde eine Intervention konzipiert, bei der die Teilnehmer in 4x 90 Minuten Theorie und Praxis Hilfestellungen bei der Umsetzung ihres Bewegungsvorhabens erhielten. Hauptziel der vierwöchigen Intervention war, Menschen, die schon länger keinen Sport mehr getrieben hatten, dabei zu unterstützen, langfristig mehr körperliche Aktivität in ihren Alltag einzubauen. Häufig ist die Motivation vorhanden, sportlich aktiver zu werden, doch Vorsätze wie „nächstes Jahr will ich mich mehr bewegen“ scheitern dennoch. Die praktische Umsetzungskompetenz (Volition) fehlt. Das Programm „Lust auf Bewegung“ hat zum einen die Motivation der Teilnehmer zu stärken versucht und zum anderen konkrete Unterstützungen bei der Umsetzung des Bewegungsvorhabens geboten. Der Einbezug der sportbezogenen sozialen Unterstützung durch die Familie und Freunde bildete eine davon. Viele Untersuchungen belegen einen positiven Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung und Sportteilnahme (Brehm & Eberhardt, 1995; Brooke & Ming, 2008; Croezen et al., 2012; Emmons et al., 2007; Kanu, M. et al., 2008; Kouvonen et al., 2011; Oliveira et al., 2011; Zimmermann, E. et al., 2008). Kouvonen et al. (2011) konnten beispielsweise nachweisen, dass Personen, die hohe emotionale und praktische Unterstützung durch eine nahe stehende Person erhielten, die Wahrscheinlichkeit erhöhte, die Empfehlungen zur Sportaktivität aufrechtzuerhalten. Die Tatsache, dass es sich hierbei aber um reine quer- oder längsschnittliche Daten handelt und Interventionsstudien zur Bewegungsförderung, die gleichzeitig den Aspekt der sportbezogenen sozialen Unterstützung einbeziehen, noch sehr selten sind, macht die nachfolgende Untersuchung zu einer Besonderheit. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Analyse der Rolle der sportbezogenen sozialen Unterstützung im Projekt „Lust auf Bewegung“. Dazu gehört zunächst die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Definitionsansätzen sozialer Unterstützung und deren Wirkungsweisen (Kapitel 2). In einem weiteren Teil wird auf soziale Unterstützung im Kontext Sport eingegangen, bevor der Forschungsstand anhand einiger aktueller Interventionsstudien dargestellt wird (Kapitel 3). Kapitel 4 beschreibt in ausführlicher Weise Ziele, Konzeption und Umsetzung des Intervetionsprogramms „Lust auf Bewegung“. Mit den hauptsächlichen Fragestellungen der Untersuchung sowie den Ergebnissen der statistischen Auswertung befasst sich Kapitel 5, bevor im vorletzten Kapitel die Ergebnisse interpretiert und diskutiert werden. Kaptiel 7 beschließt die Arbeit mit einer allgemeinen Zusammenfassung.

2 Soziale Unterstützung und Gesundheit

Das Konstrukt der „sozialen Unterstützung“ ist sehr weitreichend und facettenreich. Um die Verbindung zur Gesundheit herzustellen, bedarf es daher einer genauen begriflichen Eingrenzung, dem Wissen um die Wirkungsweisen „sozialer Untersützung“, um Negativaspekte sowie um psychobiologische Mechanismen.

2.1 Geschichte der Unterstützungsforschung

Ein gut ausgebildetes soziales Netzwerk kann Menschen vor Krankheit und Tod schützen. So das Ergebnis der Alameda County study, die in den 70er Jahren von Berkman und Syme an einer repräsentativen kalifornischen Stichprobe durchgeführt wurde (Knoll, Scholz & Rieckmann, 2005). Sozial isolierte Teilnehmer hatten in dieser Untersuchung ein doppelt so hohes Mortalitätsrisiko wie sozial eingebundene Vergleichspersonen. Dieser Studie sollten viele weitere folgen, in der man soziale Faktoren bei der Entstehung und Bewältigung von Krankheiten erforschen wollte. Als Wiege der Unterstützungsforschung gilt daher die Sozialepidemiologie. Im Mittelpunkt steht dabei die These, dass Menschen in ihren Kognitionen, Emotionen und in ihrem Verhalten beeinflussbar sind und es so zu positiven Effekten sozialer Unterstützung für Gesundheit und Wohlbefinden kommt (Pfaff, 1989).

Das Dilemma des strukturellen Aspekts von sozialer Unterstützung wurde dabei immer wieder deutlich, denn ein Netzwerk kann sowohl Quelle von sozialer Unterstützung als auch Quelle von sozialem Stress sein. Somit ist das alleinige Vorhandensein eines Netzwerks also kein Garant für Hilfe, auf die zurückgegriffen werden kann.

2.2 Der Begriff soziale Unterstützung

Doch was ist nun genau mit dem Begriff der sozialen Unterstützung gemeint? Allgemein handelt es sich um einen übergeordneten Begriff für eine Reihe verschiedener sozialer Phänomene, die einer weiteren Ausdifferenzierung bedürfen. Soziale Unterstützung bezeichnet ebenso den gesamten Komplex der Forschung zu diesem Thema und umfasst dabei auch soziale Integration. (Knoll et al., 2005). In der Vergangenheit wurden zahlreiche Versuche unternommen, sich dem Begriff im engeren Sinne definitorisch anzunähern. Wie im Folgenden deutlich wird, führte dies zu teils unterschiedlichen Ergebnissen.

2.2.1 Definitionen

Cassel (1974), ein medizinisch orientierter Sozialepidemiologe definiert soziale Unterstützung als „Präsenz eines anderen Lebewesens der selben Spezies, die das Individuum unter bestimmten Umständen von einer Vielzahl möglicher Stressoren beschützen kann“ (Schwarzer & Leppin, 1989, S.12). Die alleinige Präsenz einer anderen Person ist so schon eine Art der sozialen Unterstützung, bedeutsam wird sie allerdings erst in einer Gefahren- oder Stresssituation. Cassel geht von der Existenz eines „sozialen Immunsystems“ aus und sieht deshalb in sozialer Unterstützung für das Individuum einen Schutzfaktor vor physischen und psychischen Erkrankungen. Cobb (1976) versteht unter sozialer Unterstützung eine „Information, die das Individuum davon überzeugt a) umsorgt und geliebt zu werden und b) geschätzt zu werden sowie c) zu einem Netzwerk von Kommunikation und gegenseitiger Verpflichtungen zu gehören“ (Cobb, 1976, S.300). Danach kommt es auf die subjektive Wertung des Individuums an, sich emotional akzeptiert und angenommen zu fühlen. Beide Autoren sprechen sich so für die protektive Wirkung der sozialen Unterstützung aus. Caplan (1974) sieht in der Unterstützung ein mehrdimensionales Konstrukt und die entsprechenden Unterstützungs- Systeme als „dauerhafte soziale Aggregate (im Sinne von kontinuierlichen Interaktionen mit anderen, einem Netzwerk, einer Gruppe oder Organisation), die dem Einzelnen die Möglichkeit für Rückmeldung über die eigene Person und zur Validierung von Erwartungen in Hinsicht auf andere bieten“. Bei diesem Ansatz werden nicht nur emotionale Komponenten, sondern auch materielle Hilfe und Information berücksichtigt. Kennzeichnend waren auch gesundheitsfördernde und stressabpuffernde Effekte sozialer Unterstützung, während Negativfolgen der Unterstützung kaum berücksichtigt wurden. Allgemeiner fassen es Cohen und Syme (1985, S.4), die unter sozialer Unterstützung pragmatisch- global „Ressourcen, die von anderen Personen zur Verfügung gestellt werden“ verstehen.

2.2.2 Soziale Unterstützung vs. soziale Integration

In der aktuellen Forschung durchgesetzt hat sich letztlich eine Definition, die soziale Unterstützung klar von sozialer Integration abgrenzt. Knoll und Schwarzer (2005) liefern für beide Begrifflichkeiten die geläufigsten Begriffsbestimmungen.

Unter „sozialer Integration“ verstehen sie „die Einbettung in ein soziales Netzwerk“. Im Mittelpunkt stehen quantitative und strukturelle Netzwerkaspekte, nicht so sehr die Qualität der damit verbundenen Beziehungen. Den Gegenpol dazu stellt die soziale Isolation dar. Als Indikatoren können z.B. Familienstand, Zahl der Verwandten, Freunde und Bekannte, die Häufigkeit von Kontakten mit diesen Menschen oder mit anderen Menschen überhaupt sowie komplexe Netzwerkmaße (Knoll & Schwarzer, 2005) herangezogen werden. Letztere erlauben es Dichte, Dauer, Reziprozität sowie Homogenität der sozialen Einbettung abzuschätzen. Ein soziales Netz stellt so ein Potential für positive als auch negative Interaktionen dar. Die Pflege sozialer Beziehungen bietet viele Chancen, kann aber auch Konflikte und Spannungen hervorbringen. Somit kann „soziale Integration“ schließlich weder positiv noch negativ gewertet werden. Dennoch bildet sie die Voraussetzung, soziale Unterstützung überhaupt zu erhalten (Schwarzer, 1992). Im Gegensatz zu sozialer Integration findet bei der sozialen Unterstützung eine „Interaktion zwischen zwei oder mehreren Menschen [statt], bei der es darum geht, einen Problemzustand, der bei einem Betroffenen Leid erzeugt, zu beheben oder zu lindern“ (Knoll & Schwarzer, 2005, S.334). Danach soll also interpersoneller Austausch zur Lösung eines Problems führen. Es zählen qualitative und funktionale Merkmale eines sozialen Netzes, bei der die Beschreibung der Interaktionen der einzelnen Netzwerkmitglieder sowie die Frage nach Erleben, Wahrnehmung und Verarbeitung dieser im Vordergrund stehen (Fuchs, 1997).

Unterschieden werden muss bei diesem Konzept noch wahrgenommene (perceived available social support) von erhaltener Unterstützung (actually received social support). Die wahrgenommene Unterstützung meint „die subjektive Einschätzung der potentiell verfügbaren sozialen Hilfe“ (Fuchs, 1997, S.52). Zur Erfassung werden beispielsweise Fragebogenitems wie „Wenn Sie zum Sport gehen wollten, gäbe es dann jemanden, der sich in der Zwischenzeit um ihre Kinder kümmern würde?“ und ggf. die Zusatzfrage „Wie zufrieden wären Sie mit dieser Hilfe?“ verwendet. Wie am Beispiel deutlich wird, fließen dabei kognitive Prozesse wie Überzeugungen, zukunftsbezogene Erwartungen und Bewertungen ein. Aus diesem Grund wird häufig auch von „erwarteter Unterstützung“ gesprochen (Fuchs, 1997). Bei der erhaltenen Unterstützung hingegen steht nicht Zukünftiges, sondern bereits Eingetretenes im Vordergrund. Es geht um das „konkrete Hilfeverhalten oder Nicht- Hilfeverhalten der anderen in der Vergangenheit“ (Fuchs, 1997, S.52). Ein typisches item zur Erfassung erhaltener Unterstützung könnte beispielsweise folgendermaßen lauten: „Die Person hat mir das Gefühl gegeben, wertvoll und wichtig zu sein“ (Schwarzer& Schulz, 2003). Daran wird deutlich, dass nur die tatsächlich erhaltene Unterstützungsleistung zählt, die durch Befragung des Empfängers, Gebers oder eines Beobachters erfasst wird. Normalerweise wird aber nur die Sicht des Empfängers berücksichtigt (vgl. Kap. 2.2.3) Anders als bei der wahrgenommenen Unterstützung, die zu großen Teilen von personalen Faktoren abhängt, wird die tatsächlich erhaltene Unterstützung somit zu großen Teilen von Leistungen des Netzwerks und Umweltfaktoren beeinflusst.

2.2.3 Unterteilungen und Funktionen

Soziale Unterstützungshandlungen können ganz unterschiedliche Funktionen haben. Andere Menschen können uns praktisch im Alltag behilflich sein, beispielsweise für uns Einkäufe erledigen, wenn wir krank sind; ebenso kann Hilfe auf rein materiellem Wege geschehen, z.B. durch das Ausleihen von Gegenständen. Aber auch die alleinige Anwesenheit einer anderen Person kann eine große Hilfe sein. In der Forschung bestehen zahlreiche Unterteilungen, um die verschiedenen Formen sozialer Unterstützung zu kategorisieren. House (1981) sieht soziale Unterstützung als interpersonelle Transaktion, die eines oder mehrere der folgenden Systeme enthält: emotionale, instrumentelle und informationelle Unterstützung sowie Bewertungs- und Einschätzungsunterstützung. Emotionale Unterstützung wird durch Zuneigung, Umsorgen und Vertrauen gewährleistet; direkte und konkrete Hilfsmaßnahmen sind unter der instrumentellen Unterstützung zu verstehen; informationelle Unterstützung beinhaltet Ratschläge und Tipps, die helfen können, mit dem Problem besser fertig zu werden. Die Bewertungs- und Einschätzungsunterstützung meint Informationen und Handlungen, die einer Person Rückmeldung über sich und ihr Verhalten geben und so dazu beitragen sich selbst besser einzuschätzen. Cohen und Wills (1985) führen neben der instrumentellen und informationellen Unterstützung noch den Begriff des sog. Esteem support ein. Darunter werden Achtung, Akzeptanz sowie Social companonship subsummiert, eine Art positiven Sozialkontakts, bei der Zeit gemeinsam verbracht wird. Fydrich und Sommer (2003) nennen drei Arten sozialer Unterstützung: An erster Stelle wird die emotionale Unterstützung angeführt. Wie bei House (1981) fallen darunter die Erfahrung positiver Zuneigung, Wertschätzung, Nähe, Vertrauen als auch Selbstwertunterstützung. Unter praktische Unterstützung, der zweiten Kategorie, wird alles gezählt, was zu einer positiven Beeinflussung der Problemlösung führt und so die Bewältigung erleichtert. Darunter fallen konkrete Hilfen wie Ausleihen von Geld oder Gegenständen, aber auch das Erhalten von Tipps und Informationen. Die Unterstützung durch soziale Integration beinhaltet das Empfinden, zu einzelnen Personen, Gruppen oder Organisationen (Partner, Familie, Beruf, Freunde, Freizeit) zu gehören. Automatisch gegeben sind so die Einbettung in ein Netzwerk sowie das Erleben von Übereinstimmung bezüglich Werten und Lebenskonzepten.

Praktisch findet die soziale Integration durch das Gestalten gemeinsamer Aktivitäten sowie das Erleben von Beziehungssicherheit Ausdruck.

Schwarzer und Leppin (1989) bieten mit ihrer fünfteiligen Kategorisierung die wohl facettenreichste Sichtweise. Sie unterscheiden

(1) Emotionale Unterstützung
(2) Zusammensein, positiver sozialer Kontakt;
(3) Instrumentelle Unterstützung
(4) Informationelle Unterstützung
(5) Bewertungs- /Einschätzungs-Unterstützung (appraisal support).

Die Person, die emotional unterstützt wird, erfährt von ihrem Gegenüber Mitleid, Zuwendung, Trost und Wärme. Diese Aufgabe kann vom Partner, engen Freunden, Verwandten oder auch Arbeitskollegen geleistet werden. Zusammensein, positiver sozialer Kontakt meint freiwillige, gewünschte und als positiv empfundene Sozialkontakte, die Ausgleich zu alltäglichen Belastungen bieten. Unter instrumenteller Unterstützung verstehen die Autoren konkrete Tätigkeiten, die „unmittelbar die Lebensbewältigung begünstigen oder einen bestimmten Zielzustand herstellen oder wiederherstellen“ (S.19). Dies kann durch die Erledigung von Arbeiten, Besorgung von Gütern oder Bereitstellung finanzieller Ressourcen geschehen. Eine direkt ausgeführte Tat führt so zur unmittelbaren Beseitigung eines Problems. Bei der informationellen Unterstützung hingegen steht das alleinige Geben von Hinweisen und Ratschlägen im Vordergrund. Der betreffenden Person soll ermöglicht werden, die Situation aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und „nach ganz neuen Lösungsansätzen zu suchen oder eine alternative Stresseinschätzung vorzunehmen“ (S.20). Die Bewertungs- oder Einschätzungs-Unterstützung legt den Fokus auf die Person: Ihr wird geholfen, ihre eigenen Fähigkeiten, ihre Interessen und ihre Bedürfnisse besser einzuschätzen.

2.2.4 Abhängigkeiten

Bei der Untersuchung der stressdämpfenden Wirkung sozialer Unterstützung existieren neben den genannten unterschiedlichen Kategorisierungen auch verschiedene Vorstellungen zur allgemeinen Wirksamkeit sozialer Unterstützung.

Dabei waren vor allem drei Fragestellungen wichtig: Die Abhängigkeit von Stressor und Unterstützung (Stressorspezifität), die Einsicht des Empfängers, dass der Sender auf dem Gebiet entsprechend kompetent ist (Quellenspezifität) als auch die chronologische Passung der Unterstützungsleistung (Zeitspezifität). Um Zusammenhänge zwischen Stressorspezifität und sozialer Unterstützung nachzuweisen, bieten sich unterschiedliche Ansätze an (Röhrle 1994).

Stressorspezifität

Nach der post hoc Klassifizierung, werden vier Typen von Stressoren unterschieden: Nach Valenz (positives vs. negatives Ereignis), Kontrollierbarkeit, Dauer und nach bestimmten Lebensbereichen (z.B. Beziehungsstress, besondere Leistungsanforderungen, Bürden, etc.).

Es wurde gezeigt, dass bei unkontrollierbaren Ereignissen - wie z.B. Verlust von Besitz, Leistungszielen und sozialen Rollen, die Wirkung des Stressors durch konkrete Hilfen, Wertschätzung oder soziale Integration abgemildert wurde (Röhrle, 1994, S.98). Bei kontrollierbaren Lebensereignissen wurden die Erwartungen hinsichtlich der Stressorspezifität ebenfalls erfüllt, wobei die Unterstützung durch Ratschläge, Informationen, Wertschätzung und Rückmeldung sich erwartungsgemäß als die beste Stressschutzfunktion erwies (Röhrle, 1994, S.98).

Eine weitere Betrachtungsweise unterteilt Stressoren in ͈Daily hassles“ und kritische Lebensereignisse. Daily hassles werden hier definiert als ͈ immer wiederkehrende alltägliche Belastungen“ (Röhrle, 1994, S.98). Rook (1987) konnte differentielle Wirkungen der unterschiedlichen Arten sozialer Unterstützung für beide Arten von Stressoren feststellen. Eine weitere Möglichkeit, die situationsangemessene Unterstützung zu überprüfen, wird durch die Generierung stressorspezifischer Instrumente zur Erhebung sozialer Unterstützung genutzt. Auch hierbei konnte gezeigt werden, dass Stressorspezifität besteht. Röhrle (1994) erbrachte den Nachweis stressorspezifischer Wirkung informeller Hilfe bei arbeitslosen Jugendlichen.

Quellenspezifität

Die Quellen soziale Unterstützung reichen von (Ehe-)Partnern, Eltern, Familie und Verwandten über beste Freunde bis hin zu Bekannten, Arbeitskollegen, Nachbarn und anderen. In Stresssituationen jedoch erreichen nicht alle Unterstützer den Betroffenen mit gleicher Effektivität. Unterschiedliche Quellen der Unterstützung scheinen also auch höchst unterschiedliche Auswirkungen zu haben. Unterstützungsmaßnahmen intimer Bezugspersonen sind wesentlich „vielfältiger“ im Vergleich zu anderen Quellen (Röhrle, 1994, S.92 ff.). Generell ist zu bemerken, dass enge Beziehungen mehr Unterstützung insbesondere emotionale - geben können als andere. In entsprechend stressreichen Situationen hingegen kann ein Experte eine bessere Hilfe darstellen (Röhrle, 1994).

Zeitspezifität

Die Passung der verschiedenen Komponenten sozialer Unterstützung variiert über den Verlauf der Stresseinwirkung (Röhrle, 1994). Zeitnah nach dem Verlust einer engen sozialen Beziehung besteht ein besonders hoher Bedarf an emotionaler Unterstützung, während im späteren Verlauf eher informationelle oder finanzielle Unterstützung im Vordergrund stehen.

2.3 Die Unterstützungsinteraktion

Wie verschiedenartig soziale Unterstützung geschehen kann, wurde im rückliegenden Kapitel ausführlich beleuchtet. Nun stellt sich die Frage, was eine soziale Interaktion auszeichnen muss, damit sie auch als Unterstützung gewertet werden kann. Ein Dilemma des Begriffs der sozialen Unterstützung besteht in seiner Konnotation: Von vornherein wird von einer positiven Wirkung ausgegangen und dabei nicht berücksichtigt, dass, wie eingangs schon erwähnt durch soziale Unterstützung auch negative Wirkungen hervorgerufen werden können (Schwarzer, 1992). Reicht also die gute Absicht des Helfenden, ohne dass der Empfänger diese zu spüren bekommt, aus, um von erfolgreicher Unterstützung zu sprechen, oder ist es genug, wenn allein der Empfänger die soziale Handlung wohltuend empfindet, ohne dass der Handelnde überhaupt eine gute Tat im Sinne hatte? Reicht vielleicht auch die neutrale Sichtweise eines Beobachters, um eine Interaktion als unterstützend zu werten? Dunkel- Schetter, Blasband, Feinstein und Bennett (1992) haben dazu eine systematische Definition der Unterstützungsinteraktion herausgegeben. Demnach sollten die Perspektiven der drei Parteien darin übereinstimmen, dass eine Unterstützungsinteraktion stattgefunden hat: (a) die der Quelle, (b) die Perspektive des Unterstützungsempfängers und (c) die eines so genannten „Beobachters“. Dieser könnte die gesellschaftlichen Normen über Qualitäten von Unterstützungsakten repräsentieren, denn eine gleiche Handlung kann in der einen Gesellschaft als Unterstützung angesehen werden in der anderen jedoch nicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A= Quelle der Unterstützung; B= Untersützungsempfänger; C= Beobachter

Abbildung 2-1: Perspektiven der Untersützungsinteraktion (abgeändert nach Dunkel-Schetter et al., 1992)

Die Übereinstimmung aller drei Perspektiven wird in er Praxis kaum erreicht, da sich leicht Missverständnisse und Fehlinterpretationen ergeben können. Abbildung 2-1 macht deutlich, dass ein Ereignis von den drei Parteien sehr unterschiedlich interpretiert werden kann und eine Übereinstimmung nur im Schnittbereich in der Mitte vorliegt. Dunkel- Schetter et al. (1992) stellen letztlich, wie auch in der gesamten Social Support-Forschung üblich, die Empfängerperspektive in den Vordergrund. Von einer „wirksamen Unterstützungstransaktion“ kann demnach gesprochen werden, wenn der Empfänger die Handlung als positiv und hilfreich erlebt hat. Seine Wertung ist also entscheidend und erfordert nicht unbedingt eine selbstlose Tat des Helfenden. Als „Unterstützungsversuch“ gilt ein Verhalten in altruistischer Absicht, bei dem der Empfänger den Vorteil nicht zwangsläufig spüren muss. Die von den Autoren als „Beobachter“ definierte Partei müsste nun in der Lage sein, die Kognitionen der anderen Parteien zu erfassen, um differenzieren zu können, ob es sich um einen Unterstützungsversuch oder eine geglückte Unterstützungsleistung handelt (Knoll et al., 2005).

2.4 Wirkungsweisen

Die Wirkungsweise von sozialer Unterstützung ist vor allem im Zusammenhang mit dem Erleben von Distress (z.B. negative Befindlichkeit, Depression oder Krankheit) bzw. mit dem Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden untersucht worden. Grundsätzlich wird in diesem Forschungsgebiet angenommen, dass Social Support „eher als unabhängige und Distress eher als abhängige Variable anzusehen ist“ (Schwarzer & Leppin, 1989, S.30). Des Weiteren geht man von einer negativen Beziehung aus d.h. je mehr Unterstützung, desto weniger Distress. Um die Wirkung sozialer Unterstützung zu erklären, werden vornehmlich zwei Modelle diskutiert: Das Haupteffekt- und das Puffereffektmodell. Daneben finden auch andere Erklärungsmodelle- so genannte Kausalmodelle - Beachtung.

2.4.1 Das Haupteffektmodell

Das Haupteffektmodell (auch additives Modell) besagt, dass die soziale Unterstützung unabhängig von der Stressorstärke bzw. vom Ausmaß des erlebten Stresses direkt positiv auf die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden wirkt (Cohen & Wills, 1985). Statistisch liegt ein Haupteffekt vor, d.h. Stress und soziale Unterstützung wirken alleine auf Disstress und beide ergänzen sich additiv (Schwarzer& Leppin, 1989). Bereits bei geringem Stress ist eine Wirkung von sozialer Unterstützung vorhanden; sie wirkt in diesem Modell immer (vgl. Abb. 2-2). Zu einer Veränderung des Zustandes des Wohlbefindens kommt es, wenn die Wirkung von Stressor und sozialer Unterstützung ungleich stark sind. Sozialer Unterstützung wird somit eine über bestimmte Situationen hinausreichende allgemeine Wirkung auf das individuelle Wohlbefinden zugeschrieben. Das Vorhandensein einer konkreten Belastungssituation ist demnach für die Haupteffekt-These nicht erforderlich (Diewald,1991).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-2: Das Haupteffektmodell (nach Schwarzer& Leppin, 1989, S.33)

2.4.2 Das Puffereffektmodell

Im Puffereffekt-Modell (auch multiplikatives Modell) wirkt sich soziale Unterstützung positiv auf die Verarbeitung von Belastungen aus. Es liegt statistisch ein Interaktionseffekt vor, d.h. soziale Unterstützung hat nur dann Auswirkung auf Disstress, wenn ein hoher Stresspegel vorliegt. Die gewährte Unterstützung dämpft die schädlichen Auswirkungen oder lässt sie erst gar nicht auftreten (Schwarzer& Leppin, 1991). Ist der Mensch also einem hohen Maß an Stress ausgesetzt, kann er nach dem Puffermodell durch eine hohe soziale Unterstützung vor den negativen Auswirkungen des Stresses geschützt werden. Haben Personen dagegen wenig soziale Unterstützung, sind sie bei hohen Stressbelastungen viel weniger oder kaum vor den negativen Folgen geschützt. Ist der Stress generell gering, ist das Ausmaß der sozialen Unterstützung für die in diesem Fall geringe Verarbeitung nicht von Bedeutung (Schwarzer & Leppin, 1989).

Eine Erklärung für diese Wirkwege wird durch das Zugrundelegen einer biopsychosozialen Prozessperspektive erlaubt, die vom Stressereignis zur Krankheit oder Störung führt. Dabei existieren zwei Möglichkeiten der moderierenden Wirkung sozialer Unterstützung:

(1) Die betroffene Person hat eine andere kognitive Einschätzung des bevorstehenden Ereignisses, da sie auf bessere Umweltressourcen zurückgreifen kann. Bei Menschen, die dieses Ereignis nicht erleben, entfällt dieser Bewertungsprozess.
(2) Die Wirkung entfaltet sich in der Bewältigungsphase zwischen dem Stresserleben und dem eigentlichen Ausbruch der Störung oder Krankheit. Gerade das Aufsuchen oder die Mobilisierung des vorhandenen Netzwerks stellt einen Musterfall für den Puffereffekt dar. Dabei ist die Aktivierung des Netzwerks nur bei Menschen, die Stress auf einem bestimmten Niveau erleben notwendig (Schwarzer & Leppin, 1989).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-3: Das Puffereffektmodell (nach Schwarzer und Leppin, 1989, S.33) 16

Allgemein ist noch festzuhalten, dass das Auftreten von Haupt- oder Puffereffekten unter anderem von der Operationalisierung der Variable Social Support abhängt. „Verschiedene Unterstützungsarten müssten so danach untersucht werden, ob sie jeweils den ein oder anderen Effekttyp begünstigen“ (Schwarzer & Leppin, 1989, S.36). Globale Unterstützung beispielsweise, die sich durch Einbettung in ein soziales Netzwerk (struktureller Aspekt) ausdrückt, sollte so primär Haupteffekte nach sich ziehen. Spezifische Unterstützung, d.h. Hilfeleistung in Notsituationen (funktionaler Aspekt), sollte sich so eher in Puffereffekten zeigen (Schwarzer & Leppin, 1989).

Als empirisch anerkannt können allerdings beide Modelle gelten (Cohen & Wills, 1985). Die Forschung ist sich mittlerweile einig, dass es sich nicht um ein Entweder-oder-Verhältnis zwischen den beiden Effekten handelt, sondern dass beide Modelle ihre Berechtigung haben, es jedoch von bestimmten Rahmenbedingungen abhängt, welcher Effekt zur Geltung kommt (Schwarzer & Leppin 1989, S.40).

2.4.3 Kausalmodelle

Die klassische Unterscheidung von Haupt- und Puffereffekten war in der Literatur der sozialen Unterstützung lange vorherrschend (Schwarzer & Leppin, 1989). Die Aufteilung in lediglich zwei Modelle erwies sich jedoch als unzureichend, um die komplexe reale Welt abzubilden.

Mittels sogenannter Kausalmodelle versuchte man nun Wirkungszusammenhänge herzustellen. Die Zusammenhangsbeschreibung beschränkt sich dabei auf die drei Variablen Stress, hier verstanden als stressauslösender Faktor (bzw. als Stressor, als kritisches Lebensereignis), soziale Unterstützung und empfundenen Disstress. Die unterschiedlichen Modelle werden im Folgenden beschrieben.

Kompensationsmodell

Beim Kompensationsmodell (vgl. Abb. 2-4) wirken die beiden Faktoren Stress und soziale Unterstützung direkt auf das Disstress-Erleben ein. Sie sind unkorreliert. Während die soziale Unterstützung das Wohlempfinden aufrecht erhält oder fördert, produziert der Stressor Missempfindlichkeiten. Bei quantitativen Unterschieden in den beiden unabhängigen Variablen kommt es zu Veränderungen in den abhängigen Variablen (Disstress).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-4: Kompensationsmodell (Wippert, 2007, S.38)

Präventionsmodell und weniger restriktives Präventionsmodell

Das Präventionsmodell (vgl. Abb 2-5) basiert auf der Überlegung, dass soziale Unterstützung bereits vor Erleben von Disstress wirksam werden kann. Die soziale Unterstützung ist in diesem Modell dem Stressgeschehen sozusagen vorgeordnet und vermindert bzw. verhindert das Auftreten von Stress. Durch Einbindung in ein soziales Netzwerk wird das Individuum besser geschützt, informiert und beraten. Ob diese Unterstützung real vorhanden oder aber nur in der Vorstellung der betroffenen Person existiert, ist dabei nicht von Bedeutung. Allein der Glaube „in ein unterstützendes Netzwerk eingebettet zu sein“ (Schwarzer und Leppin, 1989, S.43) bringt diesen protektiven Effekt mit sich. Statistisch müsste bei diesem Modell eine Nullkorrelation zwischen sozialer Unterstützung und Disstress bestehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-5: Präventionsmodelle (Wippert, 2007, S.39)

Besteht diese nicht, sondern besteht ein negativer Pfad zwischen sozialer Unterstützung und Disstress, wird von einem weniger restriktiven Präventionsmodell gesprochen. Soziale Unterstützung hat in diesem Fall einen durch Stress moderierten Nebeneffekt als auch einen schwachen Haupteffekt auf den Distress. Beide Präventionsmodelle betonen die zeitlich vorgeordnete protektive Wirkung sozialer Unterstützung. Das Disstress-Erleben wird durch das Vorhandensein von sozialer Unterstützung direkt und indirekt reduziert.

Mobilisierungsmodelle

Im Unterschied zu den oben beschriebenen Kompensations- und Präventionsmodellen ist bei den Mobilisierungsmodellen die Beziehung von sozialer Unterstützung und Stress positiv. Belastung ist nach diesem Modell die Voraussetzung, dass soziale Stützpotentiale überhaupt mobilisiert werden. Diese tragen dann wiederum zu einer Minderung der Wirkung des Stressors bei. Stress stellt nach diesem Modell also den Auslöser für soziale Unterstützung dar (Schwarzer & Leppin, 1989).

Supportverringerungsmodell

Das Supportverringerungsmodell hat vor allem in den Bereichen seine Bedeutung, in denen Stress auch etwas mit Verlust potentieller Unterstützer zu tun hat (z.B. Scheidung vom Ehepartner, Tod). Das stressauslösende Phänomen geht mit einer Reduktion der hilfreichen Ressourcen einher. Somit kann die Störung im Persongleichgewicht sowohl auf den Stress als auch auf den Mangel an sozialer Unterstützung zurückgeführt werden (Schwarzer & Leppin, S.46).

Deutlich wurde anhand der zahlreichen Kausalmodelle, dass die einstige Differenzierung zwischen Haupt- und Puffereffekten der Vielfalt der möglichen ursächlichen Zusammenhänge zwischen sozialer Unterstützung, Stress und Disstress nicht gerecht wurde. Für zukünftige Forschungen auf diesem Gebiet sind enge „Supportkonzepte mit konkurrierenden Kausalmodellen, die über mehr als drei Faktoren hinausgehen“ (Schwarzer & Leppin, 1989, S.48) anzustreben.

2.5 Negative Aspekte sozialer Unterstützung

Dass soziale Unterstützung auch als Stressor agieren kann, wird sehr häufig nicht bedacht. Da es sich jedoch um einen Prozess handelt, in dem nach Schwarzer und Leppin (1989) mehrere Ebenen (objektiver Transfer von unterstützenden Leistungen, Intentionen der unterstützenden Person, Wahrnehmung des Empfängers) involviert sind, sollten auch negative Begleiterscheinungen erläutert werden. Durch den vorherrschenden Optimismus bezüglich der positiven Wirkungen sozialer Unterstützung wurden nachteilige Effekte in der Forschung oft vernachlässigt. Laireiter und Lettner (1993) behaupten aufgrund verschiedener empirischer Befunde sogar, „[…] dass Belastungen aus sozialen Beziehungen möglicherweise den größeren gesundheitsbezogenen Effekt aufweisen als positive Elemente“ (Laireiter & Lettner 1993, S.101). Diese Belastungen entstehen durch Verpflichtungen und Machtungleichgewichte sowie Konflikte, die für eine Partei mehr Aufwand als Nutzen darstellen. Um nachfolgende Negativaspekte besser nachzuvollziehen, ist es wichtig, drei Aspekte auseinander zu halten: die Absicht der Unterstützungsleistung beim Helfenden, die Wahrnehmung und Interpretation des Unterstützungsprozesses durch den Unterstützungsempfänger und die Unterstützungswirkung, die unter Umständen unabhängig von beiden - Helfer und Betroffenem - ausfallen kann. Diese drei können sehr stark voneinander abweichen. Über die Wirkung einer Unterstützungsleistung wird damit aber noch nichts ausgesagt. Ein Unterstützungsprozess kann sogar von allen als angenehm empfunden werden, ohne dass er zu einer wirksamen Lösung des Problems führt oder umgekehrt kann eine Hilfeleistung selbst zunächst sehr schwierig erscheinen, längerfristig aber wirksam sein (Diewald, 1991).

Laireiter und Lettner (1993) nennen sechs Belastungsaspekte, die aus Sicht der unterstützten Person auftreten können: (1) Belastende Aspekte normaler Unterstützung, (2) Inadäquate Unterstützung, (3) Enttäuschte Unterstützungserwartungen, (4) Exzessive Hilfe, (5) Problematische Beziehungen zwischen Unterstützer und Unterstütztem und (6) belastungsbedingte Ineffektivität.

Allein „ normale “ soziale Unterstützung kann negative Folgen für den Empfänger haben. Durch die Tatsache, unterstützt werden zu müssen oder auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, kann diese selbstwertbedrohlich wirken. Beim Unterstützten entstehen Gefühle der Unfähigkeit und des Versagens, der Abhängigkeit oder Scham. Inwiefern die Aspekte einschränkend wirken, hängt von Persönlichkeitsmerkmalen, dem Ausmaß der erhaltenen Unterstützung, den wahrgenommenen Motiven, die man hinter einer Unterstützungsleistung vermutet, und der Beziehung zwischen Unterstützer und Unterstütztem ab (Laireiter & Lettner, 1993).

Auch wenn soziale Unterstützung aus guter Absicht heraus geleistet wird, kann sie inadäquat sein oder fehlschlagen, wenn eine gut gemeinte Handlung nicht als Unterstützung empfunden wird. Die vom Helfer als unterstützend intendierte Handlung wird dann vom Empfänger nicht als solche wahrgenommen und verfehlt so ihre Wirkung. Schwarzer und Leppin (1989) erwähnen in diesem Zusammenhang, dass solche fehlgeschlagenen Unterstützungsversuche vor allem bei schweren Lebenskrisen oder nach Erleben eines kritischen Lebensereignisses auftreten. Die Gründe liegen oft auf der Helferseite: Ein Mangel an sozialen Fertigkeiten sowie die Unfähigkeit, adäquat auf massive emotionale Probleme bei anderen zu reagieren führt häufig zu stereotypen Verhaltensweisen, Floskeln, Verharmlosungen und Bagatellisierungen des Problems. Betroffene erleben dies als unangemessen und unsensibel, was zu zusätzlichem Distress führt (Schwarzer & Leppin, 1989). Ein weiterer Grund ist der, dass es sich bei Helfern in der Regel nicht um Experten handelt und diese eine laienhafte Vorstellung vom „normalen“ Ablauf der Bewältigungsbemühungen haben. Von Helferseite wird so ein normativer Verlauf des Bewältigungsprozesses erwartet. Weicht die oder der Betroffene von diesem Muster ab, wird sie/er als „abnormal“ bewertet, was auf Empfängerseite Schuldgefühle auslöst. Das Gefühl nicht verstanden zu werden kann weitere Isolation und Einsamkeitserleben hervorrufen. Dabei ist noch anzumerken, dass gerade die engsten Bezugspersonen diejenigen sind, die Fehler machen. Durch die starke emotionale Bindung und das Gefühl der Verantwortung für den anderen mangelt es an notwendiger Distanz und Objektivität, adäquat zu helfen. Überprotektion und Hoffnung der Helfer setzen den Betroffenen zusätzlich unter Druck. Die Auftretenswahrscheinlichkeit solcher Negativwirkungen ist dabei abhängig von der Dauer und dem Grad der Stresssituation, von der Einstellung zur Situation, von der Beziehung zur Person, von der Verantwortlichkeit für die Situation und von der Fähigkeit des Netzwerks, dem Individuum Unterstützung leisten zu können (Schwarzer & Leppin, 1989).

Auch exzessive Hilfe ist als Form inadäquater Unterstützung anzusehen. Ein Übermaß an Unterstützung wird zur Verfügung gestellt und kann so zu Abhängigkeit führen (Laireiter & Lettner 1993). Häufig steht hinter diesem Verhalten ein emotionales Überengagement, welches in familientherapeutischer Literatur auch unter den Begriffen „overprotection“ und „overinvolvement“ Erwähnung findet.

Als weiteren belastenden Aspekt sozialer Unterstützung können problematische Beziehungen zwischen Unterstützer und Unterstütztem genannt werden. Eine Unterstützungsbeziehung kann dann als belastend erlebt werden, wenn sie geprägt ist durch mangelnde Wechselseitigkeit (Reziprozität), Abhängigkeit, Kontrolle, Ablehnung, Abwertung oder Angst (Laireiter & Lettner, 1993). Laut Equity-Theorie (Schwarzer & Leppin, 1989) streben Menschen in sozialen Beziehungen ein Gleichgewicht an. Ungleichgewichte rufen demnach negative Emotionen hervor. Soziale Unterstützung kann demnach nur dann positive Folgen haben, wenn sich die unterstützte Person in der Lage sieht, die Unausgeglichenheit in irgendeiner Form zu kompensieren. Kann man soziale Unterstützung nicht in irgendeiner Form erwidern (mangelnde Reziprozität), führt dies zu Abhängigkeit (Schwarzer & Leppin, 1989).

Gerade wenn soziale Unterstützung am dringendsten benötigt wird, ist die Gefahr groß, dass sie ineffektiv wird (belastungsbedingte Ineffektivität), z.B. wenn eine Problemsituation bei Unterstützungsgebern negative Gefühle, Ambivalenz oder Ablehnung auslöst. Ebenso im Falle einer länger benötigten sozialen Unterstützung, die zur Belastung für den Unterstützer wird. Effektive Hilfe wird in einer solchen Situation schwer realisierbar (Laireiter & Lettner 1993).

2.6 Psychobiologische Mechanismen

Soziale Unterstützung kann für das Individuum also auch Negativfolgen hervorrufen und letztlich einen Stressfaktor darstellen. Stresssituationen dienen der Forschung häufig dazu, stresspufferndere Effekte sozialer Unterstützung zu erklären. Uchino et al. (2006) fanden heraus, dass Menschen, die sozial weniger integriert waren, höhere Mortalitätsraten aufwiesen. Wie eingangs erwähnt, stellen Studien, die soziale Beziehungen und Krankheit untersuchen, den Beginn dieses Forschungszweiges dar. In einem weiteren Entwicklungsschritt sollten dann jene Pfade erforscht werden, die für die Effekte sozialer Unterstützung verantwortlich gemacht werden könnten. Eine wichtige Rolle spielen dabei psychobiologische Mechanismen. Nach Uchino (2006) beeinflusst soziale Unterstützung das Morbiditäts- bzw. Mortalitätsrisiko über zwei verschiedene, nicht zwingend voneinander unabhängige Pfade (vgl. Abb. 2-6): einerseits verhaltensspezifische Prozesse wie Gesundheitsverhalten und andererseits psychologische Prozesse wie Einschätzungen, Emotionen oder Stimmungen. Von zentraler Bedeutung in Uchinos Modell ist der postulierte Mediatoreffekt physiologischer Prozesse: Veränderungen im kardiovaskulären, neuroendokrinen und Immunsystem beeinflussen das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-6: Wirkungswege sozialer Unterstützung (nach Uchino, 2006, S.378)

Dazu existieren zahlreiche Hinweise, dass soziale Unterstützung über unterschiedliche Altersgruppen hinweg positive Auswirkungen auf die verschiedenen Körpersysteme ausübt. Soziale Unterstützung ging in zahlreichen Studien mit geringeren Blutdruckanstiegen sowie einem niedrigeren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen einher (Uchino, 2006). Neuroendokrine Prozesse betreffen maßgeblich das komplexe hormonelle System des menschlichen Körpers. Verschiedene Hormongruppen konnten dabei immer wieder in Zusammenhang mit sozialer Unterstützung gebracht werden. Zu Katecholaminen gehören die Hormone Adrenalin und Noradrenalin, die unter Stress vermehrt freigesetzt werden und zu Konstriktionen der Blutgefäße und einer Erhöhung der Herzfrequenz führen. In Studien ging soziale Unterstützung mit geringeren Katecholaminwerten einher (Uchino, 2006). Ein weiteres Hormon, welches häufig mit der physiologischen Stressreaktion in Verbindung gebracht wird, ist Kortisol. Dauerhaft erhöhte Werte können kognitive und emotionale Funktionen behindern (Knoll et al., 2005). Studien belegen den Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung und geringeren Kortisolwerten. Oxytocin, ein Peptidhormonhormon das eigentlich für die Stimulierung der Brustwarzen sowie die Regelung des Geburtsvorganges durch das Einsetzen der Wehen bei Säugetieren verantwortlich gemacht wird, scheint auch weitere Funktionen zu haben. Oxytocinausschüttung wird in Zusammenhang gebracht mit einer Abnahme der Kortisolwerte, des Blutdrucks sowie der Sympathikusaktivität. Wahrgenommene Unterstützung durch den Partner ging so beispielsweise einher mit höheren Oxytocinwerten (Uchino, 2006). Die lässt darauf schließen, dass Oxytocin zum einen das erfolgreiche Bewältigen einer Stresssituation ermöglicht und zum anderen bei positiven Sozialkontakten freigesetzt wird. Endogene Endorphine sind eine weitere Hormongruppe, die bei positiver sozialer Interaktion ausgeschüttet werden: Durch Senkung der sympathischen Erregung und andererseits Steigerung der Parasympathikusaktivität wird die physiologische Stressreaktion abgemildert. So regulieren Opioide und endogene Endorphine emotionalen Schmerz nach der Trennung von Sozialpartnern (Knoll et al., 2005). Endorphine sind somit an der Steuerung des Soziallebens beteiligt und helfen, soziale Verluste besser zu verarbeiten.

Bezüglich des Immunsystems konnte gezeigt werden, dass soziale Unterstützung vor allem bei älteren Personen zu einer verbesserten Immunfunktion führte. Dieser Zusammenhang scheint besonders interessant, da mit steigendem Lebensalter das Krebsrisiko ansteigt. Weitere Studien wiesen bei Personen mit größerer sozialer Unterstützung eine höhere Aktivität der natürlichen Killerzellen im periphären Blut nach (Uchino, 2006).

Allgemein lässt sich festhalten, dass erläuterte biologische Mechanismen nur einen Erklärungskomplex bei der Wirkung sozialer Unterstützung darstellen (vgl. Abb. 2-6). Studienbedarf besteht in jedem Falle noch hinsichtlich der Darstellung weiterer beteiligter Prozesse und Mechanismen zwischen sozialer Unterstützung und Gesundheit. Letztere Erkenntisse erlauben eine Erklärung dafür zu liefern, dass soziale Beziehungen und soziale Unterstützung in zahlreichen reviews als Prädiktoren für ein positives Gesundheitsverhalten identifiziert werden konnten (Antonucci, 1990; Heaney & Israel, 1996; House, Umberson & Landis, 1988; Quick, Nelson, Matuszek, Whittington & Quick, 1996; Stahl, T., Rütten, A. et al., 2001; Turner & Marino, 1994; Yarcheski et al., 2004).

3 Soziale Unterstützung und Sport

Je nach Kontext kann bei sozialer Unterstützung und Sportaktivität zwischen verschiedenen Formen unterschieden werden. Im Leistungssport geht es dabei in erster Linie um die Trainer- Athlet- Interaktion (vgl. Tietjens, 2001). Die sozialen Unterstützungsleistungen des Trainers können dabei direkten Einfluss auf die Leistungsentwicklung des Athleten haben (Pfeffer, Würth & Alfermann, 2004). Im Gesundheitssport hingegen wird dem direkten sozialen Umfeld einer Person eine entscheidende Wirkung zugeschrieben. Ob jemand ausreichend oder überhaupt körperlich aktiv ist, hängt in großem Maße vom Einfluss der Familie und der Freunde ab. Die soziale Untersützung durch Familie und Freunde konnte über verschiedene Bevölkerungsgruppen hinweg als Prädiktor für körperliche Aktivität gefunden werden (Kahn et al., 2002; Sallis & Owen, 1998; Steptoe et al., 1997; Sternfeld, Ainsworth & Queensberry, 1999). Im folgenden Kapitel soll es um diese sog. „sportbezogene soziale Unterstützung“ und deren Messung in wissenschaftlichen Untersuchungen gehen.

3.1 Die sportbezogene soziale Unterstützung

Um den Begriff einzuordnen, gilt es zunächst zwei Konzepte zu unterscheiden: verhaltensspezifischen und generellen Rückhalt. Letzterer, der auch als verhaltensunspezifische Unterstützung bezeichnet wird, bezieht sich ganz allgemein auf das Ausmaß und die Qualität des erhaltenen bzw. wahrgenommenen Beistands („Es gibt Menschen, auf die ich mich immer verlassen kann, wenn ich einmal Hilfe benötige“). Hauptziele sind dabei die Stabilisierung des Befindens, die Erhöhung des Selbstwertgefühls sowie die Stärkung internaler Kontrollerwartungen. Die verhaltensspezifische Unterstützung, subsummiert „erhaltene oder wahrgenommene Hilfestellungen, die sich auf die Ausführung eines ganz bestimmten Verhaltens beziehen („Es gibt Menschen, die mich dazu ermutigen, regelmäßig Sport zu treiben.“). Da es hier um ein konkretes Verhalten geht, scheint diese Unterstützung für die Sportteilnahme von größerer Bedeutung zu sein.

Während Schwarzer und Leppin (1989) fünf Kategorien sozialer Unterstützung postulieren, wird im Konzept der sportbezogenen sozialen Unterstützung nur zwischen drei Formen der Hilfeleistung differenziert: Informationelle, instrumentelle und emotionale Unterstützung. Die informationelle Unterstützung vermittelt Wissen über Gesundheitsförderung durch Bewegung und bietet Informationen zu Möglichkeiten der Aktivität selbst an, zum Beispiel wie oft und wie lange ein Training durchgeführt werden sollte und wo es Möglichkeiten dazu gibt.

[...]


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die männliche Schreibweise zur Bezeichnung männlicher und weiblicher Personen verwendet.

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Entwicklung eines Interventionsprogramms zur Bewegungsförderung
Untertitel
Die Rolle der sportbezogenen sozialen Unterstützung
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Sport und Sportwissenschaft)
Veranstaltung
Wissenschaftliche Arbeit für die Zulassung zur ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien
Note
1,5
Autor
Jahr
2012
Seiten
104
Katalognummer
V273958
ISBN (eBook)
9783656659112
ISBN (Buch)
9783656659105
Dateigröße
3865 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
" [...] eine ausgezeichnete Forschungsarbeit, die als Grundlage für die weitere Entwicklung von betrieblichen Interventionsprogrammen großen Wert besitzt." (Prof. Dr. Reinhard Fuchs, Institut für Sport und Sportwissenschaft Freiburg)
Schlagworte
sportbezogene soziale Unterstützung, Haupteffektmodell, Puffereffektmodell, Kausalmodelle, Interventionsstudie
Arbeit zitieren
Staatsexamen Lehramt Gymnasium Christina Rogler (Autor:in), 2012, Entwicklung eines Interventionsprogramms zur Bewegungsförderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273958

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Entwicklung eines Interventionsprogramms zur Bewegungsförderung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden