Der Blick über den Tellerrand. Möglichkeiten des Gewinns belastbarer Informationen für die Krankenhaus-Umfeldanalyse

Am Beispiel der Städteregion Aachen


Diplomarbeit, 2013

94 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einführung in den Themenbereich
1.1. Problemstellung
1.2. Begriffserklärung
1.3. Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit

2. Grundlagen des Marketings
2.1. Der Marketingbegriff
2.2. Strategie und strategisches Marketing
2.2.1. Definition
2.2.2. Marketingprozess
2.2.3. Unternehmerische Entscheidungsfindung
2.2.4. Relevanz strategischer Entscheidungen für das Kran- kenhaus
2.2.5. Besonderheiten des Krankenhausmarketings .
2.3. Marktabgrenzung
2.3.1. Der Marktbegriff
2.3.2. Identifizierung des relevanten Marktes
2.3.3. Marktsegmentierung
2.4. Marketingforschung
2.4.1. Definition und Bedeutung für das Marketing
2.4.2. Marktforschung
2.4.3. Marktprognose
2.4.4. Methoden der Datengewinnung
2.4.5. Anforderungen an die Datenqualität
2.5. Die Umfeldanalyse als Element der Situationsanalyse
2.5.1. Bedeutung und Zielsetzung
2.5.2. Untersuchungsgegenstand
2.5.3. Informatorische Grenzen der Umfeldanalyse im Krankenhaus- Markt
2.6. Zusammenfassung

3. Die Krankenhaus-Umfeldanalyse am Beispiel der Städteregion Aachen
3.1. Geografische Einordnung der Städteregion
3.2. Auswahl und Begründung der zu analysierenden Faktoren
3.3. Möglichkeiten der Datengewinnung

4. Analyse des Krankenhaus-Makroumfelds
4.1. Politisch-rechtliche Rahmenbedingungen
4.1.1. Wahljahr 2013 - ein gesundheitspolitischer Überblick
4.1.2. Krankenhausplanung des Landes Nordrhein-Westfalen
4.2. Technologischer Fortschritt
4.2.1. Neue Medien
4.2.2. Medizinische Diagnose- und Therapieverfahren
4.3. Finanzielle Rahmenbedingungen
4.3.1. Öffentliche Finanzierung der Krankenhäuser
4.3.2. Steigende Kosten
4.4. Demografie, Epidemiologie und soziale Entwicklung in der BRD
4.4.1. Methodik der Datengewinnung
4.4.2. Fertilität
4.4.3. Bevölkerungsstand
4.4.4. Lebensalter
4.4.5. Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen und Ver- weildauer
4.4.6. Mortalität
4.4.7. Datengüte
4.5. Zusammenfassung

5. Analyse des Krankenhaus-Mikroumfelds
5.1. Regionale Situation des Krankenhausmarktes
5.1.1. Methodik der Datengewinnung
5.1.2. Marktteilnehmer
5.1.3. Marktvisualisierung durch Geoinformationssysteme
5.1.4. Marktvolumen
5.1.5. Marktpotential
5.1.6. Datengüte
5.2. Wettbewerbssituation
5.2.1. Methodik der Datengewinnung
5.2.2. Konkurrenten
5.2.3. Krankenhaus-Kooperationen
5.2.4. Vergleich der Krankenhaus-Behandlungsqualität .
5.2.5. Vergleich der Krankenhaus-Patientenzufriedenheit
5.2.6. Zertifizierungen und Spezialisierungen
5.2.7. Substitute
5.2.8. Datengüte
5.3. Selektiver Marktanteilsvergleich in der Grund- und Regelver- sorgung
5.3.1. Methodik der Datengewinnung
5.3.2. Chirurgie
5.3.3. Innere Medizin
5.3.4. Gynäkologie und Geburtshilfe
5.3.5. Datengüte
5.4. Klientensituation
5.4.1. Methodik der Datengewinnung
5.4.2. Demografie
5.4.3. Epidemiologie
5.4.4. Zu- und Abwanderungsverhalten
5.4.5. Arbeitslosigkeit
5.4.6. Ethnologie
5.4.7. Kaufkraft
5.4.8. Datengüte

6. Evaluation und Ergebnisdiskussion
6.1. Regionale Marktsituation
6.2. Regionale Entwicklungen und Trends
6.3. Güte und Übertragbarkeit der Erkenntnisse .
6.4. Umgang mit Restunsicherheiten am Beispiel

7. Fazit

Literaturverzeichnis

A. Anhang
A.1. Inhaltsverzeichnis

Der Krankenhausmarkt in Deutschland befindet sich im Um- bruch. Chronische strukturelle und finanzielle Probleme führen zunehmend zu einer Marktkonsolidierung, Krankenhäuser wer- den zukünftig stärker im Wettbewerb zueinander stehen. Ei- ne strategische Positionierung im Markt ist daher unerlässlich. Die Umfeldanalyse dient der Vorbereitung einer Chancen-Risiken- Analyse und zur Fundierung von Unternehmensentscheidungen. Die vorliegende Arbeit untersucht, wie entscheidungsrelevante Informationen für die Krankenhaus-Umfeldanalyse aus der Se- kundärforschung gewonnen und systematisch erfasst werden kön- nen. Des Weiteren wird eine Bewertung zur Güte und Belastbar- keit der Informationen sowie zum Umgang mit Restunsicherhei- ten vorgenommen. Zielsetzung ist die exemplarische Durchfüh- rung und Diskussion einer Umfeldanalyse und die Formulierung einer Handlungsempfehlung für das praktische Krankenhausmar- keting. Im Rahmen einer wirtschaftswissenschaftlichen Ausein- andersetzung mit dem Thema werden Analyseverfahren und In- strumente betrachtet und ausgewählt. Es schließt sich eine Um- feldanalyse am Beispiel der Plankrankenhäuser in der Städtere- gion Aachen auf Basis amtlicher und nichtamtlicher Dokumen- te an. Die Analyse wird begleitet von Hinweisen zum metho- dischen Vorgehen und zur Datengüte. Abschließend findet ei- ne Szenario-Technik auf die Fragestellung Anwendung, wie sich der Bettenbedarf der Fachrichtung Innere Medizin in NRW bis 2030 entwickeln wird. Die Arbeit führt insgesamt zu dem Er- gebnis, dass ein umfangreiches Angebot an frei zugänglichen Krankenhausstruktur-, Leistungs- und Qualitätsdaten unterschied- licher Herkunft, Güte und Differenziertheit besteht. Für die Um- feldanalyse besonders interessant sind Qualitätsberichte nach § 137 SGB V, Geschäftsberichte, Landeskrankenhauspläne und Da- ten der statistischen Landesämter. Untersuchungen der Kran- kenkassen zur Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit können zum Vergleich der Krankenhaus-Ergebnisqualität eben- falls herangezogen werden. Aufgrund der mehrheitlich geringen Aktualität vermögen sie kurzfristige Veränderungen des Mark- tes und seiner Teilnehmer aber nicht abzubilden. Für die Un- termauerung operativer Entscheidungen ergeht daher für die vor genannten Quellen keine Nutzungsempfehlung. Demografische, strukturelle und epidemiologische Entwicklungen sind wiederum keiner derart großen Dynamik unterworfen und können nach Aus- wertung zur Fundierung strategischer Entscheidungen verwertet werden. Für das Krankenhausmarketing ergibt sich zusammen- fassend eine gute Nutzbarkeit der Sekundärforschung für die Um- feldanalyse. Voraussetzung ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem erhältlichen Datenmaterial im Hinblick auf Güte und Belastbarkeit

The hospital market in Germany faces radical changes due to various structural and financial difficulties. Market consolidation and growing competition between hospitals is the result. Finding an individual strategic position therefore is essential. The milieu analysis serves as an informatory basis of the following SWOT- analysis and prepares management decisions. This paper explores possibilities to gain and structure needful information for a milieu analysis by means of secondary research. Data quality is brought to an assessment as well as methods to use in case of informatory uncertainty. The present paper aims at performing and discussing an exemplary hospital milieu analysis. The introduction contains a view on different economic instruments and techniques of ana- lysis. The second part deals with a milieu analysis for the region of Aachen, attached by descriptive passages concerning used me- thods and quality of governmental and non-governmental data. Still existing uncertainties then are dissolved by the so called scenario analysis. The exemplary question to be answered in this case is: “How much hospital capacity for conventional medical treatment will be needed in north Rhine Westphalia in the year 2030?” Regarding the availability of information for an analysis the author draws the conclusion that there is an extensive public offer of performance-, quality- and company reports. For analytic reasons, legal hospital quality reports, provincial hospital plans, company reports and official statistics are generally of interest. Also several inquiries of health insurances concerning patient’s satisfaction and the quality of medical treatment can be refer- red to. But the information vastly differ in their origin, worth and distinctiveness. Especially immediate changes in the hospi- tal market and of its competitors cannot be contemplated as the information in most cases is not up-to-date. For this reason the author does not recommend the usage of sources named before as fundamentals of operational management decisions. Strategic decisions mainly base on long-range information and prognosis such as on demographic, epidemic and structural development in the target area, instead. Even under the circumstance of less topicality these data are therefore utilizable for an analysis. The résumé is that the strategic management of hospitals can use and benefit from secondary research for bringing through a milieu analysis. But a serious view on the public information’s quality and worth is highly advisable.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

1. Trichtermodell für Szenarien (eigene Darstellung in Anleh- nung an Geschka 2012)

2. Klienten bezogene zweidimensionale Marktsegmentierung (nach Sobhani 2009:69)

3. Methoden der Marktforschung (eigene Darstellung nach Bruhn 2002:94, Schierenbeck 2003:274))

4. Wettbewerbskräfte nach Porter 1995 S. 26 (eigene Darstellung)

5. Top 10 Todesursachen in der BRD nach ICD-Kategorien (ei- gene Darstellung nach Statistischem Bundesamt 2011b) . .

6. Geodaten: Krankenhäuser und Kliniken (Quelle: GIS Städte- region Aachen)

7. Befragungsergebnisse zur allgemeinen Patientenzufriedenheit (eigene Darstellung nach Daten von AOK/BEK und TK) . .

8. Befragungsergebnisse zur Patientenzufriedenheit mit der me- dizinischen Versorgung (eigene Darstellung nach Daten von AOK/BEK und TK)

9. Befragungsergebnisse zur Patientenzufriedenheit mit Organi- sation und Hotelleistungen (eigene Darstellung nach Daten von AOK/BEK und TK)

10. Marktanteil in chirurgischen Behandlungsfällen 2010 (eigene Darstellung)

11. Marktanteil in Behandlungsfällen der Inneren Medizin 2010 (eigene Darstellung)

12. Marktanteil in gynäkologischen Behandlungsfällen 2010 (ei- gene Darstellung)

13. Krankenhausleistung in medizinischen Kerngebieten, Städte- region Aachen (eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

1. Arten von Entscheidungen (eigene Darstellung nach Gabler online, Schierenbeck 2002:101 ff.)

3. Strukturdaten der Krankenhäuser (eigene Darstellung aus Qualitäts- und Geschäftsberichten)

4. Krankenhaus-Kooperationen (eigene Darstellung nach Daten aus Qualitätsberichten)

5. Qualitätsindikatoren 2010 nach § 137 SGB V (eigene Darstel- lung nach Daten der TK / des AQUA Institutes)

6. Qualität der Behandlung nach QSR-Verfahren 2008-2011 (ei- gene Darstellung nach Daten der AOK / a)

7. Planbetten nach Fachabteilung und Krankenhaus in der Städ- teregion Aachen (eigene Darstellung, Daten aus Qualitätsbe- richten)

8. Marktanteil in ausgewählten chirurgischen Eingriffen 2010 (eigene Darstellung)

9. Marktanteil in ausgewählten internistischen Eingriffen 2010 (eigene Darstellung)

10. Marktanteil in ausgewählten gynäkologischen Eingriffen 2010 (eigene Darstellung)

11. Checkliste zur Güte quantitativer Untersuchungen (eigene Dar- stellung nach Mayer 2011)

12. Regierungsprogramme der Bundesparteien 2013 (Quelle: An- gaben der Parteien)

13. Diagnosen 2011 und Trends in der BRD nach medizinischen Fachabteilungen (eigene Darstellung nach Destatis 2012) . .

1. Einführung in den Themenbereich

1.1. Problemstellung

”DieNeugierstehtimmeranersterStelleeinesProblems,dasgelöstwerden wil“, sagte schon Galileo Galilei. Obwohl Galilei von krankenhausökonomi- schen Überlegungen weit entfernt gewesen sein dürfte, so gewinnt dieser Satz für das Krankenhausmanagement doch stetig an Bedeutung. Denn kaum eine Branche ist derart richtungsweisenden Veränderungen unterworfen wie das Gesundheitswesen.

Prognostischen Berechnungen zufolge wird die Gruppe der Senioren - ihres Zeichens Hauptklientel des Gesundheitswesens - bis zum Jahr 2030 stark an- wachsen. Experten gehen von einem Anstieg um 26% bei den 60-70 jährigen und 58% bei den 80-90 jährigen aus. Die Gruppe der über 90 jährigen soll sich sogar verdoppeln. Veränderungen hinsichtlich des medizinischen Leistungs- angebots müssen vorgenommen werden, da insbesondere bei psychiatrischen und neurologischen, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie den bösartigen Neubildungen hohe Steigerungsraten erwartet werden (vgl. Statistisches Bun- desamt 2008: 5 f.). Aufgrund vielschichtiger in- und extrinsischer Faktoren werden bis zum Jahr 2020 voraussichtlich 19% der Krankenhäuser in die Insolvenz steuern. Die Konsolidierung des Marktes schreitet voran, erkenn- bar am Rückgang der Krankenhausträger um etwa 30% zwischen 1995 und 2011 (RWI 2013). Vor dem Hintergrund chronischer struktureller und finan- zieller Probleme stehen derzeit und in Zukunft viele Einrichtungen auf dem Prüfstand.

Warum aber Neugier, wenn der Niedergang vieler deutscher Krankenhaus- träger unaufhaltsam scheint? Kliniken müssen sich zukünftig mehr denn je als Wirtschaftsunternehmen in einem zunehmenden Wettbewerb verstehen und finanziell tragfähige Unternehmensstrategien entwickeln. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist zu erforschen, wie entscheidungsrelevante Informatio- nen für die Krankenhaus-Umfeldanalyse mittels Sekundärforschung gewonnen und systematisch erfasst werden können. Die Güte und Belastbarkeit dieser Informationen sowie die Möglichkeiten der Krankenhäuser zum Umgang mit Restunsicherheiten sollen am Beispiel dargestellt und beurteilt werden.

1.2. Begriffserklärung

Zum besseren Verständnis wird im Folgenden auf die Begrifflichkeit kenhaus“ eingegangen:

Krankenhäuser sind im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V solche Einrichtungen, ”[...]derKrankenhausbehandlungoderGeburtshilfedienen,[...]fachlich- medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten [..]. Sie sind ”[...]mitHilfevonjederzeitverfügbaremärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerich- tet [...][,] Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlim- merung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten [...“. Krankenhäuser zeichnen sich des Weiteren dadurch aus, dass ”die Patienten untergebracht und verpflegt werden können.“ (BMJ online) Nach § 108 SGB V dürfen nur zugelassene Krankenhäuser durch die Krankenkassen mit der Patientenbehandlung beauftragt werden. Zugelassene Krankenhäu- ser sind entweder als Landes-Hochschulklinik anerkannt, als Plankranken- haus in den Landeskrankenhausplan aufgenommen oder verfügen über einen Versorgungsvertrag mit den Kostenträgern, d.h. den Landesvertretungen der Kranken- und Ersatzkassen (BMJ online). Je nach Leistungsspektrum wer- den Krankenhäuser im Krankenhausplan in Grundversorger, Regelversorger, Zentralversorger und Maximalversorger unterschieden (Thiele 2012:59). Sie treten am Markt unter öffentlicher, frei gemeinnütziger oder privater Träger- schaft auf. Entsprechend unterschiedlich sind die jeweiligen Unternehmens- ziele: ÖffentlicheKrankenhäuser (als Gebietskörperschaften oder in Kosten- trägerhand) dienen der Deckung des Versorgungsbedarfs, der Erfüllung ge- sundheitspolitischer Ziele und der Lehre. Das gilt auch für Krankenhäuser frei gemeinnütziger Träger, die jedoch ausschließlich auf freiwilliger Basis an der Gesundheitsversorgung teilnehmen. Privat geführte Krankenhäuser verfolgen einzelwirtschaftliche Ziele zugunsten der Anteilseigner; hier steht die Gewinnmaximierung im Vordergrund der unternehmerischen Aktivitäten (Thiele 2010:42). Nicht verwunderlich ist daher, dass gerade private Träger offensiv auf dem Absatz- und Beschaffungsmarkt agieren und letztlich durch ökonomischen Erfolg belohnt werden (KPMG 2013). Ob Behandlungsqualität und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen zu den internen Stärken der zählen, bedarf jedoch einer genauen Überpr üfung.

1.3. Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit

Wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen werden eingangs einer Literatur- recherche unterzogen sowie geeignete Ansätze und Instrumente des strategi- schen Marketings betrachtet bzw. diskutiert. Es schließt sich die Abgrenzung der für die Krankenhaus-Umfeldanalyse notwendigen Informationen und die eigentliche multimediale Datenrecherche an. Nach einer Dokumentenanalyse amtlicher und nichtamtlicher Artefakte erfolgt die Untersuchung der Umfeld- Informationen bezogen auf die Krankenhäuser in der Städteregion Aachen. Der Analyseprozess wird begleitet von Hinweisen zum methodischen Vorge- hen und von Zwischenevaluationen der Datengüte. Das Ziel ist die exempla- rische Durchführung und Diskussion einer Umfeldanalyse und die Ableitung einer Handlungsempfehlung für das praktische Krankenhausmarketing.

Aus Gründen der Einfachheit wird für Personen- und Berufsbezeichnungen regelhaft die männliche Schreibweise verwendet (z.B. der Patient). Eine inhaltliche Bedeutung besteht jedoch nicht.

2. Grundlagen des Marketings

2.1. Der Marketingbegriff

Unter dem Begriff des Marketing, der seit seinem Aufkommen in den 1950er Jahren eine stetige Weiterentwicklung erfährt, wird neben der unternehmeri- schen Funktion vor allem eine spezifische Denkweise verstanden. Diese stellt die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen eines Unternehmens in den Mittel- punkt aller betrieblichen Aktivitäten. Das Ziel dieser konsequenten Ausrich- tung unternehmerischer Leistungsprozesse ist ein Mehrwert für die internen und externen Kunden, welcher im Idealfall auch zur Durchsetzung absatzpo- litischer Unternehmensziele führt. Zugrunde liegt nach Bruhn ein Regelkreis- prinzip aus Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle der entsprechenden Unternehmensaktivitäten (Bruhn 2002:14). Die Intensität der Marketingbe- strebungen variiert dabei maßgeblich mit der Marktsituation.

2.2. Strategie und strategisches Marketing

2.2.1. Definition

Der Begriff ”Strategie“stammtursprünglichvomaltgriechischen ”strategós“ ab, was im Deutschen mit ”Feldherr“zuübersetzenist.ImmilitärischenKon- text bedienten sich erfolgreiche Feldherren stets Strategien bzw. Kriegslisten, weswegen der Begriff auch soviel wie ”KunstderHeeresführung“bedeuten kann. Ein bekanntes Beispiel ist der antike Mythos des Holzpferdes, durch das die lange andauernde Schlacht um Troja schließlich zugunsten der Strategen entschieden worden sein soll. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einer Strategie ein geplantes Vorausdenken und Einkalkulieren von den Faktoren verstanden, die Einfluss auf die Erreichung eines bestimmten Zieles nehmen.

Betriebswirtschaftlich definiert ist Strategie eine ”grundsätzliche,langfristige Verhaltensweise [Maßnahmenkombination] der Unternehmung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Zie- le“ (Springer Gabler c). Strategien werden im Kontext der Unternehmensfüh- rung schon lange begrifflich angeführt. Eine Vorreiterrolle in der Begriffsprä- gung nahm jedoch die Harvard Business School in den 1970er Jahren ein. Im Laufe der Zeit hat sich schließlich eine Reihe von Denkschulen herausge- bildet, die ultimativen Anspruch auf Richtigkeit erheben. Eine Beschreibung aller Denkschulen zur Strategie würde an dieser Stelle zu weit führen. Des- halb findet eine Beschränkung auf die wesentlichen Aussagen statt, anhand derer sich auch das strategische Marketing inhaltlich abgrenzen lässt.

Unternehmens funktionen werden häufig in die Dimensionen tisch“ und ”operativ“, ”tak- ”strategisch“ abgegrenzt.Zumeist werden dabeizeitliche Kriterien zugrunde gelegt, wie etwa die Frist zur Zielerreichung. Von einem operativen Planungshorizont wird klassischerweise bei einer Fristigkeit von bis zu einem Jahr, beim taktischen von 1-5 Jahren und bei strategischen von mehr als fünf Jahren gesprochen. Als weitere Unterscheidungsmöglichkeit operativer von strategischer Probleme führt unter anderem Sobhani die Leitsätze die richtigen Dinge?“ (strategisch) und ”Tunwir ”TunwirdieDingerichtig?“(opera- tiv) an (Sobhani 2008:32). Das strategische Marketing kann als funktioneller Teil der strategischen Unternehmensplanung betrachtet werden. Nach Festle- gung der Unternehmensmission, Marktabgrenzung und Marktsegmentierung im Rahmen der Gesamtplanung ist es Aufgabe des strategischen Marketings, die Strategie bezüglich der Marktteilnehmer und strategischer Geschäftsfel- der zu entwickeln. Anschließend erfolgt die Abstimmung des Einsatzes der Marketinginstrumente auf die strategischen Ziele (Bruhn 2011:130ff.). Mef- fert und Bruhn (2002) sprechen ebenso wie Porter (2008) beim strategischen Marketing von der Entwicklung strategischer Wettbewerbsvorteile durch un- ternehmerische Alleinstellungsmerkmale, wie zum Beispiel Innovations- und Reaktionsvermögen, Individualität oder Kostenführerschaft.

Alle bekannten Ansätze zum strategischen Marketing bzw. strategischen Ma- nagement müssen jedoch wegen ihrer teils eingeschränkten und extrapolieren- den Sichtweise kritisch betrachtet werden. Strategisches Management bzw. Marketing wird in vielen wirtschaftlichen Denkschulen als isolierter und stark schematischer Prozess beschrieben. Die Auswahl und geschickte Kombina- tion der Marketinginstrumente wird zur Königsdisziplin des Managements erhoben, ohne dabei auf die häufige Nicht-Steuerbarkeit des Marktgesche- hens einzugehen. Erfolg ist nicht grundsätzlich planbar, dies zeigt sich in der Unternehmenspraxis nur allzu oft. Viele Erfolgsgeschichten der Vergangen- heit hatten ihren Ursprung eher im Zufall bzw. im Zusammentreffen günstiger Erfolgsfaktoren. Der Einsatz analytischer Instrumente, wie auch im Falle der vorliegenden Arbeit, darf nur als Entscheidungshilfe zur Reduzierung von Un- sicherheit verstanden werden (Mintzberg 2004:82ff.). Ebenso verhält es sich mit den nachfolgenden Ausführungen zum strategischen Marketingprozess.

2.2.2. Marketingprozess

Der Prozess des strategischen Marketings verläuft nach Bruhn üblicherweise in 6 Phasen, die aufgrund ihrer Abhängigkeit voneinander chronologisch abgearbeitet werden sollten (Bruhn 2002:41ff.). Diese sind hier zum besseren Verständnis der eigentlich Umfeldanalyse kurz dargestellt:

1. Analyse der Marketingsituation. Sie soll Aussagen zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf das Unternehmen liefern und mündet üblicherweise in einer SWOT-Analyse. Die Teilschritte sind:

a) die externe Analyse, im Rahmen derer beeinflussbare und gering oder nicht beeinflussbare Einflussfaktoren, wie zum Beispiel die demografische Entwicklung identifiziert, analysiert, prognostiziert und überwacht werden
b) die Chancen-Risiken-Analyse, welche auf den Erkenntnissen der vorangehenden externen Analyse basiert
c) die interne Analyse zur Aufdeckung unternehmenseigener Ein- flussfaktoren, wie zum Beispiel personelle und materielle Ressour- cen
d) die Stärken-Schwächen-Analyse als Zusammenfassung jener in- terner Faktoren, die zu Chancen oder Risiken am Markt führen können (z.B. hohe Mitarbeiterqualifikation, gutes Image).

2. Festlegung der Marktsegmente und Marketingziele: Das Unternehmen entscheidet sich für die zu bearbeitenden Marktsegmente und darauf bezogenen Planungsziele

3. Entwicklung und Formulierung der Marketingstrategie unter frühest- möglicher Einbeziehung der Mitarbeiter im Gegenstromverfahren

4. Festlegung der Marketingmaßnahmen unter Einsatz verschiedener Mar- ketinginstrumente (Schierenbeck 2003:267):

a) Produktpolitik
b) Kontrahierungspolitik
c) Kommunikationspolitik
d) Distributionspolitik

5. Bestimmung des Marketingbudgets und Verteilung auf die Marketing- instrumente, Erzeugnisse, Anspruchsgruppen und Vertriebswege

6. Umsetzung der Marketingmaßnahmen durch Aufgabenzuordnung oder Auftragsvergabe an externe Stellen (z.B. Werbeagentur) sowie Kon- trolle von Durchführung, Zielerreichung und Effizienz

In der ”Rezeptur“füreinegute Marketing strategiesindalsodas Kennenund Nutzen eigener Stärken und Schwächen sowie die Berücksichtigung des Wett- bewerbes die ”Hauptzutaten“.Nurwennesgelingt,den Kundennutzenüber das Niveau der Konkurrenz zu steigern, kann ein hoher Absatz erzielt wer- den, können Erfahrungswerte zur Verbesserung der Leistungserbringung und damit zur Reduzierung der Kosten genutzt werden (Porter 2008). Grund- voraussetzung dafür, dass Strategien keine Luftschlösser bleiben, ist jedoch immer eine aktive Führungsentscheidung für oder gegen bestimmte Marke- tingmaßnahmen.

2.2.3. Unternehmerische Entscheidungsfindung

Das Treffen richtiger und konsequenter strategischer Entscheidungen ist die eigentliche Herausforderung der Unternehmensführung. Als Entscheidung wird in der Betriebswirtschaftslehre die ”WillensbildungbeieinerAuswahlvonAl- ternativen“ (WL24) oder entscheidungstheoretisch die ”[...]AuswahleinerAk- tion aus einer Menge verfügbarer Maßnahmen unter Berücksichtigung möglicher Umweltzustände mit Willensakzent“ (Springer Gabler a) verstanden. Die Entscheidung als solche ist idealtypisch das Produkt aus Willensbildung und bewusstem Entschluss. Entscheidungen können grundsätzlich anhand folgender Kriterien unterschieden werden:

Tabelle 1: Arten von Entscheidungen (eigene Darstellung nach Gabler online, Schierenbeck 2002:101 ff.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entscheidungen werden von internen (Persönlichkeit der/des Entscheiden- den, Unternehmensorganisation, Kultur, Struktur und Strategie) sowie ex- ternen Faktoren (soziales, kulturelles, politisches, rechtliches, technologisches Umfeld) beeinflusst. Gerade bei Entscheidungen, die unter unsicheren Rah- menbedingungen getroffen werden müssen, ist eine methodische Herange- hensweise im Prozess sinnvoll.

In der Literatur finden sich im Wesentlichen fünf verschiedene Methoden, die zur Fundierung einer Entscheidung eingesetzt werden können:

- Zukunftsszenarien: Sie kommen vor allem zum Einsatz bei komplexen Systemen und unsicheren Bedingungen. Extremszenarien - best case und worst case - werden zur Prognose der Reaktion des Marktes auf bestimmte Marketingmaßnahmen (Bsp.: ”wennMaßnahmeX,dannRe- aktion Y“ usw.) entworfen und einem Trend gegenübergestellt (siehe Abb. 1). Der Durchmesser des Trichters symbolisiert dabei das Spek- trum möglicher Szenarien unter dem Aspekt der zeitlichen Distanz zur Gegenwart. Die Antizipation möglicher Konsequenzen auf das Unter- nehmen und sein Umfeld basiert dabei auf Informationen der Markt- forschung (Prognosen/Trends) und Erfahrungswerten. Vorteilhaft bei der Anwendung der Szenario-Technik ist das Verlassen eingefahrener Entscheidungspfade und das Einbeziehen auch unkonventioneller oder vormals undenkbarer Entwicklungen (Fink, Siebe:12ff.).

Abbildung 1: Trichtermodell für Szenarien (eigene Darstellung in Anlehnung an Geschka 2012)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Roadmapping: Grafische Darstellung von technologischen und Markt- entwicklungen, Produkten, Arbeitsprozessen, Kompetenzen und (Organisations- ) Strukturen in Landkartenform. Ziel ist die Entwicklung eines ”Stra- tegiefahrplans“ für das Unternehmen. Es handelt sich folglich um ein, vor allem auf das Unternehmen selbst ausgerichtetes Instrument
- Trendberechnungen und Prognosen zum Unternehmensumfeld als Teil der Marketingforschung
- Marketing-Analyseverfahren: Zum Beispiel SWOT-Analyse, Portfolio- Analyse, Branchenstrukturanalyse, Umfeld- bzw. Umweltanalyse, Kon- kurrentenanalyse
- Verfahren der statischen und dynamischen Investitionsrechnung
- Betriebswirtschaftliche Entscheidungsverfahren: Zum Beispiel Nutzwert- analyse und Analytic Hierarchy Process nach Thomas L. Saaty (Bamberg et al 2000:63ff.)

Die Auswahl der Methode sollte sich nach der Planungsebene und Perspek- tive bei der Betrachtung richten. Je zukunfts- und umweltbezogener die Be- trachtung, desto abstrakter die Methode. Entscheidungen im Marketing sind stets ganzheitlich und auf die Marketingvariablen ketingziele“ und ”Marketingsituation“, ”Mar- ”Marketinginstrumente“undihreBeziehunguntereinander abzustimmen (Bruhn 2002:23ff.) Die Ergebnisse einer Entscheidung sollten bestenfalls quantitativ und/oder qualitativ beurteilbar sein, um Rückschlüsse auf den Erfolg und notwendige Kurskorrekturen ziehen zu können.

2.2.4. Relevanz strategischer Entscheidungen für das Krankenhaus

Krankenhäuser agieren in einem Markt, der einer Regulierung durch die Bun- desländer und die Träger der Sozialversicherung unterworfen ist. In Bezug auf die Unternehmensstrategie werden dementsprechend sowohl der Markt- zutritt, als auch der Aktionsradius im Sinne der Gestaltung des medizinischen Leistungsangebotes beschränkt. Sind Krankenhäuser nicht durch Berücksich- tigung im Landeskrankenhausplan oder durch Versorgungsverträge abgesi- chert, besteht auch kein Anspruch auf Leistungsvergütung und (anteilige) Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten (siehe dazu auch 1.2). Zu- recht drängt sich daher die Frage auf, inwiefern Krankenhäuser überhaupt von strategischen Überlegungen und Maßnahmen profitieren können. Die Antwort liegt hauptsächlich in der zukünftigen Entwicklung des Gesundheitsmarktes. Wie eingangs erwähnt, ruft der demografische Wandel Anpassungsnotwen- digkeiten im Leistungsportfolio auf den Plan. Hier bestehen aufgrund der Re- gulierung derzeit nur spärliche Aktionsmöglichkeiten. In der Zukunft jedoch werden Kollektivverträge zwischen Träger- und Erbringerseite aufgrund des steigenden Kostendrucks eine immer geringere Rolle spielen (Papenhoff:17, KPMG 2013). In der Folge ist auch mit einem zunehmenden Wettbewerb zwi- schen den medizinischen Leistungserbringern zu rechnen. Wirtschaftlichkeit und Qualität sind die heutigen und zukünftigen Messlatten im Krankenhaus- markt, der historisch eher durch den Gedanken der Gemeinnützigkeit und ein einschränkendes Wettbewerbsrecht geprägt war. Hinsichtlich des Leis- tungsangebots kann von wachsenden Marktpotenzialen unter anderem in den Bereichen Wellness, Gesunderhaltung und ästhetischer Medizin ausgegangen werden (Papenhoff:17ff.). Auch in der Altenhilfe - insbesondere bei ambulan- ten Einrichtungen, neuen Wohnformen und virtuellen stationären Einrichtun- gen - besteht jetzt bereits Entwicklungsbedarf. Als weiterer Zukunftsbereich sei an dieser Stelle beispielhaft die Zahnmedizin mit den dort stark angebote- nen, so genannten individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) genannt. Alle vor genannten Potenziale haben gemeinsam, dass attraktive Erlöse für die Leistungserbringer auch außerhalb der gesetzlichen Erstattung generiert wer- den können. Somit ist eine gewisse Unabhängigkeit von der bereits beschrie- benen Marktregulierung gegeben. Doch Leistungen im Krankenhaus sind in höchstem Maße abhängig von menschlicher Arbeitsleistung. Diese Leistun- gen können nur durch qualifiziertes Fachpersonal erbracht werden. In Zeiten eskalierenden Fachkräftemangels - insbesondere im ärztlichen und pflegeri- schen Dienst - sind die Arbeitgeber angehalten, nachhaltige, zukunfts- und wirtschaftlich tragfähige Personalstrategien zu entwickeln. Viertens muss die Unternehmensstrategie eines Krankenhauses in Zukunft mehr denn je auf ein geändertes Verhalten der Nachfrager abgestimmt werden. Mit zuneh- mender Mobilität auch älterer Menschen ist die Nutzung örtlich ansässiger Gesundheitseinrichtungen für elektive Eingriffe oder Untersuchungen nicht mehr obligatorisch. Stattdessen informieren sich potenzielle Klienten mittels neuer Medien, wie zum Beispiel dem Internet und soziale Netzwerke über die Leistungsangebote und suchen gezielt auch entferntere Einrichtungen auf.

”Aufweichen“ ehemaliger Hoheitsbereiche der ¨ ortlichen Krankenh¨ auser muss also in der Konsequenz dazu führen, dass der Klientengewinnung und -Bindung im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Möglichkeiten künftig mehr Be- deutung zukommt. Die Bildung strategischer Allianzen auf horizontaler und auch vertikaler Ebene ist eine - bislang jedoch nur vereinzelt vertretene - Strategie zur Koexistenz im Wettbewerb und stellt ein weiteres Argument für Strategiedenken im Krankenhaus dar. Durch Skaleneffekte könnten die be- kannten Finanzierungslücken vieler Krankenhäuser und anderer Gesundheits- einrichtungen zumindest partiell kompensiert werden. Krankenhäuser müssen daher grundsätzlich als Wirtschaftsunternehmen gesehen und geführt werden, auch wenn das Marketing sich von dem anderer Unternehmen unterscheidet.

2.2.5. Besonderheiten des Krankenhausmarketings

Beim Marketing nicht-kommerzieller Einrichtungen, wie zum Beispiel einer gemeinnützigen Krankenhausgesellschaft steht im Mittelpunkt der Unterneh- mensaktivitäten nicht die Gewinnmaximierung. Mögliche Primärziele betref- fen stattdessen etwa die Deckung bzw. Befriedigung des medizinischen Ver- sorgungsbedarfs (Thiele 2010:30), eine hohe Kapazitätsauslastung und Kos- tendeckung (Schierenbeck 2003:268). Verschiedene Besonderheiten erschwe- ren jedoch die strategische Marketingplanung von Krankenhäusern. Dem Ver- fasser erscheint eine Einordnung dieser Besonderheiten in die Dimensionen ”Markt“, ”Produkt/Leistung“und ”ExternerFaktor“sinnvoll.

In der Dimension ”Markt“ liegt die wohl markanteste Besonderheit in derFunktionentrennung auf der Nachfrageseite. Während im klassischen Markt- geschehen der Nachfrager einer Leistung gleichzeitig auch Konsument und Zahler derselbigen ist, besteht im Gesundheitsmarkt eine Dreiteilung: Nach- frager der medizinischen Leistung ist in der Regel ein Arzt, der zuvor den Bedarf feststellt, während der Patient als Empfänger bzw. Konsument der Leistung auftritt. Gezahlt wird die Leistung schließlich vom Träger der Sozi- alversicherung, z.B. der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies hat zur Fol- ge, dass das Krankenhausmarketing eine Vielzahl von Anspruchsgruppen auf der Nachfrageseite berücksichtigen muss, was die Komplexität der Planung erhöht. Eine weitere Besonderheit des Krankenhausmarktes ist die Markt- regulierung. Im Gegensatz zur freien Marktwirtschaft wird das medizinische

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Angebot staatlich und seitens des Sozialversicherungsträgers mittels Krankenhausbedarfsplanung und Versorgungsverträgen beschränkt und preislich durch das DRG-System gesteuert. Entwicklungsmöglichkeiten für Bestandseinrichtungen liegen daher oft in Kostenoptimierung, strategischen Allianzen, Zusatzleistungen und Serviceangeboten.

In der Dimension ”Produkt/Leistung“treffenfürdasKrankenhausBeson- derheiten des Non-Profit-Bereichs und der Dienstleistung zusammen. Me- dizinische und pflegerische Leistungen sind meist immateriell und können nur persönlich erbracht werden. Produktion und Konsumption fallen zumeist zusammen. Somit kommt dem Personalmanagement eine maßgebliche Be- deutung zu. Nach Meffert und Bruhn sind Dienstleistungen weder transport- noch lagerfähig (Meffert 2000:53, Bruhn 2002:36). Hier ist jedoch anzumer- ken, dass Produkte/Leistungen der Krankenhaus-Unterstützungsabteilungen, wie etwa der Zentralsterilisation, der Küche oder der Wäscherei in Form von Speisen, aufbereiteter Wäsche oder sterilen Instrumenten diese Kriterien si- cher erfüllen. Sie besitzen daher eine besondere Eignung zur Auslagerung oder zur Durchführung für externe Kunden. Das Krankenhaus ist also nicht klassischerweise nur Ort einer Dienstleistungserbringung, sondern auch Pro- duktionsstätte. In der Gesellschaft werden Krankenhäuser auch heute noch stark mit dem karitativen Gedanken der Nächstenliebe assoziiert. Die Ver- marktung des Gesundheits-Gutes ist daher oft negativ besetzt und erfordert eine gesteigerte Sensibilität bei der Strategiefindung und Marketingplanung.

Die letzte Dimension ”ExternerFaktor“spieltbeimedizinischenundpfle- gerischen Leistungen eine zentrale Rolle. Der Mensch als Konsument und ”Erbringungsort“derLeistungistsehrindividuell.Körperliche,psychi- sche und seelische Eigenschaften des Patienten beeinflussen die Leistungs- erbringung und Zielerreichung, wodurch ein eher geringer Standardisierungs- grad in den Krankenhausleistungen im Vergleich zur Industrie erreicht wird (Meffert 2000:53).

2.3. Marktabgrenzung

2.3.1. Der Marktbegriff

Als Markt wird der ”OrtdesZusammentreffensvonAngebotundNachfrage“ bezeichnet (Hadeler 2001:219). Dieses Zusammentreffen führt im ”gesunden Markt“ zur Preisbildung. Eine Unterscheidung der Märkte kann anhand von Marktzutrittsbarrieren, dem Autonomiegrad seiner Teilnehmer, dem Institu- tionalisierungsgrad und den Rahmenbedingungen erfolgen (Springer Gabler

b). Üblicherweise findet, damit es sich überhaupt um ein Marktgeschehen handelt, ein Tausch von Tauschobjekt (Gut) und Tauschmittel (in der Regel Geld) statt. Je nach Verhältnis von Angebot zu Nachfrage kann ein Markt als Käufer- oder Verkäufermarkt bezeichnet werden. Während im Verkäufermarkt handelnde Unternehmen ihr Hauptaugenmerk oft auf die eigentliche Leistungserstellung legen, dominiert im Käufermarkt aufgrund des heutzutage in vielen Segmenten üblichen Angebotsüberhangs die ganzheitliche unternehmerische Orientierung am Kundennutzen.

2.3.2. Identifizierung des relevanten Marktes

Am Anfang einer jeden absatzpolitischen Überlegung steht die Identifizierung des für das Unternehmen relevanten Marktes. Zuvor bedarf das Marketing- system, in dem das betrachtete Unternehmen tätig ist oder tätig werden möchte jedoch einer Analyse. Diese gliedert sich in zwei Teilschritte:

1. Die Marktstrukturanalyse
2. Die Marktprozessanalyse

Im Rahmen der Marktstrukturanalyse sollen die Marktteilnehmer auf Anbieter- (Hersteller, Dienstleister und Absatzmittler) und Nachfragerseite (Konsu- menten, Wiederverkäufer und Abnehmer) erkannt und differenziert werden. Die Marktprozessanalyse liefert sowohl Erkenntnisse zu marktspezifischen Vernetzungen sowie zu Informations- und Güterströmen (Bruhn 2002:19). Die eigentliche Marktidentifizierung kann anschließend Produkt-/Problem- oder Kunden bezogen erfolgen. Hier dienen die Güterart, das Herstellungs- verfahren oder ein spezifisches Problem zur Abgrenzung des relevanten Mark- tes. Eine komplexere Möglichkeit zur Abgrenzung bietet sich mit Blick auf die Anspruchsgruppen am Markt. Hier stehen Interessen und Merkmale, wie zum Beispiel das Lebensalter, im medizinischen Bereich die behandlungsbedürfti- ge Erkrankung oder die Kaufkraft der potentiellen Kunden im Vordergrund der Abgrenzungsbemühungen (Backhaus 1999:204ff.).

2.3.3. Marktsegmentierung

Die weitere Segmentierung des relevanten Marktes in Teilmärkte ist zur Identifikation der entsprechenden Zielmärkte und zur Entwicklung erfolgreicher Produkt-Markt-Kombinationen notwendig. Die Marktsegmentierung muss folgenden Kriterien genügen (Bruhn 2002:59ff.):

- Berücksichtigung des Käufer- bzw. Anspruchsgruppenverhaltens
- Messbarkeit mit Methoden der Marktforschung
- Stabilität der Segmente über einen längeren Zeitraum Seite 23 von 94
- Ausreichende externe Heterogenität zur differenzierten Marktbearbei- tung
- Ausreichend großes ökonomisches Potential der Segmente für das Un- ternehmen
- Zugänglichkeit der Segmente für Marketinginstrumente

Die Wichtigkeit der Segmentierung für das Unternehmen ist abhängig von seiner Entwicklungsstufe und der Ausdifferenziertheit des relevanten Marktes. Mit Blick auf den Gesundheitsmarkt im Allgemeinen und den Krankenhaus- markt im Speziellen kann ein hoher Grad an Differenzierung konstatiert wer- den, Tendenz steigend. Gerade im operativen Leistungsbereich findet mitt-lerweile ein Buhlen“ um den Patienten seitens der Krankenh¨ auser statt. Um bei sinkendem Auslastungsgrad (KPMG 2013) am Markt bestehen zu können, gewinnt auch die Optimierung des Krankenhaus-Portfolios an Gewicht. Zu diesem Zweck kann vorab eine Segmentierung des Marktes vorgenommen werden. Diese wird hier als grafische Matrix am Beispiel der Schwerpunktversorgung demonstriert (s. Abb. 2).

Abbildung 2: Klienten bezogene zweidimensionale Marktsegmentierung (nach Sobhani 2009:69)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch die Beschreibung der Marktsegmente und die konkrete Orientierung an den Klienten bzw. Bedürfnisgruppen (z.B. Privatpatienten mit ortho- pädischen Krankheitsbildern) vereinfacht sich die strategische Analyse des Unternehmensumfelds. Regionale Mitbewerber in gleichen Marktsegmenten können differenzierter betrachtet und Prognosen zur Bedarfs- und Absatz- entwicklung spezifischer berechnet werden. Auf dieser Grundlage kann im nächsten Schritt die Bearbeitung der Segmente mit den verschiedenen Mar- ketinginstrumenten geplant werden.

2.4. Marketingforschung

2.4.1. Definition und Bedeutung für das Marketing

Die Marketingforschung ist ein Teilbereich des Marketings. Ihre Aufgabe ist es, Informationen über die aktuelle und zukünftige Marketingsituation des Unternehmens für die Marketingplanung sowie taktische und strategische Managemententscheidungen zu gewinnen, auszuwerten, zu interpretieren und bereitzustellen. Ziel ist die Darstellung des Unternehmens und seiner Positi- on im Absatzmarkt. Untersuchungsbereiche der Marketingforschung können sein:

- die Marktentwicklung
- das Verhalten der Marktteilnehmer
- der Einsatz und die Wirkung der Marketinginstrumente
- Analyse und Beobachtung der Unternehmens relevanten Marketingfak- toren

Begrifflich müssen die Marketingforschung und die traditionell geprägte Markt- forschung unterschieden werden. Gegenstand der Marktforschung sind die Beschaffungs-, Finanz-, Arbeits- und Absatzmärkte, auf denen das unter- suchte Unternehmen tätig ist (Bruhn 2002:88ff.). Im Vergleich dazu berück- sichtigt der Marketingforschungs-Ansatz auch die internen Marketingfaktoren (Schierenbeck 2003:273), wodurch sich ein vollständigeres Informationsbild ergibt. Aus diesem Grund wird die Marktforschung in den weiteren Aus- führungen ebenso wie die Marktprognose als Teil der Marketingforschung beschrieben.

2.4.2. Marktforschung

Bei der Marktforschung handelt es sich um eine wissenschaftliche Untersu- chung des Marktes, die sowohl zeitpunktbezogen (Marktanalyse) als auch zeitraumbezogen (Marktbeobachtung) gestaltet sein kann. Mit den Metho- den der Primär- und Sekundärforschung werden Handlungssubjekte und ob- jektive Marktdaten untersucht. In diesem Zusammenhang werden oft auch die Begriffe Demoskopie (Zielgruppen etc.) und Ökoskopie (Preise, Umsätze etc.) verwendet (Hadeler 2001:221). Ziel der Marktforschung ist die Identi- fikation und der Erwerb von, für die Marketingsituation relevanten Daten.

Der Prozess der Marktforschung gliedert sich nach Bruhn in 5 Phasen:

1. Problemformulierung (Fragestellung und Themenstrukturierung) Seite 25 von 94
2. Auswahl der Forschungsmethode (Stichprobenplanung und Erhebungs- instrumente)
3. Durchführung der Marktforschungsstudie (Datengewinn und -Analyse)
4. Ergebnisdokumentation (Interpretation und Präsentation)
5. Fundierung der Marketingentscheidungen

Aufgrund des zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwands markterfor- schender Aktivitäten empfielt sich eine Abwägung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Dazu sollten schon vorab Anforderungen an und Gütekriterien für die zu be- schaffenden Informationen formuliert und definiert werden (Bruhn 2002:90ff.).

2.4.3. Marktprognose

Aufgabe der Marktprognose ist, die Entscheidungsfindung und strategische Ausrichtung der Unternehmung mit einer Voraussage zu den unternehmensrelevanten Marktereignissen zu fundieren. Dabei stützt sie sich auf die Ergebnisse der Marktforschung.

Der Prozess der Marktprognose verläuft nach Bruhn ebenfalls in 5 Phasen (Bruhn 2002:119):

1. Analyse des Prognoseproblems (Art der Prognose und Prognosedaten)
2. Auswahl der Prognosegröße und Einflussfaktoren (abhängige und un- abhängige Variablen)
3. Analyse der Zusammenhänge zwischen Prognose- und Einflussgrößen (Auswahl des statistischen Verfahrens und Entwicklung des Prognose- modells)
4. Hochrechnung (bezogen auf Prognosezeitraum und Annahmen)
5. Fundierung von Marketingentscheidungen

Prognosen beziehen sich üblicherweise auf Potenziale und Absatzvolumina innerhalb eines festgelegten Betrachtungszeitraums. Bei einer Potenzialprognose wird eine Voraussage zur maximalen Aufnahmekapazität des Marktes an etwa einem bestimmten Produkt getroffen. Bei Volumenschätzungen werden erwartete, realisierte Absatzmengen des Marktes wert- oder mengenmäßig prognostiziert. Die Prognose erfolgt auf Basis von quantitativen und qualitativen Untersuchungsmethoden.

Quantitativ unterscheidet man Entwicklungs- und Wirkungsprognosen. Ent- wicklungsprognosen werden retrospektiv errechnet und münden in einer linea- ren (bei angenommen stabiler Marktentwicklung), exponentiellen (bei starken Wachstumsimpulsen) oder logistischen Trendfunktion (abnehmende Wachs- tumsraten). Vorteilhaft sind Entwicklungsprognosen wegen ihrer einfachen Berechnung, nachteilig kann sich jedoch die Vergangenheitsbezogenheit aus- wirken, da sie keine reliablen Rückschlüsse bei stark dynamischen Marktver- hältnissen erlauben. Wirkungsprognosen sollen die Reaktion des Marktes auf die eingesetzten Marketinginstrumente darstellen. Sie beruhen sowohl auf retrospektiven Annahmen, als auch auf Expertenschätzungen, welche zum Erkenntnisgewinn miteinander kombiniert werden. Je nach erwarteter Abhän- gigkeit der Marketinginstrumente voneinander werden additive (unabhängige Wirkung) und multiplikative (Interdependenzen zwischen Marketinginstru- menten) Rechenmodelle gewählt. Ihr Vorteil liegt in der Spezialisierung auf einzelne Märkte und der stärkeren Prospektivität, Voraussetzung für eine Zu- verlässige Prognose ist jedoch das Vorhandensein ausreichender Erfahrungs- werte. Somit ist dieses Verfahren weniger für neue Märkte geeignet.

Qualitative Prognoseverfahren finden sich vor allem in Form der Experten- befragung, der Szenario-Technik und der Delphi-Methode. Sie beinhalten keine mathematischen oder statistischen Verfahren sondern machen sich die Erfahrung und Antizipationsfähigkeit der Marktexperten zu Nutze. Je nach eingesetzter Technik werden die Experten einzeln befragt, Diskussionen im Expertengremium geführt (Delphi-Methode) oder wie im Falle der Szenario- Technik Extremszenarien im negativen und positiven Sinne entwickelt. Das Ziel aller qualitativen Prognoseverfahren ist es, anhand der gewonnenen Da- ten zuverlässige und langfristige Voraussagen für hoch dynamische und kom- plexe Märkte zu erhalten, deren Tatbestände nur schwer quantitativ erfassbar sind (Bruhn 2002:122ff.).

2.4.4. Methoden der Datengewinnung

Je nach Art der Datengewinnung wird von Primär- oder Sekundärforschung gesprochen. Die Primärforschung nutzt die Datengewinnung im Untersu- chungsfeld oder Labor mittels einer Befragung, einer Beobachtung oder ei- nes Experiments. Von Sekundärforschung wird gesprochen, wenn die Daten aus schon existierenden Beständen entnommen und zum Zwecke des For- schungsvorhabens (erneut) ausgewertet werden. Die Datengewinnung selbst erfolgt quantitativ oder qualitativ. Quantitative Forschungsansätze basieren auf mengenmäßig untersuchbaren Tatbeständen und erfordern eine anschlie- ßende mathematisch-statistische Auswertung. Qualitative Forschungsansätze finden sich häufig im Zusammenhang mit Interviews und Kundengesprächen. Sie sind hingegen nur schwer quantitativ zu erfassen und darzustellen (Bruhn 2002:92).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Methoden der Marktforschung (eigene Darstellung nach Bruhn 2002:94, Schierenbeck 2003:274))

2.4.5. Anforderungen an die Datenqualität

Die Güte von Daten und Ergebnissen empirischer Untersuchungen wird an- hand inhaltlicher und formaler Kriterien bewertet. Empirische Untersuchungs- ergebnisse müssen gültig (valide) und objektiv, die eingesetzten Methoden zur Datengewinnung verlässlich (reliabel) sein (Flick 2008:29ff.). Reliabili- tät zeichnet sich durch formale Zuverlässigkeit bzw. Genauigkeit des Mess- verfahrens unter konstanten Messbedingungen und die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse aus. Validität ist wissenschaftlich gegeben, wenn das Messin- strument keine systematischen Fehler aufweist und materiell genau ist, d.h. die Realität sauber abbildet. Untersuchungsergebnisse sind als objektiv ein- zustufen, wenn Antworten und Interpretation, z.B. einer Befragung mittels Standardisierung unabhängig von den Anwendern des Tests gewonnen wer- den (Flick 2009:34). Mayer empfiehlt zur Betrachtung und Evaluation einer empirischen Untersuchung das Vorgehen in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird der Hintergrund der Untersuchung im Bezug auf die Problemdefinition, den theoretischen Bezugsrahmen und die Hypothesenformulierung betrach- tet. Im zweiten Schritt erfolgt dann im Wesentlichen die kritische Ausein- andersetzung mit dem Studiendesign , der Stichprobenauswahl, der Daten- analyse und -Darstellung sowie dem Resümee des Untersuchenden (Mayer 2011:56ff.). Zentrale Kriterien werden, angelehnt an Mayer, in einer Check- liste für die Bewertung quantitativer Untersuchungen zusammengefasst (s. Anhang, Tabelle 10). Bei der Checkliste finden die Anforderungen der Se- kundärforschung besondere Berücksichtigung, da sich die vorliegende Arbeit vor allem auf bestehende Datenbestände fremder Herkunft stützt. Zudem werden Kriterien verkürzt und zusammengefasst, um eine übersichtliche und im Aufwand praktikable Bewertung der Untersuchungen zu ermöglichen.

2.5. Die Umfeldanalyse als Element der

2.5.1. Bedeutung und Zielsetzung

Das Erkennen von internen Stärken und Schwächen, externen Chancen und Risiken, die Orientierung eines Unternehmens an den Kundenbedürfnissen und die entsprechende Abstimmung der Marketinginstrumente sind Kernthe- ma des strategischen Marketings (Vgl. Haselhorst 2012:26ff.). Strategische Entscheidungen werden durch Methoden der Marketingforschung fundiert. Ein erprobtes Instrument der Marketingforschung ist die Situationsanalyse zur Erfassung der spezifischen Unternehmenssituation. Ziel der Situationsanaly- se ist die strategische Frühaufklärung hinsichtlich Prognose und Entwicklung marketingrelevanter Einflussfaktoren. Bruhn empfiehlt ein sechsstufiges Vor- gehen bei der Durchführung der Situationsanalyse (Bruhn 2002:41ff.):

1. ”ErfassungderrelevantenunternehmensexternenEinflussgrößen
2. Erstellen einer Chancen-Risiken-Analyse
3. Erfassung der relevanten unternehmensinternen Einflussgrößen
4. Stärken-Schwächen-Analyse
5. Verknüpfung der unternehmensexternen Chancen/Risiken mit den un- ternehmensinternen Stärken/Schwächen
6. Herausarbeitung der zentralen Marketingproblemstellung aus der SWOT- Matrix“

Die Umfeldanalyse ist in Stufe 1 der Situationsanalyse (siehe oben) angesie- delt. Die Begriffe ”Umfeld“und ”Umwelt“werdeninderFachliteraturäqui- valent genutzt. Von der ”Umwelt“wirdimdeutschenSprachgebrauchjedoch zumeist im ökologischen Sinne gesprochen. Daher kommt in der vorliegenden Arbeit ausschließlich der Begriff ”Umfeld“zurAnwendung.DasZieldermikro- skopischen und makroskopischen Umfeldanalyse ist der Gewinn, die Struk- turierung, Interpretation und Darstellung zuverlässiger Informationen über den relevanten Markt und seine Teilnehmer, die darin herrschenden Kräf- teverhältnisse und weitere externe Einflussfaktoren des Unternehmens. Die Umfeldanalyse ist der eigentliche Blick über den ”Tellerrand“desKranken- hauses bzw. die virtuellen Unternehmensgrenzen und soll dazu dienen, eine Positionsbestimmung der Unternehmung im Zielmarkt und eine Exploration Seite 29 von 94 jetziger und zukünftiger Marktpotenziale und -Entwicklungen vorzunehmen (Bienert 2004:139ff.).

2.5.2. Untersuchungsgegenstand

Das mikroskopischen Umfeld des Unternehmens bilden vor allem die am re- levanten Markt befindlichen Wettbewerber, Zulieferer, Kunden (interne und externe) bzw. Zuweiser, neue Konkurrenten und Substitute. Porter stellt in seinem bekannten Basismodell der fünf Wettbewerbskräfte (engl.: five forces) die üblichen externen Einflussfaktoren eines Unternehmens dar (Por- ter 1995:26):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Wettbewerbskräfte nach Porter 1995 S. 26 (eigene Darstellung)

Wettbewerber im Krankenhausumfeld sind neben den im Einzugsgebiet an- sässigen Krankenhäusern selbst auch Arztpraxen, medizinische Versorgungs- zentren (MVZ) und generell andere Anbieter von Gesundheitsleistungen (Bie- nert 2004:56). Eine Analyse der Wettbewerbssituation ist Teil der Umfeld- analyse und gliedert sich nach Bienert in die Identifikation der Wettbewerber, die Gewinnung und Einordnung aller verfügbaren Unternehmensinformatio- nen der Wettbewerber und die vergleichende Bewertung anhand relevan- ter Leistungsmerkmale. Leistungsmerkmale der Wettbewerbs-Krankenhäuser sind insbesondere den ausgewiesenen medizinischen Schwerpunkten und den Fallzahlen zu entnehmen, anhand derer im zweiten Schritt eine Marktanteil- sanalyse vorgenommen werden kann.

Das makroskopische Unternehmensumfeld wird maßgeblich durch sechs Faktoren gestaltet (Bruhn 2012:126ff.; Bienert 2004:139ff.), wobei diese je nach Autor geringfügig differieren:

- Ökonomische Rahmenbedingungen
- Technologischer Fortschritt (z.B. Medizintechnik und medizinische Diagnose- /Behandlungsverfahren)
- Politische und rechtliche Rahmenbedingungen
- Demographie und Epidemiologie
- Soziokulturelles und Verbraucherverhalten
- Ökologisches Umfeld

Bienert führt in seinem Modell statt des ökologischen Umfelds den Faktor Versorgung und Kooperationen“ an. Versorgung und Kooperationsbeziehun- ” gen sollten aber mikroskopisch betrachten werden, da sie eher auf lokaler oder regionaler Ebene wirken. Das Bestehen von Kooperationen zwischen den Leistungsanbietern oder zum Beispiel die Verteilung und Anzahl nieder- gelassener Ärzte kann selbst innerhalb einer Region stark variieren. So mag etwa die Versorgungssituation im städtischen Gebiet adäquat, in der ländli- chen Umgebung aber unzureichend sein. Es soll sich bei der makroskopischen Umfeldanalyse um eine globale Betrachtung des Krankenhausumfeldes han- deln und nicht um eine des lokalen Marktes. Aus diesem Grunde findet das Modell nach Bienert in diesem Punkt keine Berücksichtigung.

2.5.3. Informatorische Grenzen der Umfeldanalyse im Krankenhaus-Markt

Informatorische Grenzen ergeben sich bei der Umfeldanalyse vor allem durch die Zugänglichkeit und Güte der Informationen. Informationen über das ma- kroskopische Umfeld des Krankenhauses (siehe 2.5.1) sind sowohl von amt- licher (z.B. Bundes-/Landesministerien), als auch nichtamtlicher Seite (z.B. Verbände, Krankenkassen) in erschöpfendem Umfang zu erhalten. Jedoch handelt es sich nicht selten um Informationen, die bereits vor mehreren Jah- ren veröffentlicht wurden. In einem derart dynamischen Markt wie dem Kran- kenhausmarkt werden aber gerade zu analytischen Zwecken aktuelle Informa- tionen benötigt. Informationen über die Wettbewerber zur mikroskopischen Umfeldanalyse sind durch die gesetzliche Verpflichtung der Krankenhäuser zur Veröffentlichung des Qualitätsberichtes nach § 137 SGB V zumindest begrenzt erhältlich (Becker/Beck). Jedoch sind die Qualitätsberichte inhalt- lich höchstens auf dem Vorjahresstand, wodurch es unweigerlich zu einer Zeitverzögerung zwischen Ereignis bzw. Datengewinnung und Umfeldanaly- se kommt. Inwieweit diese Berichte zur Unterstützung der Umfeldanalyse taugen, ist im Rahmen der Arbeit noch zu erforschen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Der Blick über den Tellerrand. Möglichkeiten des Gewinns belastbarer Informationen für die Krankenhaus-Umfeldanalyse
Untertitel
Am Beispiel der Städteregion Aachen
Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
94
Katalognummer
V272803
ISBN (eBook)
9783656644583
ISBN (Buch)
9783656644576
Dateigröße
4500 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
mit englischsprachigem Abstract
Schlagworte
Pflegemanagement, Krankenhausmarketing, Umfeldanalyse, Gesundheitsmanagement, Krankenhausmanagement, Marketinganalyse
Arbeit zitieren
Nicolas Düppengießer (Autor:in), 2013, Der Blick über den Tellerrand. Möglichkeiten des Gewinns belastbarer Informationen für die Krankenhaus-Umfeldanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272803

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