"Passagen und Stationen" von Kaspar von Greyerz. Eine kritische Analyse


Rezension / Literaturbericht, 2013

15 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Ziel und Thema, Quellen

Aufbau und Inhalt, Quellenarbeit und andere Aspekte

Kritik und Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die zu analysierende Monographie „Passagen und Stationen. Lebensstufen zwischen Mittelalter und Moderne“[1] von Kaspar von Greyerz, erschienen im Jahre 2010, behandelt die Wahrnehmung und die Bedeutung von Lebensstufen in der Frühen Neuzeit[2] sowie die Übergangsriten zwischen den einzelnen Stufen. Darüber hinaus legt sie die normativen wie sozialen Grundlagen dar, welche für diese entscheidend sind.

Der Autor Kaspar von Greyerz ist ein renommierter Baseler Historiker, dessen Hauptinteresse in der Erforschung und Edition von Selbstzeugnissen liegt. Neben diversen Publikationen zur Religions- und Kulturgeschichte, insbesondere zu Themen der Frühen Neuzeit im englischen wie im deutschsprachigen Raum, ist er für die Edition einer großen Selbstzeugnisdatenbank im Internet verantwortlich.

Im Folgenden sollen nun zunächst Ziel und Zweck der Monographie sowie der historiographische Ansatz beschrieben werden, welcher ihr zugrunde liegt. Des Weiteren werden der allgemeine Aufbau wie auch der konkrete Inhalt und die verwendeten Quellen untersucht werden, genauso wie exemplarisch die Methode der Quellenarbeit des Autors beleuchtet werden soll. Abschließend erfolgt eine Einschätzung über die Qualität und den wissenschaftlichen Gewinn der Studie.

Ziel und Thema, Quellen

Von Greyerz stellt seine verwendeten Quellen sehr ausführlich vor. Demnach habe er vor allen Dingen auf Selbstzeugnisse aus dem deutschsprachigen Raum zurückgegriffen sowie „zu Vergleichszwecken […] einschlägige Untersuchungen zu Frankreich und einzelne französische Quellen herangezogen“[3]. Darüber hinaus weist er darauf hin, dass die Zahl von Selbstzeugnissen allein im deutschsprachigen Raum unüberschaubar und seine Studie zu breit angelegt sei, um im großen Maße nicht edierte Quellen zu berücksichtigen, weswegen er dieser nur drei verwendet habe.[4] Auch fällt auf, dass er oftmals ältere Quelleneditionen vorzieht, da manche „neuere Editionen unbrauchbar“[5] seien, während jene oft keine „hundertprozentig verlässliche Textwiedergabe“[6] böten, es sich jedoch mit ihnen „geschichtswissenschaftlich arbeiten“[7] ließe.

Enumerierend führt der Autor die Art seiner Quellen sowie das Milieu der Verfasser auf. Der Leser erfährt, dass 44 Selbstzeugnisse Verwendung gefunden haben, wovon acht von Frauen stammten. Diese Unterrepräsentation „erklärt sich aus ihrer Seltenheit in Bezug auf das 16. und 17. Jahrhundert“[8]. Weiterhin entstammten 32 der Selbstzeugnisse aus einem städtischen Milieu, die übrigen zwölf vom Lande. Auch findet sich eine interessante Differenzierung nach dem religiösen Kontext. Demnach stamme die überwältigende Mehrzahl der nachreformatorischen Texte aus protestantischer Feder, lediglich fünf katholische sowie ein jüdisches Selbstzeugnis fanden Verwendung.[9] Neben Selbstzeugnissen politisch- und kulturgeschichtlich unbedeutender Personen finden sich auch in geringem Maße Auszüge aus Schriften wichtiger Literaten und Philosophen sowie darüber hinaus eine Anzahl normativer Quellen.

Auch wichtig anzuführen ist, dass sich die Quellenarbeit des Autors keineswegs auf schriftliche Quellen erschöpft, sondern auch 32 Abbildungen in den Text integriert sind, die nicht nur zur Illustration sondern auch zur Interpretation dienen.

Was die Sekundärliteratur angeht, so räumt von Greyerz ein, dass sein Themenfeld zu breit gewählt sei, um sich mit dieser ausführlichst auseinanderzusetzen, wenngleich er sie, besonders in wichtigen Einzelfällen, durchaus berücksichtigt habe. Im Vordergrund jedoch „steht die Darstellung und Analyse von Quellentexten“[10]. Hiermit sind wir bei der Frage angelangt, was denn eigentlich das Thema der vorliegenden Monographie sei?

Wie Andreas Suter in seiner Rezension zum Buch feststellt, geht es von Greyerz darum, die „Ergebnisse zahlreicher Arbeiten, die er und seine Schüler/innen neben Anderen [sic] auf dem Gebiet der Selbstzeugnisforschung der Frühen Neuzeit geleistet haben“, zusammenzufassen.[11] Auch interessant scheint Robert Seidels Einschätzung, dass die „Lebensstufen“ im Titel sowie das Bild des Einbandes, namentlich das Gemälde Die sieben Lebensalter des Weibes, „den Eindruck [erwecken], als gehe es in der neuen Monographie des Basler Frühneuzeithistorikers Kaspar von Greyerz in erster Linie um die vergleichende Wertung der verschiedenen Lebensalter durch die Zeitgenossen“[12], während das Hauptziel doch darin bestünde, „das von Arnold van Gennep entwickelte und von Victor Turner und anderen weiter verfolgte Modell der ‚rites de passage‘ (Übergangsriten) auf die Strukturen des frühneuzeitlichen Alltagslebens anzuwenden“[13]. Von Greyerz selbst sieht sein Ziel darin, einen neue[n] Blick auf nur zum Teil Bekanntes“[14] zu werfen, was sich in der breit angelegten Art der Studie, welche sich auf vorwiegend edierte Quellen stützt, sowie in der übersichthaften Präsentation von Grundlagenwissen über die sozialen, normativen und auch demographischen Hintergründe ausdrückt. Somit handelt es sich nicht um eine Detailstudie im engeren Sinne, welche eine bestimmte These beweisen oder einen konkreten Fall untersuchen möchte, sondern vielmehr um eine Synthese der Ergebnisse der frühneuzeitlichen Selbstzeugnisforschung „von der Wiege bis zur Bahre“[15]. Diese strebe der Verfasser besonders deshalb an, weil eine solche, mit Ausnahme der Dissertation von Sünje Prühlen, noch nicht versucht worden sei. Seine Arbeit grenze sich darüber hinaus von Prühlens Studie insofern ab, als dass von Greyerz eine geographisch weit umfassendere Quellengrundlage gewählt habe. Auf den genauen Aufbau und die gewichtigsten inhaltlichen Feststellungen werden wir im nächsten Kapitel eingehen. Hier sei zunächst abschließend noch der historiographische Ansatz näher untersucht.

Der Autor weist nämlich ausdrücklich darauf hin, dass „[in] der historischen Selbstzeugnisforschung der 1980er und noch der frühen 1990er Jahre […] der Einfluss der Strukturgeschichte sowie der quantifizierenden Geschichte“[16] nachgewirkt habe, während es heute darum gehen müsse „stärker hermeneutisch“[17] zu arbeiten, dergestalt, dass „einzelne Textaussagen viel eingehender im Kontext des jeweiligen Gesamttextes in ihrem Aussagewert“[18] zu beurteilen seien. Aus dieser Feststellung zieht der Autor den methodologischen Schluss „längere Zitate aus Selbstzeugnissen in den Text“[19] einzuflechten, diene der Verhinderung von „aus dem Kontext gerissenen ‚Versatzstücken‘“ und ermögliche „dem Aussagewert im weiteren Sinne gerecht zu werden, und damit auch der Textualität dieser Quellengattung“[20]. Auch sei er als Selbstzeugnisforscher Exponent einer „akteurzentrierten“[21] Historiographie. Allerdings verwehre er sich dagegen, „eine primär mikrohistorische Herangehensweise gegen eine makrohistorische ausspielen zu wollen“, gerade weil „Selbstzeugnisse immer nur eine vielfältig gebrochene, weil inhaltlich selektive und sprachlich domestizierte individuelle und kollektive ‚Erfahrungsgeschichte‘ bieten können“[22].

[...]


[1] Kaspar von Greyerz: Passagen und Stationen. Lebensstufen zwischen Mittelalter und Moderne. Göttingen 2010.

[2] Der Autor fasst die Frühe Neuzeit hier ungefähr als Zeitraum zwischen 1500 und 1800.

[3] Von Greyerz. S. 41.

[4] Ebd. S. 42.

[5] Ebd. S. 41.

[6] Ebd. S. 43 f.

[7] Ebd.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] Ebd. S. 45.

[11] Andreas Suter: Rezension zu: Kaspar von Greyerz: Passagen und Stationen. Lebensstufen zwischen Mittelalter und Moderne. Göttingen 2010, in: H-Soz-u-Kult, 11.11.2010 URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-4-106 (Zugriff: 24.09.2013 20.45).

[12] Robert Seidel: Dem eigenen Leben eine Struktur geben. Lebensphasen der Frühen Neuzeit im Spiegel autobiographischer Dokumente. Rezension zu: Kaspar von

Greyerz: Passagen und Stationen. Lebensstufen zwischen Mittelalter und Moderne. Göttingen 2010, in IASLonline, 05.10.2010 URL:

http://www.iaslonline.lmu.de/index.php?vorgang_id=3294 (Zugriff: 26.09.2013 20.46).

[13] Ebd.

[14] Von Greyerz: S. 45.

[15] Ebd.

[16] Von Greyerz: S. 44.

[17] Ebd.

[18] Ebd.

[19] Ebd.

[20] Ebd.

[21] Ebd.

[22] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
"Passagen und Stationen" von Kaspar von Greyerz. Eine kritische Analyse
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1.7
Autor
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V273127
ISBN (eBook)
9783656648017
ISBN (Buch)
9783656648000
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kaspar von Greyerz
Arbeit zitieren
Luca Brandt (Autor:in), 2013, "Passagen und Stationen" von Kaspar von Greyerz. Eine kritische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273127

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