Fehlersuche in technischen Systemen


Seminararbeit, 1998

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.Grundlegendes

3. Allgemeine Kriterien der Expertise

4. Kontrastive Vergleiche
4.1 Schaper & Sonntag`s Untersuchungen zur Störungsdiagnose (1996)
4.1. Krems & Bachmaier: Eine Untersuchung zur Strategieauswahl in Abhängigkeit zum Expertisegrad

5. Trainingsmodelle: Quest und Sherlock
5.1 QUEST
5.2 Sherlock

6. Das Problem des Transfers

7. Abschluß

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Durch die weiter schreitende Technisierung der Lebenswelt werden wir immer häufiger mit den dazugehörigen typischen Problemen konfrontiert. Egal ob das Auto nicht mehr anspringt, der Computer nicht funktioniert oder wieder irgendwo ein Flugzeug abgestürzt ist, überall sind hochkomplexe technische Systeme im Spiel, deren Wartung und Reparatur nicht mehr Laien überlassen werden kann.

Vor einigen Jahren und Jahrzehnten war es durchaus noch möglich, daß Laien beispielsweise bei der Reparatur eines Kfz durch einfaches Austauschen verschiedener Systemkomponenten, sozusagen durch trial- and –error- Vorgehen, das defekte Teil finden und somit das Auto reparieren konnten. In heutigen Modellen sind dagegen bereits verschiedene mikroelektronische Systemkomponenten im Einsatz, so daß ein Laie keinerlei Möglichkeiten mehr hat, den Fehler zu finden.

Der Einsatz hochqualifizierter Fachkräfte als Problemlöser bleibt also unumgänglich, auch wenn technische Systeme immer fehlerfreier arbeiten und der Mensch eine immer kleinere Rolle zu spielen scheint.

Diese Seminararbeit beschäftigt sich deswegen mit Fehlersuche in technischen Systemen, was Experten in diesem Bereich von Novizen und Laien unterscheidet, sowie den dazugehörigen Experimenten.

Expertiseforschungen wurden bereits zu den vielfältigsten Domänegebieten durchgeführt. Obwohl die Ergebnisse der einzelnen Forschungen nicht immer problemlos auf unser Themengebiet übertragbar sind, sollen sie doch erwähnt werden, da sie zumindest Schlüsse darauf zulassen, was Experten im allgemeinen auszeichnet.

Eine dieser Erkenntnisse lautet, daß Experten ihre Fehlerdiagnose überwiegend aufgrund ihrer Erfahrung fällen. Das heißt, Experten besitzen bereits eine langjährige Berufserfahrung , sie sind schon seit mehreren Jahren in ihrem Beruf tätig. Ihre Erfahrung ist es auch, die Experten ihre Fehlersuche bereits am Anfang fokussieren läßt. Anhand bestimmter Symptome ziehen sie bereits nach kurzer Zeit Schlüsse bezüglich der möglichen Fehlerquelle. Novizen besitzen die Erfahrung der Experten noch nicht und suchen deswegen erst einmal breitflächig nach dem Fehler. Dies begünstigt auch das Ausführen irrelevanter Prüfoperationen, bzw. das Vergessen oder das unvollständige Durchführen wichtiger Checks. Des weiteren sind Experten flexibler. Sie können schneller als Novizen zwischen verschiedenen Hypothesen wechseln, falls sich eine als falsch erweisen sollte.

Die Frage lautet nun, ob man Novizen nicht zu Experten „erziehen“, oder ausbilden kann, das heißt, ihnen expertenspezifische Vorgehensweisen bereits in der Ausbildung, zumindest aber in der Weiterbildung zugängig machen sollte. Natürlich ist das Wissen um die effizienteste Methode zur Fehlersuche unnütz, wenn die erforderlichen Kenntnisse über Aufbau und Funktion des Systems und seiner Komponenten fehlen. Zu diesem Problem wurden bereits vor Jahren verschieden Trainingsmodelle wie beispielsweise SHERLOCK oder GUIDON entwickelt, von denen später noch die Rede sein wird

2. Grundlegendes

Zunächst jedoch einige grundlegende Annahmen und Modelle, die uns das Verständnis der nachfolgenden Kapitel erleichtern werden. In der Einleitung wurde angedeutet, daß erfolgreiche Fehlersuche neben der Realitätsnähe (in Experimenten) auch von der Komplexität des Systems abhängig ist. Je komplexer ein System ist, desto schwieriger und aufwendiger gestaltet sich die Fehlersuche, es wird mehr Zeit für eine größere Anzahl von Tests benötigt. Perez charakterisiert die Komplexität als die Funktion der Anzahl der Systemkomponenten, ihrer Beziehungen zueinander und der Anzahl der dazugehörigen Rückwirkungen (feedback loops) (Perez S.119). Unter anderem kann die erfolglose Fehlersuche in einem solchen komplexen System auch durch Überlastung des Arbeitsgedächtnisses mit zu vielen Informationen zustande kommen:

Poorer troubleshooting performance is therefore correlated with

increasing complexity of systems, increasing the processing demands

and overloading the troubleshooter`s working memory. (Perez S.119)

Für die Bildung von Hypothesen scheint ein Zusammenfassen der gegebenen Informationen zu Chunks erfolgversprechend zu sein. Versuchspersonen waren in Experimenten schneller in der Testausführung und machten auch weniger Fehler, wenn sie ihr Wissen in Form von Chunks organisiert hatten. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, daß durch die Chunkbildung vorher separate Informationseinheiten zusammengefaßt werden, was zur Kapazitätsentlastung des Arbeitsgedächtnisses führt und somit die Informationen schneller abgerufen werden können.

Des weiteren scheinen mentale Modelle eine wichtige Rolle bei der Fehlersuche im allgemeinen zu spielen. Sie werden gekennzeichnet als eine Art von Verständnis für eine System, welches Wissen über mögliche Zustände jeder Komponente im System, sowie der zeitlichen und kausalen Zusammenhänge mit den anderen Komponenten enthält (Perez S. 122). Diese mentalen Modelle werden vorwiegend von Experten verwendet. Sie lassen ihr „Modell“ des Systems im Gedächtnis wie ein Computerprogramm „ablaufen“ und beobachten dabei die Effekte eines defekten Teiles auf die anderen Systemkomponenten. Dies erleichtert die Eingrenzung des Fehlerortes im realen technischen System, was eine schnellere und korrektere Fehlersuche ermöglicht. Bezüglich der einzelnen Systemkomponenten wurde auch ein verbessertes Erinnerungsvermögen, sowie ein besseres Verstehen des Systems festgestellt. Der Techniker hat also eine Vorstellung davon, was geschieht, wenn eine Systemkomponente defekt ist. Die mentalen Modelle ermöglichen es ihm dann, schnell und sicher die richtige Hypothese bezüglich des Fehlerortes zu generieren. Verschiedene Aspekte dieser mentalen Modelle wurden schon in Trainingsprogrammen, beispielsweise dem SOPHIE-Projekt der US-Navy verwendet (Perez, S.124). Bis jetzt wurden allerdings, zumindest von dieser Seite, noch keine die These von den mentalen Modellen unterstützenden Ergebnisse veröffentlicht.

3. Allgemeine Kriterien der Expertise

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, muß in der Expertiseforschung zwischen den einzelnen Domänegebieten unterschieden werden. Der Lehrer als Experte unterscheidet sich in seinen Qualifikationen deutlich von einem Kfz-Meister. Deswegen ist es sinnvoll, auf die Fähigkeiten einzugehen, die einen Techniker bei der Fehlersuche in technischen Systemen auszeichnen.

Die erforderlichen Leistungsvoraussetzungen sind ohne die entsprechenden Versuche jedoch nicht analysierbar. Dazu bedarf es vor allem kontrastiver Vergleiche von Novizen und Experten, deren Wissen und Handlungen verglichen werden. Unterschiede zwischen den beiden Extremgruppen können anschließend als Lernbedarf der leistungsschwachen Gruppe angesehen werden.

Generell besteht die Aufgabe eines Störungssuchers darin, in einem nicht fehlerfrei funktionierenden technischen System die Fehlerquelle zu lokalisieren und den Defekt zu beheben, wobei das Ersetzen der defekten Systemkomponente noch die einfachste Aufgabe ist. Ersetzen, also einfaches Austauschen des defekten Teils, benötigt nur relativ oberflächliche Kenntnisse, sobald es aber um Einstellungsprobleme geht, funktioniert diese Methode nicht mehr. Es müssen Tests durchgeführt werden, für welche die Beherrschung der oft komplizierten Testinstrumente Voraussetzung ist. Um die Testergebnisse interpretieren zu können, muß die Funktionsweise der einzelnen Systemkomponenten genauso bekannt sein wie die Wechselbeziehungen der Komponenten untereinander. Die Fehlersuche sollte auch in einer effektiven Art und Weise erfolgen, das heißt, der Techniker sollte wissen, wann er welche Tests durchführen muß. Anhand der Fehlersymptome sollte er bereits sinnvolle Hypothesen über die mögliche Fehlerquelle aufstellen können.

Aus dem Gesagten können wir also bis jetzt herausfiltern, daß es drei grundlegende Fertigkeiten gibt, die bei einem Störungssucher vorauszusetzen sind:

- Entwicklung einer Strategie
- Ausführen relevanter Testoperationen,
- Reparieren und Ersetzen fehlerhafter Komponenten.

(Perez, S. 117)

Die genannten Punkte müssen mehr oder weniger gut bereits von den Novizen beherrscht werden und sind noch nicht als Merkmale der Expertise zu bezeichnen. Was die Fähigkeiten der Experten belangt, fand man bis jetzt durch entsprechende Studien, die im folgenden noch beschrieben werden sollen, folgende Hinweise: Es wurde offensichtlich, daß Experten überwiegend erfahrungsorientierte Diagnosestrategien verwenden. Sie bevorzugen vorwärtsgerichtete Lösungsstrategien, das heißt, sie sind datengeleitet, nehmen Informationen selektiv auf und filtern sie nach ihrer Relevanz. Experten fokussieren ihre Störungssuche bereits am Anfang und bilden ebenfalls in der Anfangsphase bereits spezifische Hypothesen. Bestätigt sich diese Hypothese nicht, so sind sie in der Lage, diese schnell zugunsten einer plausibleren aufzugeben, sie zeichnen sich also durch große Flexibilität aus. Außerdem führen Experten seltener als Novizen irrelevante Prüfoperationen durch, sie vergessen auch nicht so häufig relevante Checks. (Schaper und Sonntag, S.96)

Krems und Bachmaier weisen im Vorfeld zu ihrer Untersuchung darauf hin, daß die bereits im Anfangsstadium der Fehlersuche zu beobachtende Tiefenorientierung der Experten eindeutig auf deren längere Berufserfahrung zurückzuführen ist, da signifikant nachgewiesen werden konnte, daß mit wachsender Berufserfahrung die Anzahl der geäußerten Verdachtshypothesen sinkt. Experten können zwischen relevanten und irrelevanten Informationen unterscheiden, arbeiten also in einem stärker eingegrenzten Suchraum. Dies äußert sich auch dadurch, daß sie selten Fragen zu die Schadensursache nicht direkt betreffenden Daten haben. Nicht relevante Informationen werden also nicht beachtet.

Weiter gehen Krems und Bachmaier davon aus, daß die Fähigkeit der Experten, einen Sachverhalt aus vielen verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, also deren kognitive Flexibilität, ihnen bei der Fehlersuche weitere Vorteile verschafft. Die hohe Anzahl sachgebietsrelevanter Informationen, die Experten während ihrer Berufstätigkeit ansammeln konnten, ermöglicht ihnen in hohem Grade die Vernetzung einzelner Konzepte (Krems & Bachmaier, S. 395).

Novizen lassen sich dagegen häufig von Alternativen leiten, sie entschieden sich erst spät endgültig für eine bestimmte Hypothese. Perez zitiert die Zusammenfassung der Forschungsergebnisse Morris & Rouse´(1985) , welche herausfanden, daß Novizen häufig das Elementarwissen zur Interpretation der Testergebnisse fehlt, ja daß sie oft nicht einmal relevante Tests durchführen können, da sie im Umgang mit den Testinstrumenten keine oder nur wenig Erfahrung haben. Sie sind sich häufig nicht sicher, ob ihr Test relevant ist und wechseln demzufolge häufig das Verfahren, was im nachhinein eine Wiederholung der abgebrochenen Testoperationen notwendig macht. Sie arbeiten also sehr ineffektiv. (Perez S.117)

Zur Überprüfung der genannten Expertisemerkmale wurden zahlreiche Versuche durchgeführt, wobei sich kontrastive Vergleiche mit einem großen Realitätsbezug als die geeignetsten Verfahren herausstellten. Im folgenden sollen nun zwei dieser Vergleiche sowie deren Ergebnisse dargestellt werden.

4. Kontrastive Vergleiche

4.1 Schaper & Sonntag`s Untersuchungen zur Störungsdiagnose (1996)

Ein Beispiel für einen solchen kontrastiven Vergleich bildet der Versuch von Schaper & Sonntag, bei dem der Fragestellung nachgegangen wurde, durch welche Merkmale des diagnostischen Handelns sich leistungsstarke von durchschnittlichen und unerfahrenen Instandhaltern bei der Bewältigung realer Diagnoseaufgaben an flexibel automatisierten Fertigungsanlagen unterscheiden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Fehlersuche in technischen Systemen
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Psychologie)
Veranstaltung
Hauptseminar Arbeitspsychologie
Note
2,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
16
Katalognummer
V27387
ISBN (eBook)
9783638294492
ISBN (Buch)
9783656398011
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fehlersuche, Systemen, Hauptseminar, Arbeitspsychologie
Arbeit zitieren
Anka Gehre (Autor:in), 1998, Fehlersuche in technischen Systemen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27387

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