Folgen von Widerständen gegenüber Organisationsentwicklungsmaßnahmen und mögliche Interventionen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

46 Seiten, Note: bestanden, sehr gut


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Organisationsentwicklung
2.1 Definitionen und Kerngedanken
2.2 Ziele
2.3 Geschichtliche und theoretische Quellen der OE
2.4 Methoden und Anwendungsformen

3 Widerstände
3.1 Definitionen und Erklärungen
3.2 Merkmale und Ausdrucksformen
3.3 Situative und personale Hintergründe von Widerständen

4 Folgen von Widerständen
4.1 Scheitern der OE-Maßnahmen
4.2 Folgen im Unternehmen
4.3 Positive Folgen von Widerständen

5 Interventionen
5.1 Gründe und Ursachen für Widerstände
5.2 Präventivmaßnahmen gegen Widerstände
5.2.1 Gute Planung
5.2.2 Sicht der Beteiligten begreifen
5.2.3 Vertrauen
5.2.4 Partizipation
5.2.5 Qualifizierung
5.2.6 Information und Kommunikation
5.2.7 Motivation
5.3 Mögliche Interventionen bei Widerständen
5.3.1 Widerstände erkennen und ernst nehmen
5.3.2 Provokation und paradoxe Intervention
5.3.3 Organisationsplanspiel
5.3.4 Unternehmenstheater
5.3.5 Situationsklärungen

6 Erfolgsaussichten und Kritik

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In den letzten Jahrzehnten hat der Begriff der Organisationsentwicklung sehr große Popularität erlangt. Seit den Anfängen in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts hat man in der OE (Organisationsentwicklung) immer wieder andere Schwerpunkte gesetzt, auf die man sich konzentriert hat.

Nachdem die OE bei aller Begeisterung auch zahlreiche Probleme gezeigt hat und den Anwendern bewußt wurde, dass Organisationsentwicklung kein einfaches Allheilmittel für alle Probleme in Organisationen darstellt, wurde immer wieder auf das Hauptproblem der Akzeptanz aufmerksam gemacht.

Bei zahlreichen Versuchen, in den unterschiedlichsten Organisationen und Institutionen OE-Maßnahmen durchzuführen, treten sehr häufig Widerstände gegen diese Veränderungsversuche auf.

Diese Widerstände kommen hauptsächlich von den Mitarbeitern der Basis, aber auch Widerstände von Seiten des Top-Management kann man beobachten.

Treten erst einmal solche Widerstände auf, können diese zu ganz charakteristischen Folgen führen. Diese Folgen aufzuzeigen ist ein Teil meiner Arbeit.

Die Anwender von OE fragen sich naturgemäß beim Auftreten von Widerständen am meisten, was sie dagegen tun können, um die Organisationsentwicklungsmaßnahmen doch noch zu einem erfolgreichen „Ende“ zu führen. (Genau genommen gibt es in der Organisationsentwicklung gar kein Ende, da sich dieser Prozeß eigentlich immer fortsetzen sollte. Hierzu werde ich an späterer Stelle genauer eingehen.) Es geht hier also um mögliche Interventionen gegen die Widerstände. Darunter verstehe ich hier zum einen Interventionen, die man im Vorfeld beachten sollte, damit es nach Möglichkeit erst gar nicht zu Widerständen kommt oder diese so gering wie möglich gehalten werden. Und zum anderen geht es um Interventionen, die man einsetzen kann, um bestehende Widerstände aufzulösen. Oft überschneiden sich auch diese beiden Formen der Interventionen, d.h. sie können sowohl zur Vorsorge als auch zur Behandlung eingesetzt werden.

2 Organisationsentwicklung

Um Widerständen in Organisationsentwicklungsprozessen gerecht zu werden, ist es unbedingt notwendig, sich die Grundsätze der Organisationsentwicklung klar zu machen. Denn genau hier muss man oft schon ansetzen, um diese Vorgänge verstehen und etwas dagegen tun zu können.

2.1 Definitionen und Kerngedanken

Die Gesellschaft für Organisationsentwicklung (GOE) versteht sichals die Institution, die OE im Originalzustand begreift, so wie sie eigentlich gemeint ist. Sie „versteht Organisationsentwicklung als einen längerfristig angelegten, organisations-umfassenden Entwicklungs- und Veränderungsprozeß von Organisationen und der in ihr tätigen Menschen. Der Prozeß beruht auf Lernen aller Betroffenen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrung. Sein Ziel besteht in einer gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität) und der Qualität des Arbeitslebens (Humanität)" (aus: 'Leitbild und Grundsätze der Gesellschaft für Organisationsentwicklung e.V.‘, zitiert nach Bauer-Sternberg, Schaper, 1994, S. 423)

Becker und Langosch vergleichen den alltäglichen Ratschlag „Mach dir nichts draus!“ mit dem Kerngedanken der OE: „Mach was draus!“ und verdeutlichen damit, dass man in der OE „Schwierigkeiten als Herausforderungen“ versteht, wodurch erst positive Veränderungen möglich werden.(Becker, Langosch, 1995, S. 23) Dieser Punkt wird in der folgenden Arbeit noch von Bedeutung sein.

Zudem gehen sie auf die Notwendigkeit ein, dass man in der OE die Betroffenen in die Lösung ihrer eigenen Probleme in der Organisation nicht nur am Rande einbeziehen muss, sondern dass sie maßgeblich an der Problemlösung beteiligt sein müssen.(Becker, Langosch, 1995, S. 33) Dieses Prinzip der Partizipation spielt beim Umgang mit Widerständen eine wichtige Rolle, wie sich später noch zeigen wird.

Diesen Gedanken führen Lindner & Vater noch weiter aus, indem sie auf die Beziehung zwischen Berater und Klient eingehen, wobei der Berater dem Klienten in einer Art ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ beisteht und ihm den Weg zeigt, die Probleme selbst zu lösen statt sich vom Berater fertige Lösungsvorschläge machen zu lassen.(Lindner, Vater, 1986, S. 147f)

2.2 Ziele

Die Ziele der Organisationsentwicklung sind schon in den Definitionen angeklungen. Zusammenfassend kann man diese Ziele grob in zwei Bereiche teilen:

1.1. Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität), das bedeutet:

- Erhaltung oder Steigerung der Flexibilität
- Förderung der Innovationsbereitschaft
- Förderung der Lernfähigkeit des Systems

2.2. Verbesserung der erlebten Arbeitssituation der beteiligten Menschen (Humanität), das bedeutet:

- mehr Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten
- mehr Handlungs- und Entscheidungsspielraum
- mehr Mitwirkung an Beratungs- und Entscheidungsprozessen. (Becker, Langosch, 1995, S. 17)

Die Unterziele der OE lassen sich mit den drei Stichworten Antizipation, Partizipation und Emanzipation ausdrücken. „Ziel der OE ist letzten Endes, die Arbeit für alle Beteiligten sinnvoll zu machen.“(Becker, Langosch, 1995, S. 18f)

2.3 Geschichtliche und theoretische Quellen der OE

Die OE geht auf vier verschiedene, aber teilweise miteinander verwandte, Gebiete zurück. Zum einen bezieht sie sich auf die Forschungsergebnisse der Gruppendynamik und den darin entwickelten Ansätzen der Laboratoriumsmethode und des Sensitivity-Trainings . Die etwa zur gleichen Zeit (40er Jahre des 20. Jh.) entwickelte Survey-Feedback-Methode hat ebenfalls einen großen Einfluß auf die OE genommen. Ebenso die neueren Ansätze der Aktionsforschung, bei der Forscher und Betroffene einen gemein-samen Lernprozeß durchlaufen, sind eng mit den Grundsätzen der OE verknüpft. Und schließlich haben die Erfahrungen der sogenannten Tavistock-Studie im englischen Kohlebergbau die Organisationsentwicklung beeinflußt. (Für weitere Erläuterungen zu diesen vier Quellen vergl. Comelli, 1985)

Lewin, der auch mit der Entwicklung der Laboratoriumsmethode und der Aktionsforschung in Zusammenhang gebracht wird, wird gemeinhin als Urvater der OE betrachtet. Sein Phasenmodell erklärt wie man in Organisationen bleibende Ver-änderungen bewirken kann. Lewin hat darauf hingewiesen, dass sich Änderungen „immer in Zusammenhang mit emotionalen Widerständen und Stabilisatoren, die erst ‚auf-geweicht‘ und labilisiert werden müssen“ vollziehen, „ehe bestimmte Einstellungs- und Verhaltensänderungen möglich werden.“ ( Becker & Langosch, 1995, S. 65) Daher hält Lewin die folgenden Phasen bei OE-Prozessen für nötig und sinnvoll:

„Phase 1: unfreezing

Auftauen, in Frage stellen, Motivation für Änderung wecken

Phase 2: moving

Verändern, in Bewegung setzen, neue Verhaltensweisen und Arbeitsabläufe entwickeln

Phase 3: refreezing

Einfrieren, veränderte Verhaltensweisen und veränderte Verhältnisse stabilisieren und integrieren“ (Becker & Langosch, 1995, S. 65)

Dieses Phasenmodell ist für den Umgang mit Widerständen von großer Bedeutung.

Für den theoretischen Rahmen der OE ist das zugrundegelegte Menschenbild auch äußerst wichtig. „Dieses Menschenbild setzt sich aus einer ganzen Reihe von Einzelannahmen zusammen und zeichnet den Menschen u.a. als lern- und entwicklungsfähig, multi-motiviert sowie erfahrungs- und situations-beeinflußt. Überdies sieht es ihn als ‚ganzheitliches Wesen‘, das nicht in isoliert zu betrachtende Teilbereiche aufgelöst werden kann“.(Gebhard, 1989, S. 195)

Im vorigen Abschnitt sind die beiden oft als gegensätzlich angesehenen Ziele der OE der Leistungsoptimierung und der Humanisierung angeführt worden. Für die OE ist aber gerade ausschlaggebend, dass angenommen wird, dass sich diese beiden Ziele nicht gegenseitig ausschließen sondern sich wechselseitig bedingen. (Becker & Langosch, 1995, S. 14). Diese Harmoniethese legt auch einen festen Grundstein für die Organisationsentwicklung.

In Deutschland hat die OE seit den 60ern an Aufmerksamkeit gewonnen. „Nach an-fänglicher Euphorie setzte Ernüchterung ein, die zu einem abgewandelten Ansatz geführt hat, der sog. ‚Praktischen OE‘. In deren Rahmen erfolgte eine ‚Pragmatisierung‘ der OE.“ (Zeyer, 1996, S. 25f) Es wurden oft (aber natürlich nicht immer) nur noch einzelne Methoden der OE angewandt und die Grundsätze der OE und Kerngedanken ver-nachlässigt, d.h. die Besonderheit, dass OE eben nicht nur einzelne Facetten einer Organisation berühren sondernallumfassend sein sollte, wurde übergangen, worin man einen Ursprung für Widerstände finden kann.

2.4 Methoden und Anwendungsformen

Im Zuge von Organisationsentwicklung werden viele unterschiedliche Methoden und Maßnahmen genutzt. Ich möchte hier nicht auf die zahlreichen Maßnahmen eingehen, aber kurz die methodischen Schritte skizzieren und ein paar verwandte Anwendungs-formen, die innerhalb von OE umgesetzt werden, erwähnen.

Becker und Langosch erklären hierzu: "Methodisch vollzieht sich die OE als ein geplanter Prozeß in mindestens vier Schritten. Die Mitglieder einer Organisation sollen unter Anleitung eines Beraters

1. Problem erkennen und analysieren (Diagnose)
2. Lösungen suchen: d.h. Ziele setzen und Möglichkeiten zur Bearbeitung der Probleme erkunden, Maßnahmen zur Veränderung entwickeln und in Handlungsschritte umsetzen (Planung)
3. Maßnahmen durchführen: Veränderungen erproben, schrittweise einführen und absichern (Aktion)
4. Ergebnisse und Verfahrensweisen überprüfen (Auswertung)" (Becker & Langosch, 1995, S. 53-54)

In diesen Schritten kann man erkennen, wie bedeutend die Beteiligung der Mitarbeiter ist. Sie sollen nicht einfach ein fertig vorgesetztes Konzept übernehmen und umsetzen, sondern sie sollen aktiv an einem Konzept zur Erreichung der OE-Ziele, welche organisationale und individuelle Ziele sind, mitarbeiten (Partizipation).

Wenn Lean Management, Total-Quality-Management, Qualitätszirkel, Lernstatt und Innovationsgruppen etc. eingeführt werden sollen, handelt es sich manchmal um Veränderungen, die fälschlicherweise als Organisationsentwicklung etikettiert werden, weil sie nicht in einen größeren OE-Kontext eingefügt sind, sondern als einzelne Maßnahmen in die Organisation implementiert werden sollen. Allerdings können diese Veränderungen ebenso in OE-Prozesse eingebaut sein und zusammen mit anderen Maßnahmen helfen, die Wirkungsbreite der OE abzudecken.

3 Widerstände

3.1 Definitionen und Erklärungen

Es gibt zahlreiche Anlässe für Widerstände in den verschiedensten Lebenssituationen. Z.B. Widerstände von Kindern gegen die Erziehungsversuche ihrer Eltern, Widerstände von Umweltorganisationen gegen politisch akzeptierte Umweltsünden, Widerstände bei (Psycho-) Therapien und vieles mehr. Wir werden uns hier nur auf die Widerstände beziehen, die bei Organisationsentwicklungsprozessen, also bei Veränderungsversuchen in Organisationen, auftreten, wobei einiges des hier Gesagten auch auf andere Wider-standssituationen übertragbar wäre.

Doppler und Lauterburg haben festgestellt, dass es keine Veränderung ohne Widerstand gibt. „Widerstand gegenüber Neuem, Veränderungen ist etwas ganz Normales und Alltägliches. Wenn bei einer Veränderung keine Widerstände auftreten, bedeutet dies, dass von vornherein niemand an ihre Realisation glaubt. Nicht das Auftreten von Widerständen, sondern deren Ausbleiben ist Anlaß zur Beunruhigung!“ (Doppler & Lauterburg, 1994, S. 212f, zitiert nach Brühwiler, 1996, S. 174)

Wenn ein Organisationsentwickler das liest, der mit Widerständen zu kämpfen hat, kann ihm das zu einem gewissen Verständnis verhelfen, auch wenn er damit noch keine Ansätze hat, wie er mit den Widerständen umgehen soll. Aber es nimmt ihm wenigstens die Schuldfrage, wenn er sich überlegt, was er falsch gemacht hat, dass es zu Widerständen kam. Trotzdem gibt es aber auch gewisse Situationen, Gegebenheiten oder auch Aktionen (z.B. des Organisationsentwicklers), die Widerstände begünstigen. Darauf komme ich später noch.

Rijn definiert Widerstand gegen Veränderung folgendermaßen: „‘Alle Kräfte, die dazu beitragen können, das Lernen in bezug auf eigenes Verhalten zu fördern‘. Die Schlußfolgerung wird gezogen, dass bei einer positiven Einstellung der Umgebung in bezug auf Widerstände des Teilnehmers, dieser Veränderungsmöglichkeiten erfährt und so bewußter in der Lage ist, zu tun, was er eigentlich soll.“ (Rijn, 1987, S. 47) Hieraus kann man auch erkennen, wie wichtig der richtige Umgang mit Widerständen ist, wenn man eine positive Entwicklung bewirken möchte. Auch auf diesen Aspekt wird an späterer Stelle tiefer eingegangen.

Widerstände sollte man aber nicht alle gleichsetzen. So haben Caspar und Grawe (1985) mindestens vier Arten von Widerständen unterschieden: „1. Widerstand gegen Veränderungsziele, 2. Widerstand gegen die Mittel, die zur Erreichung der Ziele eingesetzt werden sollen, 3. Widerstand gegen bestimmte Interaktionsweisen der Therapie, 4. Widerstand gegen das Modell vom Funktionieren des Menschen.“ (zitiert nach Rijn, 1987, S. 49) Je nach der Art des Widerstandes sind andere Interventionen sinnvoll. Zudem könnte man Widerstände unterscheiden nach der Art der Ausdrucksformen, wie sie sich bemerkbar machen, darunter fällt auch die Unterscheidung nach latentem und offenem Widerstand, nach der Art oder dem Grad der Betroffenheit der „Widerständler“, oder auch nach der Art der Gründe, die zu den Widerständen führen. Letztere Unterscheidung käme dann der Unterscheidung von Casper und Grawe nahe.

Stoffels betont den Beziehungsaspekt von Widerstand, weil Widerstand immer zwischen mindestens zwei Handelnden zum Ausdruck kommt und von den Partnern innerhalb ihrer Beziehung je unterschiedlich aufgefaßt wird. (Stoffels, 1996, S.34) Zudem kann man auch sehen, dass zum einen eine bestimmte Beziehung zwischen zwei Partnern den Widerstand beeinflußt, dass aber auch umgekehrt der Widerstand diese Beziehung beeinflussen und verändern, vielleicht auch verstärken kann.

Oft kann man aber auch nicht direkt von Widerstand lesen sondern von dem Gegenteil, der Akzeptanz oder entsprechend von der fehlenden Akzeptanz. Bei der Betonung des Akzeptanzbegriffes wird nur unterschieden, ob einer Veränderung oder Entscheidung zugestimmt wird oder nicht, aber es sind keine Einstellungen der Zustimmenden erkennbar. So kann man etwas akzeptieren und dabei entweder sich damit identifizieren oder ihm gleichgültig gegenüberstehen. Zeyer bringt hier den Begriff der Motivation ein, der in diesem Zusammenhang sehr wichtig scheint. Durch den Grad der Motivation kann man ausdrücken, ob jemand eine Veränderung aktiv unterstützt, sich dagegen wendet oder indifferent verhält. (Zeyer, 1996, S. 91f)

Schließlich sei noch auf die Unterscheidung der Begriffe Konflikt und Widerstand eingegangen. Hierzu meint Zeyer: "Wenngleich Konflikte und Widerstände in einem leicht nachvollziehbaren Zusammenhang stehen, werden diese nur selten voneinander abgegrenzt. Grundsätzlich läßt sich eine Unterscheidung zwischen Widerständen und Konflikten dahingehend vornehmen, dass Konflikte betont auf einer 'Interessenebene' stattfinden, wogegen Widerstände im Kern auf einer 'Aktionsebene' erfolgen." (1996, S. 324-325) Das bedeutet, dass Konflikte schon wirken können, wenn noch nichts getan wurde oder noch nicht einmal etwas zu tun geplant war, sie sind oft einfach wegen unterschiedlicher Interessen zwischen verschiedenen Parteien vorhanden. Wohingegen Widerstände erst dann auftreten, wenn eine Aktion geplant, angekündigt oder durch-geführt wird. Doch werden Widerstände durchaus von bestehenden Konflikten beeinflußt oder können auch zu solchen führen, worauf ich in dem Abschnitt über die Folgen noch eingehen werde.

3.2 Merkmale und Ausdrucksformen

Widerstände treten mit ganz verschiedenen Gesichtern auf. Neben der groben Unterscheidung, die schon erwähnt wurde, dass es offene, also offensichtliche, und latente, also versteckte Widerstände gibt, kann man an ganz unterschiedlichen Merkmalen erkennen, dass es Widerstände gibt.

„Schweigen, zu spät kommen, immer wieder Kaffee trinken wollen, Stricken, unaufhaltsames Fragen nach theoretischen und philosophischen Trainingshintergründen, Zwiegespräche, Rauchen, Bücher und Zeitungen lesen, den Kopf auf den Tisch legen, mit den Fingern auf den Tisch trommeln, während der Zusammenkunft essen und trinken.“ (Rijn 1987, S. 57) Die meisten dieser Merkmale signalisieren ein gewisses Desinteresse, und es gäbe wohl noch eine Vielzahl ähnlicher Muster, die oft z.B. während Schulungs-maßnahmen zu beobachten sind. Nicht immer sind diese Merkmale konkrete Wider-stände, oft deuten sie dagegen auf Indifferenz. Aber diese kann man wohl als eine Art Vorstufe zum Widerstand betrachten. Erfolg kann man in OE-Prozessen nur erzielen, wenn es weder Indifferenz noch Widerstände gibt, sondern, wenn alle Mitarbeiter motiviert hinter den Maßnahmen stehen.

Insofern kann man Ignoranz des Neuen auf jeden Fall auch zu den Formen von Widerstand zählen. Oft sind in OE-Situationen, vor allem in den Anfangsphasen, „revolutionäre Spekulationen“ (Bleses, Heuvelmann, Mogendorf, 1996, S. 75) zu beobachten. Bei diesen Spekulationen wird selten das Beste angenommen, sondern meistens werden die Folgen und Ergebnisse so schwarz wie möglich gesehen. Wenn sich solcher Pessimismus ausbreitet, werden die Widerstände auch nicht lange auf sich warten lassen.

Eine besonders schwierige Form von Widerstand bezeichnet Buchinger mit Scheinkooperation. „...Zunächst scheint uns diese besondere Äußerungsform des Widerstands typisch für die vorwiegend aus den mittleren Führungsebenen zusammen-gesetzte Teilnehmerpopulation zu sein... Die einzelnen Übungen und Diskussionen werden mit Aufmerksamkeit durchgeführt, die dazu veranstalteten Theorieblöcke mit Interesse verfolgt. Und dennoch hat man als Trainer das Gefühl, dass alles, was man vorbringt und in die Wege leitet, ins Leere geht.“ (1988, S. 29-30) Zum einen ist es schwierig, diese Scheinkooperation als Widerstand zu erkennen, zumindest nicht in der Frühphase des Widerstandes. Aber im Laufe des OE-Prozesses wird der Widerstand auch offensichtlichere Formen annehmen. Zum anderen ist es immer erfolgversprechender, wenn man den Widerstand schon in den „Kinderschuhen“ entdeckt und entsprechend eingreifen kann, solange die Folgen noch absehbar und möglichst gering sind.

Schließlich steht im Zusammenhang mit den Ausführungen Stoffels, der den Beziehungsaspekt von Widerständen betont hat, auch seine Feststellung, dass „es sich bei der Beschreibung von Widerstandshandlungen um die Schilderung eines Zusammen-stoßes, eines Miteinander- und Gegeneinander-Ringens, eines Kampfes, eines Kräfte-vergleiches“ handelt.(1986, S. 34) Mit diesen Kräftevergleichen kann man auch den bei Widerständen nicht unbedeutenden Aspekt des Machtkampfes in Verbindung bringen. Hiermit kommen wir aber auch schon zu den situativen oder auch personalen Kontexten, in denen Widerstände auftreten.

3.3 Situative und personale Hintergründe von Widerständen

Hier geht es um die Frage, wann Widerstände auftreten. Welche Situationen oder auch Personen sind dabei ausschlaggebend?

Zuerst sei darauf hingewiesen, dass bei Organisationsentwicklungsprozessen, die ja zu einem permanenten Wandel führen sollen, erfolgreiche Ergebnisse eher die Ausnahme als die Regel zu sein scheinen. Kühl spricht davon, dass 80% der Projekte gescheitert sind, und Kühlmann zitiert aus einer Studie von Thom und Brölingen, dass ebenfalls 80% der befragten Organisatoren den ‚Änderungswiderstand der betroffenen Personen‘ als häufigstes Problem nennen. (Kühl, 1997, S. 5; Thom & Brölingen, 1982, zitiert nach Kühlmann, 1988, S. 69) Das Scheitern von OE-Versuchen gibt wiederum Ursache, auch an dem Erfolg von weiteren OE-Versuchen zu zweifeln, was unweigerlich zu vermehrtem Widerstand führt, sozusagen ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.

Da es bei OE immer um Strukturveränderungen geht, sind hier Widerstände fast vorprogrammiert. „Neue Rollendefinitionen, andere Kompetenzabgrenzungen, Umver-teilungen von Einflußmöglichkeiten, Zugang zu Informationen, welche bisher zurück-gehalten wurden, erzeugen, weil es solches in der Form nicht gab, Unsicherheit und darauf folgt: geringe Identifikation mit den gut gemeinten Ratschlägen des Beraters.“ (Lindner, Vater, 1986, S. 147) Eine gewisse Angst vor allem Neuen und Unbekannten ist in allen Lebensbereichen normal und oft zu beobachten. Aus dieser Unsicherheit, die mit Angst gepaart ist, entstehen die Widerstände, weil man das Bekannte nicht verändern möchte. Man möchte sich lieber auf bekanntem, sicherem Terrain bewegen.

Schulungen werden nicht nur im Zusammenhang mit OE durchgeführt. Doch kann man sehr häufig bei Schulungen jeder Art Widerstände gegen diese Schulungen finden. Einstellungen wie „auch das wird vorbeigehen“ (Randolph 1995, S. 59) sind typisch. Die Effektivität der Schulungen wird angezweifelt, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass ein Transfer des Gelernten für sehr unwahrscheinlich gehalten wird. Und oft treten Widerstände innerhalb eines Trainings genau dann auf, wenn irgendwelche „wunde Punkte“ berührt werden. Der Teilnehmer fühlt sich in einer Form von Bedrängnis. (Rijn, 1987, s. 48f)

In der Widerstandsliteratur geht es meistens um den Widerstand der Basis, doch auch gerade Führungskräfte, vor allem auch der mittleren Ebene, haben Angst, Macht und Ansehen zu verlieren, Verantwortung abzugeben, und ihnen ist nicht bewußt, dass sie zwar eine Art der Verantwortung abgeben, dafür aber neue Verantwortung und neue Aufgaben übernehmen, die nicht weniger anspruchsvoll sind, z.B. wenn sie als Trainer, Mentor oder Teamleiter tätig werden. (Randolph, 1995, S. 66) Für viele Führungskräfte, die oft nicht mehr zu den Jüngsten gehören, ist es auch einfach schwierig, sich von lange eingefahrenen und eingeübten Führungsstilen zu lösen. (Wohlgemuth 1988, S. 224) Der Grund muss dabei nicht einmal bei den oben genannten Ängsten liegen, sondern liegt oftmals hauptsächlich an der Macht der Gewohnheit und an dem fehlenden Verständnis.

Ein ganz kritischer Zeitpunkt bei OE-Prozessen ist die Anfangsphase, denn dort werden die Weichen gestellt. Die meisten Widerstände treten schon hier auf. (Bauer-Sternberg & Schaper, 1994, S. 422) Ist erst einmal die Anfangsphase von Widerständen frei, sind die Chancen für erfolgreiche OE-Maßnahmen ungleich höher; trotzdem ist man auch in späteren Phasen dann nicht völlig vor Widerständen sicher. Die Widerstandsbereitschaft kann sich durchaus während des gesamten Prozesses ändern – in beide Richtungen.

Am Anfang einer Organisationsentwicklung steht ja meist eine Ist-Analyse, die auch häufig zu Mißtrauen und Ängsten führt. „Man fühlt sich beobachtet, kontrolliert, wird verunsichert. Es ist daher notwendig, solche Ängste und Befürchtungen abzubauen.“ (Bleses, Heuvelmann u. Mogendorf, 1996, S. 75) Bei der Diagnose ist also äußerstes Fingerspitzengefühl mit den Mitarbeitern angesagt, und hier sollten die Partizipations-möglichkeiten bereits anfangen. Darauf werde ich später noch näher eingehen.

OE fordert eigentlich immer Einstellungsänderungen der Beschäftigten. Doch Ein-stellungen will keiner gerne ändern, denn dabei müßte man ja zugeben, dass man in der Vergangenheit wenigstens zum Teil im Unrecht war. Einstellungsänderungen erfordern enorme Zugeständnisse, die oft nicht gemacht werden wollen. Daher treten immer dann, wenn Einstellungen geändert werden sollen, besonders häufig Widerstände auf. (vgl. Böhnisch, 1979, S. 128) In diesem Zusammenhang kann man u.a. auch sehen, dass Veränderungswiderstand meist nicht rational sondern emotional motiviert ist. (Schreyögg 1998, S. 54)

4 Folgen von Widerständen

Wenn man über Folgen von Widerständen berichten möchte, dann gibt es oft folgendes Problem: Wann handelt es sich eigentlich um Formen von Widerständen und deren Ausdrucksformen und wann handelt es sich tatsächlich um Folgen von Widerständen, also dem, was erst nach den Widerständen auftritt? Es ist oft schwierig zu bestimmen, ob Verhaltensmerkmale der Mitarbeiter schon selbst als Widerstände begriffen oder gemeint sind oder ob sie erst in Folge der Widerstände auftreten. Diese Frage läßt sich wahrscheinlich oft auch nicht endgültig beantworten, denn die Übergänge sind sicher fließend. So werden sich im weiteren Verlauf der Abhandlung sicher auch solche Folgen finden, die man genauso gut schon als Ausdrucksformen von Widerständen beobachten kann, die aber hier als Folgen aufgefaßt werden.

4.1 Scheitern der OE-Maßnahmen

Die Folge, mit der man am ehesten rechnet, und die wohl auch am häufigsten auftritt, ist das Scheitern der OE-Maßnahmen. Wenn OE-Prozesse zu anhaltenden Ergebnissen führen sollen, ist nicht nur die Akzeptanz der Mitarbeiter und Führungskräfte ausschlag-gebend, sondern, dass sie motiviert hinter den Maßnahmen stehen, sie sich dafür ein-setzen und mitarbeiten, wo immer es von ihnen verlangt wird. Es gibt viele Maßnahmen, die überhaupt nicht funktionieren können, wenn nicht alle mitmachen. Z.B. wenn man ein neues Informationssystem mit neuen Medien und neuer Technik nutzen möchte, kann das nur funktionieren, wenn sich tatsächlich alle daran beteiligen. Wenn ein Mailboxsystem z.B. nicht von allen genutzt wird, dann gelangen auch in Zukunft die Informationen nicht an die Stellen, wo sie gebraucht werden. Ein toter Briefkasten kann keine Erfolge bringen, also sind Widerstände hier außerordentlich hinderlich und bringen die gesamten Maßnahmen zu Fall. (vgl. Nellessen, 1996, S. 64-65)

Wenn die Widerstände zu groß und zu resistent erscheinen als dass sie zu überwinden wären, dann ist die Versuchung sehr groß, die OE-Maßnahmen abzubrechen, bevor irgendwelche Erfolge zu verzeichnen sind. Daher kommt es wohl zu der zuvor zitierten 80%-igen Abbruchquote. Mit dem Abbruch von OE-Maßnahmen bringt man sich aber unweigerlich in einen Teufelskreis, dem nur schwer zu entkommen ist. Wie schon weiter oben angeführt wurde, führen gerade abgebrochene OE-Maßnahmen wieder zu Widerständen, wenn irgendwelche Änderungen durchgeführt werden sollen. Die Mit-arbeiter erinnern sich an die gescheiterten Maßnahmen und sehen auch für die geplanten Vorhaben keine Erfolgschance. „Es droht die Gefahr, dass im Unternehmen eine Atmosphäre entsteht, in der grundlegendere Veränderungsprozesse immer wieder abgebrochen werden, ohne sich über die tiefersitzenden Gründe für dieses Abbrechen zu verständigen. Es kann eine Atmosphäre entstehen, in der das Management an der Widerständigkeit der Mitarbeiter zu verzweifeln droht und die Mitarbeiter das Verhalten des Management im Wandlungsprozess als permanent widersprüchlich wahrnehmen.“ (Kühl 1997, S. 15)

Gescheiterte OE-Maßnahmen haben auch zur Folge, dass man den Anforderungen der Umwelt, die sich schnell ändert, und dem Konkurrenzdruck nicht mehr gewachsen ist. (vgl. Randolph, 1995, S. 69) Das kann im Endeffekt dazu führen, dass eine Firma irgendwann aufgeben muss und bankrott geht. Das ist wohl die dramatischste Folge, die man mitunter beobachten kann, wobei in solch einer Situation in den seltensten Fällen offiziell die Widerstände als Grund für den Untergang eines Unternehmens angesehen werden dürften. Hiermit bin ich aber beim nächsten weiten Feld von Folgen, nämlich solchen, die das Unternehmen in irgendeiner Form berühren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Folgen von Widerständen gegenüber Organisationsentwicklungsmaßnahmen und mögliche Interventionen
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Arbeits- und Organisationspsychologie)
Note
bestanden, sehr gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
46
Katalognummer
V27243
ISBN (eBook)
9783638293433
Dateigröße
698 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der Korrektorin: Eine insgesamt sehr gut gelungene Arbeit, die eine intensive Beschäftigung mit dem Thema erkennen lässt. Dabei beinhaltet sie Aspekte, die auch für mich noch neu waren. Schade ist, dass Sie an manchen Stellen auf eine kritische Kommentierung der doch oft normativen Ansätze bzw. Empfehlungen verzichten. Empirische Beiträge sind leider ebenfalls eher wenige enthalten.
Schlagworte
Folgen, Widerständen, Organisationsentwicklungsmaßnahmen, Interventionen
Arbeit zitieren
Stefanie Dzierzon (Autor:in), 2000, Folgen von Widerständen gegenüber Organisationsentwicklungsmaßnahmen und mögliche Interventionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27243

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