Post Merger Integration. Erfolgsfaktoren bei Unternehmenszusammenschlüssen der produzierenden Industrie: Anlagen- und Maschinenbau

Empirische Untersuchung


Studienarbeit, 2002

139 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1 AUSGANGSSITUATION UND MOTIVATION
1.1 FOKUSSIERUNG UND ZIELSETZUNG
1.2 GANG DER UNTERSUCHUNG

2 DEFINITIONEN UND GRUNDLAGEN
2.1 EINTEILUNG VON UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSEN
2.2 ZUSAMMENSCHLUSSTYPEN NACH STRATEGISCHER AUSRICHTUNG
2.2.1 Kernkompetenzzusammenschluss
2.2.2 Markterweiterungszusammenschluss
2.2.3 Fertigungszusammenschluss
2.2.4 Systemzusammenschluss
2.2.5 Produktionsstufenzusammenschluss
2.3 MOTIVE UND ZIELE VON UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSEN
2.4 PHASEN DES UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLUSSES
2.4.1 Strategische Analyse- und Konzeptionsphase
2.4.2 Transaktionsphase
2.4.3 Integrationsphase
Abgrenzung des Integrationsbegriffs
Integrationsmanagement
Integrationserfordernisse
Integrationsplanung
Organisatorische Verankerung der Integrationsaktivitäten
Integrationsmaßnahmen
Integrationsgeschwindigkeit
2.5 SYNERGIE
2.6 DEN ERFOLG VON UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSEN MESSEN

3 ORGANISATION UND INFORMATIONSTECHNISCHE UNTERSTÜTZUNG DER PRODUKTION
3.1 CIM - COMPUTER INTEGRATED MANUFACTURING
3.2 ORGANISATIONSPRINZIPIEN DER FERTIGUNG
JIT (Just-in-Time Produktion)
MRPII (Manufacturing Resource Planning)
KANBAN
3.3 LOGISTIK

4 GRUNDLAGEN DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
4.1 DATENERHEBUNG - MÖGLICHKEITEN, PROBLEME UND ANWENDUNG
4.2 STATISTISCHE GRUNDLAGEN
4.3 ERFOLGSINDIKATOR
4.4 VORGEHENSWEISE BEI DER DATENERHEBUNG
4.5 VORGEHENSWEISE BEI DER DATENAUSWERTUNG
4.6 VORGEHENSWEISE BEI DER DARSTELLUNG

5 DATENAUSWERTUNG UND INTERPRETATION
5.1 AUSSAGEN ZUR DATENBASIS
5.2 ALLGEMEINE DATENAUSWERTUNG
5.3 DIFFERENZIERTE DATENAUSWERTUNG
Grundlegende allgemeine Erfolgsfaktoren
Defizite des Integrationsmanagements
Auswertung im Produktionsbereich
Produktstruktur
Produktionsstruktur
Integration der Unternehmensbereiche durch CIM
EDV Struktur als Schlüssel zur integrativen Nutzung von CIM Elementen
Standortstruktur - Erfolg durch Logistik als Reorganisationsziel
Sozio-kulturelle Integration - ein unerwartetes Ergebnis

6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG
Fragebogen
Eidesstattliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Mergerwellen

Abb. 2: M&A Trend für Deutschland

Abb. 3: Systematik von Unternehmenszusammenschlüssen

Abb. 4: Drei Phasen der Akquisition

Abb. 5: Organisation des Integrationsprojektes der Fusion zu Novartis

Abb. 6: CIM Kreuzmodell

Abb. 7: Hauptfunktionen der PPS

Abb. 8: Das MRPII Konzept

Abb. 9: Gegenüberstellung von KANBAN und zentraler Produktionssteuerung

Abb. 10: Erfolgsindikator

Abb. 11: Subjektives Ausmaß des Akquisitionserfolges

Abb. 12: Größenrelation in Bezug auf die Mitarbeiteranzahl

Abb. 13: Zusammenschlussrichtung und Integrationsgrad

Abb. 14: Zusammenschlussziele gesamte Datenbasis

Abb. 15: Ziele von erfo lgreichen Zusammenschlüssen

Abb. 16: Ziele von weniger erfolgreichen Zusammenschlüssen

Abb. 17: Größenrelation der Zusammenschlüsse

Abb. 18: Zusammenschlusserfahrung

Abb. 19: Geschäftserfolgssituation

Abb. 20: Stärken- und Schwächenprofil

Abb. 21: Qualität des Integrationsmanagements

Abb. 22: Aufgaben des Integrationsmanagements

Abb. 23: Organisation des Integrationsteams

Abb. 24: Integrationsinstrumente

Abb. 25: Überschneidung der Produktstruktur

Abb. 26: Übereinstimmung der Produktionsstruktur gesamt

Abb. 27: gemeinsam koordinierte Produktionsbereiche

Abb. 28: Reorganisation der Produktionsstruktur

Abb. 29: Organisationskonzepte der Fertigung

Abb. 30: Einsatz einzelner CIM-Elemente

Abb. 31: Gemeinsam koordinierte PPS-Elemente

Abb. 32: Eigenschaften der EDV-Systeme nach dem Zusammenschluss

Abb. 33: Kriterien der Standortreorganisation

Abb. 34: Geographische Verteilung der Unternehmen

Abb. 35: Schwierigkeiten im personellen Bereich

Abb. 36: Anteil an Cross Boarder M&A's

Abb. 37: Persönliche Integrationsmaßnahmen

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Untersuchte Zusammenschlüsse

Tab. 2: Kernkompetenzzusammenschluss

Tab. 3: Markterweiterungszusammenschluss

Tab. 4: Fertigungszusammenschluss

Tab. 5: Systemzusammenschluss

Tab. 6: Produktionsstufenzusammenschluss

Tab. 7: Ziele von Mergers & Acquisitions

Tab. 8: Organisatorische Verankerung der Integrationsaktivität

Tab. 9: Integrationsmaßnahmen

Tab. 10: Integrationsgeschwindigkeit

Tab. 11: Merkmale der Stichprobe

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Ausgangssituation und Motivation

Unternehmenskonzentrationen durch Firmenzusammenschlüsse sind kein neues Phänomen der Jahrtausendwende. Vielmehr lassen sich Mergers & Acquisitions als zyklisches Phänomen begreifen. Wie Abb. 1 darstellt gab es alleine in den letzten 100 Jahren fünf Mergerwellen, die durch verschiedene Entwicklungen, Rahmenbe- dingungen und Zielsetzungen begründet waren. Hiervon stellt die heutige, seit etwa 1993 andauernde Mergerwelle die größte und intensivste der Weltwirtschaftsge- schichte dar.1

Abb. 1: Mergerwellen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jansen/Müller Stewens (2001), S.3,4

Aber nicht nur die Anzahl der getätigten Fusionen, sondern auch deren Transakti- onsvolumen hat sich, wie Abb. 2 illustriert, während dieser Fusionswelle im Spitzen- jahr 2000 auf 487 Mrd. € in Deutschland und unvorstellbare 4000 Mrd. US -$ weltweit vervielfacht. Man erkennt den deutlichen Anstieg des Transaktionsvolumens, d.h. der Summe aller gezahlten Kaufpreise bei Unternehmenszusammenschlüssen. Bedeut- sam hierbei ist vor allem der Trend zu Großfusionen, der quer durch alle Branchen zu bemerken ist. Prominentestes Beispiel hierfür stellt die Fusion von Daimler-Benz mit Chrysler dar, die dem immensen Konzentrationstrend in der Automobilindustrie folgte, an dessen Ende, so schätzen viele Experten, wenige konkurrierende Automo- bilkonzerne stehen, die sich den Weltmarkt aufteilen werden. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung verlief der M&A Trend im Jahre 2001 spürbar rückläufig. Die Anzahl der in Deutschland vollzogenen Unternehmenszusammenschlüsse ging Anzahl der in Deutschland vollzogenen Unternehmenszusammenschlüsse ging von 1429 angezeigten Fällen auf 1141 Fälle zurück, so die neuesten Zahlen des Bundeskartellamtes. Das Transaktionsvolumen sank aufgrund des Einbruchs der Kapitalmärkte im Jahre 2001 deutlich ab.

Für die Härte, mit der bei Mergers & Acquisitions unter anderem vorgegangen wird, ist die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone Airtouch wohl bekanntestes Beispiel. Diese Übernahme hatte immerhin einen Anteil von 198 Mrd. € am Transa k- tionsvolumen des Jahres 2000. Vordergründig lässt sich der Unternehmenskonzentrationstrend durch Schlagwörter wie „Synergieeffekte“, „Globalisierung“ und „Kosteneinsparungspotentiale“ bzw. „Größendegressionseffekte“ begründen. Nach Alfred Rappenport, ist die Triebkraft der andauernden Mergerwelle der Druck des Kapitalmarktes durch Investoren, die nach immer überdurchschnittlicheren Renditen verlangen, also die Erhöhung des Shareholder Value.2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: M&A Trend für Deutschland

Quelle: Bundeskartellamt, M&A International - Zugriff über www.mergers-and-acquisitions.de am 20.11.02

Hierbei wirkt der Kapitalmarkt als Auslöser und ebenfalls als Umsetzungsinstrument, da eine Vielzahl von Transaktionen erst durch die Möglichkeit des Aktientausches möglich wird3. Auf diese Weise konnte das junge Unternehmen AOL den deutlich umsatzstärkeren Medienkonzern Time Warner übernehmen, da AOL gemessen an der Börsennotation zum Zeitpunkt der Übernahme fast doppelt so groß war wie Time Warner.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der wirtschaftliche Erfolg von Unter- nehmenszusammenschlüssen diesen Boom auch rechtfertigt. Gerade unter diesem Aspekt geben verschiedene Untersuchungen und Studien alarmierende Zahlen, n- dem sie Misserfolgsquoten von meist über 50% nennen.4 Angesicht dieser Zahlen verwundert es, dass der Akquisitionstrend ungebrochen fortschreitet. Doch warum sind die Misserfolgsquoten so hoch, obwohl es mittlerweile alleine aus der großen Anzahl von vollzogenen Unternehmenszusammenschlüssen einen großen Erfah- rungsschatz geben müsste. Viele Autoren machen hierfür die Überschätzung von Synergiepotentialen verantwortlich, durch die oftmals ein zu hoher Kaufpreis gezahlt wird, bei gleichzeitiger Unterschätzung deren Realisierungskosten. Das Problem wird weniger im Konzept des Mergers, sondern vielmehr in dessen Umsetzung gesehen, also in der Post-Merger-Integrationsphase, deren Bedeutung und Komplexität von vielen Managern unterschätzt wird.5 Heinz Lohringer formuliert es drastischer, er be- hauptet, dass die Manager nur wenig aus Erfahrungen von Zusammenschlüssen und vorangegangenen Studien gelernt hätten, sich dementsprechend einfach nicht richtig vorbereitet haben, bzw. sie nicht bereit sind, aus den Fehlern anderer zu lernen.6

1.1 Fokussierung und Zielsetzung

Was zeichnet erfolgreiche Unternehmen aus? Was machen sie anders und besser als die Übrigen? Die vorliegende Studienarbeit erhebt den Anspruch, die Fehler bei Unternehmenszusammenschlüssen und ihre Ursachen zu identifizieren und wichtige Erfolgsfaktoren bei Unternehmenszusammenschlüssen herauszustellen. Hierbei wird die Analyse auf den industriellen Sektor, dem immerhin die Hälfte aller in Deutsch- land getätigten Transaktionen zuzurechnen ist,7 besonders auf den Bereich des An- lagen- und Maschinenbaus fokussiert. Die Konzentration auf diesen Bereich der wirt- schaftlichen Erzeuger ist insofern interessant, da speziell hierzu wenige Untersuchungen der deutschsprachigen Literatur vorzufinden sind.

Diese Studienarbeit untersucht die Post-Merger-Integrationsphase von Unternehmenszusammenschlüssen, also die Phase nach der eigentlichen Transaktion, wenn sozusagen „die Tinte unter dem Vertrag trocken ist“, da dieser wie o.a. die entscheidende Problemrelevanz zugerechnet wird. Die Planungs-, Verhandlungs- und Vertragsabwicklungsphasen werden kurz erörtert, jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein, ebenso nicht steuerlich rechtliche Aspekte.

Grundlage dieser Studienarbeit bildet eine Datenerhebung bei kürzlich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligten Unternehmen der produzierenden Industrie. Die Datenerhebung wurde durch persönliche Interviews und durch einen umfangreichen, eigens für diesen Zweck entworfenen, Fragebogens durchgeführt. Somit wurde eine Datenbasis geschaffen, die 22 Unternehmen umfasst.

Ziel dieser Arbeit ist es Probleme im Produktions- und Fertigungsbereich bei Unter- nehmenszusammenschlüssen aufzudecken, Ursachen zu identifizieren und Lösungs- leitsätze bereitzustellen. Aus diesen Gründen wird sich besonders auf diese Bereiche der Wertschöpfungskette konzentriert. Die Ausarbeitung soll präventive Strategien liefern, um die Erfolgsausichten von Unternehmenskonzentrationen der produzieren- den Industrie zu erhöhen. Es existieren zudem weitere Unternehmensspezifische Faktoren, die auf die zu untersuchenden Bereiche nicht zu entkoppelnde Einflüsse ausüben, wodurch es notwendig sein wird, auch diese, entsprechend Ihrer Relevanz, zu berücksichtigen. Im Zuge dieser Arbeit wird beabsichtigt, die Auseinandersetzung mit sozio-kulturellen Aspekten auf ein Minimum zu beschränken, da die sozio- kulturelle Komponente, wie z.B. Kulturunterschiede und Mitarbeiterwiderstand, oft- mals nur als „Deckmantel“ für handwerkliche Fehler bei gescheiterten Zusammen- schlüssen missbraucht wird8 und es speziell zu diesem Aspekt ausreichende Unter- suchungen gibt.

1.2 Gang der Untersuchung

Bevor die Bearbeitung des empirischen Teils dieser Arbeit aufgenommen werden kann, bedarf es zunächst einer theoretischen Durchleuchtung der für diese Studie relevanten Aspekte bei Unternehmenszusammenschlüssen.

Deshalb erfolgt im Kap.2 zunächst eine Erläuterung von Begriffen und die Schaffung einer theoretischen Grundlage. Hierbei wird der Begriff des Unternehmenszusammenschlusses näher gebracht, aber auch Aspekte wie Synergie, Logistik und Fertigungsorganisationskonzepte erörtert.

In Kap.4 werden dann wichtige Grundlagen der Empirischen Untersuchung diskutiert. Es wird aufgezeigt, welche Verfahren zur Datenerhebung und deren Analyse genutzt wurden und warum diese Anwendung fanden.

Das Kap.5 befasst sich mit der eigentlichen Auswertung der Umfrageergebnisse, in- dem zuerst eine allgemeine, dann eine differenzierte Analyse der Stichprobe Vorge- nommen wird.

Die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Studie und eine kurze Kommentierung findet letztlich in Kap.6 statt.

2 Definitionen und Grundlagen

Im folgenden Abschnitt soll die theoretische Grundlage für die weitere Studienarbeit geschaffen werden. Die Abgrenzung von begriffstypischen Merkmalen und Erläuterungen zu Abläufen und Prozessen sowie die Herleitung von Arbeitsdefinitionen ist Schwerpunkt dieses Kapitels.

2.1 Einteilung von Unternehmenszusammenschlüssen

Wenn in der Literatur von Unternehmenszusammenschlüssen gesprochen wird, tau- chen viele synonym benutzte Begriffe auf. Es wird von Akquisitionen, Unterneh- mensübernahmen, Unternehmensverbindungen, Unternehmenskonzentrationen, ü- berbetrieblicher Geschäftsform, Unternehmenszusammenfassung etc. gesprochen. In englischsprachigen Veröffentlichungen ist häufig von „acquisition“, „merger“ und takeover die Rede.

Aufgrund der Formenvielfalt von Zusammenschlüssen muss der allgemeine Begriff des Unternehmenszusammenschlusses weit gefasst werden, sodass dessen Bedeutung abstrakt und inhaltslos wirkt.9 So wird ein Unternehmenszusammenschluss weitestgehend in der Literatur als eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit, also Verbindungen vertraglicher oder kapazitätsmäßiger Art, zwischen rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Unternehmen bezeichnet.10 Der Begriff wird im Gabler Wirtschaftslexikon als eine „freiwillige Vereinigung von Unternehmungen im Vertragswege durch Verschmelzung... oder Konzernierung...“ definiert. Diese Definition ist speziell für die Anforderungen dieser Studienarbeit nicht ausreichend, da Zusammenschlüsse auch durch feindliche Übernahmen in der Praxis üblich sind und nicht von dieser Untersuchung ausgeschlossen werden sollen.

Eine sinnvolle Unterteilung von Unternehmenszusammenschlüssen kann durch die drei Kriterien Produktionsstufe, Dauer der Verbindung und Kooperationsgrad bzw. Bindungsintensität erfolgen.11

Das leistungswirtschaftliche Kriterium der Produktionsstufe differenziert drei Arten von Unternehmensverbindungen:

- Horizontale Unternehmensverbindung · Vertikale Unternehmensverbindung · Diagonale Unternehmensverbindung Von horizontalen Unternehmenszusammenschlüssen spricht man, wenn sich Unter- nehmen der gleichen Produktions- bzw. Handelsstufe vereinigen, sich also ein Un- ternehmen mit einem Wettbewerber in ähnlichem Geschäft auf dem selben Markt, mit gleicher Produktionstechnologie verbindet.12 Der Zusammenschluss mehrerer Tankstellen beispielsweise hat horizontalen Charakter. Die Produktionstiefe bleibt durch den Zusammenschluss unberührt.13 Weiterhin kann diese Zusammenschluss- form in Zusammenschlüsse mit oder ohne Produktausweitung differenziert werden. Das strategische Ziel horizontaler Zusammenschlüsse ist meist die Ausnutzung von Größendegressionseffekten oder eine verbesserte Marktstellung.14

Ein vertikaler Zusammenschluss liegt vor, wenn sich Unternehmen aufeinanderfol- gender Produktions- und Handelsstufen vereinigen, beispielsweise ein Zusammen- schluss zwischen Hersteller und Lieferant. Hierbei ist eine Rückwärtsintegration (backward Integration) denkbar, wenn eine vorgelagerte Produktions- und Handels- stufe angegliedert wird oder eine Vorwärtsintegration (forward Integration), wenn eine nachgelagerte Stufe angebunden wird. Ziel von vertikalen Unternehmenskonzentra- tionen ist meist die Reduzierung der Anbieterzahl auf vor- und nachgelagerten Märk- ten oder die Gestaltung des Absatzes durch den Produzenten (forward integration) sowie die Sicherung der Belieferung mit knappen Gütern (backward integration).

Diagonale Zusammenschlüsse, bezeichnen Unternehmensverbindungen, deren be- teiligte Unternehmen in verschiedenen Branchen tätig sind, wodurch eine Expansion in neue Produkt- bzw. Marktfelder vorgenommen wird. Es besteht keine funktionale Verbundenheit. Diagonale Verbindungen werden auch lateral, heterogen, anorga- nisch oder konglomerat genannt. Ziel diagonaler Zusammenschlüsse ist die Risiko- streuung durch Diversifikation oder die Entwicklung zu einem Systemanbieter.

Unternehmenszusammenschlüsse lassen sich nach der Dauer in kurzfristige und langfristige bzw. dauerhafte Zusammenschlüsse unterteilen. Für diese Studienarbeit ist die Form der kurzfristigen Unternehmensverbindung jedoch irrelevant, da bei die- ser die zu untersuchende Integrationsphase nach einem Zusammenschluss nicht auftritt.

Bei der Einteilung von Unternehmenszusammenschlüssen nach dem Kooperations- grad bzw. der Bindungsintensität interessiert vor allem die rechtliche und wirtschaftli- che Selbständigkeit15 der Zusammenschlusspartner nach dem Zusammenschluss.16 Nach diesem Kriterium finden sich in der Literatur mehrere Einteilungsmöglichkeiten. Nach Thommen werden beispielsweise vier Unterscheidungen von Zusammen- schlusstypen getroffen:17

- Auf vertraglicher Grundlage. Rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit bleiben erhalten
- Durch Beteiligungserwerb: Durch Erwerb von Aktienkapital versucht ein Un- ternehmen Einfluss über ein anderes zu erlangen, dessen Höhe vom Umfang der Kapitalbeteiligung abhängt
- Durch käufliche Übernahme von Aktiva und Passiva. · Durch Fusion

Die für diese Studienarbeit übersichtlichste Einteilung liefert jedoch die an Pausenberger angelehnte Differenzierung, die in Abb. 3 abgebildet wird. Die Gruppierung zeigt übersichtlich die Arten von Zusammenschlüssen, die im Zuge dieser Studie untersucht werden sollen. Wie zu erkennen ist, werden Unternehmenskooperationen und -verknüpfungen zu Unternehmenszusammenschlüssen subsumiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Systematik von Unternehmenszusammenschlüssen

Quelle: In Anlehnung an Pausenberger (1998), S.625; Much (1997), S.68

Unternehmenskooperationen charakterisieren eine freiwillige Zusammenarbeit von Unternehmen, die rechtlich, sowie in den nicht betroffenen wirtschaftlichen Bereichen selbständig bleiben.18 Unternehmenskooperationen bedürfen keiner integrativen Maßnahmen, weshalb sie nicht weiter in dieser Arbeit untersucht werden. Unternehmensverknüpfungen bedeuten dagegen den Verlust der wirtschaftlichen oder darüber hinaus den Verlust der rechtlichen Selbständigkeit eines Unterneh- mens. Unternehmensverknüpfungen unterteilen sich in Akquisitionen i.e.S. und Fusi- onen. Diese Akquisition i.e.S. können durch den Erwerb von Vermögensgesamthei- ten, also der Aktiva und Passiva („asset deal“) oder durch den Erwerb von Mehr- heitsbeteiligungen („share deal“) zu Stande kommen.19 Fusionen lassen sich in Fusi- onen durch Aufnahme und Fusionen durch Neugründung unterscheiden. Den Fusio- nen durch Aufnahme kommt dieser Studie besondere Bedeutung zu, da hier die n- tegrationserfordernisse der Unternehmen besonders umfangreich sind. Die Fusionen durch Neugründungen fallen nicht in das Untersuchungsspektrum dieser Ausarbei- tung, da in diesem Fall ein komplett neues Unternehmen gegründet wird und es somit keine Integrationsphase gibt. Im Gegensatz zu Akquisitionen, bei denen nach dem Zusammenschluss üblicherweise die wirtschaftliche Selbständigkeit aufgegeben wird, die rechtliche jedoch in Form einer Rumpfgesellschaft aufrecht erhalten wird, verliert bei einer Fusion mindestens eines der beteiligten Unternehmen seine rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit.20

Um für diese Studienarbeit zu einer Arbeitsdefinition von Unternehmenszusammen- schlüssen zu gelangen, werden die Akquisitionen i.e.S. mit den Fusionen durch Auf- nahme zu den Akquisitionen i.w.S. erweitert, die im Folgenden nur noch Akquisition genannt werden. Diese Einteilung kann unproblematisch vorgenommen werden, denn der Unterschied zwischen Akquisitionen und Fusionen ist primär nur von juristi- schem Belang, der in dieser Untersuchung keine Rolle spielen soll. Somit können im weiteren Verlauf die Begriffe Akquisition, Merger, Fusion Unternehmenszusammen- schluss, Unternehmensverbindung und Unternehmenskonzentration synonym ver- wendet werden.

Die untersuchten Unternehmenszusammenschlüsse lassen sich somit wie in Tab. 1 dargestellt klassifizieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Untersuchte Zusammenschlüsse

Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an Pausenberger (1998), S.622

2.2 Zusammenschlusstypen nach strategischer Ausrichtung

Diese Einteilung von Akquisitionen zeichnet sich durch die Beschreibung der strategischen Stoßrichtung aus und ermöglicht es, die für jeden Typus dieser Systematik entsprechenden Anforderungen zu bestimmen. Das verleiht dieser Systematik Substanz bzw. Praxisrelevanz und hebt sich von der theorilastigen Materie ab. Nach dieser strategisch orientierten Einteilung werden fünf Arten von Zusammenschlusstypen unterschieden:21

- Kernkompetenzzusammenschluss
- Markterweiterungszusammenschluss
- Fertigungszusammenschluss
- Systemzusammenschluss
- Produktionsstufenzusammenschluss

2.2.1 Kernkompetenzzusammenschluss

Der Ansatz der Kernkompetenz wurde durch die Autoren Prahlad und Hamel im Jah- re 1990 geschaffen.22 Sie begreifen die Kernkompetenz als Grundlage von Wettbe- werbsvorteilen. Kernkompetenz stellt die Fähigkeit der Unternehmensführung dar, die unternehmensweiten Technologien und Produktionsfertigkeiten in Kompetenzen zu konsolidieren, wodurch eine erleichterte Anpassungsfähigkeit an sich entwickeln- de Chancen und Risiken ermöglicht wird.23 Dies bedeutet nichts anderes, als dass Unternehmen und deren Führungspersönlichkeiten Wissen und Systematiken entwi- ckelt haben, um mit ihren spezifischen Ressourcen und Produkten effizient wirtschaf- ten zu können. Kernkompetenzen können in allen Gebieten des Wirtschaftens vor- handen sein, wie z.B. im Marketing, Markenname, Produktentwicklung, F&E, in tech- nologischem Fachwissen, in besonders effizienten Herstellungsverfahren, Kundenfo- kus etc.24

Der Kernkompetenzzusammenschluss leitet sich direkt aus dem Ziel der Bündelung von Kernkompetenzen ab. Jeder der beteiligten Zusammenschlusspartner übergibt unrentable Produktsegmente, bei welchen er über wenig Kompetenz verfügt, an den Zusammenschlusspartner ab, der idealerweise genau bei den übernommenen Produkten seine Stärken aufweist und diese rentabel erstellen kann. Nach vollzogenem Zusammenschluss wird eine bestimmte Produktart nur noch von einem Unternehmen erzeugt. Auf diese Weise kann durch economics of scale (Produktion größerer Stückzahlen) bzw. economics of scope (z.B. durch Plattform- und Modularkonzepte) und die Akkumulation von Know-how eine Produktivitätssteigerung implementiert werden. Somit soll durch eine produktorientierte Fertigungssegmentie- rung ein unternehmensübergreifender Kompetenzgewinn erzielt werden.

Im Zuge eines Kernkompetenzzusammenschlusses ist es notwendig, dass die Zusammenschlusspartner in der selben Branche und auf der gleichen Produktionsstufe produzieren (horizontaler Zusammenschluss). Die Fertigungssegmentierung setzt wegen der Neuaufteilung des Produktionsprogramms den Austausch von Produktionsanlagen und Know-how voraus.

Wegen der Ähnlichkeit der Produktspektren ist ein gemeinsames Beschaffungswe- sen von Vorteil, da hiermit aufgrund höherer Bestellmengen der Einfluss auf Lieferan- ten vergrößert wird.25 Zur besseren Koordination sollte zwischen dem Bedarf diffe- renziert werden, der nur in einem Unternehmen anfällt und jenem, der beide Unter- nehmen betrifft.26 Unter diesem Aspekt bringt es Vorteile, die Anzahl der in beiden Unternehmen benötigten Gleich- und Ähnlichteilen zu erhöhen. Um dies zu errei- chen, können unternehmensübergreifende Workshops mit Mitarbeitern aus der Kon- struktion etc. abgehalten werden.

Ebenso sollte der Vertrieb zusammengefasst werden, da jeder Zusammenschluss- partner nur noch ein reduziertes Produktspektrum herstellt und dies die Möglichkeit lässt, vor dem Kunden im Rahmen des Unternehmenszusammenschlusses ein er- weitertes Produktspektrum anzubieten.27 Hierdurch wird eine gemeinsame Absatz- planung notwendig, indem Kundeninformationen, sowie die Nachfrageentwicklungen der verschiedenen Produktfelder zusammengefasst und verarbeitet werden müssen.

Zur Bewältigung dieser Aufgabe müssen Anfrageerfassung, Angebotsbearbeitung, Auftragserfassung und Auftragsklärung gemeinsam abgewickelt werden.28 Dies er- hebt natürlich besondere Ansprüche an die EDV, wobei eine Vernetzung zwecks permanentem Datenaustausch zwischen den Unternehmen als hilfreich einzustufen ist. Es wird notwendig, ein einheitliches Nummern- und Artikelsuchsystem zu erarbei- ten.

Die ausgearbeiteten Anforderungen an den Kernkompetenzzusammenschluss sind in Tab. 2 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Kernkompetenzzusammenschluss

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Much (1997), S. 80-103

2.2.2 Markterweiterungszusammenschluss

Der Markterweiterungszusammenschluss ermöglicht es Unternehmen in für sie neue Märkte vorzustoßen. Hierbei ist eine Marktausweitung rein geographischer Natur, sowie die Erschließung neuer Nachfragesegmente auf demselben geographischen Markt möglich. Mit dieser Form des Zusammenschlusses bezwecken die Akquisiti- onspartner ihre Produkte auch in anderen Ländern und Regionen über die vorhan- denen Vertriebsstrukturen des Zusammenschlusspartners zu vertreiben. Dies birgt mehrere Vorteile. Einerseits können die vorhandenen Absatzstrukturen kostengüns- tig für die eigenen Produkte verwendet werden, andererseits ist es möglich vom Be- kanntheitsgrad des Zusammenschlusspartners und dessen marktspezifischem Know-how zu profitieren.29

Voraussetzung für einem Markterweiterungszusammenschluss ist eine horizontale Unternehmenskonzentration. Nur wenn Unternehmen gleicher Produktionsstufe bzw. gleicher Branche an diesem Zusammenschluss beteiligt sind, lässt sich eine syner- getische Zusammenarbeit gewährleisten. Dies ist ersichtlich, da durch den Zusam- menschluss eigene Produkte durch das akquirierte Unternehmen vertrieben werden sollen. Aufgrund dessen kommt nur ein Zusammenschlusspartner in Frage, der über dieses Produktsegment auf seinem Markt Erfahrungen besitzt und umgekehrt.

Aufgrund des gegenseitigen Vertriebs ist neben der Absatzplanung der eigenen Pro- dukte auf dem heimischen Markt, eine gemeinsame Absatzplanung der fremden Produkte auf dem heimischen und der eigenen Produkte auf dem fremden Markt notwendig. Die gemeinsame Absatzplanung ist der wichtigste Aspekt bei dieser Form des Zusammenschlusses. Hierzu müssen, um effizient zusammenarbeiten zu kön- nen, die Eckdaten der Planungsbasis bestimmt werden, wie Planungshorizont, - periode, -raster. Zur Gewährleistung der Liefertermintreue müssen die Zusammen- schlusspartner auf die dispositiven Konten des anderen zugreifen können, d.h. es ist notwendig, dass der jeweils andere Zusammenschlusspartner über den Status der fremdproduzierten Güter und der eigenen bei dem Partner befindlichen Produkte in- formiert sein muss. In diesem Zusammenhang ist selbstverständlich eine gemeinsam koordinierte Auftragsabwicklung essentiell. Dies alles stellt natürlich besondere An- forderungen an die Informationsverarbeitung der Zusammenschlusspartner. Zum einen ist eine Vernetzung der Standorte hilfreich, andererseits ist die einheitliche Formatierung der Absatz- und Verkaufsprogramme notwendig, bzw. die Schaffung einer einheitlichen Datenbasis.

Für einen Markterweiterungszusammenschluss ist eine Fertigungsverwandtschaft der Produkte nicht relevant, da das Ziel nicht die Ausnutzung von Synergien im Produktionsbereich ist. Somit sind die Produkte bei einer Akquisition dieser Form in der Regel unabhängig. Es findet keine Umstrukturierung der Teilefertigung und Montage statt. Die ausgearbeiteten Merkmale des Markterweiterungszusammenschlusses können wie in Tab. 3 dargestellt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Markterweiterungszusammenschluss Quelle: In Anlehnung an Much (1997), S.83-105

2.2.3 Fertigungszusammenschluss

Während beim Kernkompetenzzusammenschluss eine umfassende Verlagerung von Ressourcen zu dem in diesem Bereich kompetenteren Zusammenschlusspartner stattfindet (produktorientierte Fertigungssegmentierung), steht beim Fertigungszu- sammenschluss die gemeinsame Nutzung von Ressourcen im Vordergrund. Ange- strebt wird eine gemeinsame Fertigung verschiedener Teile und Komponenten. Es lassen sich Verbundvorteile in Bereichen der Produktion, Marketing, F&E und Finan- zierung erreichen, wenn die beteiligten Unternehmen über Ressourcen verfügen, die sie ohne das andere nicht wirtschaftlich ausnutzen können.30 Im Mittelpunkt eines Fertigungszusammenschlusses steht das Prinzip der „economics of scale und der economics of scope“. Um durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen den durchschnittlichen Fixkostenanteil zu senken, legen Unternehmen ihre Fertigungsbe- reiche zusammen. Dies birgt, insbesondere bei der Anschaffung neuer Betriebsfakto- ren Vorteile, denn das Investitionsrisiko kann auf beide Zusammenschlusspartner verteilt werden kann. Durch die gemeinsame Fertigung entstehen weitere Vorteile. Die Gefahr der Unwirtschaftlichkeit durch Unterauslastung wird reduziert, sowie Kos- teneinsparungspotentiale durch die Möglichkeit größerer Losgrößen generiert. Des Weiteren können aufgrund der größeren Auslastungen modernere, flexiblere Produk- tionsfaktoren eingesetzt werden, die besonders geringere variable Stückkosten und insgesamt geringere durchschnittliche Fixkosten verursachen.

Da für diese Form des Zusammenschlusses die Akquisitionspartner in der Produktion viele gleiche oder gleichartige Teile aufweisen müssen, kommt meist nur eine horizontale Unternehmenskonzentration in Frage. Es existieren jedoch auch konglomerate Zusammenschlüsse dieser Form, wenn eine entsprechende Überschneidung des Teilespektrums gegeben ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 4: Fertigungszusammenschluss

Quelle: In Anlehnung an Much (1997), S.86-107

Um eine gemeinsame Fertigung zu ermöglichen, ist eine Verteilung der Kapazität, gemäß einer Ressourcengrobplanung, notwendig. Um durch größere Beschaffungs- mengen Kosteneinsparungspotentiale auszuschöpfen, sollte die Zahl der Gleich- und Ähnlichteile erhöht werden. Hierbei ist es notwendig, dass die Teile und Baugruppen der gemeinsamen Produktion definiert und durch Identifikationskennzahlen abgegli- chen werden. Die Bedarfsermittlung der Produktion erfolgt bei den jeweiligen Zu- sammenschlusspartnern separat. Insbesondere bei einem horizontalen Fertigungs- zusammenschluss ist aufgrund der Ähnlichkeit des Produktespektrums eine Zusam- menlegung des Beschaffungswesen vorteilhaft. Da sich das Produktionsspektrum der jeweiligen Zusammenschlusspartner vor dem Kunden nicht ändert, ist ein ge- meinsamer Vertrieb nicht notwendig.

2.2.4 Systemzusammenschluss

Durch einen Systemzusammenschluss verfolgen die Zusammenschlusspartner die Intention Systemlösungen anbieten zu können, um aus Kundensicht deren Problem- stellungen ganzheitlich zu lösen.31 Das Nachfragen von Systemlösungen kann für den Abnehmer mehrere Gründe haben. Der Kunde erhält ein ganzheitliches, integratives und „schlüsselfertiges Produkt“, wodurch die komplexe Integrationsarbeit nicht durch den Abnehmer geleistet werden muss. Durch die wettbewerbsbedingte Verringerung der Fertigungstiefe sind Unternehmen gezwungen ganze Systeme zu erwerben, die sie vorher selbst hergestellt hatten.

Um zum Systemanbieter wachsen zu können, müssen Unternehmen akquiriert wer- den, die verschiedenartige Produkte herstellen, die sich funktional und technisch nicht überschneiden. Hieraus resultierend kommt nur eine diagonale Akquisition zur Entwicklung zum Systemanbieter in Frage. Dies bedeutet, dass die Fertigungsver- wandtschaft der Zusammenschlusspartner in der Regel gering ist, d.h. unterschiedli- che Fertigungsverfahren und Fertigungs-Know-how zwischen den Zusammen- schlusspartnern bestehen. Außer eine gemeinsame Endmontage, durch welche die Verknüpfung der verschiedenartigen Produkte zu einem System erfolgt, ist keine Umstellung der Fertigung vorzusehen. Um vor dem Kunden als Systemanbieter auf- zutreten, ist es wichtig, eine gemeinsame Auftragskoordination einzurichten. Das Be- reitstellen von Systemlösungen zieht eine gemeinsam durchgeführte Auftragsgrob- terminierung nach sich. Die für die Produktion der einzelnen Systemkomponenten benötigten Ressourcen bzw. Faktoren werden separat bei den Zusammenschluss- partnern ermittelt und verplant. Sobald jedoch die Einhaltung von Eckterminen ge- fährdet ist, erfolgt eine direkte Meldung an die gemeinsame Auftragsführung.32 Durch die Beteiligung mehrerer Unternehmen an der Leistungserstellung ist es notwendig, die Konstruktion der Systemlösung zentral zu gestalten und die Daten zwecks Ferti- gung, an die jeweiligen Stellen weiterzuleiten. Die Fertigung eines Systemanbieters setzt spezielle Anforderungen an die Informationsverarbeitung der Zusammen- schlusspartner. Da das System aus den einzelnen Systemkomponenten der unter- schiedlichen Zusammenschlusspartner zusammengesetzt wird, ist zu der notwendi- gen gesamtheitlichen Erfassung des Systemproduktes, die Erstellung eines einheitli- chen Datenformats notwendig. Dies umfasst die Formate der Absatzprogramme, Auf- tragsdaten und der Produktionsprogramme. Die Eigenschaften des Systemzusam- menschlusses werden in Tab. 5 kurz dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 5: Systemzusammenschluss

Quelle: In Anlehnung an Much (1997), S.88-110

2.2.5 Produktionsstufenzusammenschluss

Diese Form des Zusammenschlusses zielt auf eine Reduzierung der Schnittstellenverluste, die sich zwischen Käufer und Lieferant ergeben. Doppelarbeiten und doppelte Lagerstufen sollen auf diese Weise vermieden werden. Aus dem Verhältnis zu Leistungserstellung von Akquisiteur und Akquisitionsobjekt wird deutlich, dass um dies zu erreichen, lediglich vertikale Unternehmenskonzentrationen möglich sind33. Beide Zusammenschlusspartner produzieren unterschiedliche Produkte, die sich durch eine geringe Fertigungsverwandtschaft auszeichnen, weshalb eine Umgestaltung der Fertigung, sowie der Montage nicht durchzuführen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 6: Produktionsstufenzusammenschluss Quelle: In Anlehnung an Much (1997), S.91-113

Die Erfordernisse der Datenfernübertragung sind bei dieser Form der Unterneh- menskonzentration sehr ausgeprägt, denn ein Zusammenschlusspartner liefert für die Produktion des anderen notwendige Vorprodukte, die rechtzeitig in der benötig- ten Menge bereitzustellen sind. Der nachgelagerte Zusammenschlusspartner leitet aus der Produktionsbedarfsermittlung Lieferabrufe an das vorgelagerte Unternehmen ab und stellt diese zu, die dann in die Produktionsprogrammplanung des vorgelagerten Unternehmens eingehen.34

2.3 Motive und Ziele von Unternehmenszusammenschlüssen

Der Begriff des Ziels beschreibt einen zukünftig angestrebten Sollzustand, dessen Eintreten von verschiedenen Handlungen, bzw. deren Unterlassung abhängt. Ziele werden also nicht ohne vorausgegangener Handlung erreicht.35 Sie dienen als An- weisungen, aus denen adäquate Aktivitäten zu ihrer Umsetzung resultieren.36 Ziel- setzungen sind nur dann verwendbar, wenn deren Inhalt, Zeitrahmen und Erfül- lungsgrad eindeutig bestimmt sind. Ausgangsbasis jeder Zielsetzung sind bestimmte Interessen der Akteure. Auf Unternehmenszusammenschlüsse bezogen führen Moti- ve zu einem bewussten oder unbewussten Prozess der Zielsetzung.37 Motive für eine Akquisition liegen vor, wenn dadurch Zielsetzungen der Entscheidungsträger erreicht werden können. Dies bedeutet, dass Motive, aus denen Handlungen folgen nur dann vorliegen, wenn das dadurch erzeugte Ziel auch wirklich realisierbar ist. Dies ist mit dem Hintergrund der vielen gescheiterten Unternehmenskonzentrationen ein beson- ders interessanter Aspekt.

Unternehmenszusammenschlüsse sind also das Mittel zum Zweck, Unternehmens- ziele zu verwirklichen. Kann die Unternehmensführung durch einen Zusammen- schluss ein unternehmerisches Ziel erreichen, so stellt dies bereits ein Motiv für eine zu tätigende Akquisition dar. Wie gezeigt, stehen Motive und Ziele in engem Zusam- menhang miteinander, weshalb sie im Rahmen der Betrachtung von Unternehmens- zusammenschlüssen in dieser Arbeit nicht differenziert behandelt werden. Zusam- menschlussziele thematisieren somit, was mit dem Kauf eines Unternehmens er- reicht werden soll.

Bei Unternehmensverbindungen handelt es sich um externes Wachstum, bei dem schon bestehende Unternehmen, also Faktorkombinationen übernommen werden und welches mehrere Vorteile bietet. Zum einen bewirkt externes Wachstum einen sprunghaften Anstieg des Leistungspotentials, wodurch im Idealfall eine Zeitersparnis gegenüber internem Wachstum realisiert werden kann, die sich dann ebenfalls in einer Kostenersparnis niederschlägt. Zum anderen bewirkt externes Wachstum zu- mindest kurzfristig kein volkswirtschaftliches Wachstum, da Akquisitionen lediglich die Verteilung der Verfügungsrechte über bestehende Faktorkombinationen ändert, wohingegen internes Wachstum neue Faktorkombinationen schafft.38 Dies bedeutet, dass externes Wachstum die Konkurrenzsituation eines Marktes nicht verschärft, da keine neuen Kapazitäten geschaffen werden, sie lediglich neu verteilt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 7: Ziele von Mergers & Acquisitions

Quelle: In Anlehnung an Fischer (2000), S.17; Much, (1997), S.55; Jansen (2001), S.174

Im Zuge der Erforschung von Unternehmenszusammenschlüssen werden deren Zielsetzungen aus vielen verschiedenen Perspektiven thematisiert, wodurch variante Einteilungssystematiken entstanden sind. Die Anzahl der verschiedenen Zielkatalo- ge, die als Gründe für Akquisitionen genannt werden, ist dadurch kaum überschau- bar geworden.39 Eine grobe aber übersichtliche Einteilung der Zusammenschlusszie- le kann, wie in Tab. 7 dargestellt, durch die Differenzierung in ökonomische/formale und in persönliche Ziele erfolgen. Die Problematik dieser Einteilung stellen die schlecht feststellbaren persönlichen Motive dar, die nicht explizit kommuniziert und oftmals nur unterbewusst verfolgt werden.40

Ökonomische Ziele:

- Finanzwirtschaftliche Ziele liegen vor, wenn mit einem Zusammenschluss die vereinfachte Kapitalbeschaffung und günstigere Kreditkonditionen angestrebt werden oder durch entsprechende Kapitalallokation Monopolrenten ausge- nutzt werden sollen. Eine Unternehmensverbindung erhöht die Kreditmöglich- keiten bei Banken und ermöglicht den Zugang zum Kapitalmarkt.41 Insbeson- dere um in den Markt der Großprojekte eindringen zu können, welche kleine und mittelständige Betriebe nicht finanzieren können, ist ein Unternehmenszu- sammenschluss oftmals eine sinnvolle Lösung. Die finanzwirtschaftlichen Zie- le sind der Thematik der Synergie zurechenbar (Vgl. Kapitel 2.5)
- Der Ausbau der Marktmacht zielt darauf ab, den Preis, die Qualität und die Quantität auf relevanten Absatz- und Beschaffungsmärkten mitbestimmen zu können, um zusätzliche Gewinne abzuschöpfen.42 Die Erfolgsbestandteile der Marktmacht können, wie die der finanzwirtschaftlichen Ziele, uneingeschränkt der Synergie zugerechnet werden (Vgl. Kapitel 2.5).43 Deshalb ist dieser Form der Zielsetzung der horizontale Zusammenschluss zuzuordnen. Bei der Marktpositionierung durch Mergers & Acquisitions spielt vor allem das Zeitar- gument eine entscheidende Rolle. Dem schrittweisen und langwierigen Auf- bau von Know-how und Kapazitäten in einem zu erschließenden Markt, steht die Akquisition entgegen, durch die praktisch sofort mit der nötigen Kompe- tenz auf dem Zielmarkt agiert werden kann, ohne dort die Konkurrenzsituation zu verschärfen. Dies gilt ebenfalls bei der Ausdehnung des Geschäftsfeldes auf internationaler Ebene.
- Synergievorteile werden als ein zentrales Ziel von Mergers & Acquisitions be- trachtet und werden weitergehend in Kapitel 2.5 behandelt.
- Systemanbieter die komplexe Produkte, in Form von Systemlösungen und „schlüsselfertigen“ Anlagen bereitstellen können, sind nicht nur in der Auto- mobilindustrie immer gefragter. Der Trend folgt branchenübergreifend einer Minimierung der Lieferanten zu Gunsten weniger Systemanbieter.44 Die Kom- plexität von Systemlösungen überschreitet oftmals aufgrund fehlendem Know- how und Kapazitätsgrenzen die Kompetenz eines einzelnen Unternehmens, wodurch es notwendig wird weitere Unternehmen zu akquirieren.
- Risikovorteile ergeben sich, wenn Unternehmen Schwankungen konjunkturel- ler, struktureller oder saisoneller Art besser kompensieren können, da sie gleichzeitig auf mehreren Märkten agieren.45 Diese Form von Unternehmens- ziel beinhaltet eine Diversifizierungsstrategie, die durch konglomerate Unternehmenskonzentrationen implementiert werden kann.

Psychologische Ziele:

- Unter machtpolitischem Streben versteht man den Wunsch des Erwerbers bzw. des Managements nach Wachstum, Einfluss, Prestige und Selbstbestäti- gung.
- Die Selbstüberschätzung des Managements bezeichnet den Glauben der Ma- nager, aufgrund ihrer Kompetenz das Kaufobjekt alleine und besser bewerten zu können. Dies nennt man auch die Hybris-Hypothese46, durch welche eige- ne Fähigkeiten und Wertsteigerungspotentiale zu hoch eingeschätzt werden. Als Folge ist die Unternehmensführung bereit, Preise zu zahlen, die über dem Marktpreis des Kaufobjektes liegen.47
- Wenn von dem Motiv der Einkommenssteigerung die Rede ist, wird gemut- maßt, dass sich die Entscheidung für eine Akquisition aus persönlicher Vor- teilsnahme begründet. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Umsatzab- hängige Entlohnung des Managements48 oder die Option auf Anteilswerte.

Eine weitere Unterteilung der Akquisitionsziele bietet die Differenzierung in Erwerber- und Verkäuferziele.49 Ziele des erworbenen Unternehmens können die Bewältigung von finanziellen Problemen oder die Lösung von Nachfolgeproblemen sein. Da e- doch die Initiative zur Akquisition in der Regel vom Erwerber ausgeht, wird sich im weiteren Verlauf bei Unternehmenszusammenschlüssen auf die Sichtweise des Käu- fers konzentriert.50

2.4 Phasen des Unternehmenszusammenschlusses

Unternehmenszusammenschlüsse sind, wenn man sie aus der dynamischen Perspektive betrachtet nicht nur als „Zustand“, sondern als Prozesse zu verstehen und als solche zu planen.51 Die Planung als solches ist die Grundlage eines jeden Projekts. Sie stellt sicher, dass die Ziele, die verwirklicht werden sollen, bekannt sind, keine wesentliche Schritte bei der Umsetzung übersehen werden und Abweichungen erkannt und korrigiert werden können.52

Grundlage jeder Planung bildet ein Projektstrukturplan, der die verschiedenen Pha- sen und Bausteine eines Projekts festlegt. Ein sorgfältig geplantes M&A-Projekt sollte nach einem klarem Prozessschema ablaufen. Im Kontext mit Mergers & Acquisitions lassen sich hierzu in der Literatur viele verschiedene Prozessmodelle identifizieren, wodurch ein allgemeingültiges Konzept nicht ersichtlich ist. Meist wird der Ablauf von Mergers & Acquisitions in zwei oder drei Phasen unterteilt, selten in fünf Phasen oder mehr.53 Die verschiedenen Modelle haben jedoch weitestgehend gemeinsam, dass sie nach Maßgabe des Vertragsabschlusses den Mergerprozess in einen vorvertrag- lichen (pre-merger) und einen nachvertraglichen (post-merger) Zeitraum differenzie- ren.54 Die Post-Merger-Phase kann auch als Integrationsphase bezeichnet werden. Eine sinnvolle Erweiterung des „Zwei-Phasen-Modells“ stellt die Erweiterung des Modells um eine dritte Phase dar. Die erste Phase in diesem Modell beschreibt die Analysephase im eigenen Unternehmen, in der noch kein Kontakt zu weiteren Unter- nehmen zwecks Vermittlung der Akquisitionsabsicht aufgenommen wird. Die zweite Phase stellt die Transaktionsphase dar. Während der Transaktionsphase werden Kontakte aufgenommen, Unternehmensbewertungen vorgenommen und Verhand- lungen bis zur Vertragsunterzeichnung durchgeführt.55 In der dritten Phase, der n- tegrationsphase, bilden Aktivitäten der organisatorischen Verzahnung der am Zu- sammenschluss beteiligten Unternehmen den Schwerpunkt.56 Dieses Konzept wird in der Abb. 4 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Drei Phasen der Akquisition Integrations- Erfolgskontrolle, maßnahmen Post-Merger-Audit

Quelle: In Anlehnung an Jansen (1998), S.144

Aufgrund der Wichtigkeit eines sorgfältig geplanten M&A-Projektes wird nun kurz auf die einzelnen Phasen eingegangen.

2.4.1 Strategische Analyse- und Konzeptionsphase

In dieser ersten Phase der Unternehmensanalyse werden eigene Unternehmenszie- le, der Unternehmenszweck und Unternehmenspotentiale ausgelotet. Es wird ver- sucht ein exaktes momentanes Abbild des Unternehmens zu generieren, also die Stärken und Schwächen bzw. die Kernkompetenzen eines Unternehmens abzubil- den. Hierbei können Stärken-Schwächen-Analysen, Portfoliotests, Erfolgsfaktorana- lysen usw. Anwendung finden.57 Die Analyse ist auf das eigene Unternehmen fokussiert und dient als Grundlage strategischer Handlungsoptionen.

Im Gegensatz hierzu betrachtet die Wettbewerbs- und Akquisitionsumfeldanalyse die Umwelt58 des Unternehmens, mit der es interagiert. Diese Analyse hat zum Ziel, die Chancen und Risiken aufzuspüren, die die Umwelt des Unternehmens auf selbiges ausübt. Die Umweltanalyse umfasst die Prognose und Analyse der Bereiche Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie, sowie eine Branchenanalyse und die Ana- lyse des Unternehmens in der jeweiligen Branche.59 Wegen der Interdependenz der Umwelt mit der Unternehmung findet eine Umweltanalyse auf spieltheoretischer Ba- sis statt.60

Im Anschluss der Analysephasen wird die Akquisitionsstrategie, 61 anhand der durch die Analyse abgeleiteten Zielsetzungen (vgl. Kap. 2.3), des Unternehmens bestimmt. Hieraus ergeben sich Akquisitionskriterien,62 die in der anschließenden Such- und Kontaktphase die Auswahl der potentiellen Zusammenschlusspartner bestimmen,63 und gleichzeitig die Transaktionsphase der Unternehmensakquisition einleiten.

2.4.2 Transaktionsphase

Durch die aus der Analyse- und Konzeptionsphase abgeleiteten Suchkriterien wer- den nun potentielle Kandidaten ausgewählt. Die Ausgestaltung der Suchkriterien können sowohl quantitativer (z.B. Unternehmensgröße, Umsatz etc.) als auch quali- tativer (Produktprogramm etc.) Beschaffenheit sein64 und stellen eine Art Steckbrief, also Anforderungsprofil, des zu suchenden Unternehmens dar.65

Eine erste Recherche findet üblicherweise in internen oder externen Industrie- und Unternehmensdatenbanken statt.66 In diesen externen Datenbanken können Suchkri- terien wie Unternehmensgröße, regionale Ausrichtung, Bindungsrichtung etc. abge- fragt werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, mit dem entsprechenden Unter- nehmensverband in Verbindung zu treten oder mit Experten der adäquaten Branche zu kommunizieren.67 Hierbei kann der Kontakt zu Maklern, Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatungen wichtige Informationen in dem als intransparent geltenden M&A Markt liefern. Die Intransparenz, die aus den Diskretionsanforderungen dieses Marktes resultiert, stellt die größte Problematik in der Such- und Kontaktaufnahme- phase dar. Es stellt sich das Problem, dass für die Akquisition notwendige Informati- onen über Kauf- und Verkaufskandidaten nicht systematisch zu erlangen sind. Dies begründet sich dadurch, da diese Informationen weitreichende negative Konsequen- zen verursachen können.68 Zum einen kann sich für den Käufer der Kaufpreis erhö- hen und zum anderen destabilisieren Übernahmegerüchte besonders die Situation der verkaufenden Unternehmen. Selbst wenn dem kaufinteressierten Unternehmen Verkäuferabsichten vorliegen, können diese lediglich die Bestimmung des Marktwer- tes zum Ziel haben69 und beinhalten somit keine Transaktionsabsichten70.

Sobald ein geeigneter Übernahmekandidat gefunden, so erfolgt die Kontaktaufnah- me mit autorisierten Zielpersonen. Ist Anonymität bei der ersten Kontaktaufnahme ein Kriterium, bietet es sich an, externe Berater zu beauftragen um evt. Verkaufsab- sichten zu erkunden. Dies hat den Vorteil, dass die Strategie des akquirierenden Un- ternehmen nicht der Branche bekannt wird.71 Um den Erfolg der Verhandlungen zu gewährleisten ist absolute Diskretion von essentieller Bedeutung. Es sollte ein mög- lichst kleiner Führungskreis in die Verhandlungsgespräche involviert sein.72 Die vor- vertragliche Verhandlungsphase dient zur Vorbereitung und Klärung des Kaufpreises und der Gewährleistungsansprüche. Zu Begin der formalen Verhandlungen steht die schriftliche Interessenbekundung, welche die bisherigen Ergebnisse der Teilkomple- xe zusammenfasst, der sogenannte „Letter of Intent (LOI)“. Er fasst grundlegende Aussagen über das Interesse einen Anteil zu erwerben, die angestrebte Beteili- gungshöhe, den dafür gebotenen Kaufpreis und Nebenbedingungen73 zusammen.74

Vor Abschluss der Transaktion ist es nun üblich, dem Käufer die Einsicht in die Un- ternehmensinternen Unterlagen zu gewähren. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Käu- fer gezwungen aufgrund von Aussagen und Annahmen der Verkäufer zu operieren, ohne diese nachprüfen zu können.75 Der Käufer führt nun eine sogenannte „Due Dili- gence“76 durch, um Informationsasymmetrien zu beheben. Das Ziel der Due Diligen- ce liegt für den Käufer darin, möglichst alle Risiken und deren Eintrittwahrscheinlich- keit aufzudecken,77 die Höhe des Kaufpreises zu überprüfen, das Unternehmen in seinem Gesamtkontext zu untersuchen und zu verstehen, sowie die getroffenen An- nahmen zu verifizieren. Folge der Due Diligence kann eine Scheitern der Transakti- on, Änderung der Vertragsgestaltung oder die Reduzierung des Kaufpreises sein. Ist das Unternehmen bewertet und der Kaufpreis78 gefunden, so kann die Phase der vertraglichen Besieglung der Transaktion beginnen und schließlich die Vertragsun- terzeichnung stattfinden („Closing“), auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll.

2.4.3 Integrationsphase

Sobald der Vertrag einer Akquisition unterzeichnet ist, beginnt die Phase der Integra- tion der beteiligten Zusammenschlusspartner, die sogenannte Post-Merger- Integration. Obwohl die Integrationsphase maßgeblich für den Erfolg eines Zusam- menschlusses verantwortlich ist und mit ihr der Hauptanteil der Arbeit erst beginnt, wird die Bedeutung dieser Phase von vielen Führungskräften unterschätzt. Eine Stu- die von Johannes Gerds, die 120 Unternehmen umfasst, belegt, dass es bei 90 Pro- zent der untersuchten Fusionen zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten kommt, wo- durch sich deren Erfolgsaussichten dermaßen verschlechtern, dass daran schließlich 62 Prozent der Fusionen scheitern.79 Hinsichtlich der Bedeutung der Post-Merger- Integrations-Phase und die Ausrichtung des Schwerpunktes dieser Studienarbeit auf diese, wird im Folgenden ein tieferer Einblick in die Anforderungen, Probleme und Prozesse dieses Abschnittes von Unternehmenszusammenschlüssen ausgearbeitet.

Abgrenzung des Integrationsbegriffs

Allgemein bedeutet Integration die Herstellung einer Einheit oder die Eingliederung in ein größeres Ganzes. Für das Unternehmen bedeutet die Integration die organisato- rischen Maßnahmen, die eine koordinative Inanspruchnahme von Systemkomponen- ten durch Gestaltung spezifischer Beziehungen zwischen diesen ermöglichen sol- len.80 In der Literatur lassen sich viele Definitionen des Integrationsbegriffs auffinden. Eine einheitliche Ausgestaltung dieses Begriffs in Bezug auf Unternehmenszusam- menschlüsse scheint es jedoch nicht zu geben.81 Gerpott versteht den Integrations- begriff als einen evolutionären Prozess, der hauptsächlich vom Akquisitionssubjekt ausgeht und durch den immaterielle Fähigkeiten bzw. Know-how wechselseitig be- einflusst und übertragen werden und Veränderungen in der Nutzung materieller Res- sourcen herbeigeführt werden, um durch die Akquisition entstandenen Potentiale zur Steigerung des Gesamtwertes der Unternehmen umzusetzen.82 Während der Begriff der Integration meist als die Koordination auf den Integrationsebenen Strategie, Or- ganisation, Personal, Kultur und Operation aufgefasst wird, also als interne Integrati- on, ist es sinnvoll ihn um die externe Komponente zu erweitern. Hierbei bedeutet ex- terne Integration das Miteinbeziehen der Kunden, Lieferanten, Aktionären, Analysten und anderen Stakeholdern in den Integrationsprozess.83 Sinn dieser externen Integ- ration ist es Transparenz zu schaffen, Unsicherheiten auszuschließen, Strategien zu vermitteln und beispielsweise Kunden zu informieren, um das Geschäft abzusichern, neue Lieferbedingungen auszuhandeln oder sich auf einzelne strategische Lieferan- ten zu konzentrieren.

Zusammengefasst wird der Integrationsbegriff wie folgt definiert:

- Integration bedeutet die vollständige oder partielle Eingliederung der erworbe- nen Unternehmen durch Maßnahmen auf Strategie-, Organisations-, Perso- nal-, Kultur- und Operationsebene, erweitert um den Aspekt der externen n- tegration.
- Integration ist ein Prozess, in dem potentielle ökonomische Vorteile, die erst durch den Zusammenschluss ermöglicht wurden implementiert werden sollen. § Integration ist ein hauptsächlich vom Management des Käuferunternehmens ausgehender, bewusst geplanter Gestaltungsvorgang.
- Integration bedeutet die Zusammenfassung von Unternehmensaktivitäten und Koordination von Handlungen und Entscheidungen und den Transfer oder ei- ne Veränderung in der Nutzung von Ressourcen.

Integrationsmanagement

Unter dem Integrationsmanagement versteht man die bewusste organisatorische Gestaltung der Integration und deren Kontrolle.84 Das Ziel des Integrationsmanage- ments liegt in der Herstellung handlungsfähiger Einheiten bzw. Unternehmensteile durch Integration, in Abstimmung mit der Umwelt und durch Einsatz verschiedener Steuerungsgrößen. Somit lassen sich die Aufgaben des Integrationsmanagements in drei Ebenen differenzieren:85

- Normatives Management
- Strategisches Management § Operatives Management

[...]


1 Vgl. Losbichler (2001), S.3

2 Vgl. Losbichler (2001), S. 5

3 Vgl. Müller-Stewens (2000), S.47

4 Vgl. Ziegler (1997), S.3; Gerds (2000), S.3f; Ebert (2001), S.5

5 Vgl. Engeser (2000), S.89

6 Vgl. Lohninger (2001), 412f

7 Vgl. Ziegler (1997), S. 24 (1998), S.35-46; Engeser (2000), S.89; Wall

8 Vgl. Schewe (2000), S.90

9 Vgl. Pausenberger (1998), S.621

10 Vgl. Ebert (1998), S.11; Much (1997), S.8, Pausenberger (1998), S.621

11 Vgl. Thommen (1998), S.80,

12 Vgl. Ebert (1998), S.11

13 Vgl. Much (1997), S.58

14 Vgl. Pausenberger (1998), S.622

15 Rechtliche Selbständigkeit: Das Unternehmen kann seine rechtliche Struktur beibehalten. Wirtschaftliche Selbständigkeit: Das Unternehmen kann die aus seiner Perspektive wichtigen wirtschaftlichen Entscheidungen ohne Zwang von Außen treffen.

16 Vgl. Thommen (1998), S.81

17 Ebenda (1998), S.81

18 Much (1997), S.8

19 Beim „asset deal“ wird eine Übertragung aller wesentlichen Wirtschaftsgüter, d.h. aller Aktiva und Passiva vorgenommen und stellt als solches einen Sachkauf nach §433 I Satz 1 BGB dar. Beim „share Deal“ erfolgt die Veräußerung durch eine Übertragung des Rechtsträgers durch Anteils- bzw. Beteiligungserwerb. Dies stellt einen Rechtskauf nach §433 I Satz 2 BGB dar (vgl. Jansen (1998), S.142)

20 Gerds (2000), S.11

21 Much (1997), S.80ff

22 Vgl. Jansen (1998), S.78 und im Original: Hamel (1995); Prahlad (1990), S.79ff

23 Vgl. Jansen (1998), S.78

24 Vgl. Wall (2001), S.114

25 Vgl. Thommen (1998), S.77; Ebert (1998), S.61

26 Much (1997), S.100

27 Much (1997), S.82

28 Much (1997), S.98

29 Vgl. Much (1997), S.83

30 Much (1997), S.86

31 Much (1997), S.89

32 Much (1997), S.109

33 Much (1997), S.92

34 Vgl. Much (1997), S.111

35 Vgl. Ebert (1998), S.97

36 zur tiefergehenden Zielbegriffsbeschreibung von Unternehmen liefert Thommen (1998), S.101 präzise Ansätze

37 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (1997)

38 Vgl. Pausenberger (1998), S.625

39 Vgl. Gerpott (1993), S.62

40 Vgl. Gerds (2000), S.48; Fischer (2000), S.17

41 Vgl. Thommen (1998), S.79

42 Vgl. Fischer (2000), S.17

43 Vgl. Ebert (1998), S.60

44 Vgl. Much (1997), S.56

45 Vgl.Thommen (1998), S.77

46 Vgl. Fischer (2000), S.17

47 Vgl. Jansen (1998), S.58

48 Vgl. Jansen (1998), S.154

49 Vgl. Gerpott (1993), S.63ff bietet für eine weitere, spezifischere Auflösung der Ziele eine umfangreiche Grundlage.

50 Vgl. Gerds (2000), S.48

51 Vgl. Gerds (2000), S.11

52 Vgl. Eckert (2001), S.344

53 Vgl. Fischer (2000), S.85

54 Vgl. Gerds (2000), S.12

55 Vgl. Jansen (1998), S.144ff

56 Vgl. Gerds (2000), S.13

57 Vgl. Jansen (1998), S.144

58 Die Umwelt eines Unternehmens bezeichnet alle Gruppen und Organisationen (Stakeholder), die mit dem Unternehmen direkt oder indirekt in irgendeiner Beziehung stehen (Staat, Mitarbeiter, Kun- den...)

59 Vgl. Jansen (1998), S.149ff

60 Vgl. Fees, (1997), S.43

61 Die Akquisitionsstrategie verkörpert die Projektierung des Zusammenschlusses und soll die Akquisition mit einem zeitlichen, personellen und Kostenrahmen versehen ( vgl. Jansen (1998), S.156).

62 Akquisitionskriterien beschreiben die angestrebte Eigenschaft einer Akquisition. Hierbei werden nicht nur die Eigenschaften des Akquisitionsobjektes betrachtet, sondern alle als relevant betrachte- ten Sachverhalte eingeschlossen. Der Unterschied zu einem Suchkriterium soll kurz anhand eines Beispiels erläutert werden. Ein Akquisitionskriterium ist z.B. die Forderung nach einer hohen Integrationswahrscheinlichkeit, ein daraus abgeleitetes Suchkriterium ist beispielsweise ein Unternehmen aus dem gleichem Landes- und Kulturkreis.

63 Vgl. Ecker (2001), S.350

64 Vgl. Gerds (2000), S.11

65 Vgl. Ecker (2001), S.350

66 Vgl. Jansen (1998), S. 157; Ecker (2001), S.350

67 Vgl. Ecker (2001), S.351

68 Vgl. Jansen (1998), S.157

69 In der Volkswirtschaftslehre bezeichnet man diese Art der Informationsgewinnung in einer Situation der asymmetrischen Informationsverteilung als screening. Das schlecht informierte Wirtschaftssub- jekt versucht, durch geschickte Züge, den besser informierten Wirtschaftssubjekten Information zu entlocken (vgl. Fees (1997), S.616).

70 Vgl. Jansen (2001), S. 177

71 Vgl. Ecker (2001), S.351

72 Vgl. Jansen (1998), S.160

73 Nebenbedingungen sind z.B. Fragen zur Übernahme des Personals, Bewertung von Lagerbestän- den etc..

74 Vgl. Eckert (2001), S.353

75 Vgl. Eckert (2001), S.354

76 Der Ursprung der „Due Diligence“ ist im amerikanischen Kapitalmarkt und Anlagerecht begründet und bedeutet wörtlich übersetzt „erforderliche bzw. angemessnen Sorgfalt“. Heute versteht man darunter die sorgfältige Analyse und Beurteilung eines Zielobjektes im Zuge einer Transaktion. Die Due Diligence wird in der Praxis häufig in folgende Bestandteile aufgeschlüsselt: Commercial, technical, legal, financial, tax, environment (vgl. Benedek (2001), S.60).

77 Vgl. Benedek (2001), S.61

78 einen übersichtlichen Eindruck über den Vorgang der Kaufpreisermittlung bietet Jansen (2001), S.188-222 und bietet somit die Grundlage für den tieferen Einstieg in diese Materie.

79 Vgl. Engeser (2000), S.89

80 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (1997)

81 Vgl. Gerds(2000), S.14

82 Vgl. Gerpott (1993), S.116

83 Vgl. Jansen (2001), S.228

84 Vgl. Gerds (2000), S.17

85 Vgl. Hase (2002), S.15

Ende der Leseprobe aus 139 Seiten

Details

Titel
Post Merger Integration. Erfolgsfaktoren bei Unternehmenszusammenschlüssen der produzierenden Industrie: Anlagen- und Maschinenbau
Untertitel
Empirische Untersuchung
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Produktionstechnik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
139
Katalognummer
V27327
ISBN (eBook)
9783638294065
ISBN (Buch)
9783656567714
Dateigröße
7219 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Post, Merger, Integration, Eine, Untersuchung, Erfolgsfaktoren, Unternehmenszusammenschlüssen, Industrie, Schwerpunkt, Bereich, Anlagen-, Maschinenbau
Arbeit zitieren
Christoph Mootz (Autor:in), 2002, Post Merger Integration. Erfolgsfaktoren bei Unternehmenszusammenschlüssen der produzierenden Industrie: Anlagen- und Maschinenbau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27327

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