Der sowjetische Soldat in der Deutschen Wochenschau

Die Darstellung des sowjetischen Soldaten in den Ausgaben der Deutschen Wochenschau von 1941 - 1945


Hausarbeit, 2013

81 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Theoretische Grundlagen
1.1. Propaganda und Propagandakrieg im Dritten Reich
1.2. Die Deutsche Wochenschau im Propagandakrieg
1.3. Russlandbilder im Propagandakrieg

2. Empirischer Teil
2.1. Methode und Vorgehensweise
2.2. Beschreibung der Datenbasis
2.3. Analyse der Datenbasis
2.3.1. Analyse der Wochenschau-Ausgabe vom 08.10.1941
2.3.2. Analyse der Wochenschau-Ausgabe vom 29.07.1942
2.3.3. Analyse der Wochenschau-Ausgabe vom 21.07.1943
2.3.4. Analyse der Wochenschau-Ausgabe vom 02.11.1944
2.3.5. Analyse der Wochenschau-Ausgabe vom 22.03.1945
2.4. Interpretation der Analyseergebnisse
2.4.1. Interpretation der Wochenschau-Ausgabe vom 08.10.1941
2.4.2. Interpretation der Wochenschau-Ausgabe vom 29.07.1942
2.4.3. Interpretation der Wochenschau-Ausgabe vom 21.07.1943
2.4.4. Interpretation der Wochenschau-Ausgabe vom 02.11.1944
2.4.5. Interpretation der Wochenschau-Ausgabe vom 22.03.1945
2.5. Bewertung der Analyseergebnisse

Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang
Anhang A: Datenbasis
Anhang B: Sequenzprotokolle
Anhang C: Einstellungsprotokolle

Tabellenverzeichnis

Tabelle 01: Datenbasis der Filmanalyse

Tabelle 02: Sequenzprotokoll der Wochenschau 08.10.1941

Tabelle 03: Sequenzprotokoll der Wochenschau 29.07.1942

Tabelle 04: Sequenzprotokoll der Wochenschau 21.07.1943

Tabelle 05: Sequenzprotokoll der Wochenschau 02.11.1944

Tabelle 06: Sequenzprotokoll der Wochenschau 22.03.1945

Tabelle 07: Einstellungs-Protokoll 08.10.1941, Sequenz-Nr.26

Tabelle 08: Einstellungs-Protokoll 08.10.1941, Sequenz-Nr.31

Tabelle 09: Einstellungs-Protokoll 08.10.1941, Sequenz-Nr.35

Tabelle 10: Einstellungs-Protokoll 08.10.1941, Sequenz-Nr.44

Tabelle 11: Einstellungs-Protokoll 29.07.1942, Sequenz-Nr.12

Tabelle 12: Einstellungs-Protokoll 29.07.1942, Sequenz-Nr.24

Tabelle 13: Einstellungs-Protokoll 29.07.1942, Sequenz-Nr.27

Tabelle 14: Einstellungs-Protokoll 29.07.1942, Sequenz-Nr.29

Tabelle 15: Einstellungs-Protokoll 21.07.1943, Sequenz-Nr.20

Tabelle 16: Einstellungs-Protokoll 21.07.1943, Sequenz-Nr.21

Tabelle 17: Einstellungs-Protokoll 02.11.1944, Sequenz-Nr.18

Tabelle 18: Einstellungs-Protokoll 02.11.1944, Sequenz-Nr.19

Tabelle 19: Einstellungs-Protokoll 02.11.1944, Sequenz-Nr.23

Tabelle 20: Einstellungs-Protokoll 22.03.1945, Sequenz-Nr.12

Tabelle 21: Einstellungs-Protokoll 22.03.1945, Sequenz-Nr.13

Einleitung

Die nationalsozialistische Propaganda ist nach Jahren der Propagandaforschung nach wie vor von einem Mythos der Unwiderstehlichkeit und Allmacht umgeben, der an die Vorstellung von einer Fremd- oder Außensteuerung des Menschen geknüpft ist (Bussemer 2008: 136 und 174). So werden Adolf Hitler und Joseph Goebbels teilweise als "Meister der Propaganda" bezeichnet, die das Publikum durch den Einsatz verschiedener Propagandainstrumente "verführen" konnten (Hoffmann 1991: 79). Eines dieser Propagandainstrumente war die Deutsche Wochenschau, die den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit darstellt.

Während des Krieges avancierte die Wochenschau zum wichtigsten Propaganda- instrument des NS-Regimes (Bartels 2004: 518). Regelmäßig wurde in der Wochen- schau über den Krieg berichtet. Allerdings ging es dabei nicht um eine Darstellung des tatsächlichen Kriegsverlaufs und der damit zusammenhängenden Kriegsereignisse, sondern eher um die Verherrlichung des Kampfes und der Siege sowie um die Glori- fizierung der deutschen Soldaten (Bartels 2004: 136f). Mit dieser Kriegsbericht- erstattung sollte im Rahmen der Propaganda im Kriege u.a. die Aufopferungsbereit- schaft und Wehrwilligkeit des eigenen Volkes erhöht werden (Buchbender 1978: 17). In der Wochenschau wurden jedoch auch die Feinde des NS-Regimes dargestellt bzw. Feindbilder vermittelt, um das eigene Volk vom Krieg z.B. gegen Russland zu über- zeugen (Wette 1994: 73).

Der Krieg gegen Russland erfolgte überfallartig und "löste keinerlei Begeisterung bei der deutsche Bevölkerung aus", zumal Deutschland unmittelbar vor Kriegsbeginn mit Russland verbündet war (Mommsen 2011: 59). Insofern stellt sich die Frage, wie das NS-Regime den russischen Gegner, der zuvor ein Verbündeter war, in der Deutschen Wochenschau dargestellt hat, damit der Krieg gegen Russland von der Bevölkerung als "notwendig" erachtet werden konnte. Außerdem ist danach zu fragen, wie der Feind im weiteren Verlauf des Krieges dargestellt wurde, nachdem die Erfolgserwartungen des NS-Regimes hinsichtlich des Kriegsausgangs enttäuscht wurden und die Bevölkerung im Zusammenhang mit den Maßnahmen des totalen Krieges oder der Bildung des Volkssturms mehr (Kriegs-)Opfer als zuvor erbringen musste. Aus diesen Teilfragen ergibt sich die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit: Wie wurde der sowjetische Soldat in der Deutschen Wochenschau dargestellt?

Die Beantwortung dieser Fragestellung soll durch eine filmanalytische Untersuchung der Wochenschau-Ausgaben erfolgen. Dafür gliedert sich die Arbeit in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Im theoretischen Teil sollen zunächst grund- legende Kenntnisse zum Thema Propaganda und zum Propagandakrieg im Dritten Reich vermittelt werden, um darauf aufbauend den Untersuchungsgegenstand der Arbeit - die Deutsche Wochenschau - als Propagandainstrument des NS-Regimes genauer zu beschreiben. Dabei sollen, neben der Funktion der Wochenschau für das NS-Regime, formale, ästhetische und inhaltliche (Gestaltungs-)Merkmale sowie die Wirkung der Wochenschau erläutert werden. Im Anschluss daran wird darauf eingegangen, welche Vorstellungen von Russland bzw. welche Russlandbilder im Propagandakrieg vermittelt wurden, um einerseits das mögliche Vorwissen der Zuschauer über Russland sowie über die sowjetische Armee und über die Soldaten zu erfassen und andererseits Hypothesen für die Filmanalyse zu generieren. Der darauf folgende empirische Teil der Arbeit beginnt mit Erläuterungen über die Methode der Filmanalyse nach Lothar Mikos, die für die filmanalytische Untersuchung der Wochenschau-Ausgaben eingesetzt werden soll. Bei diesen Erläuterungen wird der Fokus, neben Grundlagen zu Filmen und zur Filmanalyse, auf die Filmebene der Figuren und Akteure gesetzt. Daran anknüpfend wird die Vorgehensweise bei der Filmanalyse beschrieben. Anschließend erfolgt die Beschreibung der Datenbasis bzw. der zu analysierenden Wochenschau-Ausgaben. Danach werden die Ausgaben jeweils im Einzelnen analysiert und interpretiert. Die daraus resultierenden Ergebnisse der Filmanalyse werden im Anschluss daran einer kritischen Prüfung unterzogen, um die Reliabilität und Validität der Messung bzw. der Ergebnisse zu bestimmen. Schließlich werden die Ergebnisse der Filmanalyse im Fazit zusammengefasst, um die zentrale Fragestellung der Arbeit zu beantworten.

1. Theoretische Grundlagen

1.1. Propaganda und Propagandakrieg im Dritten Reich

In diesem Abschnitt soll zunächst der Begriff der Propaganda definiert und anhand einiger Merkmale beschrieben werden. Darauf folgend wird auf den Propagandakrieg im Dritten Reich eingegangen. Abschließend wird die Kriegsberichterstattung im Propagandakrieg beschrieben und hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Propagandakrieg verortet.

Propaganda lässt sich definieren "als die in der Regel medienvermittelte Formierung handlungsrelevanter Meinungen und Einstellungen politischer oder sozialer Großgruppen durch symbolische Kommunikation und als Herstellung von Öffentlichkeit zugunsten bestimmter Interessen" (Bussemer 2008: 33). Sie zeichnet sich u.a. durch "die Komplementarität vom überhöhten Selbst- und denunzierendem Fremdbild aus und ordnet Wahrheit dem instrumentellen Kriterium der Effizienz unter" (ebd.). Des Weiteren versucht sie, ihre Handlungsaufforderungen und Botschaften zu naturalisieren, um sie als nahe liegende Schlussfolgerungen erscheinen zu lassen. Außerdem lässt sich Propaganda als Technik verstehen, die spezifische Strategien für die Verfolgung von vorher festgelegten politischen Zielen anwendet (ebd.).

Die Propaganda im Dritten Reich wurde während des Zweiten Weltkriegs als Technik im zivilen Bereich vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) und im militärischen Bereich vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) eingesetzt (Hoffmann 2006: 172). Mit der Propaganda im Krieg bzw. dem Propagandakrieg verfolgten RMVP und OKW mehrere übergeordnete Ziele: "Erhaltung der Opferfreudigkeit und der geschlossenen Wehrwilligkeit des eigenen Volkes", "Auf- klärung über die das Leben des eigenen Volkes beeinflussenden militärischen Maß- nahmen", "Überwindung von Unruhe und Erregung im Volke, die durch feindliche Einwirkung auf das Heimatgebiet hervorgerufen werden", und "Tarnung, Verschleierung und Irreführung eigener militärischer Absichten dem Auslande gegenüber" (Buchbender 1978: 17)1.

Besonders die Kriegsberichterstattung, als Bestandteil des Propagandakrieges, die über Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Fotografien, Filme oder Wochenschauen versuchte, eine Brücke von den kämpfenden deutschen Soldaten an der Front zu der Bevölkerung an der „Heimatfront“ zu schlagen, war für die (Kriegs-)Mobilisierung der Bevölkerung und damit für den Propagandakrieg von herausragender Bedeutung (Hoffmann 2006: 169). Für die Kriegsberichterstattung wurden im Dritten Reich sogenannte Propagandakompanien (PK) eingerichtet (ebd.: 170). Die PK waren dem OKW unter- stellt und setzten sich aus Personen mit militärischer (Kurz-)Ausbildung zusammen, die Erfahrungen z.B. im journalistischen, fotografischen oder filmischen Bereich hatten (ebd.: 172). Grundsätzlich bestand die Aufgabe der PK darin, Bild- und Filmaufnahmen vom Kriegsgeschehen für den Propagandakrieg anzufertigen (Hoffmann 1978: 170)2. In diesem Zusammenhang erhielten die PK Weisungen und Vorgaben vom RMVP oder OKW, die sich auf sämtliche Aspekte der Berichterstattung erstreckten (Boll 2006: 980). So sollten z.B. Elemente der NS-Ideologie in Bild- und Filmaufnahmen miteinbezogen werden. "Deutsche Soldaten wurden durchweg als Befreier präsentiert und ihre 'un- tadelige Haltung' angeblichen oder tatsächlichen Gräueln der Gegenseite gegenüber- gestellt" (ebd.). Des Weiteren schrieben viele Weisungen detaillierte Reportagen über spezifische Themen vor. Neben diesen inhaltlichen Weisungen gab es jedoch auch ästhetische Vorgaben zu berücksichtigen. "Kampfhandlungen waren von einer erhöhten Position aus zu filmen, eigene Verluste nur als Apotheose des Soldatentodes in Form von Kriegsgräbern zu zeigen, und nach Möglichkeit waren symbolträchtige Aufnahmen zu machen" (ebd.).

Nachdem die Bild- und Filmaufnahmen von den PK angefertigt wurden, durchliefen die Aufnahmen durch Zensuroffiziere des OKW und Zensurbeamte des RMVP eine doppelte Zensur, in militärischer und politischer Hinsicht (ebd.: 983). Im Anschluss daran konnten die Aufnahmen in Zeitungen, Zeitschriften, Filmen oder in der Wochenschau nach den täglichen Weisungen des RMVP publiziert werden (ebd.).

1.2. Die Deutsche Wochenschau im Propagandakrieg

In diesem Abschnitt soll die Deutsche Wochenschau (DW) im Propagandakrieg zunächst im Bezug auf ihre Bedeutung und Funktion für das NS-Regime erläutert werden. Anschließend wird ihr Entstehungsprozess kurz skizziert. Darauf folgend werden formale, ästhetische und inhaltliche (Gestaltungs-)Merkmale der DW genauer beschrieben und schließlich wird die Wirkung der DW erläutert.

Die Deutsche Wochenschau gehörte während des Krieges als Erziehungs- oder Volks- führungsmittel zu den wichtigsten Propagandainstrumenten des NS-Regimes (Bartels 2004: 518 und 523). Sie fungierte als staatstragendes Medium, "dessen Zielsetzung nicht primär in einer realistischen Wiedergabe der Zustände an den einzelnen Kriegs- schauplätzen lag, sondern in 'scheinbar wirklichkeitsgetreue[n] Zusammenstellungen von Aufnahmen zur Verherrlichung des Kampfes, des Sieges und des Heldentums der deutschen Soldaten'" (ebd.: 136f).

Aufgrund der Bedeutung, welche die DW für das NS-Regime hatte, beteiligten sich der Propagandaminister Joseph Goebbels als auch Adolf Hitler persönlich an der Ent- stehung der Wochenschau (Hoffmann 2006: 175). Die Herstellung einer Wochenschau- Ausgabe dauerte in der Regel zwei Wochen. Zunächst wurden wöchentlich 12 -18h Filmmaterial, das von den PK-Kompanien bereitgestellt wurde, in Berlin ausgewertet und dem RMVP vorgelegt. "Im Propagandaministerium wurden die Berichte geprüft, ausgewählt und der militärischen Zensur vorgelegt" (ebd.). Das Filmmaterial, das diesen Prozess bzw. die doppelte Zensur durchlaufen hatte und am Ende freigegeben wurde, bildete die Grundlage für die Montage der Wochenschau-Ausgaben. Jede Wochenschau- Ausgabe wurde vor ihrer Veröffentlichung von Goebbels und abschließend von Hitler abgenommen, die jeweils Änderungswünsche einbringen konnten. Aufgrund dieser Änderungswünsche aber auch aufgrund unterschiedlicher Interessen des RMVP und OKW bei der Zensur des Filmmaterials, kam es häufig "zu Konflikten zwischen Goebbels und der obersten Heeresleitung, aber ebenso mit Hitler" (Hoffmann 2006: 175). Die abgenommenen Wochenschau-Ausgaben wurden schließlich in kleinen und großen Kinos sowie in mobilen Tonfilmwagen gezeigt.

Im Verlauf des Krieges von 1939 - 1945 wurden insgesamt 286 Wochenschau-Ausgaben produziert, die sich in ihrer durchschnittlichen Länge aufgrund des Kriegsverlaufs ver- änderten (Bartels 2004: 421). So erreichten die Wochenschau-Ausgaben von 1939 - 1940 teilweise Längen von bis zu 40 Minuten. Im Sommer des darauf folgenden Jahres wurde die Länge bereits auf 30 Minuten reduziert und schließlich erreichten die Aus- gaben ab Ende 1944 lediglich eine Länge von durchschnittlich 10 Minuten (Hoffmann 2006: 180)3.

Im Bezug auf die ästhetischen Gestaltungs-Merkmale der Wochenschau-Ausgaben ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die Gestaltung der Wochenschau an Dokumentar- und Spielfilmen orientieren sollte (ebd.: 177). Dies zeigte sich z.B. am Bemühen um eine geschlossene Komposition: "Charakteristisch für diese Art der Be- richterstattung war das Anliegen des Kameramannes, nicht nur Bilder des direkten Kampfeinsatzes (etwa Abfeuern eines Geschützes, Einschlag eines Geschosses auf feindlichem Gebiet), sondern auch Aufnahmen sekundären Interesses (zum Beispiel Laden des Geschützes und andere Vorbereitungen, Gesichter beobachtender Soldaten) als 'Zwischenschnitte' oder 'Schnittbilder' mitzuliefern" (Bartels 2004: 95f). Aber auch der dramaturgische Spannungsaufbau wurde von der Orientierung an Dokumentar- und Spielfilmen beeinflusst, weil die Spannungskurve vieler Wochenschau-Ausgaben von Beginn an kontinuierlich und lediglich durch einige wenige zeitverzögernde Momente bis zum dramatischen Finale ansteigt, das häufig Aufnahmen vom Kampfgeschehen be- inhaltet (ebd.: 95).

Neben der Orientierung an Dokumentar- und Spielfilmen wurde an die Wochenschau der Anspruch gestellt, diese als emotionales Gesamtkunstwerk zu gestalten, das Erlebnisnähe erzeugen und gleichzeitig die Realität überhöhen sollte (Hoffmann 2006: 175 und 177). Dies soll im Folgenden anhand der Beschreibung der einzelnen Bestand- teile der Wochenschau - Film, Geräusche, Musik und Kommentar - verdeutlicht werden. Das Filmmaterial der PK wurde, um die Realität zu überhöhen, für die Wochenschau- Ausgaben verdichtet, "d.h., es wurden nur die optisch wirksamsten Teile eines Sujets ausgewählt und in der Weise zusammengestellt, wie das Geschehen dem Zuschauer am wirkungsvollsten nahegebracht werden konnte" (Bartels 2004: 92f).

Häufig handelte es sich beim PK-Filmmaterial um stumme Aufnahmen, die nachträglich mit Geräuschen vertont werden mussten (Bartels 2004: 96). "Durch den nachträglich vorgenommenen Synchronisationsprozess konnte ähnlich wie bei der Verdichtung der Bilder eine Erhöhung der tatsächlichen Ereignisse erzielt werden, da der akustische Hintergrund unabhängig von den realen Bedingungen nachgebessert oder unter Zu- hilfenahme synthetisch erzeugter Geräusche ganz neu gestaltet werden konnte, sodass der Filmzuschauer unter Umständen mit einer Geräuschkulisse konfrontiert wurde, die er am Originalschauplatz niemals hätte wahrnehmen können" (Bartels 2004: 98).

Im Gegensatz zu diesen beiden Bestandteilen der Wochenschau-Ausgaben, zielte die Musik als Bestandteil weniger auf die Überhöhung der Realität, sondern vielmehr auf die Emotionalisierung des Zuschauers ab (ebd.: 101). Die Wochenschau-Ausgaben wurden mit den verschiedensten Musikgattungen unterlegt, wie z.B. Märsche, leichte Unterhaltungsmusik sowie Soldaten- und Volkslieder (Bartels 2004: 100). Dabei hatte die Musik sowohl die Aufgabe den Zuschauer zu emotionalisieren als auch Spannung zu erzeugen und die unterschiedlichen Sequenzen miteinander zu verklammern bzw. zu verbinden (ebd.: 101).

Beim letzten Bestandteil der Wochenschau, dem Kommentar, zeigt sich eine ästhetische Besonderheit im Vergleich zu den Wochenschauen anderer Länder. Bei dieser Besonderheit handelt es sich um die Dominanz der Bilder in der DW (Hoffmann 2006: 186). So beschränkt sich der euphorisch klingende Kommentar häufig auf die Aufnahmelokalisierung und ideologische Interpretation der Aufnahmen, wobei er die Bilder jedoch über längere Zeit für sich sprechen lässt (ebd.).

Inhaltlich wurde die DW, neben Appellen der Energie- und Rohstoffeinsparung sowie der Aktivierung von Frauen für die Wirtschaft, vor allem von der Kriegsbericht- erstattung dominiert (Hoffmann 2006: 187 und Bartels 2004: 428ff). So visualisierten die Bilder vom Kampfgeschehen den Krieg als sportives Ereignis für die Soldaten und als Technik-Faszination stählerner Maschinen (Hoffmann 2006: 174). In erster Linie wurden Aufnahmen gezeigt, die weniger dem aktuellen Kriegsverlauf entsprachen aber den Einsatz deutscher Soldaten positiv darstellten (ebd.). Des Weiteren wurden für einige Aufnahme bestimmte Menschen ausgewählt, "um sie als Prototypen stellver- tretend für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu präsentieren" (Bartels 2004: 107). Dies erfolgte z.B. bei Bildern von polnischen Kriegsgefangenen, "die für den Betrachter in unsympathischer Auslese zusammengestellt, als 'Untermenschen' deklariert und stellvertretend für die Gesamtheit als Summe negativer Prototypen vorgeführt wurden" (Bartels 2004: 108). Allerdings waren auch weite Bereiche des Krieges und Alltages im Dritten Reich von der Berichterstattung ausgeschlossen. So wurden weder Zerstörungen deutscher Städte noch Verluste gezeigt und auch die persönlichen Anstrengungen und Aufopferungen der Zivilbevölkerung und der Truppen wurden nicht dargestellt (Hoff- mann 2006: 188). Diese Einschränkungen bei der Berichterstattung hatten einen erheb- lichen Einfluss auf die Wirkung der Wochenschau.

Die Wirkung der Wochenschau wurde vom NS-Regime u.a. mit Hilfe von wöchent- lichen Berichten des Sicherheitsdienstes der SS, über die Reaktionen des Kino- publikums auf die Wochenschau, ermittelt (Bartels 2004: 523). Aus den Berichten geht hervor, dass das Interesse der Zuschauer an der DW mit Beginn des Russlandkrieges anfänglich zugenommen aber im weiteren Verlauf des Krieges wieder abgenommen hat, weil sich bestimmte Bilder und Argumentationen häufig wiederholten und es wenig Neuigkeiten gab, über die berichtet werden konnte (Hoffmann 2006: 182). Bis zu jener Zeit erzielte die DW teilweise eine sehr überzeugende Wirkung auf die Zuschauer, die "gleichsam mit Stolz wie Beklommenheit das Geschehen auf der Leinwand [mitver- folgten]" (Bartels 2004: 524). Ab dem Sommer 1941 setzte jedoch aus den o.g. Gründen die sog. Wochenschaumüdigkeit ein, die sich mit dem weiteren Kriegsverlauf ab 1942 verstärkt hat. Darüber hinaus verlor die DW zunehmend an Vertrauen, weil die Realität des Krieges, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen wurde, nicht mit den Inhalten der Wochenschau übereinstimmte (Hoffmann 2006: 182). Wie bereits erwähnt, wurden zerstörte deutsche Städte und Verluste nur selten gezeigt. Darüber hinaus wurde die Niederlage in Stalingrad sowie der deutsche Rückzug beschönigend dargestellt, was die Darstellungen der DW endgültig unglaubwürdig bei den Zuschauern erscheinen ließ (ebd.: 183). Somit funktionierte die Wochenschau als Propagandamedium lediglich in den Zeiten der militärischen Erfolge aber aufgrund des Glaubwürdigkeitsverlusts nicht im weiteren Kriegsverlauf (ebd.: 18).

1.3. Russlandbilder im Propagandakrieg

In diesem Abschnitt erfolgen zunächst allgemeine Erläuterungen im Bezug auf Vor- stellungen über Russland bzw. Russlandbilder im Propagandakrieg und ihre Bedeutung für die Bevölkerung. Im Anschluss daran werden die Russlandbilder Adolf Hitlers und des führenden deutschen Militärs vorgestellt. Danach wird erläutert, wie diese Russ- landbilder propagandistisch umgesetzt wurden und welche Veränderungen die Russ- landbilder sowie ihre propagandistischen Umsetzungen im Kriegsverlauf erfahren haben. Parallel werden dabei Hypothesen für die Filmanalyse generiert.

In der Zeit des Dritten Reichs vor Kriegsbeginn war die Zahl derjenigen Deutschen, die Erfahrungen mit oder Kenntnisse über Russland hatten, gering (Wette 1994: 73). "Die diesbezüglichen Leerstellen im Kopf der Menschen wurden durch Propagandaformeln ersetzt" (ebd.). Somit lässt sich vermuten, dass die Bevölkerung ihr Wissen über Russ- land und damit auch über den sowjetischen Soldaten vor allem aus der Propaganda des Propagandakrieges gegen Russland bezogen hat. Dieser Propagandakrieg begann im Jahre 1941. Zuvor, also in der Zeit des Nichtangriffspaktes zwischen Deutschland und Russland von 1939-1941, wurde die Propaganda gegen die Sowjetunion eingestellt (ebd.: 63). Das Russlandbild im Propagandakrieg entsprach im Kern einem Feindbild, das im Rahmen der Kriegsführung als Waffe eingesetzt wurde, um die Menschen zum Kampf gegen Russland und zur Eroberung des Landes im Osten zu bringen (ebd.: 73). Allerdings gab es im Propagandakrieg nicht ein einheitliches Russlandbild, sondern mehrere teilweise voneinander abweichende und/oder konkurrierende Russlandbilder, die grundsätzlich weniger auf Sachinformationen über das Land basierten, sondern eher auf Klischeevorstellungen, die von der nationalsozialistischen Ideologie geprägt waren (ebd.: 55ff).

Die Vielzahl der verschiedenen Russlandbilder ist u.a. auf zweierlei Ursachen zurück- zuführen. Erstens wurden die propagandistisch transportierten Russlandbilder im Ver- lauf des Krieges, "je nach politisch-taktischen Erfordernissen variiert" (ebd.). So wurden z.B. Russlandbilder vermittelt, die zu Beginn des Krieges bei den Rezipienten Abscheu hervorrufen und Mitleid unterbinden oder gegen Ende des Krieges Be- drohungsgefühle stimulieren sollten (Wette 1994: 66 und 70). Die politisch-taktische

Variation der Russlandbilder gibt Grund zur Annahme, dass auch die Darstellung des sowjetischen Soldaten in der Wochenschau den Erfordernissen entsprechend angepasst wurde. Daraus lässt sich die erste Hypothese dieser Arbeit ableiten:

H1: Der sowjetische Soldat wird in den Wochenschau-Ausgaben von 1941 - 1945 nicht auf eine einheitliche Weise, sondern in Abhängigkeit zur Phase des Krieges auf unterschiedliche Weise dargestellt.

Zweitens hängt die Vielzahl der verschiedenen Russlandbilder damit zusammen, dass sowohl Akteure des OKW als auch des RMVP mit ihren unterschiedlichen Russlandbildern bzw. Vorstellungen von Russland, den Inhalt und die Gestaltung des Propagandakrieges beeinflussten. Dabei waren die Russlandbilder des führenden deutschen Militärs und Adolf Hitlers, die im Folgenden beschrieben werden, von zentraler Bedeutung für den Propagandakrieg (ebd.: 62).

Innerhalb des führenden deutschen Militärs dominierten zwei verschiedene Russlandbilder, die ursprünglich im Zeitraum zwischen dem Krimkrieg und der Wilhelmischen Ära entstanden (Hillgruber 1994: 125). Einerseits wurde das Russische Reich als "tönerner Koloss" betrachtet, der "noch nicht so fest gefügt sei, daß [er] nicht mit einigen kräftigen Stößen von außen zum Einsturz gebracht und in seine Bestandteile zerlegt werden könnte" (ebd.). Andererseits bestand die "albtraumartige Vorstellung, von einem ungeheuren Wachstum Rußlands, das bei seinem 'Drang nach Westen' alles überrollen werde, wenn ihm nicht frühzeitig Einhalt geboten werde" (ebd.). In diesem Zusammenhang wurde das Russische Reich als "der alles bedrohende und potenziell überrollende 'Koloss'" betrachtet (Hillgruber 1994: 140).

Während die Russlandbilder des führenden deutschen Militärs vor allem durch militärische Ansichten geprägt waren, hatte Adolf Hitler primär rassistisch geprägte Ansichten über die russische Bevölkerung und sekundär eine politisch-ideologische Sicht der Sowjetunion (Wette 1994: 60). "Hitler stufte die Russen als rassisch minder- wertige 'Untermenschen' ein, die nach der Eroberung des Landes den germanischen 'Herrenmenschen' Sklavendienste leisten sollen" (ebd.). Nach Hitler war die rassische Minderwertigkeit des russischen Volkes der Grund dafür, dass sich in Russland ein fremdes Herrschaftssystem durchsetzen konnte, womit die Herrschaft der kommunistischen Partei in der Sowjetunion gemeint war (Wette: 1994: 60). Die Vorstellung Hitlers, dass die bolschewistische Partei aus Juden bestünde, führte zum negativen Schlagwort des jüdischen Bolschewismus und der Wesensgleichheit von Judentum und Bolschewismus in der Propaganda (ebd.: 60ff).

Zu Beginn des Propagandakrieges gegen Russland diente das Russlandbild Hitlers auf der einen Seite als Hintergrund, um den überfallartigen Angriff auf Russland in der deutschen Öffentlichkeit zu rechtfertigen und auf der anderen Seite aufgrund seiner negativen und aggressiven Züge als ideologischer Motor für den Vernichtungskrieg (ebd.: 57ff). Am 22. Juni 1941, dem Beginn des Russlandkrieges, avancierte der jüdische Bolschewismus zum Leitthema des Propagandakrieges gegen den Kriegsgegner im Osten (ebd.: 64). Die Anprangerungen richteten sich anfänglich somit weniger gegen Russen oder Slawen, sondern vielmehr gegen das bolschewistische Herrschaftssystem (ebd.: 65). Des Weiteren dominierte zu dieser Zeit beim führenden deutschen Militär das Russlandbild vom tönernen Koloss (Hillgruber 1994: 139). Aufgrund dieses Russ- landbildes und dem Überlegenheitsbewusstsein, das bei den Deutschen aus den erfolg- reichen Blitzkriegfeldzügen hervorging, fanden verschiedene klischeebehaftete Vor- stellungen des führenden deutschen Militärs vom sowjetischen Soldaten bzw. der sowjetischen Armee Eingang in den Propagandakrieg. So wurde propagiert, dass der sowjetische Soldat schwerfällig, schematisch denkend und handelnd, dumpf, miss- trauisch und verantwortungsscheu sei. Darüber hinaus sei die sowjetische Armee den deutschen Truppen technisch und führungsmäßig unterlegen (ebd.: 140).

Mit dem Scheitern des deutschen Angriffs vor Moskau im Winter 1941 änderten sich die Russlandbilder, die durch den Propagandakrieg verbreitet wurden (Wette 1994: 67). Zunächst musste das führende deutsche Militär als auch Hitler selbst eingestehen, dass sie "die sowjetische Stoßkraft und vor allem die Ausrüstung der Sowjetarmee unter- schätzt [haben]" (ebd.: 60). Somit verlor das Russlandbild vom tönernen Koloss beim führenden deutschen Militär zunehmend an Bedeutung. Stattdessen wurde im weiteren Kriegsverlauf der alles bedrohende und potenziell überrollende Koloss zum dominanten Russlandbild des führenden deutschen Militärs (Hillgruber 1994: 140). Damit einher gingen veränderte Einschätzungen über die sowjetische Armee und ihrer Soldaten. So wurde von Teilen des führenden deutschen Militärs eingestanden, dass die sowjetische Armee "'nur zum Teil die bei ihr erwarteten Schwächen gezeigt' und durch einige, ihrer Führung 'völlig abgesprochene Fähigkeiten', wie Organisationstalent, Ausnutzung der Eisenbahnen, schnelles Umstellen auf neue Lagen und rasches Erkennen deutscher An- griffsspitzen, die Wehrmacht 'überrascht' habe" (Förster 1994: 153). Des Weiteren zeichne sich der sowjetische Soldat durch Härte sowie "'durch Schneid und Kampf- willen bis zur Vernichtung aus'", weshalb sie den deutschen Soldaten keineswegs unter- legen sind (ebd.: 155). Diese veränderten Einschätzungen fanden zwar Eingang in be- stimmte Medien des Propagandakrieges, wie Zeitungen oder Rundfunksendungen, jedoch nicht in die Wochenschau, weil Hitler nach dem Scheitern der Blitzkriegs- strategie Ende 1941 nicht für eine größere Wirklichkeitsnähe der Wochenschau war, wie sie z.B. von Goebbels vorgeschlagen wurde, sondern für die Glorifizierung der Wehrmachtstaten (Bartels 2004: 145). Darüber hinaus war der Propagandakrieg zu- nehmend durch rassenideologische Inhalte geprägt, welche die Überlegenheit des deutschen Volkes beweisen und den Krieg bzw. die damit verbundenen Ansprüche auf "mehr Lebensraum" legitimieren sollten (Wette 1994: 67).

Die rassenideologisch begründete menschliche Überlegenheit des deutschen Volkes auf der einen Seite und die vermutete militärische Überlegenheit der deutschen Truppen auf der anderen Seite, die auf das Festhalten am Russlandbild des tönernen Kolosses auch nach dem Scheitern des Angriffs auf Moskau zurückzuführen ist, führen zur zweiten Hypothese dieser Arbeit:

H2: Der sowjetische Soldat wird in den Wochenschau-Ausgaben aus dem Jahre 1941 den Deutschen gegenüber in militärischer und menschlicher Hinsicht als unterlegen dargestellt.

Im Jahre 1942 wurde die Effizienz des russischen Widerstandes zunehmend zu einem Problem für den Propagandakrieg gegen Russland. Die antibolschewistische Propaganda hatte an Glaubwürdigkeit verloren und die Situation im Osten bot wenig Anlass zu Siegesmeldungen (Wette 1994: 68). Dies führte dazu, dass alle Teilstücke, des für denöstlichen Gegner verfügbaren Feindbildes im Propagandakrieg zusammen- getragen wurden. Neben einem noch stärkeren Bezug auf rassenideologische Aspekte, der z.B. zu Vergleichen des sowjetischen Soldaten oder der slawischen Bevölkerung mit abstoßenden Lebewesen, wie Ratten oder Straßenkötern führte, wurden "die schon be- kannten antijüdischen und antibolschewistischen Parolen mit neu eingeführten anti- slawischen Schlagworten zu einer negativen Gesamtcharakteristik gefügt und dem deutschen Volk [...] als kompaktes Feindbild dargeboten" (Wette 1994: 68). Somit lässt sich für das Jahr 1942 vermuten, dass der sowjetische Soldat in den entsprechenden Wochenschau-Ausgaben in seiner negativen Beschreibung facettenreicher als zuvor dargestellt wurde. Es ist anzunehmen, dass diese auch zu mehr unterschiedlichen Be- deutungsbildungen beim Zuschauer geführt haben, also zu facettenreicheren Bildern oder Vorstellungen über die sowjetischen Soldaten. Daraus ergibt sich die dritte Hypo- these für die Filmanalyse:

H3: Die Darstellung des sowjetischen Soldaten in den Wochenschau-Ausgaben von 1942 bietet dem Zuschauer mehr Möglichkeiten der Bedeutungsbildung als seine Darstellung in den Wochenschau-Ausgaben aus dem Jahre 1941.

Nach der Niederlage in Stalingrad Anfang 1943 bis einschließlich 1944 zielte der Propagandakrieg zunehmend darauf ab, die sowjetischen Kontrahenten als mordende Ungeheuer im Stil der Gräuelpropaganda darzustellen. Dabei sollten vor allem mit dem Stereotyp der, aus dem Osten vorwärtsstürmenden, Horden Bedrohungsgefühle in der deutschen Bevölkerung hervorgerufen werden (ebd.: 70). Diese Entwicklung im Propagandakrieg legt nahe, dass der sowjetische Soldat in der Wochenschau negativer als in den Jahren zuvor dargestellt wurde, was zur vierten Hypothese der Arbeit führt:

H4: Die Wochenschau-Ausgaben aus den Jahren 1943 und 1944 stellen den

sowjetischen Soldaten negativer dar, als die Ausgaben aus den Kriegsjahren von 1941 und 1942.

In der letzten Kriegsphase ab 1945 waren herablassende Untermenschen -Töne aus der NS-Propaganda verschwunden und politisch-ideologische Aspekte des Russlandbildes rückten wieder in den Vordergrund (ebd.: 72). Aufgrund der Tatsache, dass im Propagandakrieg von 1945 wieder politisch-ideologische Aspekte in den Vordergrund rückten und rassenideologische Aspekte verschwanden, lässt sich vermuten, dass der sowjetische Soldat in den Wochenschau-Ausgaben von 1945 gegenüber den Deutschen in menschlicher Hinsicht als nicht unterlegen dargestellt wird. Daraus ergibt sich die fünfte und letzte Hypothese dieser Arbeit:

H5: Der sowjetische Soldat wird in den Wochenschau-Ausgaben aus dem Jahre 1945 gegenüber den Deutschen in menschlicher Hinsicht als nicht unterlegen dargestellt.

2. Empirischer Teil

2.1. Methode und Vorgehensweise

Die Methode der Filmanalyse und ihre Anwendung in dieser Arbeit ist Gegenstand des folgenden Abschnitts. In diesem Zusammenhang wird der Film und die Filmanalyse zunächst allgemein beschrieben. Im Anschluss daran wird die Film-Ebene der Figuren und Akteure bei der Filmanalyse vorgestellt, um darauf aufbauend die Vorgehensweise bei der Analyse der Wochenschau-Ausgaben zu erläutern.

In der vorliegenden Arbeit wird die Methode der Filmanalyse nach Lothar Mikos ein- gesetzt. Mikos versteht Filme nicht nur als audiovisuelle Produkte, sondern auch als Kommunikationsmedien, die mit ihren Zuschauern eine Kommunikation eingehen (Mikos 2008: 9). "Filme und Fernsehsendungen entstehen in diesem Sinne erst im Kopf ihrer Zuschauer. Denn nur wenn sie gesehen werden, treten sie in einen Kommunika- tionsprozess ein" (ebd.). Bei der Filmanalyse handelt es sich demnach um "eine systematische, methodisch kontrollierte und reflektierte Beschäftigung mit einem Film oder einer Fernsehsendung bzw. einer Gruppe von Filmen oder Fernsehsendungen als Kommunikat, deren Ziel es ist, herauszuarbeiten, wie Film- und Fernsehtexte4 im kontextuellen Rahmen das kommunikative Verhältnis mit ihren Zuschauern gestalten und wie sie Bedeutung bilden, sowohl im Bezug auf die Kohärenz der Erzählung und der Repräsentation als auch im Bezug auf mögliche Lesearten der Zuschauer" (ebd.: 78). Somit zielt die Analyse auf die Beschreibung des Kommunikations- bzw. Inter- aktionsverhältnisses zwischen Zuschauer und Film ab (ebd.: 173). Deshalb muss sowohl der Film als audiovisuelles Produkt, das z.B. Wissen über Themen, Figuren oder Akteure vermittelt, als auch der Zuschauer bspw. mit seinem Vorwissen und Emotionen in die Analyse miteinbezogen werden, damit diese dem Interaktionsverhältnis gerecht werden kann (ebd.). Schließlich ist dabei noch Folgendes zu berücksichtigen: "Wenn Film- und Fernsehtexte [...] zum Wissen, zu den Emotionen, zu den Aneignungen und zum praktischen Sinn der Zuschauer hin geöffnet sind, können lediglich mögliche Be- deutungsbildungen und mögliche kommunikative Verhältnisse herausgearbeitet werden" (ebd.).

Nach Mikos können Filme auf fünf unterschiedlichen Ebenen analysiert werden, die jeweils in Bezug zueinanderstehen. Zu diesen fünf Ebenen gehören: Inhalt und Repräsentation, Narration und Dramaturgie, Figuren und Akteure, Ästhetik und Ge- staltung sowie Kontexte (ebd.: 43). Die Filmanalyse kann grundsätzlich alle Ebenen berücksichtigen, sie kann sich aber auch auf eine bestimmte Ebene beschränken. Aufgrund der Tatsache, dass in der vorliegenden Arbeit die Darstellung des sowjetischen Soldaten in der DW untersucht werden soll, wird sich die durchzuführende Filmanalyse weitestgehend auf die Ebene der Figuren und Akteure beschränken.

Im Folgenden soll zunächst die analytische Bedeutung dieser Film-Ebene kurz be- schrieben werden. Anschließend wird die Vorgehensweise bei der Filmanalyse bzw. der Analyse von Figuren und Akteuren allgemein und für diese Arbeit erläutert. Die Analyse der Figuren und Akteure in Filmen ist aus zweierlei Gründen von Be- deutung. Erstens, sind die Figuren und Akteure wichtig für die narrative Struktur und Dramaturgie der Filmtexte, weil sie Handlungs- und Funktionsträger sind (ebd.: 51). Zweitens, verständigt sich die Gesellschaft mit und durch die auftretenden Figuren und Akteure über die in ihr kursierenden Rollen- und Identitätskonzepte (ebd.). "In diesem Sinn haben die Figuren und Akteure eine wesentliche Funktion im Rahmen der Repräsentation für die Subjektpositionierung und Identitätsbildung der Zuschauer" (ebd.). Der letztgenannte Grund ist für die vorliegende Analyse von besonderer Be- deutung, weil die Darstellung des sowjetischen Soldaten in der Wochenschau möglicherweise nicht nur dazu führt, dass eine bestimmte Vorstellung oder ein Bild vom Soldaten im Kopf der Zuschauer hervorgerufen wird, sondern auch durch Abgrenzung vom Soldaten und Umkehrung seiner Eigenschaften durch den Zuschauer in Bezug auf sich selbst, ein bestimmtes (positives) Selbstbild beim Zuschauer entstehen kann. Die Filmanalyse wird in vier Schritten vollzogen: Beschreibung, Analyse, Interpretation und Bewertung (ebd.: 82). Beim ersten Schritt wird die Datenbasis formal und inhaltlich beschrieben. Die formale Beschreibung wird sich auf den Umfang der Datenbasis und auf die Auswahl(verfahren) der, für die Fragestellung relevanten, Wochenschau-Aus- gaben beziehen. Die inhaltliche Beschreibung der Datenbasis konzentriert sich auf die einzelnen Wochenschau-Ausgaben bzw. Sequenzen oder Einstellungen, für die jeweils wiedergegeben werden soll "was zu sehen ist bzw. was gesehen werden kann" (Mikos 2008: 90). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass für die formale und inhaltliche Beschreibung der Datenbasis insgesamt drei Hilfsmittel verwendet werden. Bei der formalen Beschreibung wird das Findbuch der Wochenschauen von Peter Bucher be- nutzt, um u.a. die Ausgabenummer der Wochenschau-Ausgaben zu ermitteln (Bucher 2000). Für die inhaltliche Beschreibung der Wochenschau-Ausgaben als auch für deren Analyse werden Sequenz- und Einstellungsprotokolle angefertigt, die sich in ihrer Be- schaffenheit an Werner Faulstichs Vorgaben orientieren (Faulstich 2013: 65ff).

Im Anschluss an die Beschreibung der Datenbasis werden die Daten analysiert. Bei den Angaben zur Beschreibung der Datenbasis wurde bereits darauf hingewiesen, dass Sequenzen und Einstellungen der Wochenschau-Ausgaben beschrieben und analysiert werden sollen. Somit bilden die Sequenz und die Einstellung die Analyseeinheiten der vorliegenden Arbeit. Die Sequenz lässt sich als eine Gruppe von miteinander ver- bundenen Szenen verstehen, "die eine Handlungseinheit bilden 'und sich durch ein Handlungskontinuum von anderen Handlungseinheiten' unterscheiden" (Mikos 2008: 92). Die Einstellung, als kleinste Einheit des Films, ist hingegen definiert als "die Ab- folge von Bildern, die vor der Kamera zwischen dem Öffnen und dem Schließen des Verschlusses aufgenommen werden" (Faulstich 2013: 117). Während Beginn und Ende einer Sequenz durch einen Wechsel des Ortes, des inhaltlichen Handlungsstrangs oder des Stils bzw. Tons in der jeweiligen Wochenschau-Ausgabe gekennzeichnet sind, markiert hingegen ein Schnitt den Beginn oder das Ende einer Einstellung (Faulstich 2013: 78 und Mikos 2008: 91).

Mithilfe der Analyse der Einstellungen und Sequenzen werden die einzelnen Komponenten des Films herausgearbeitet,"die zur Bedeutungsbildung und Gestaltung des kommunikativen Verhältnisses mit den Zuschauern beitragen" (Mikos 2008: 91). Auf Ebene der Figuren und Akteure beziehen sich die herauszuarbeitenden Komponenten nach Mikos auf Personenwissen, Inszenierung, Beziehungsstruktur und emotionale Struktur (ebd.: 163ff). Im Bezug auf das Personenwissen muss heraus- gearbeitet werden, welches Wissen den Zuschauern über den sowjetischen Soldaten durch die Beobachtung seiner Handlungen und Interaktionen in der DW direkt und welches Wissen indirekt, z.B. durch den Kommentar der DW, vermittelt wird (ebd.: 169). Bei der Inszenierung des sowjetischen Soldaten sind Kamerapositionen, Bild- positionen sowie Gestaltungsmittel, wie z.B. Licht, zu analysieren (Mikos 2008: 167). Die Analyse der Beziehungsstruktur-Komponente bezieht sich auf die offensichtlichen und versteckten Beziehungen, die der sowjetische Soldat in der DW zu anderen Akteuren hat (ebd.: 173). Schließlich ist bei der Komponente der emotionalen Struktur zu analysieren, welche emotionalen Aktivitäten bei den Zuschauern durch bestimmte Szenen oder Einstellungen mit dem sowjetischen Soldaten hervorgerufen werden könnten (ebd.: 180). Abschließend sei noch angemerkt, dass bei der Analyse jede Aus- gabe in chronologischer Reihenfolge im Bezug auf diese vier Komponenten im Einzel- nen untersucht wird.

Nach der Analyse erfolgt die Interpretation der Analyseergebnisse. Dafür werden die zuvor herausgearbeiteten Komponenten des Films wieder zu einem Ganzen zu- sammengefügt und hinsichtlich möglicher Bedeutungsbildungen und möglicher "Ge- staltung[en] des kommunikativen Verhältnisses mit den Zuschauern interpretiert und in die Kontexte eingeordnet" (ebd.: 93). Die Interpretation orientiert sich dabei am Er- kenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit, d.h. der Darstellung des sowjetischen Soldaten in der DW. In diesem Zusammenhang sollen bei der Interpretation der Ana- lyseergebnisse, die ebenfalls wieder für jede Ausgabe im Einzelnen vorgenommen wird, auch die Hypothesen dieser Arbeit, die im vorherigen Kapitel generiert wurden, über- prüft werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Hypothesen im Bezug auf die Dar- stellung des sowjetischen Soldaten in der Wochenschau, nicht auf konkrete Be- deutungsbildungen beim Zuschauer abzielen, sondern lediglich auf mögliche Be- deutungsbildungen.

Schließlich erfolgt im letzten Schritt der Analyse, die Bewertung der Ergebnisse, die auf zweierlei Weisen erfolgt. Auf der einen Seite werden die Ergebnisse der Filmanalyse hinsichtlich ihrer Reliabilität und Validität beurteilt. Und auf der anderen Seite wird die Filmanalyse hinsichtlich der Vorgehensweise, der Angemessenheit für die Beantwortung der Fragestellung und im Hinblick auf Probleme reflektiert und bewertet (ebd.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Der sowjetische Soldat in der Deutschen Wochenschau
Untertitel
Die Darstellung des sowjetischen Soldaten in den Ausgaben der Deutschen Wochenschau von 1941 - 1945
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Macht Politik Bilder - Neue und alte Kriege visuell
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
81
Katalognummer
V272538
ISBN (eBook)
9783656639961
ISBN (Buch)
9783656639985
Dateigröße
752 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsche Wochenschau, Filmanalyse, Propaganda, Zweiter Weltkrieg, NS-Regime, Kriegspropaganda, Feindbild, Russlandbild, Propagandakrieg, Propagandakompanien, sowjetischer Soldat, Medien
Arbeit zitieren
Andreas Filko (Autor:in), 2013, Der sowjetische Soldat in der Deutschen Wochenschau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272538

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