Revolution und Gewalt


Hausarbeit, 2014

16 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Privater Raum und öffentliche Freiheit
2.2 Die soziale Frage
2.3 Die Gewalt

3 Fazit

1 Einleitung

“Dieses Menschenbild verlor jedoch im Verlauf der historischen Entwicklung des 19. Jahrhunderts zunehmend an prognostischer Bedeutung, […]. Selbst in denjenigen Ländern, die die bürgerliche Revolution noch nachzuvollziehen hatten, wie z.B. in Deutschland oder in Russland, zeigte sich, dass im 19. Jahrhundert die klassischen Revolutionsmodelle Englands und Frankreichs schon nicht mehr anwendbar waren.” (Ley/Mende 1967: 176) Dieses Zitat bringt einen entscheidenden Faktor der Revolution zur Sprache. Ein verändertes Menschenbild hat einen direkten Einfluss auf die

Geschichte der Menschen. Es verändert die Politik genauso wie ihre Hauptaufgaben und somit die Revolution sowie ihr Endziel.

Um diese Veränderung aufzuzeigen werde ich in den ersten beiden Abschnitten meiner Arbeit auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, von der griechischen Antike bis zur Moderne, eingehen. Ich werde mich bei dieser Betrachtung primär auf Hannah Arendt’s Vita Activa und der in diesem Buch beschriebenen Unterscheidung von privatem Bereich und öffentlicher Freiheit beziehen, um anschließend zu den von ihr geschilderten, modernen Gesellschaftsbereich zu gelangen.

Eugène Delacroix, Wegbereiter des Impressionismus, malte im Jahre 1830 ein Gemälde namens La Libert é guidant le peuple 1. Dieses Bildnis zeigt die Pariser Juli-Revolution, welche kurz jedoch gewalttätig war. Delacroix stellt in dieser Arbeit einen Akt des Menschengeschlechtes dar. Gefallene und Kämpfende umringt von Blut, Gestank sowie Feuersbrunst und inmitten dieser Tragik, die Personifizierung der Freiheit. Sie weist dem Volke den Weg. In der einen Hand die tricolore, in der anderen die Muskete, bereit Leid und Tot herbeizuführen.2 In wieweit entspricht dies hingegen der Realität? In wie weit kämpften jene, die mit dem Gewehr und dem Säbel, nicht der tricolore, auf die Straßen gingen, für die Freiheit?3 Sie strebten eine Veränderung an, jedoch mit Hilfe der Gewalt.

Anhand dessen werden zwei wichtige Faktoren der Revolution offenkundig, die Freiheit und die Gewalt. Beides mögliche Bestandteile, doch wirken sie auch zusammen? Tritt das Streben nach Freiheit zugleich mit gewaltsamen Auseinandersetzungen auf, oder wird die Revolution erst gewaltsam, wenn andere Faktoren den Ausschlag zur Revolution geben? Anhand des letzten Abschnittes meiner Untersuchung wird deutlich werden, ob der Freiheitsbegriff mit dem Phänomen der Gewalt einhergeht, oder ob die Ursachen der Revolution ausschlaggebend für gewalttätige Auseinandersetzungen sind und ob sich eine von Gewalt geprägte Revolution überhaupt noch im Rahmen des Politischen bewegt.

2 Hauptteil

2.1 Privater Raum und öffentliche Freiheit

Das Wort Revolution hat seinen Ursprung in der Astronomie. Es wurde mit diesem Terminus eine Um- beziehungsweise Wiederkehr bezeichnet. Aufgrund dessen setzte man die Bezeichnung Revolution mit dem Begriff Restauration gleich. “So finden wir also zum Beispiel das Wort nicht, als in England das ausbrach, was wir eine Revolution nennen würden und Cromwell seine Diktatur errichtete, sondern im Gegenteil im Jahre 1660, als das Rumpfparlament gestürzt war und die Monarchie restauriert wurde.” (Arendt 1963: 51) Das Ende des 18. Jahrhunderts, welches in Europa durch die Französische- und in Nordamerika durch die Amerikanische Revolution bestimmt war, ist ausschlaggebend für das moderne Verständnis der Revolution. Es handelt sich nicht mehr um einen Rückfall zu Vergangenen, sondern um einen Aufbruch ins Neue.4

So wie sich die Bedeutung des Wortes veränderte, so veränderten sich auch die Charakteristika und dementsprechend das Endziel. Für Arendt ist die Revolution jene Handlung, “[…] wo durch Wechsel ein Neuanfang sichtbar wird, nur wo Gewalt gebraucht wird, um eine neue Staatsform zu konstituieren, einen neuen politischen Körper zu gründen, nur wo der Befreiungskampf gegen den Unterdrücker die Begründung der Freiheit wenigstens mitintendiert, können wir von einer Revolution im eigentlichen Sinne sprechen.” (Arendt 1963: 42)5

Entscheidend für Arendts Verständnis für die Revolution ist das Leben in der griechischen Antike und die damit verbundene Auffassung des Freiheitsbegriffes. Innerhalb der griechischen Polis fand eine Unterscheidung zwischen privaten Raum und öffentlicher Freiheit statt. Arendt legt darauf aufbauend in ihrer Vita Activa drei menschliche Grundtätigkeiten fest: das Arbeiten, das Herstellen und das Handeln.

Der private Raum war für die Griechen nicht gleichzusetzen mit dem Raum der öffentlichen Freiheit, allerdings sollte jeder Bürger beiden Sphären menschlichen Lebens angehören. “Jeder Bürger gehört von nun an zwei Seinsordnungen zu, und sein Leben war dadurch gekennzeichnet, dass es genau aufgeteilt war zwischen dem, was er sein Eigen nannte und dem, was gemeinsam war.” (Aristoteles in Arendt 1967: 28) Der private Raum ist dadurch gekennzeichnet, dass er vom elementarsten der menschlichen Natur beraubt ist, nämlich der Wirklichkeit, die sich durch das Sehen und Gesehenwerden ausdrückt. Im privaten Raum gibt es keinerlei Beziehungen zwischen Menschen und das größte Defizit dieses Bereiches ist, dass die Menschen, die lediglich im privaten Bereich existieren, nicht die Möglichkeit besitzen sich auszuzeichnen. “Was er tut oder lässt, bleibt ohne Bedeutung, hat keine Folgen, und was ihn angeht, geht niemanden sonst an.” (Arendt 1967: 57) Dieser Bereich des menschlichen Lebens richtet sich ausschließlich auf die Notwendigkeit des Lebenserhaltes. Die Tätigkeiten, welche den privaten Sektor kennzeichnen, sind das Arbeiten und das Herstellen. Der arbeitende Mensch, Animal Laborans, hat die Aufgabe das Lebensnotwendigste zu gewährleisten und das herstellende Individuum, Homo Faber, ist zur Errichtung einer künstlichen Welt verantwortlich. Für die Griechen galten diese beiden Betätigungsfelder als schändlich, da es rein körperliche Arbeiten waren und somit just der Notwendigkeit des Lebenserhaltes diente. Der elementarste Unterschied zwischen Arbeit und Herstellung ist, dass die Produkte, welche die Arbeit produziert, von kurzer Dauer sind, da es reine Konsumgüter sind. Die Produkte des Herstellens zeichnen sich durch Dauerhaftigkeit und Beständigkeit aus.6 Beiden Arten, sei es das Konsumprodukt oder das Gebrauchsprodukt, wird lediglich die Aufgabe der Sicherstellung des Lebensnotwendigsten oder aber die Erleichterung der Arbeit und Anhäufung von Privatbesitz, zuteil.7 Darüber hinaus hat der in Arbeit beziehungsweise in Herstellung lebende Mensch den Bezug zur Welt vollends verloren, da sein Leben lediglich auf Selbsterhaltung ausgelegt ist. Die Folge eines nur auf den privaten Bereich ausgelegten Lebens ist absolute Passivität als auch die sich daraus ableitende Annahme, dass keine Neuanfänge mehr möglich seien und gerade die Idee des Neuanfanges ist es, was Arendt von der Revolution einfordert.8 Der zweite Bereich menschlichen Lebens ist der des Öffentlichen und dieser wird geprägt durch zwei Phänomene. Zum Einen gehört zum Öffentlichen alles, was Allgemein erscheint und für jeden sichtbar und hörbar ist. Zum Anderen drückt dieser Bereich die Welt selbst aus, vorausgesetzt dass diese das Gemeinsame bezeichnet. Die Welt ist der gemeinsame Raum der Menschen, da sie von jenen gemeinsam erschaffen wurde. Die Realität dieser Welt ist darin begründet, dass es ein gemeinsames Interesse der Menschen an der Welt gibt und diese Realität ist abhängig von der Pluralität des Menschengeschlechts. Die Tätigkeit der Vita Activa, welche den öffentlichen Raum prägt, ist das Handeln. Handeln sowie Sprechen, sind die einzigen Tätigkeiten, in der sich die Einzigartigkeit des Menschen vollends offenbart. Diese Tätigkeit ist ein Aktiv-in-Erscheinung- treten und aufgrund dessen beteiligt sich der Mensch in die schon existierende Welt. “Sprechend und handelnd schalten wir uns in die Welt der Menschen ein, die existierte, bevor wir in sie geboren wurden, und diese Einschaltung ist wie eine zweite Geburt, in der wir die nackte Tatsache des Geborenseins bestätigen, gleichsam die Verantwortung dafür auf uns nehmen.” (Arendt 1967: 165) Für Aristoteles ist das Handeln eine rein politische Tätigkeit und diese soll grundsätzlich zur Gründung und zum Erhalt des Politischen dienen. Außerdem ist diese Art der menschlichen Grundtätigkeit die einzige Möglichkeit Freiheit zu erlangen, da das Arbeiten nur in Erscheinung tritt, um die Not des Lebenserhaltes zu sichern und das Herstellen ein auf Erwerb ausgerichtetes Leben ist. “Da es sich um Lebensweisen der Freiheit handelte, schieden alle Berufe aus, die dem Leben selbst und seiner Erhaltung dienten […]. (Arendt 1967: 19) Ein weiteres Kriterium, welches durch das Handeln erfüllt wird, ist die Unsterblichkeit. Nach griechischer Auffassung war jene nur den Göttern vorbehalten und der Mensch wird als ein sterbliches Wesen in eine unsterbliche Welt hineingeboren. “Nun liegt die Aufgabe und mögliche Größe der Sterblichen darin, dass sie es vermögen, Dinge hervorzubringen - Werke, Taten, Worte -, die es verdienen in den Kosmos des Immerwährenden angesiedelt zu werden, […]. (Arendt 1967: 24) Das beschriebene Werk, welches vom handelnden Menschen hervorgebracht wird, ist der öffentliche Bereich, derjenige, der Generationen von Menschen überlebt und ein Gebilde ist, welches das Gemeinsame des Menschen widerspiegelt. “Denn die Polis war für die Griechen - wie die res publica für die Römer - primär eine Garantie gegen die Vergeblichkeit und Vergänglichkeit des Lebens der Einzelnen, […]. (Arendt 1967: 55) Das höchste Gut des menschlichen Lebens ist die Möglichkeit sich an der Gestaltung der Welt beteiligen zu können und dadurch erlangt der Mensch wahrhafte Freiheit.9 Anhand dessen wird deutlich, dass der von Arendt geforderte Neuanfang der Revolution nur durch ein Streben nach öffentlicher Freiheit stattfindet.

2.2 Die soziale Frage

Die antike Teilung in privaten- und öffentlichen Bereich ist dem modernen Menschen zum Opfer gefallen und das Resultat ist die von Arendt bezeichnete Gesellschaftssphäre, welche sich dem Auge des Menschen kundtat, als die Trennlinie zwischen dem Haushalt und dem Politischen verschwand.

In der Antike herrschte innerhalb der Familie beziehungsweise im Bereich des Privaten, das monarchische Prinzip der Ein-Mann-Herrschaft. Innerhalb der modernen Gesellschaft herrscht das monarchische Prinzip des ökonomischen Gesellschaftsinteresses. Die Gesellschaft selbst schließt das Handeln aus, sie toleriert lediglich das Sich-Verhalten. “[…] die Gesellschaft von allen ihren Gliedern erwartet und für welches sie zahllose Regeln vorschreibt, die alle darauf hinauslaufen, die Einzelnen gesellschaftlich zu normieren, sie gesellschaftsfähig zu machen, und spontanes Handeln wie hervorragende Leistungen zu verhindern.” (Arendt 1967: 41) Aufgrund dessen verhindert der moderne Gesellschaftsbereich die Entstehung des antiken öffentlichen Bereiches. Die Massengesellschaft vereint sämtliche Mitglieder einer Gemeinschaft und kontrolliert ihre Macht. In dieser modernen Form menschlichen Zusammenlebens sind alle Menschen gleich und dies ist ein Beleg dafür, dass der antike, politische Bereich verschwunden ist. Die Arbeitsteilung, sowie die Industrielle Revolution, sorgten dafür dass die Tätigkeit Arbeit aus dem Schatten des Privaten in das Licht der Öffentlichkeit trat und dass Geld nicht mehr nur als Geld existiert, sondern als Kapital, welches dazu dient mehr zu erwerben, als zur Existenzsicherung nötig. Das Ideal der klassischen Ökonomie ist Reichtum sowie Überfluss und deshalb wird der Zweck einer jeden Tätigkeit am Einkommen gemessen. Der moderne Mensch erlangte somit nicht das Leben in öffentlicher Freiheit, sondern er schuf eine Realität, in der die Arbeit vollends emanzipiert ist.10 Aufgrund dieser Entwicklung der Gesellschaft verschwindet das Handeln vollends aus der Vita Activa und überdies der öffentliche Bereich. Diese Transformation wird der Revolution zum Verhängnis, denn mithin wird das Endziel der Revolution verdrängt von der Lösung der sozialen Frage.

Die soziale Frage beinhaltet lediglich den Versuch die Armut zu mindern und den Wohlstandes zu mehren. Armut entwürdigt den Menschen, da sie ihn dazu führt auf den Zwang des eigenen Körpers zu hören. “Mit der Armut in ihrer konkreten Massenhaftigkeit erschien die Notwendigkeit auf dem Schauplatz der Politik; sie entmachtete die Macht des alten Regimes, wie sie die werdende Macht der jungen Republik im Keim erstickte, weil sich herausstellte, dass man die Freiheit der Notwendigkeit opfern musste.” (Arendt 1963: 75) Jeder Herrschaft wohnt eine natürliche Legitimation inne. Bei Thomas Hobbes ergibt sich jene durch das Sicherheitsdilemma und dem daraus folgenden “[…] Zustande eines Krieges aller gegen alle […].” (Hobbes 1970: 152). Bei Hannah Arendt ist es die Sicherstellung des Notwendigsten und die daraus folgende Lösung der sozialen Frage.

[...]


1 dt. = Die Freiheit führt das Volk

2 Sérullaz, Arlette/ Vignot, Edwart (2008): Bestiaire D'Eugene Delacroix

3 Name der französischen Flagge ist tricolore

4 Arendt, Hannah (1963): Über die Revolution

5 Arendt, Hannah (1963): Über die Revolution

6 Produkt der Arbeit ist beispielsweise das Brot und ein Produkt des Herstellens ist ein Stuhl oder eine Säge

7 Arendt, Hannah (1967): Vita Activa

8 Breier, Karl-Heinz (2011): Hannah Arendt zur Einführung

9 Arendt, Hannah (1967): Vita Activa

10 Arendt, Hannah (1967): Vita Activa

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Revolution und Gewalt
Hochschule
Universität Leipzig
Autor
Jahr
2014
Seiten
16
Katalognummer
V272857
ISBN (eBook)
9783656651031
ISBN (Buch)
9783656651000
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hannah Arendt, Niccolo Machiavelli, Karl Marx, Thomas Hobbes, Revolution, Macht, Gewalt
Arbeit zitieren
Peter Manzei (Autor:in), 2014, Revolution und Gewalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272857

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