Kirche heute - Stundenentwurf

Positive Beispiele religiöser Praxis als Thema im Religionsunterricht


Unterrichtsentwurf, 2012

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Persönliche Begegnung

2. Analyse des didaktischen Bedingungsfeldes

3. Theologische Orientierung

4. Didaktische Orientierung

5. Didaktische Entscheidungen

6. Methodische Entscheidungen

7. Verlaufsplanung

8. Literaturangaben

1. Persönliche Begegnung

Das Thema der Nachfolge im Unterricht muss immer auch vom persönlichen Standpunkt aus betrachtet werden. Die (neutrale) Rolle des Lehrers kann, muss aber nicht, mit der Rolle des individuellen Menschen im Konflikt stehen. Und besonders als Religionslehrer muss man sich darüber im Klaren sein, was man wie weit von sich selbst preisgeben möchte und darf.

"Nachfolge heute" bedeutet für mich vorallem das Leben des Christen in derWelt, und ein Mitglied der christlichen Gemeinde zu sein. Sie beschreibt das Problem, wie wir als moderne Menschen heute noch "in Jesus Christus" leben können; was wir tun können, um unseren Glauben zu leben. Soziales Handeln am Menschen gehört unbedingt dazu und bietet einen wichtigen Anknüpfungspunkt für ökumenisches Handeln zwischen Konfessionen, aber auch mit Nicht-Konfessionellen.

Der Gedanke, der sich mir dabei aufdrängt, ist, wie weit ich als Christ meinen Glauben offenlegen soll, muss, kann, und darf. Immer mehr moderne, sogenannte "charismatische" Gemeinden, praktizieren ihren Glauben nicht nur offen, sondern legen großen Wert darauf, neue Mitglieder für ihren Glauben zu gewinnen. Inwiefern ist solch eine "Alltagsmission", wie ich es hier nennen möchte, gerechtfertigt? Muss ich anderen Menschen meinen Glauben aufdrängen, oder erfülle ich nur den Missionsbefehl Jesu aus Mt28,19? Wie weit gehe ich in meinem Glauben und meiner ganz persönlichen Nachfolge?

Gibt es überhaupt so etwas wie "ganz persönliche Nachfolge"? Hier besteht die Gefahr, dass Glaube etwas ganz und gar privates wird. Viele Christen berufen sich heutzutage auf das "Private" ihres Glaubens, wenn es darum geht, Mitglied der Kirche zu sein, Kirchensteuer zu bezahlen, oder Sonntag morgens in die Kirche zu gehen. Aber was ist Kirche ohne Gemeinde? Was ist Glaube ohne Gemeinde? Muss die Nachfolge, das christliche Leben öffentlich geschehen? Ich denke, Nachfolge ist etwas sehr persönliches, wie auch die Entscheidung zu ihr. Es ist aber auch etwas, das Menschen zusammenbringt, die als Gemeinde viel bewirken können.

2. Analyse des Didaktischen Bedingungsfeldes

Das Gymnasium Latina August Herman Francke befindet sich in der Innenstadt von Halle an der Saale. Halle liegt im Süden Sachsen-Anhalts und damit in den stark konfessionslos geprägten neuen Bundesländern Deutschlands. Trotzdem findet der Religionsunterricht an der Schule relativ starken Zulauf. Selbst in den höheren Klassen kommen mitunter mehrere Religionskurse pro Jahrgang zustande (hier: Religion 11.1 und 11.2). Die Latina wird überwiegend von Kindern bildungsnah einzuordnender Eltern besucht, bei denen noch häufiger eine kirchliche Bindung festgestellt werden kann, als bei Eltern aus eine bildungsfernen Schicht.

Der Religionskurs an sich wurde zu Beginn des neuen Schuljahres komplett neu zusammgesetzt und besteht aus 16 Schülern, 9 jungen Männern und7jungenFrauen. Die Schüler hatten überwiegend seit der ersten oder fünften Klasse Religionsunterricht, aber es gibt auch einige "Wechsler", die vorher den Ethikunterricht besucht haben. Manche Schüler haben einen eindeutig religiös geprägten Hintergrund, es gibt mehrere evangelische und einen katholischen Schüler. Bei den konfessionellen Schülern kann von einer starken religiösen Sozialisation ausgegangen werden, während ich bei den konfessionslosen Schülern kaum Einstellungen zu Religion erkennen konnte, die auf einer Reflexion persönlicher Meinungen beruhen. Nur ein Schüler scheint sich wirklich bewusst und reflektiert (d.h. nicht ausschließlich aufgrund des elterlichen Vorbilds oder einer unbegründeten Verstockung gegenüber jeglicher religiöser Themen) für eine konfessionslose oder sogar atheistische Einstellung entschieden zu haben. Von diesem Schüler kamen auch die mitunter für das Unterrichtsgespräch wertvollsten Wortbeiträge.

Die Klasse weist altersgerechte und peer-typische Strukturen auf, wie das Bilden von festeren Zweiergruppen bei gleichzeitiger offener Sozialhaltung gegenüber allen Mitschülern. Die Disziplin ist laut Religionslehrerin gut, auch wenn besonders die besseren Schüler dazu tendieren, sich nicht zu melden. Die Mitarbeit ist allgemein eher verhalten - es gibt wenige, dafür gute Beiträge, und die Schüler müssen zum Sprechen erst ermuntert werden. Ich nehme an, dass die Schüler nicht wirklich methodisch kontrolliert und mit einem gewissen persönlichen Abstand über Religion reden können. Laut der Lehrerin wird Fachsprache nur ungenau gebraucht und eine Diskussion über religiöse Themen auf der Metaebene dadurch erschwert. Hinzu kommt, dass sich Schüler mit einem breiten religiösen Wissen darüber im Klaren sind in der Klasse eine Minderheit darzustellen. Die pubertäre Scheu im Vordergrund zu stehen verbindet sich hier offensichtlich mit Negativerfahrungen aus der eigenen Biographie, in denen man aufgrund von Wissen schnell von den Mitschülern ausgegrenzt und "abgestempelt" wurde. Und auch wenn das Klassenklima allgemein locker ist - bei stark persönlichen Themen scheinen sich die religiösen Schüler zu verstocken, während die konfessionslosen Schüler nicht neutral argumentieren und Themen kommunikationsfähig bearbeiten können, worunter natürlich das Unterrichts-gespräch leidet.

An verschiedene Sozial- und Arbeitsformen sowie Unterrichtsmethoden sind die Schüler gewöhnt. Die Lehrerin legt Wert auf das Festhalten von Aufgabenstellungen und Ergebnissen an der Tafel, aber die Schüler können selbstständig arbeiten, vorallem in Bezug auf die Zeiteinteilung. Auch wenn der Versuch einer Klassendiskussion oft im Sand verläuft, werden persönliche Meinungen der Schüler ernstgenommen und durch Lehrerfragen weitergeführt. Die Schüler können also zum Reden gebracht werden, solange man als Lehrer immer wieder Feedback gibt, das neue Meinungen provoziert. Eine Diskussion oder Argumentation allein zwischen Schülern ohne Einwirken des Lehrers ist aber unwahrscheinlich.

Obwohl wir es bei Schülern der Oberstufe fast schon mit weitestgehend vollentwickelten Erwachsenen zu tun haben, sind einige wichtige Punkte noch an- und auszuführen.

Nach Erikson geht es in dieser Lebensphase vorallem um die eigene Identität und den eigenen Wert (in: Gudjons 2008, 114ff.). Der Mensch versucht aber auch herauszufinden, wer er nicht ist. Die Schüler haben meines Erachtens nach im Moment noch nicht die Möglichkeit, das Potential ihrer Umwelt im Bezug auf ihre Identitätsstiftung voll auszuschöpfen, da sie von vornherein manche Aspekte völlig ausschließen, so zum Beispiel Aspekte religiösen Lebens. Als Religionslehrer gehört es zu unseren Aufgaben, die Schüler zu befähigen, reflektiert und begründet für sich selbst entscheiden zu können, ob das Christentum in ihrem Leben eine aktive Rolle spielen soll oder nicht.

Im Bezug auf die moralische Entwicklung nach Kohlberg (in: Gudjons 2008, 124f.) ist es wichtig, den Großteil der Schüler auf dem konventionellen Niveau einzuordnen. Die Schüler orientieren sich an gesellschaftlich akzeptierten Gesetzen und Normen, sowie verbreiteten Regeln im zwischenmenschlichen Bereich. Aussprüche wie "Wunder gibt es nicht" lassen sich hier fast noch eher einordnen als bei Oser/Gmünder, wenn man die Einstellung auf die in der sozialen Umgebung vorrangigen Meinungen zurückführt. Es ist allgemein bekannt und nach wissenschaftlichen Regeln unmöglich, also gibt es keine Wunder - diese Meinung konnte in den vorangegangen Stunden bereits beobachtet werden. Man könnte argumentieren, dass die Schüler bereits soweit sind, gesetzte Regeln zu hinterfragen und zwischen den Beteiligten zu verändern. Hinterfragt man dies aber genauer, zeichnet sich ab, dass die Schüler Gesetzmäßigkeiten verändern, damit sie ihren bereits verfestigten Ansichten eher entsprechen, und nicht, um auf der Basis demokratischer Entscheidungen bessere Lösungen für möglichst viele Menschen zu entwickeln. Dies würde eher der Antwort der Lehrerin entsprechen auf die Frage "Müssen wir sagen, dass wir an die Wundergeschichten glauben?": Hier versuchte sie aufzuzeigen, dass Wunder je nach den Gefühlen, die sie beim Leser auslösen, persönlich als wahr anerkannt werden können. Diese Art der Verhandlung ist den Schülern nicht immer bewusst. Die meisten Schüler verharren auf einer Position, dass etwas entweder gut ist oder schlecht, wahr oder falsch, schwarz oder weiß. Natürlich bezieht sich dieses Thema weniger auf die moralische als auf die religionssoziologische Entwicklung, weshalb zuletzt noch das Konzept von Oser und Gmünder berücksichtigt werden sollte (in: Grethlein 2005, 212ff.).

Die Stufe 3 nach Oser/Gmünder stellt dar, wie Jugendliche oder junge Erwachsene gelernt haben, das eigene Ich von religiösen oder "über­menschlichen" Dingen zu trennen (Vgl. Gerthlein, 213). Diese Stufe kann nach Oser zum Atheismus oder zur strikten Trennung von Religion und "sonstigem" Leben führen, und ich denke, viele Punkte dieser Theorie treffen aufdie Schüler der Klasse zu. Die religiös geprägten Schüler trennen ihren Glauben von dem

Alltag Schule, selbst im Religionsunterricht, während sich die konfessionslosen Schüler vollständig von Religion zu distanzieren versuchen. Hier liegt ein Problem, dass viele Menschen in den neuen Bundesländern betrifft, nicht nur Schüler, und gleichzeitig ist es ein Punkt, an dem die Unterrichtseinheit der Nachfolge ihren Anschluss findet. Diese Stufe kann zu psychischem Druck und Zynismus führen, weshalb es umso wichtiger ist, die Schüler aufzuklären über und mit ihnen zu arbeiten an einer Perspektive, die die Autonomie des Menschen wieder mit dem Heilsgeschehen in Verbindung bringt (Vgl. Grethlein, 214). Den Schülern muss aufgezeigt werden, dass das Wirken Gottes zwar nicht direkten Einfluss hat auf die Welt (unter anderem auch, weil Gott den Menschen Eigenverantwortung gegeben hat), dass es aber durchaus möglich ist, Gottes Zeichen in "Natur, Kultur und menschlicher Fähigkeit zur Liebe" (Grethlein, 214) zu entdecken.

Abschließend bleibt zusammenzufassen: Die Schüler des Religionskurses 11.1 zeigen ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken, wenn es um religiöse Probleme oder Phänomene geht. In der Diskussion sind die Beiträge oft unreflektiert oder zynisch, obwohl das Potential zu einem Unterrichtsgespräch mit vielen verschiedenen Meinungen vorhanden ist. Wenn man es schafft, die Schüler zum Reden miteinander zu animieren und ihnen wissenschaftliches Vokabular bereitstellt, das es ihnen erleichtert, sich objektiv über theologische Sachverhalte auszudrücken, ist eine fruchtbare Erarbeitung der Themen durchaus möglich. Die allgemeine Disziplin und das Klima in der Klasse sind gut, auch wenn es unterschwellig starke Hemmungen gibt, seine persönlichen Ansichten offenzulegen.

3. Theologische Orientierung

"Wir wollten uns selbst euch zum Vorbild geben, damit ihr uns nachfolgt" (2Th 3,9) Zur Zeit der Anfänge der Frühen Kirche beinhaltete das Wort Nachfolge noch natürlicherweise den Aspekt des räumlichen Folgens. Die Menschen schlossen sich Jesus an und folgten ihm - manche nur im Sinne von sequi, viele verstärkt aber auch im Sinne von imitari: sie folgten Jesus, indem sie ihm ähnlich waren und das taten, was er auch tat. Diese Art der Nachfolge war aber nur möglich bis zur Kreuzigung und Erhöhung Jesu (auch wenn die weitere frühe Mission noch hauptsächlich von Wanderpredigern ausging, die von Gemeinde zu Gemeinde zogen und dabei auf dem buchstäblichen Weg Jesu "nachfolgten"). Gottfried Wenzelmann erkennt an der Wortwahl des Neuen Testaments aber vorallem, dass Nachfolge kein Zustand ist, sondern ein Vollzug (1994: 39). Weiter sagt er, dass der Grund für die Nachfolge die Berufung durch Jesus ist. Mit ihrer Annahme bindet man sich an Jesus Christus, er ist also nicht nur ein moralisches Vorbild, ein Lehrer, sondern die persönliche Bindung steht im Vordergrund der Nachfolge. Für die Zeit nach Himmelfahrt rückt bei Wenzelmann in den Vordergrund, dass Nachfolge vordergründig Erkenntnis Jesu ist und damit der Glaube an den Christus die Nachfolge bestimmt.

Dreh- und Angelpunkt der Nachfolge und Jüngerschaft ist eindeutig die Bergpredigt. In ihrer Auslegung findet man die theologischen Ansichten jeder historischen Epoche wieder: Während im Frühkatolizismus unterschieden wurde zwischen "Durchschnittschristen", die sich nur an die mandata des Dekalog zu orientieren hatten, mussten sich "besonders Berufene" nach der consilia der Bergpredigt richten (Gollwitzer 1981:92f.). Nach Luther ist jeder Christ ein Jünger Jesu, der sich unabgeschwächt an der Bergpredigt zu orientieren habe. Seine Zwei-Reiche-Lehre versucht diesen Anspruch mit dem realitätsfähigen Christen als Menschen in Einklang zu bringen. Die Probleme der Lehre Luthers in Bezug auf den (aktiven) Widerstand gegen die Obrigkeit, den später unter anderem Karl Barth kritisiert hat, werden bereits deutlich, genau wie die Frage, ob und inwieweit ein Christ in der Nachfolge Jesu Gewalt anwenden darf.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Kirche heute - Stundenentwurf
Untertitel
Positive Beispiele religiöser Praxis als Thema im Religionsunterricht
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Religionspädagogik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
22
Katalognummer
V272513
ISBN (eBook)
9783656664154
ISBN (Buch)
9783656696056
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Religionsunterricht, Kirche, Diakonie, Caritas, sozial, Stundenentwurf, Religionsstunde
Arbeit zitieren
Ulrike Briehm (Autor:in), 2012, Kirche heute - Stundenentwurf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272513

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