Eine globale Rohstoffdividende. Ein Instrument für mehr Gerechtigkeit?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Einleitung

Bei der Überlegung und Recherche, wo denn des Pudels Kern bei Ressourcenkonflikten liegt, stieß ich auf den Text Wem gehören die Ressourcen dieser Welt? Wem steht welcher Anteil an den Kooperationserträgen zu? von Christoph Horn. Dieser betrachtet eigentumstheoretische und gerechtigkeitstheoretische Überlegungen hinsichtlich des Umgangs mit knappen Ressourcen sowie Ressourcenkonkurrenz aus einer philosophischen Perspektive, was mich an folgendes Zitat erinnerte:

„Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: „Hütet euch auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergeßt, daß die Früchte allen gehören und die Erde niemanden“.“ (Rehm 2005: 103 nach Rousseau)

Das Zitat zeigt sehr eindrucksvoll, dass Rousseau den Eigentumsanspruch als gesellschaftliches Übel ansieht. Was haben dieser Text und das Zitat mit dem Kern von Ressourcenkonflikten und globaler Gerechtigkeit zu tun?

Vorab kann zunächst festgestellt werden, dass Horn die Thematik aus einer anderen wissenschaftlichen Perspektive, als dies sonst der Fall ist, betrachtet. Dieser Umstand hat zur Konsequenz, dass nicht zwangsläufig die gleichen theoretischen Rahmenbedingungen bei der Hinterfragung und Beleuchtung der Problematik gelten und sich somit die theoretische Möglichkeit neuer Perspektiven auftut. Denn die Wirtschafts-, Rechts-, Sozial- und Politikwissenschaftenhaben bestimmte Deutungsmuster (Theorien), in denen sie argumentieren und sind somit bei der Deutung weltlicher Phänomene limitiert. Es wird oftmals nicht mehr der Kern/der Ursprung berührt, da dieser bereits gedeutet wurde. Nach Berger/Luckmann ist die Wirklichkeit „lediglich“ eine gesellschaftliche Konstruktion und so „[wird] eine institutionale Welt […] als objektive Wirklichkeit erlebt.“ (Berger/Luckmann 1969: 64f). Die objektiv vorhandenen Ressourcenknappheit und Ressourcenkonkurrenzen sind in diesem Sinne gesellschaftliche Konstrukte, denen Gesetze (Eigentumsrechte) unterliegen, die den konstruierten Zustand manifestieren. Eine Betrachtung der Thematik aus einer philosophischen Perspektive ist in diesem Zusammenhang insofern interessant, als dass sie versucht das menschliche Handeln und die Welt zu verstehen sowie zu deuten, ohne – im Gegensatz zu den anderen wissenschaftlichen Disziplinen – auf eine bestimmte Methodologie begrenzt zu sein. Die Philosophie kann daher freier an viele Problemstellungen herangehen und diese hinterfragen.

In seinem Text legt Horn dar, dass die Weltgemeinschaft von einer fairen Ressourcenverteilung „fast maximal weit entfernt [ist].“ (Horn 2012:133). Im Umkehrschluss bedeutet diese Aussage, dass der Ist-Zustand der globalen Ressourcenverteilung eine (fast) perfekte Unfairness aufweist. Doch was genau ist hier mit Fairness gemeint? Rawls ist der Meinung, dass man den Urzustand, also den Ausgangspunkt des menschlichen Lebens als geeigneten Startpunkt annehmen kann, indem die getroffenen Grundvereinbarungen fair sind (Rawls 1979: 29). Da die Uhr nicht zurück gedreht werden kann sind alternative Wege zu suchen.

In diesem Essay werden zunächst Horns eigentumstheoretische und gerechtigkeitstheoretische Argumente, aus denen er zu der bereits genannten Aussage kommt, knapp dargestellt. Um den Zustand der globalen Ungerechtigkeit zu verlassen appelliert der Autor an die Sozialpflichtigkeit von Eigentum und schlägt als Lösung die Einführung einer globalen Rohstoffdividende (GRD) vor (Horn 2012: 127, 137). Dieser Vorschlag wird daraufhin vorgestellt und diskutiert, um abschließend zu prüfen, ob es den Pudels Kern berühren kann und diese Maßnahme womöglich für mehr globale Gerechtigkeit sorgen kann, indem sie die Menschheitsfrage tangiert, welche nach dem Rechts- und Politikwissenschaftler Ulrich K. Preuß die Frage einer „gerechte[n] Verteilung knapp gewordener Naturgüter – Luft, Wasser, Energieträger, Tiere und Pflanzen des Meeres und der Erde [ist].“ (Preuß 2008: 7)

Eigentums- und gerechtigkeitstheoretische Überlegungen

Horn betrachtet das Thema Ressourcenknappheit und Ressourcenkonkurrenz aus der philosophischen Perspektive und setzt bei den Begriffen Eigentum und Gerechtigkeit an.

Aus eigentumstheoretischer Sicht gehen mit den natürlichen Ressourcen der Erde und ihrer Verteilung Herausforderungen einher. Dies äußert sich darin, dass lediglich das Zuweisungsprinzip eine Entscheidungsgrundlage dafür liefert, wer Eigentümer der natürlichen Rohstoffe ist. Lässt sich das Eigentum nach dem Territorialprinzip [1] zuweisen, dann gehören die Ressourcen dem Staat, auf dessen Staatsgebiet sie sich befinden (Horn 2012: 124). Lässt sich diese Zuweisung nicht eindeutig vollziehen sind die entsprechenden Rohstoffe Allmendegüter, die prinzipiell jedem Menschen gehören. Das Problem, beziehungsweise die Tragik der Allmende, wie bei Ozeanen oder der Atmosphäre ist, dass ihre Ausbeutung; in Form von Übernutzung und/oder Verwahrlosung, auf Kosten aller Individuen stattfindet (Hardin 1968: 1244).

Das Territorialprinzip wird daher stets zur klaren Festlegung von Nutzungsrechten und Verursacherpflichten vorgezogen. Aufgrund des unhinterfragten Zuweisungsprinzips werden Staaten als natürliche Eigentümer der Ressourcen auf ihrem Territorium gesehen. Das Paradoxon ist hier, dass Staaten unhinterfragt als natürliche Eigentümer von Rohstoffen angesehen werden. Die Staaten sind jedoch selbst nicht natürlichen Ursprungs. Sie sind vielmehr ein Konstrukt menschlichen (Aus-)Handelns (Horn 2012: 126). Eine gesellschaftliche Konstruktion ist somit verantwortlich für die ungleiche Verteilung der Rohstoffe. Die Überlegung des Autors passt zu denen von Berger/Luckmann, bei denen es heißt: „Institutionen sind nun etwas, das seine eigene Wirklichkeit hat, eine Wirklichkeit, die dem Menschen als äußeres, zwingendes Faktum gegenübersteht.“ (Berger/Luckmann 1969: 126). Daher fragt Horn berechtigterweise, warum es für Rohstoffe keine anderen Eigentumsbeziehungen gibt und appelliert an die Sozialpflichtigkeit [2] von Eigentum, vor allem da natürliche Ressourcen zum Großteil „von herausragendem Interesse für alle Staaten der Erde und ihre Bewohner“ (Horn 2012: 127f) sind.

Interessant ist, dass den Staaten die Ressourcen als Eigentum einfach aus „Glück“ zugewiesen werden, da diese sich auf ihrem Staatsgebiet befinden. Bei Individuen gelten andere Maßstäbe. So kann jede Person Eigentum erwerben, indem sie dies selbst herstellt, kauft, eintauscht, geschenkt oder vererbt bekommt. Kann es dem „Glück“ überlassen werden, über welche Rohstoffausstattung ein Staat verfügt? Fraglich wird dies, wenn man Horns Aussage, dass rohstoffbesitzende gegenüber rohstoffarmen Ländern eher bevorzugt sind, berücksichtigt (Horn 2012: 125)[3]. Man kann sich daher fragen, wie aus einer geologischen Formation ein rechtlicher Anspruch deklariert werden kann. Aus diesem Grund sollte der Eigentumsgedanke noch einmal neu verhandelt werden. Wie lässt sich unterscheiden welche Ressourcen Individual- und welche Kollektivbesitz sind? Für Horn wäre die Annahme, dass es einen ursprünglichen Selbstbesitz aller Individuen sowie ein Vorliegen eines ursprünglichen Gemeinbesitzes aller Güter gibt, eine überzeugende Lösung (Horn 2012: 131). Allerdings sollten bei Ressourcen die Gemeinschaftsinteressen über den Individualinteressen stehen.

Aus gerechtigkeitstheoretischer Perspektive greift Horn die offenen Fragen eigentumstheoretischer Überlegungen auf. Zunächst führt er an, dass Gerechtigkeit unterschiedlich verstanden werden kann. Einerseits kann damit gemeint sein, dass jeder das erhält, was er verdient – und zwar im positiven wie negativen Sinne. Andererseits kann darunter auch die Idee einer angemessenen Gleichheit verstanden werden. Dies meint, dass gleiche Fälle gleich behandelt und ungleiche Fälle ungleich behandelt werden (Horn 2012: 132).

[...]


[1] Nach dem Territorialitätsprinzip sind alle Personen, welche sich auf einem bestimmten Staatsgebiet befinden dem Recht dieser Staatsgewalt unterstellt. Bei Rohstoffen wird dieses Prinzip mangels Alternativen meist ebenfalls angewendet (Schubert/Klein 2011).

[2] „[Sozialpflichtigkeit] bedeutet […], dass das Eigentum nicht mehr am isolierten Individuum und seiner unbeschränkten Entfaltung, sondern am konkreten gegenwärtigen und zukünftigen Leben aller an einem Ort in Gemeinschaft lebenden Menschen orientiert werden muss.“ (Duchrow 2009: 64)

[3] Preuß ist hingegen der Meinung, dass „[d]ie Verteilung von Bodenschätzen auf die Staaten dieser Welt […] kein besonders gut geeignetes Kriterium für die Bewertung der Gerechtigkeit der globalen Güterverteilung [ist].“ (Preuß 2008: 5)

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Eine globale Rohstoffdividende. Ein Instrument für mehr Gerechtigkeit?
Hochschule
Universität Augsburg  (Lehrstuhl für Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung)
Veranstaltung
Ressourcenkonflikte und globale Gerechtigkeit: Knappheit: Entwicklungskonflikte im Zeichen von Post-Wachstum und De-Carbonisierung
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
14
Katalognummer
V273622
ISBN (eBook)
9783656659082
ISBN (Buch)
9783656697442
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eine, rohstoffdividende, instrument, gerechtigkeit
Arbeit zitieren
B.A. Christian Böckenholt (Autor:in), 2013, Eine globale Rohstoffdividende. Ein Instrument für mehr Gerechtigkeit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273622

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