Naturwissenschaftliche Bildung in der frühen Kindheit

Ein grundlegender Vergleich der schwedischen Entwicklungspädagogik mit dem Konzept der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“


Bachelorarbeit, 2013

37 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Phänomenografie und Entwicklungspädagogik - Der Ansatz der (naturwissenschaftlichen) Bildung in Schweden
2.1 Das Bild vom Kind
2.2 Die Perspektive des Kindes
2.3 Die Rolle der pädagogischen Fachkraft
2.4 Die Themenarbeit
2.4.1 Methoden
2.4.2 Die Rolle der pädagogischen Dokumentation
2.4.3 Materialien und Instrumente

3 Der Ansatz der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“
3.1 Das Bild vom Kind
3.2 Die Perspektive des Kindes
3.3 Die Rolle der pädagogischen Fachkraft
3.4 Projekte und projektorientierte Aktivitäten
3.4.1 Die Methode Forschungskreis
3.4.2 Die Rolle der pädagogischen Dokumentation
3.4.3 Materialien und Instrumente

4 Auswertung

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die heutige Gesellschaft ist geprägt vom wissenschaftlich-technologischen Fortschritt. Wissen veraltet schneller als jemals zuvor und stellt neue Anforderungen an jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft.

Die Forderungen und Bedingungen, welche in Zukunft an die Gesellschaft - insbesondere an die (heutigen) Kinder gestellt werden, sind wenn überhaupt nur schwer voraussagbar. Diese Tatsachen wirken sich auch auf die jüngsten der Gesellschaft aus: sie verlangen den Kindern ab, mit einem hohen Grad an Komplexität und Diversität sowie mit kontinuierlichen Veränderungen umgehen zu lernen. Umso wichtiger wird es sein, neue Wege zu finden, Wissen zu begreifen - es als perspektivisch zu verstehen, als widersprüchlich und manchmal unvollständig (vgl. Dahlberg, Moss & Pence 2007, S. 54-55). Die Wirklichkeit, in welcher Kinder in unserer heutigen Gesellschaft aufwachsen, hat sich damit grundlegend verändert, was von vielen als eine Gefährdung der Kindheit angesehen wird. Jedoch kann man diese Veränderungen auch als Chance begreifen, die nicht mit dem Niedergang der Kindheit einher gehen muss (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin 2004, S. 19). Letztendlich wird es von der Art der Wissensvermittlung und des Wissenserwerbs abhängen, inwieweit Kinder ge- oder überfordert werden.

Die OECD hat das Jahr 2015 zum Jahr der Scientific Literacy erkoren und setzt den Schwerpunkt der kommenden PISA-Studie auf die Erhebung genau dieser Kompetenz (OECD 2013). Sie definiert Scientific Literacy als die Fähigkeit, sich reflektierend mit naturwissenschaftlichen Themen und mit den Konzepten der Naturwissenschaft auseinander zu setzen. Der naturwissenschaftlich gebildete Mensch ist daher gewillt, sich auf begründete Diskurse zu Wissenschaft und Technik einzulassen (vgl. ebd., S. 7). Dies erfordert die Kompetenzen, verschiedene natürliche und technologische Phänomene wissenschaftlich erklären zu können, wissenschaftliche Untersuchungen auszuwerten und zu gestalten, sowie Daten wissenschaftlich zu interpretieren und Schlussfolgerungen zu ziehen (vgl. ebd., S. 7). Der Begriff Scientific Literacy hebt dabei die Wichtigkeit der Anwendung naturwissenschaftlichen Wissens auf Gegenstände und Phänomene der unmittelbaren Lebenswelt hervor und unterteilt drei Aspekte (vgl. ebd., S. 7):

-Inhaltswissen - die Ideen und Konzepte der Naturwissenschaft
-Prozesswissen - die Abläufe und Strategien beim naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn (nature of science)
-Epistemologisches Wissen - die Art und Weise, in welcher Ergebnisse wissenschaftlich begründet werden

Anders, Hardy, Sodian & Steffensky (2013) fassen den Begriff der nature of science noch weiter und sehen auch das Wissen über Ziele und Grenzen der Naturwissenschaft sowie Kenntnisse darüber, welche Rolle die Naturwissenschaft in der Gesellschaft spielt (vgl. ebd., S. 86) als Teil der nature of science.

Wenn ein Kind recht früh im Leben einen bewussten Bezug zur Naturwissenschaft erfährt, ist es besser in der Lage, Fragen zu stellen, kritisch zu denken, zu schlussfolgern, und Probleme zu lösen (vgl. Taguma, Litjens & Makowiecki 2013, S. 16). Sheridan et al. belegen außerdem, dass Kommunikation, Zusammenarbeit und Kreativität generell wichtig für qualitative hochwertige Bildungsprozesse in Kindertagesstätten sind. Das beinhaltet auf Seiten der pädagogischen Fachkraft sowohl die Notwendigkeit, von der Kindperspektive aus zu agieren, als auch die Fähigkeit, die Perspektive des Kindes einnehmen zu können und Prozesse der Sinnstiftung zu verstehen (vgl. Sheridan, Williams, Sandberg & Vuorinen 2011, S. 420).

Die vorliegende Arbeit versucht zwei pädagogische Ansätze in Bezug auf ihre Ideen und Konzepte naturwissenschaftlicher Bildung zu vergleichen. Dabei wird der Ansatz der Schwedischen Entwicklungspädagogik mit dem pädagogischen Ansatz des Hauses der kleinen Forscher verglichen. In Kapitel 2 wird vorerst die Phänomenologie und ihre praktische Weiterentwicklung zur Entwicklungspädagogik beschrieben. In Kapitel 3 geht es dann um den pädagogischen Ansatz des Hauses der kleinen Forscher. In den jeweiligen Unterkapiteln setzt sich diese Arbeit mit den konkreten Vergleichskriterien der beiden Ansätze auseinander.

So beschäftigen sich die Kapitel 2.1 und 3.1 mit dem Bild des Kindes als Grundlage allen pädagogischen Handelns (vgl. Berwanger & Spindler 2011, S. 23). Wie oben bereits angedeutet, spielt ebenfalls die Perspektive des Kindes eine wichtige Rolle und wird demnach in den Kapiteln 2.2 und 3.2 behandelt. Die Kapitel 2.3 und 3.3 setzen sich mit der Rolle der pädagogischen Fachkraft im jeweiligen Ansatz auseinander und die Kapitel 2.4 und 3.4 beleuchten die Methoden und Materialien, wie sie in der jeweiligen pädagogischen Praxis angewendet werden, intensiver. Kapitel 4 ist abschließend der Auswertung der durch die Vergleichskriterien herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten und Differenzen gewidmet. Kapitel 5 versucht ein Fazit zu ziehen und diskutiert, inwiefern ein Vergleich der beiden pädagogischen Ansätze angemessen ist.

2 Phänomenografie und Entwicklungspädagogik - Der Ansatz der (naturwissenschaftlichen) Bildung in Schweden

Die Phänomenografie bildet die theoretische Grundlage der schwedischen Entwicklungspädagogik. Sie ist eine qualitative Forschungsmethode, die in den 1980er Jahren entwickelt wurde, um zu untersuchen, wie ein bestimmtes Phänomen von einer Gruppe aufgenommen wird. Das Ziel dieser Studien war es, die subjektive Welt der untersuchten Personen „und deren Vorgehen, sich ihre Umwelt begreiflich zu machen“ (Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 43) zu ergründen und die vielfältigen Ergebnisse zu beschreiben.

Diese Forschungsmethode wurde von Ingrid Pramling für die schwedische Frühpädagogik etabliert und in Richtung einer Entwicklungspädagogik weiterentwickelt (Pramling 1983, 1994). Das spezifische Ziel, welches mit phänomenografischen Studien in der frühen Kindheit verfolgt wird, ist es, eine „Variation in der Art des Denkens und Verstehens von Dingen in der kindlichen Umwelt“ (Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 43) zu erhalten, um genau diese verschiedenen Verstehensmöglichkeiten dann in der pädagogischen Praxis zum Gegenstand der Kommunikation und Reflexion mit den Kindern zu machen. Die Entwicklungsp ä dagogik (utvecklingspedagogik) arbeitet mit Situationen, die die Kinder zum Grübeln, Reflektieren und Ausdrücken ihrer Gedanken ermutigen und in denen die pädagogische Fachkraft die Vielfalt der Ideen der Kinder wahrnimmt und pädagogisch nutzt (vgl. ebd., S. 44).

Dies kann nur im Dialog mit dem Kind erfolgen. Daher ist der Alltag in schwedischen Kindertageseinrichtungen auch geprägt durch vielseitige und offene Dialoge zwischen Erwachsenen und Kindern, in denen die Meinungen und Ideen der Kinder aufgegriffen und in der Kindergruppe weiter bearbeitet werden, damit Denken entstehen kann.

“Wenn ein Lehrer Kinder nach ihren Gedanken fragt, erhalten die Kindern nicht nur die Möglichkeit zu denken und zu reflektieren, sondern sich gleichzeitig auch verbal oder grafisch zu äußern. Unser Begriff von Sprache umfasst sämtliche Ausdrucksmöglichkeiten, also auch Gestik und Bildsprache. Das Denken geht nicht dem sprachlichen Ausdruck voran, sondern das Denken entsteht erst und konstituiert sich im Ausdruck. Daher glauben wir nicht, dass Kinder mit ihren Gedanken still dasitzen, wenn niemand sie danach fragt, sondern vielmehr, dass erst die Nachfrage, die Situation und die Kommunikation den Denkprozess hervorbringen und gleichzeitig das Selbstverständliche und intuitiv Angenommene problematisiert.” (Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 45)

Die Entwicklungspädagogik verfolgt dabei spezifische Ziele. Sie möchte bestimmte Normen und Werte, Kompetenzen und Einsichten im Kind entwickeln (vgl. ebd., S. 44). Entwicklung wird hier eher als ein lebenslanger Lernprozess verstanden, in welchem man die Vielfältigkeit von Aspekten bestimmter Phänomene wahrnehmen lernt. Es geht nicht darum, zu lernen, welcher Aspekt der einzig richtige ist (vgl. Pramling Samuelsson & Pramling 2009, S. 214).

Die Entwicklungspädagogik geht dabei immer vom Erleben und den Erfahrungen der Kinder aus (vgl. Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 53). Diese Erfahrungen sind bedeutsam für das Kind, denn sie ermöglichen es ihm, bestimmte Phänomene wiederzuerkennen. Die Erfahrungen werden im Bewusstsein des Kindes strukturiert und bilden seine ganz individuelle Art zu Denken aus. Diese Denkstruktur sorgt in jeder Lernsituation dafür, dass das Kind die Situation und die Inhalte auf seine eigene Weise versteht (vgl. ebd., S. 55). „Erfahrungen für das Lernen nutzbar machen [zu können], heißt [also], dem gewählten Lerngegenstand eine ganz bestimmte Relevanzstruktur zu geben, damit er für das Kind auf seine spezifische Weise verständlich wird“ (Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 55). Doch der Fokus liegt nicht auf der Erfahrung an sich, sondern darauf, welche Entwicklung die einzelne Erfahrung anstoßen kann - welches Lernen hervorgerufen wurde (vgl. ebd., S. 58). Eine Frage, die sich die Entwicklungspädagogik stellt, ist daher „Welche Spuren haben die Erfahrungen des Kindes in seinem Bewusstsein hinterlassen und wie kann die Pädagogik der Kindertageseinrichtung dazu beitragen, dass sich die Kinder in eine Richtung entwickeln, wie sie den Zielen unserer Gesellschaft entspricht?“ (ebd., S. 60) Nach dem Verständnis der Phänomenologie und ihrer Entwicklungspädagogik muss dem Kind in naturwissenschaftlichen Bildungsprozessen ermöglicht werden, „Verantwortung für seine eigene Art des Lernens zu übernehmen, unter anderem, indem es denken, beschreiben und vergleichen […][lernt], was es getan hat, warum es das getan hat usw. Durch die bewusste Arbeit des spontanen Erklärens ihrer Umwelt helfen wir den Kindern, einen Zugang zu den Naturwissenschaften zu finden“ (ebd., S. 47).

2.1 Das Bild vom Kind

Kinder werden als eigenständige Mitglieder der Schwedischen Gesellschaft anerkannt. Sie bilden eine eigene soziale Gruppierung mit eigenen Rechten. Das Konstrukt Kindheit wird nicht als Randstufe oder Vorbereitungsphase auf das Leben verstanden, sondern als eine wichtige Teilstruktur der Gesellschaft, als eine Phase im Lebenszyklus, ebenso wichtig wie alle anderen Phasen auch. Kindheit ist von Kindern und für Kinder sozial konstruiert und kontextbezogen. Daher gibt es keine universelle Kindheit und kein universelles Kind. Jedes Kind hat eine Stimme, der zugehört werden muss, wenn man sie ernst nehmen möchte. Kinder beteiligen sich aktiv an der Konstruktion ihres eigenen Lebens und ihrer Umwelt und lernen durch Erfahrungswissen (vgl. Dahlberg, Moss & Pence 2007, S. 49). Die Schwedische Literatur spricht in Anlehnung an die Pädagogik von Reggio Emilia auch vom reichen Kind (vgl. Dahlberg, Moss & Pence 2007; Pramling Samuelsson & Pramling 2009; Thulin 2010), welches auf Grundlage seiner individuellen Fähigkeiten, die es von Geburt an besitzt, Kultur, Wissen und Identität mitkonstruiert, und interessiert, engagiert und fokussiert sein eigenes Lernen mitgestaltet und sich gültige Zusammenhänge erschließt (vgl. Thulin 2010, S. 37). Mit diesem Verständnis vom reichen Kind ist Lernen eine kooperative und kommunikative Tätigkeit, in welcher Kinder zusammen mit anderen Kindern und Erwachsenen Wissen konstruieren und der sie umgebenden Welt eine Bedeutung zuweisen. Das Kind entwickelt dabei Ideen und Theorien, welche es wert sind untersucht und - wo es dienlich und angemessen erscheint - auch in Frage gestellt und herausgefordert zu werden (vgl. Dahlberg, Moss & Pence 2007, S. 50).

Doch das Bild vom Kind umfasst nicht nur eine Lernkomponente, sondern auch eine soziale Komponente. So geht die Entwicklungspädagogik von einem sozialen und empathischen Kind aus, welches für andere Kinder sorgt, in der Kindergruppe darauf achtet, dass die anderen Kinder etwas sehen und teilhaben können. Das Kind fragt, ob der Erwachsene zuschaut, wie es zeichnet; es achtet darauf, dass auch die anderen Kinder Zugang zu Werkzeugen und Forschungsinstrumenten haben und es unterstützt, wenn einem anderen Kind die Handhabung noch schwer fällt. Damit verbunden geht die Entwicklungspädagogik davon aus, dass das Kind auch gern Hilfe von Erwachsenen und Freunden annimmt (vgl. Thulin 2010, S. 37).

2.2 Die Perspektive des Kindes

Alle pädagogischen Aktivitäten sollen die Perspektive des Kindes berücksichtigen und auf ihr aufbauen. Doch was genau bedeutet das? Die Schwedische Literatur unterscheidet klar zwischen der sogenannten barnperspektiv - der Kindperspektive, und der barns perspektiv - der Perspektive des Kindes (Halldén 2003). Die Kindperspektive einnehmen bedeutet, fachliches Wissen und Erfahrungen über Kindheit und Kinder so einzusetzen, dass beste Bedingungen für das Kind geschaffen werden können - aus Sicht des Erwachsenen (vgl. ebd., S. 14).

Die Perspektive des Kindes dagegen leitet das pädagogische Handeln in schwedischen Kindertageseinrichtungen. Sie beschreibt die direkte Sichtweise des Kindes. Hier leistet das Kind selbst seinen Beitrag (vgl. ebd., S. 14), ist aktiv beteiligt und kommuniziert seine Sicht verbal oder nonverbal. In seinen Aussagen und Bemerkungen spiegelt sich seine eigene, meist unbewusste Art des Denkens und Erlebens wider (vgl. Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 84), was dann die Grundlage für alle pädagogischen Aktivitäten bildet (vgl. Thulin 2010, S. 30). Die Perspektive des Kindes einzunehmen bedeutet also die Welt und die Wirklichkeit durch die Augen des Kindes zu sehen. Dies schließt auch ein, die Welt und ihre Phänomene als Ganzes zu betrachten - als etwas, das man vorerst nicht in verschiedene Dimensionen unterteilen kann. In der Wirklichkeit der Kinder existieren beispielsweise keine ernsthaften Tätigkeiten einerseits und das ausgelassene Spiel andererseits (vgl. Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 59).

Grundlegend für die Gestaltung von Lernprozessen ist die Einsicht, dass unterschiedliche Lerngegenstände für Kinder und Erwachsene ganz unterschiedliche Bedeutungen haben können. „Es ist also nicht das Problem der Erwachsenen, über das sich das Kind Gedanken macht, sondern es ist ein anderes Problem, nämlich dieses, wie es sich aus der Perspektive des Kindes darstellt“ (Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 83). Die Ideen und Deutungen der Kinder können insbesondere bei naturwissenschaftlichen Themen sehr von den Erkenntnissen der Wissenschaft abweichen. Das, was für die meisten Erwachsenen offensichtlich scheint (zum Beispiel welche Materialien schwimmen und welche sinken, oder dass Erwärmen und Abkühlen zur gleichen Art von Veränderung gehören), ist jungen Kindern in Kindertageseinrichtungen nicht bewusst, weshalb sie meist unterschiedliche Erklärungen für diese Phänomene finden (vgl. Harlen 2006, S. 5). Hier spielen die Einstellungen und das Verhalten der pädagogischen Fachkraft gegenüber den kindlichen Annahmen über natürliche Phänomene und deren Beobachtungen eine bedeutende Rolle (vgl. Sträng 2008, S. 123).

“[…] if we wish to develop children’s understanding at the same time as assessing the capabilities and knowledge they have acquired, we need to nourish an interactional contract […] within which children can respond in a competent manner from their own perspective on the world. Not until we - teachers and researchers - do this will we be able to truly gain access to the process we call development.” (Pramling Samuelsson & Pramling 2009, S. 214)

2.3 Die Rolle der pädagogischen Fachkraft

Von übergeordneter Wichtigkeit in der Schwedischen Entwicklungspädagogik ist die Anforderung an die pädagogische Fachkraft, die Perspektive der Kinder einnehmen zu können. Die Perspektive der Kinder zeigt sich in den Fragen, den Bemerkungen und im Verhalten der Kinder. Die pädagogische Fachkraft ermutigt die Kinder, ihre Fragen offen zu stellen, ihrer Verwunderung Ausdruck zu verleihen und Erklärungen für Phänomene zu finden (vgl. Pramling Samuelsson & Pramling 2009, S. 206). Sie nimmt die Fragen und Ideen ernst, hört zu, beobachtet, analysiert, stellt unterschiedliche Perspektiven und Denkansätze der Kinder heraus, schafft jedem einzelnen von ihnen eine Plattform und plant darauf aufbauend die weitere Vorgehensweise (vgl. Thulin 2010, S. 39). „Sie stellt viele Fragen, wie die Kinder etwas meinen, warum sie dies oder das tun, wie sie auf etwas gekommen sind usw.“ (Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 140).

Die Beschreibung und Herausstellung der unterschiedlichen Denkweisen der Kinder ist ein Hauptaspekt der Phänomenografie und ihrer Entwicklungspädagogik. Es ist die Aufgabe der pädagogischen Fachkraft, die unterschiedlichen Denkansätze sichtbar zu machen „und für das Kind Voraussetzungen zu schaffen, diese Variation der Gedankengänge zu erkennen“ (ebd., S. 43). Sie macht die Kinder auf die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten in deren individueller Lösungsfindung, beim Zeichnen oder anderen Ausdrucksarten aufmerksam und betont damit besonders die Vielfalt der Ausdrucks- oder Verstehensmöglichkeiten (vgl. ebd., S. 140).

Die pädagogische Fachkraft prägt jede Aktivität durch Kommunikation und Interaktion mit den Kindern (vgl. Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2008, S. 638), jedoch ohne dabei das Wissen direkt zu vermitteln. Sie sollte lediglich die Aufmerksamkeit und das Interesse der Kinder auf relevante Aspekte des Lerngegenstandes lenken (vgl. Pramling & Pramling Samuelsson 2001, S. 141). Diese Lerngegenstände können meist in mehr als einer Weise wahrgenommen werden. Daher muss nach und nach dafür gesorgt werden, dass die Fähigkeit der Kinder, unterschiedliche Aspekte wahrzunehmen und je nach Relevanz den einen oder den anderen zu berücksichtigen, gestärkt wird (vgl. Pramling Samuelsson & Pramling 2009, S. 209).

Die oberste Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist es jedoch, Lerninhalte festzulegen und aus der Beobachtung der Kinder Lerngegenstände zu ermitteln, welche die Kinder ansprechen und zum Erzählen, Beschreiben, Erklären und Nachdenken anregen (vgl. Pramling Samuelsson & Asplund Carlsson 2007, S. 44-45). Wenn das Erleben des Kindes der Ausgangspunkt für das Lernen bestimmter Inhalte sein soll, dann muss die pädagogische Fachkraft auch eine genaue Vorstellung davon haben, was die Kinder verstehen sollen (vgl. ebd., S. 64). Sie muss also eine klare Vorstellung der Lernziele haben, die sie mit den Kindern erreichen möchte und sie muss eine ebenso klare Vorstellung haben, auf welchem Weg sie sich diesen Zielen mit den Kindern nähern könnte. Sie muss die Fähigkeit haben, zu analysieren, wo die Kinder stehen und wie sie sie bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten unterstützen kann. Dazu gehört es auch, den Kindern die Bedeutung der Lernziele näher zu bringen und begreifbar zu machen (vgl. Harlen 2006, S. 9). Sie müssen ein Verständnis davon bekommen können, warum sie etwas lernen und wozu es ihnen dienen kann.

Eine andere Herausforderung für die pädagogische Fachkraft ist es, den Kindern ein wissenschaftliches Vorbild zu sein, sodass sie positive Einstellungen und Überzeugungen gegenüber der Naturwissenschaft entwickeln. Denn letztendlich sind es diese Einstellungen und Überzeugungen, welche ihre Motivation, naturwissenschaftliche Phänomene zu ergründen, lebenslang beeinflussen (vgl. Siraj- Blatchford 2001, S. 3). Die pädagogische Fachkraft sollte dem jeweiligen naturwissenschaftlichen Lerngegenstand daher Neugier und Achtung entgegenbringen (vgl. Engdahl & Ärlemalm-Hagsér 2008, S. 120). Und sie sollte selbst ein gesteigertes Interesse an den vielfältigen Phänomenen der Naturwissenschaft zeigen. Um das naturwissenschaftliche Interesse der Kinder zu wecken, kann die pädagogische Fachkraft im Morgenkreis das Gespräch in eine naturwissenschaftliche Richtung lenken und sich berichten lassen, welche Erfahrungen und Erlebnisse die Kinder mit einem bestimmten Phänomen bereits gemacht haben oder wo sie Verwunderung verspüren (vgl. Thulin 2010, S. 28).

[...]

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Naturwissenschaftliche Bildung in der frühen Kindheit
Untertitel
Ein grundlegender Vergleich der schwedischen Entwicklungspädagogik mit dem Konzept der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Erziehungswissenschaft und Pyschologie)
Veranstaltung
Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
37
Katalognummer
V273275
ISBN (eBook)
9783656663034
ISBN (Buch)
9783656663041
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ansätze, bildung, frühen, kindheit, vergleich, schwedischen, entwicklungspädagogik, konzept, stiftung, haus, forscher
Arbeit zitieren
Nicole Persson (Autor:in), 2013, Naturwissenschaftliche Bildung in der frühen Kindheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273275

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