Lernstrategien im Fremdsprachenerwerb - Einsatz von NLP zur Festlegung der Lernpräferenzen


Diplomarbeit, 1996

72 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. VORWORT

II. EINFÜHRUNG

III. LERNSTRATEGIEPHÄNOMEN
A. Definition
B. Merkmale der Lernstrategien
C. Argumente für Lernstrategievermittlung

IV. DER GUTE FREMDSPRACHENLERNER

V. LERNSTRATEGIEN ZUM FREMDSPRACHENERWERB
A. Methoden der Lernstrategieerfassung
1. Kategorien zur Klassifikation der Lernstrategieerfassungsmethoden
2. Methoden zur Erfassung von Lernstrategien
B. Klassifikation der Lernstrategien
1. Direkte Strategien
2. Indirekte Strategien

VI. LERNTYPEN
A. Klassifikation der Lerntypen
1. Der rechts-visuelle Lerntyp
2. Der auditive Lerntyp
3. Der kinästhetische Lerntyp
4. Der links-visuelle Lerntyp
B. Methoden der Lerntyperkennung
1. Fragebogen
2. ELSIE
3. NLP-Techniken der Lerntyperkennung

VII. LERNSTRATEGIEN ZUM WORTSCHATZERWERB
A. Vorbereitung auf die Lernprozesse
1. Das Erschliessen der Wortbedeutung
2. Eine Worterschliessungsstrategie in vier Schritten von Clarke
3. Die Benutzung eines Wörterbuchs
B. Der Aneignungsprozess der Lexik
1. Gedächtnisstützende Strategien für die einzelnen Lerntypen
2. Die Wiederholung
3. Das Üben

VIII. LERNSTRATEGIETRAINING
A. Komplexität der Strategievermittlung
B. Kriterien für Vorbereitung und Durchführung eines Lernstrategietrainings
C. Modell eines Strategietrainings

IX. ZUSAMMENFASSUNG

X. LITERATURVERZEICHNIS
A. Primäre Literatur
B. Weiterführende Literatur

I. Vorwort

In den siebzieger und achtziger Jahren wurden Lern- und Arbeitstechniken in der fremdsprachendidaktischen Literatur zum ersten Mal ausführlicher thematisiert. Damals wurden diese Überlegungen in der fachdidaktischen Diskussion kaum beachtet. Manche Theoretiker belächelten sogar diese Anregungen. Selbst heute, in einer Zeit, in der den Lerntechniken mehr Interesse und Anerkennung geschenkt wird, wissen leider die meisten Lehrer mit diesem Phänomen immer noch nichts anzufangen. Dies ist eine sehr negative Erscheinung, weil in der fremdsprachendidaktischen und lernpsychologischen Forschung bereits empirisch nachgewiesen wurde, daß die Anwendung von Lernstrategien den Fremdsprachenerwerb enorm erleichtern kann.

Diese Arbeit ist dem Lernstrategiephänomen gewidmet. Es wird versucht, zu zeigen, was auf dem Gebiet der Lernstrategieforschung bereits erreicht wurde und wie sich die Lerntechniken als natürliche Bestandteile in den Fremdsprachenunterricht einbetten lassen. In dieser Arbeit wird die Meinung vertreten, daß die Fremdsprachendidaktiker dem Phänomen mehr Interesse schenken sollten und es den Lehrern und Lernern näher bringen müßten. In Lerntechniken liegt eine große Chance für den heutigen Fremdsprachenunterricht.

Diese Diplomarbeit entstand dank der Inspiration und Hilfe von Professor Dieter Wolff und Frau Bettina Mißler, bei denen ich mich sehr herzlich bedanken will. Sehr dankbar bin ich auch Frau Anneliese Lauschke und ihrem Mann Gerhard, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben.

II. Einführung

In der Fremdsprachendidaktik sucht man nach verschiedenen Möglichkeiten, dem Schüler bei der Beherrschung der fremden Sprache zu helfen. Auf der Suche nach einer solchen Möglichkeit ergab sich ein neuer Forschungsgegenstand: Lernstrategien. Diesem Phänomen wird auch diese Arbeit gewidmet. Die Vermittlung von Lernstrategien bietet nämlich die Chance, den Schülern bei der schwierigen Aufgabe des Fremdsprachenlernens zu helfen. Man glaubt, daß die Lernschwierigkeiten mancher Schüler darauf zurückzuführen sind, daß sie nicht wissen, wie sie lernen sollen. Die neue Aufgabe für die Schule besteht also darin, den Schülern beizubringen, wie man beim Lernen vorgehen kann.

In dieser Arbeit wird versucht, zwei Fragen zu beantworten: Was unterscheidet die guten Fremdsprachenlerner von den schwachen ? Wie kann man den Schülern zu besseren Lernergebnissen verhelfen ? Das Interesse an diesen Problemen hat zur Literaturresearche geführt[1]. Eine der gefundenen Hypothesen war die, daß die erfolgreichen Fremdsprachenlerner sich von den schwachen dadurch unterscheiden, daß sie Lernstrategien benutzen, die ihrem persönlichen Lernstil und der Lernaufgabe gemäß sind. Das Modell des guten Fremdsprachenlerners, der die Strategien unter Berücksichtigung der Lernaufgabe und im Bewußtsein seiner Lernereigenschaften einsetzt, ist in dieser Arbeit wiederzufinden. Es wird zuerst das Bild des guten Fremdsprachenlerners dargestellt, der das Wissen über Lernstrategien, über sich selbst als Lerntyp und über die Aufgabe besitzt. Wir behaupten daß, das Wissen gefördert werden muß. In dieser Arbeit werden also zuerst, die für den Fremdsprachenerwerb relevanten Lernstrategien beschrieben. Später wird darauf eingegangen, wie sich die Lerner voneinander unterscheiden; dabei wird die Klassifizierung der Lerntypen nach dominanten Modalitäten der Informationsverarbeitung präsentiert. Es werden auch die Lernstrategien zum Wortschatzerwerb dargestellt. Damit soll gezeigt werden, wie sich die Strategien auf eine bestimmte Aufgabe unter Berücksichtigung der individuellen Lernpräferenzen einsetzen lassen. Zum Schluß wird darauf eingegangen, wie ein gutes Strategietraining verlaufen soll. Dies bildet den beschreibende Teil der Arbeit. In jedem Kapitel werden aber auch Vorgehensweisen dargestellt, die von den Lehrern in ihrer Unterrichtspraxis angewandt werden könnten. Bei der Klassifikation der Strategien werden die Methoden der Strategieermittlung besprochen. Im Kapitel über die Lerntypen wird gezeigt, wie man die einzelnen Lerntypen erkennen kann. Zum Schluß wird besprochen, wie sich ein Lehrer auf die Vermittlung der Strategien im Klassenzimmer vorbereiten kann. In dieser Arbeit wird nämlich dafür plädiert, daß die Lernstrategievermittlung Bestandteil des fremdsprachlichen Unterrichts wird. Deshalb müssen die Lehrer über das Strategiephänomen mehr wissen und auf die Vermittlung der Strategien methodisch vorbereiten werden. Sie müssen wissen, wie sie die Strategien und Lernpräferenzen ihrer Schüler erforschen und verändern können. Deshalb wurde in dieser Arbeit nicht nur das Strategiephänomen dargestellt, sondern auch die Methoden der Lernstrategieforschung, die auch ein Lehrer in der Praxis einsetzen könnte.

Diese Arbeit basiert auf den Erkenntnissen der Lernstrategieforschung, die besonders intensiv in Amerika betrieben wurde. Der neue Forschungsbereich der Fremdsprachendidaktik entstand infolge der Bemühungen, das Verhalten des guten Fremdsprachenlerners zu beschreiben. Die erste Untersuchung zu Lernstrategien des guten Fremdsprachenlerners hat Joan Rubin im Jahre 1971 initiiert. Um herauszufinden, was den guten Fremdsprachenlerner von dem schwachen unterscheidet hat sie Klassenbeobachtungen durchgeführt. Zusätzlich hat sie die Schüler in ihren Tagebüchern über ihre Lernprozesse berichten lassen. Das Ergebnis der Untersuchung war ein Bild des guten Fremdsprachenlerners, das im Jahre 1975 im TESOL dargestellt wurde. Die Frage: „Was können wir von einem guten Fremdsprachenlerner lernen ?“ hat auch Stern (1975) gestellt und versucht, sie zu beantworten. Er hat zehn Strategien[2] genannt, die von den guten Fremdsprachenlernern eingesetzt werden. In der selben Zeit lief im OISE Modern Language Center in Toronto das Projekt „The Good Language Learner“ (Fröhlich 1976, Naiman 1978). Das Ziel dieses Projekts war, Eigenschaften, Lernstile und Strategien, die für den guten Fremdsprachenlerner typisch sind, herauszufinden. Zu diesem Zweck hat Naiman mit dreiundvierzig Schülern retrospektive Interviews durchgeführt. Seine Interviewfragen basierten auf der Strategienliste, die 1975 von Stern erstellt wurde. Infolge Naimans Untersuchung wurde die Strategieliste von Stern revidiert. Naiman beschrieb nur fünf Verhaltensweisen, die für den guten Fremdsprachenlerner charakteristisch sind[3]. Er betonte, daß der erfolgreiche Fremdsprachenlerner die Lernstrategien anwendet, die für seine persönlichen Bedürfnisse und seinen individuellen Lernstil geeignet sind. Ungefähr in der selben Zeit (1975) hat Wechse ihre Dissertation über Lernverhalten der erfolgreichen erwachsenen Fremdsprachenlerner in Canadian Civil Service beendet. Die Ergebnisse ihrer Forschung hat sie in einem Artikel (1979) zusammengefaßt. Sie hat festgestellt, daß die Lerner viele Strategien einsetzen, die schon früher von Rubin und Stern genannt wurden, wobei die guten Lerner nicht nur mehr Techniken anwenden, sondern sie auch kombinieren. Viele Lernverhalten treten zusammen auf.

Alle diese Untersuchungen hatten einen beschreibenden Charakter und haben zu einem Bild eines guten Fremdsprachenlerners geführt, das auch in dieser Arbeit dargestellt wird. Das Ziel der Forschung aber war, den schwachen Schülern zum Erfolg zu verhelfen. Deshalb haben die Wissenschaftler sich vorgenommen, die zum Erfolg führenden Strategien zu erfassen, zu beschreiben und den Lernern zu vermitteln. Daraus ergaben sich drei Forschungsgegenstände: Ermittlung der Strategien, Beschreibung und Klassifikation sowie Trainingsmöglichkeiten. Sie werden in diesem Kapitel kurz beschrieben.

Die Ermittlung der Lernstrategien beim Fremdsprachenlernen ist nicht einfach. Um die Strategien zu erfassen haben Rubin (1975), Naiman (1978), Cohen und Aphek (1981) Klassenbeobachtungen geführt und festgestellt, daß diese Vorgehensweise zur systematischen Ermittlung der Lernstrategien weniger geeignet ist. Die meisten Lernprozesse laufen mental ab, deshalb muß man die Informationen über sie von den Lernern selbst bekommen. Deswegen müssen introspektive Verfahren wie: Interview, Tagebuch oder Fragebogen, zur Ermittlung der Strategien eingesetzt werden. Hosenfeld (1977) hat als erste in der Fremdsprachendidaktik think aloud Verfahren eingesetzt, bei dem die Lerner über ihre Lernprozesse während der Bewältigung der Aufgabe berichten. Diese Methode war sehr umstritten (Ericsson & Simon 1980, Garner 1988). In den achtziger Jahren wurden Einsatzmöglichkeiten des Verfahrens untersucht und es wurde festgestellt, daß es nur unter bestimmten Bedingungen angewandt werden sollte (O’Malley & Chamot 1990: 223). Selinger (1983) hat bezweifelt, daß die mentalen Prozesse dem Menschen soweit bewußt werden können, daß er über sie berichten kann. Das Problem der verbalen Datenermittlung in der Lernstrategieforschung wurde stark diskutiert. In den Untersuchungen wurde nachgewiesen, daß man sich auf die Aussagen der Lerner über ihre Lernprozesse verlassen, kann (Hayes & Flower 1983, Cohen 1984). Zur Erfassung der Lernstrategien können viele Methoden eingesetzt werden. Die Vorgehensweise kann die Forschungsergebnisse beeinflussen, deshalb haben Fearch und Kasper (1987) versucht, die Erfassungsverfahren zu klassifizieren, um die Wahl der Strategieermittlungsmethode zu erleichtern.

In der Lernstrategieforschung mußten nicht nur die Methoden der Erfassung, sondern auch die Strategien selbst klassifiziert werden. Rubin unterscheidet in ihrem Bericht aus dem Jahre 1981 zwischen direkten, und indirekten Strategien. Die ersteren beeinflussen die Lernprozesse[4] direkt, die zweiteren Techniken tragen zum Lernerfolg nur unmittelbar bei. Auch Naiman (1975) macht einen Klassifikationsvorschlag, der aber unübersichtlich ist (siehe O’Malley & Chamot 1990: 4). Wenden erweitert aufgrund ihrer Forschungsergebnisse (1983) das Klassifikationsschema von Rubin um eine Gruppe der metakognitiven Strategien. Auch in der Psychologie wird zwischen kognitiven und metakognitiven Strategien unterschieden. Brown (1983) beschreibt das metakognitive Wissen als das Wissen über die kognitiven Prozesse und die Fähigkeit sie zu steuern, indem man das Lernen plant, kontrolliert und bewertet. Dementsprechend haben metakognitiven Strategien eine lernorganisatorische Funktion. Die kognitiven Strategien beziehen sich dagegen direkt auf die Aufgabe (Brown & Palinscar 1982, Brown 1983). Zwei andere Psychologen - Densereuau 1983 und Slavin 1980 - schreiben von affektiv/sozialen Strategien. Diese drei Kategorien von Lerntechniken - kognitive, metakognitive und sozial/affektive Strategien - sind auch in der Klassifizierung von O’Malley und Chamot wiederzufinden. Die Klassifikationsvorschläge der beiden Forscherinnen sind aufgrund zahlreicher Untersuchungen zur Ermittlung und Beschreibung der Lernstrategien im Fremdsprachenerwerb entstanden (O’Malley 1985a; Chamot 1987; Chamot, Küpper, Impink, Hanadez 1988). Die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Strategietypen sind aber nicht eindeutig. Die Klassifikationsmodelle sind auch nicht konstant (vergleiche Rubin 1981 und 1987). Der Klassifikationsvorschlag von Oxford (1985, 1990) basiert auf allen früheren Untersuchungen zu Lernstrategien. Diese Autorin hat in ihrem Strategieinventar alle Strategien beschrieben, die in der Literatur über Lernstrategien beim Fremdsprachenerwerb je erwähnt wurden. In dieser Arbeit wird dieser Klassifikationsvorschlag dargestellt.

Das dritte Problem in der Lernstrategieforschung ist die Vermittlung der Strategien. Die Forscher untersuchen, wie ein Strategietraining verlaufen muß. Dabei werden zahlreiche Aspekte diskutiert (siehe O’Malley & Chamot 1990: 152 und Wenden 1987: 159ff). Wenden (1987b), Campione & Ambuster (1985) und Chamot & O’Malley (1987) plädieren dafür, daß das Training in den regulären Fremdsprachenunterricht integriert wird. In den Untersuchungen von Showers, Joyce & Bennet (1987) aber auch O’Malley (1985a) wurde bestätigt, daß die Strategien im Unterricht erfolgreich vermittelt werden können. Chamot hat aber in ihrer Untersuchung (1987, 1988) festgestellt, daß die Lehrer auf die Vermittlung der Strategien vorbereitet werden müssen. Nur wenige Forscher setzen sich mit diesem Problem auseinander. In der Literatur über Lernstrategien sind Lehrertrainingsmodelle zu finden (Joyce & Schowers 1987, Ogle 1988). Für die Vermittlung der Lernstrategien müssen auch Materialien, die diesem Zweck dienen, entwickelt werden. Bis jetzt wurden aber nur wenige Materialien für die Vermittlung der Strategien zum Fremdsprachenerwerb entworfen (Rubin & Thompson 1982; Ellis & Sinclair 1989; O’Malley & Chamot 1990; Oxford 1990) und keine für Deutsch als Fremdsprache. Es gibt auch nur wenige Trainingsmodelle der Strategievermittlung die während des realen Fremdsprachenunterrichts stattfinden (Johnes 1987 - The Strategic Teaching Modell; O’Malley & Chamot 1988 - The Cognitive Akademic Language Learning Approach; Oxford 1990 - A Model for Strategytraining). Diese Modelle unterscheiden sich voneinander. In jedem sind aber folgende Elemente zu finden: Bestandsaufnahme der den Lernern bekannten Lernstrategien, Präsentation, Erläuterung und Anwendung der Strategien. In der Fremdsprachenlernstrategieforschung wurden auch nur wenige Untersuchungen zu Effizienz der einzelnen Trainingsformen durchgeführt. Die meisten beziehen sich auf die Vermittlung der Gedächtnisstrategien zum Wortschatzerwerb (Atkinson & Raugh 1975, Cohen & Aphek 1980, Pressley, Levin & Deraney 1982, Thompson 1987). Es wurden aber auch Experimente zur Vermittlung der Lernstrategien für produktive und rezeptive Sprachfertigkeiten durchgeführt (Hörverstehen: Hosenfeld 1981; Leseverstehen: Bialystok & Fröhlich 1977; mündliche Sprachproduktion: Wenden 1987). Es wurde empirisch nachgewiesen, daß die Strategien erlernt werden können. Alle diese Trainings wurden von den Forschern durchgeführt. Erst O’Malley berichtet über Experimente zur Strategievermittlung in natürlicher Klassenzimmersituation. In dieser Untersuchung wurde nachgewiesen, daß die Hör- und Leseverstehenstrategien erfolgreich im Fremdsprachenunterricht vermittelt werden können[5].

In dieser Arbeit werden die Lernstrategien zum Wortschatzerwerb ausführlicher beschrieben. Diese Zusammenstellung wurde aufgrund früherer Forschungen und Vorschlägen erarbeitet. Bereits Naiman (1978) listet Techniken[6] auf, die von guten Fremdsprachenlernern beim Wortschatzerwerb eingesetzt werden. Rampillon in ihrem Buch (1985 bzw.1989) beschreibt genauer wie man beim Vokabelnlernen vorgehen kann. Chamot in ihrer Untersuchung (1988) entdeckt, daß die Lerner beim Lernen von Vokabeln sowohl kognitive als auch metakognitive Strategien[7] einsetzen. In dieser Arbeit werden aber nur die kognitiven Strategien dargestellt werden. Dies aber unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse aus der Linguistik und Lernpsychologie. Cohen und Aphek haben in ihren Untersuchungen (1980, 1981) festgestellt, daß das Erlernen von Vokabeln durch schlechte Erschließungs- und schlechte Gedächtnisstrategien erschwert wird. Es werden in dieser Arbeit also sowohl Worterschließungs als auch Gedächtnisstrategien beschrieben. Clarke (1980) hat in seinen Untersuchungen nachgewiesen, daß durch Training die Erschließungsfähigkeit der Schüler gesteigert werden kann. In der empirischen Forschung wurde auch mehrmals nachgewiesen, daß der Einsatz von Mnemotechniken Behalten und Abruf der Strategien erleichtert (Butter, Ott & Blake 1973; Belleza 1983; Levin 1981; Paivio & Desrochers 1981; Levin & Delaney 1982; Cohen 1987b; Desrochers, Gelinas & Wieland 1989; für weitere Untersuchungen siehe Thompson in Wenden 1987: 43-56 und Sperber 1989). Dabei haben die Forscher bemerkt, daß manche Versuchspersonen spontan andere Assoziationen einsetzen als es vorgegeben wurde. Dieses Phänomen ist auf die individuellen Lernstile zurückzuführen. Jeder Mensch hat nämlich seine kognitiven Verarbeitungspräferenzen. Auch diese Präferenzen wurden empirisch untersucht.

Bereits im Jahre 1972 hat Galoway festgestellt, daß verschiedene Menschen unterschiedliches Visualisierungsvermögen aufweisen. Daraus hat sich die Klassifikation der Lerntypen entwickelt. Im Jahre 1972 haben Dunn und Dann aufgrund einer Fragebogenaktion ein Inventar der möglichen Lernstile aufgestellt. Auch Vester (1975) berichtet von einer Fragebogenaktion zur Ermittlung der Lernpräferenzen der Schüler. In weiteren Untersuchungen wurde bestätigt, daß man die Leute nach den bei ihnen dominierenden Verarbeitungsmodalitäten klassifizieren kann (Reinert 1976, Dunn 1983, Beyer 1986). Die Forscher benennen die Lerntypen unterschiedlich. Allgemein kann man sagen, daß manche Menschen am besten durch Sehen, Hören oder Tun lernen. Diese Präferenzen hängen ab von Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund und Bildungsstand (Reid 1987; Pressley 1977; Pressley & Levin 1983). Die Lernstile beeinflussen die Wahl der Lernstrategien. Die Übereinstimmung der Modalität der Strategie und individueller Lernpräferenzen ist für den Lernerfolg ausschlaggebend (Delaney 1978). Deshalb wird in der Fremdsprachendidaktik für die Individualisierung der Lernprozesse und insbesondere der Wortschatzarbeit plädiert (Saragi, Nation, Meister 1978). Es gibt aber noch keine konkreten Vorschläge und Untersuchungen zu diesem Problem.In dieser Arbeit wird versucht, den einzelnen Lerntypen die für sie geeigneten gedächtnisstützenden Strategien zuzuordnen. Es ist aber nur ein Vorschlag. Die emprischen Untersuchungen zu diesem Thema stehen noch aus.

Das sind die wichtigsten Forschungen zu Lernstrategien im Fremdsprachenerwerb. Lernstrategieforschung ist neue Disziplin. In diesem Bereich der Didaktik muß noch viel geleistet und erforscht werden. Der Aufwand sollte sich aber lohnen.

III. Lernstrategiephänomen

Seit einigen Jahren wird in der Fremdsprachendidaktik immer häufiger von Lernstrategien gesprochen und geschrieben. In der Literatur zu diesem Thema fehlt jedoch eine den Forschern gemeinsame Definition des Lernstrategie-Begriffs. Deshalb wird in diesem Kapitel das Lernstrategie-Phänomen in seiner ganzen Komplexität dargestellt, um zu zeigen, was man in dieser Arbeit unter Lernstrategien versteht. Zuerst wird eine Definition erarbeitet, dann die wichtigsten Merkmale der Strategien und zum Schluß die Argumente für die Lernstrategievermittlung genannt.

A. Definition

In der Literatur bezeichnet man Strategien als besondere Wege der Informationsverarbeitung, Prozeduren, Sequenzen von Operationen, Pläne, Routinen, Verhaltensweisen des Lerners, Aktivitäten, bewußte Anstrengungen oder Werkzeuge. Jeder dieser Begriffe impliziert weitere Informationen über die Strategien. Hier wird aber darauf nicht eingegangen, sondern es wird nach Wenden (1987: 6)[8] angenommen, daß Strategien bestimmte Verhaltensweisen der Fremdsprachenlerner sind, die von ihnen eingesetzt werden, um zu lernen und ihre Lernprozesse zu steuern. Wenn wir uns überlegen, was eigentlich Lernen heißt, können wir die Definition erweitern. Wir wollen dabei die kognitive Vorstellung vom Lernen berücksichtigen und nach Galloway und Labarca (1990: 141)[9] sagen, daß Lernstrategien Operationen sind, die dem Lerner ermöglichen, Informationen wahrzunehmen, zu speichern, abzurufen und anzuwenden. Diese Definition bringt zum Ausdruck, daß die Strategien mit den mentalen Verarbeitungsprozessen im Zusammenhang stehen. Sie können auf natürliche unbewußte Verarbeitungsprozesse zurückgeführt werden. Ihre Aufgabe besteht darin, sie zu beeinflussen, effizienter zu machen. Strategien selbst sind als prozedurales Wissen abgespeichert[10] und haben die Aufgabe, die Informationsverarbeitung zu steuern. Diese Darstellung der Strategien ist sehr stark im kognitiven Bereich angesiedelt, die Funktion der Strategien beschränkt sich aber nicht nur auf den kognitiven Bereich des Lernens. Der Strategiebegriff wird viel breiter verstanden. Man unterscheidet außer kognitiven Strategien auch metakognitive, affektive und soziale Strategien, und man sieht sie als gleichbedeutend an (Oxford 1990, O’Malley & Chamot 1990). Diese beziehen sich auf die Organisation des Lernprozesses allgemein und seiner affektiven und sozialen Komponenten. Strategien „sind Verfahren, die vom Lernenden absichtlich und planvoll eingesetzt werden, um sein fremdsprachliches Lernen vorzubereiten, zu steuern und zu kontrollieren“ (Rampillon, 1989: 14). Sie helfen dem Lerner, selbständiger zu lernen. Sie fördern Lernerautonomie und Individualisierung des Lernprozesses.

Zusammenfassend kann man sagen: Lernstrategien als prozedurales Wissen helfen dem Lerner, kognitive, soziale und affektive Aspekte des Lernens selbständig zu steuern und dadurch bessere Lernerfolge zu erreichen. Diese Verhaltensweisen ermöglichen es ihm, schneller, einfacher, effektiver und mit Spaß zu lernen (Oxford, 1990: 8)[11].

Das sind die wichtigsten Merkmale der Lernstrategien, die relativ unbestritten sind. Es wurde aber erwähnt, daß es in der Lernstrategienliteratur unterschiedliche Definitionen des Strategiebegriffs gibt. Es hängt damit zusammen, daß es mehrere Fragen bezüglich der Strategien gibt, auf die eindeutige Antworten fehlen. Es wird hier nicht versucht, diese Probleme zu erörtern. Es scheint aber wichtig zu sein, die Antwort auf manche dieser Fragen zu geben, um klar zu machen, was unter Strategiebegriff in dieser Arbeit verstanden wird. Es ist umstritten (siehe Wenden, 1987: 7),

1. ob die Strategien gelernte Verhaltensweisen oder mentale „Hardware“ sind,
2. ob sie bewußt oder unbewußt sind,
3. ob sie an spezifische Aufgaben gebunden oder eher allgemein in ihrer Anwendung sind.

In dieser Arbeit wird angenommen, daß die Strategien gelernt werden können. Deshalb ist es sinnvoll, sie zu vermitteln. Sie unterscheiden sich in ihrem Grad der Bewußtheit. Sie implizieren zwar bewußte und zielgerichtete Handlungen, können aber durch häufige Anwendung automatisiert und unbewußt eingesetzt werden. Sie unterscheiden sich auch in der Zahl ihrer Einsatzmöglichkeiten. Manche (die indirekten) Strategien können bei jedem Lernprozeß eingesetzt werden, während andere (die direkten) mehr aufgabenspezifisch sind.

In der Literatur zur Lernstrategieforschung schreibt man manchmal den Begriffen der Strategie und Technik unterschiedliche Bedeutung zu. Dadurch wollen manche Autoren die Hierarchiehöhe der jeweiligen Vorgehensweisen zum Ausdruck bringen. Da aber die Unterscheidung nicht ganz eindeutig ist, wird in dieser Arbeit auf sie verzichtet.

Es wurde versucht zu zeigen, was man in der Arbeit unter dem Lernstrategiebegriff versteht. Mit diesem Begriff werden zahlreiche Verhaltensweisen bezeichnet, die sich sowohl auf die kognitiven, affektiven als auch sozialen Aspekte des Lernens beziehen. Allgemein kann man sagen, daß es zielgerichtete Aktivitäten sind, die der Lerner einsetzt, wenn er der Aufgrabe der Fremdsprachenbeherrschung gegenübersteht (Stern, 1987: xi)[12].

B. Merkmale der Lernstrategien

Das alles kann aber das Strategiephänomen nicht wiedergeben. Deshalb werden jetzt die Merkmale der Lernstrategien, die von Oxford genannt wurden, dargestellt. Das ermöglicht, das Lernstrategie-Phänomen in den komplexen Prozeß des Lernens und Lehrens einzuordnen. Die Autorin nennt zwölf Merkmale der Lernstrategien: (Oxford, 1990: 11ff)

(1) Die Lernstrategien helfen, das globale Ziel des Fremdsprachenunterrichts zu erreichen - die kommunikative Kompetenz

Es gibt ganze Reihen von Strategien, die zur Entwicklung der kommunikativen Kompetenz direkt oder indirekt beitragen. (Da eine ausführliche Erklärung dieses Phänomens die Kenntnis der Strategien voraussetzt, wird darauf im späteren Teil der Arbeit eingegangen).

(2) Strategien sind problemorientiert

Strategien sind Werkzeuge, die eingesetzt werden, weil ein Problem zu lösen, eine Aufgabe zu bewältigen oder ein Ziel zu erreichen ist. Sie sind problemorientiert.

(3) Lernstrategien sind lehrbar

Während Lernstil und Persönlichkeit des Lerners kaum beeinflußbar sind, können Lernstrategien vermittelt und verändert werden.

(4) Lernstrategien fördern das autonome Lernen

Die Fähigkeit, selbständig zu lernen, ist sehr wichtig für lifelong-learning. Die Lerner werden nicht immer mit einem Lehrer lernen können, und der schulische Unterricht ist nicht imstande, alle ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Deshalb ist es wichtig, daß die Schüler Lernen lernen. Selbstgesteuertes Lernen hat auch sehr positiven Einfluß auf die Entwicklung der kommunikativen Kompetenz. Der autonome Lerner sucht selbst nach Gelegenheiten zur Anwendung der Sprachen.

(5) Lernstrategien verändern die Rolle des Lehrers

Im Fremdsprachenunterricht, in dem die Lernstrategien vermittelt werden und das autonome Lernen gefördert wird, fällt dem Lehrer eine neue Rolle[13] zu. Er soll dem Lerner helfen, die Lernprozesse selbständig zu steuern, das Lernen zu planen, Ziele, Materialien und Vorgehensweisen zu wählen, die Lernergebnisse zu kontrollieren und zu bewerten. Er vermittelt ihm Strategien, gibt Ratschläge, Ideen, Hinweise. Er erzieht ihn zur Autonomie.

(6) Strategien sind handlungsorientiert

Sie implizieren bestimmte Handlungen oder Verhaltensweisen, die der Bewältigung der Probleme dienen.

(7) Lernstrategien beziehen sich nicht nur auf den kognitiven Aspekt des Lernens

Lernstrategien implizieren Handlungen, die auch den metakognitiven, affektiven und sozialen Aspekt des Lernens beeinflussen.

(8) Lernstrategien unterstützen das Lernen direkt und indirekt

Es gibt Strategien (kognitive, Kompensations- und Gedächtnisstrategien), die die Lernergebnisse direkt beeinflussen, weil sie helfen, den Lerngegenstand so zu bearbeiten, daß er besser verstanden, behalten und abrufbar sein wird. Solche Strategien, die sich auf metakognitive, soziale und affektive Aspekte des Lernens beziehen, beeinflussen die Lernergebnisse nur indirekt. Sie sind aber von großer Bedeutung.

(9) Lernstrategien sind nicht immer beobachtbar

Die Strategien unterscheiden sich voneinander in dem jeweiligen Grad der Beobachtbarkeit. Während mentale Verarbeitungsprozesse für den Beobachter verdeckt bleiben, sind manche Aktivitäten, wie z.B. Notizenmachen, schnell zu bemerken.

(10) Lernstrategien können bewußt und unbewusst sein

Lernstrategien können, wie jede Fertigkeit, automatisiert und unbewußt eingesetzt werden. Die Kunst der Strategieanwendung besteht darin, die dem Lerngegenstand und dem Lerner gemäßen Strategien zu wählen. Deshalb ist es günstiger, wenn sich die Lerner ihrer Strategien bewußt sind.

(11) Lernstrategien sind flexibel

Die Lernstrategien können in ihrer Kombination und Anwendung flexibel sein. Jeder Lerner kann andere Strategien wählen und unterschiedliche Sequenzen von Strategien anwenden, sie mehr oder weniger frei kombinieren.

(12) Die Strategiewahl wird von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst

Die Wahl von Strategien hängt von verschiedenen Faktoren ab. Man unterscheidet zwischen zwei Gruppen solcher Faktoren: Lernermerkmale (wie etwa Nationalität, Alter, Lernniveau, Lerntyp, Sprach-, Strategie- und Lernbewußtsein) und Aufgabenmerkmale (Qualität der zu bewältigenden Aufgabe).

Diese Liste der Merkmale hilft sehr, das Strategiephänomen zu verstehen. Bei der Präsentation wurden solche Unterrichtsbezüge berücksichtigt, wie individuelle Lernervorausetzungen, Lehrerrolle und Unterrichtsgegenstand. Es ist aber möglich, daß der Begriff der Lernstrategie, solange konkrete Strategiebeispiele nicht genannt werden, unklar bleibt. Deshalb werden die einzelnen Strategien im späteren Teil der Arbeit dargestellt.

C. Argumente für Lernstrategievermittlung

Um das Lernstrategiephänomen möglichst vollständig zu präsentieren, wird jetzt noch darauf eingegangen, warum die Strategien vermittelt werden sollen. Früher wurde gesagt, daß die Strategien zur Entwicklung der kommunikativen Kompetenz im Fremdsprachenunterricht beitragen. Außerdem wurde in Untersuchungen nachgewiesen, daß sie allgemein zu besseren Lernergebnissen verhelfen. Sie helfen mehr und schneller zu lernen (Naef, 1980). Mit Hilfe der Lerntechniken können die Schüler ihre Lernzeit rationeller gestalten und den Stoff so aufbereiten, daß er besser kognitiv verarbeitet werden kann. Dank dessen wird er schneller und besser angeeignet und abruffähig gespeichert. Die Lerntechniken können also für den Abbau von Leistungsschwächen eine große Rolle spielen. Sie tragen auch zur Selbständigkeit und Mündigkeit der Schüler bei (Rampillon, 1989: 18). Sie sind notwendige Werkzeuge, die einem Lerner gegeben werden müssen, damit er sein Lernen selbständig steuern kann. Wenn er diese Werkzeuge hat, kann er versuchen, Verantwortung für sein Lernen zu übernehmen. Er erlernt, wie man lernt. Dadurch wird der Prozeß des lebenslanges Lernens (lifelong-learning) gefördert. Es ist sehr wichtig, weil das Lernen nicht mit dem Abschluß der Schule aufhört, sondern fortgesetzt werden muß (Wenden 1987: 9). Die in der Schule erlernten Inhalte werden oft für den späteren Lebensweg irrelevant, deshalb ist es wichtig, dem Schüler das zu vermitteln, was er zur selbstständigen Erweiterung seines Wissens und Könnens braucht. Man soll sich in der Schule mehr auf den Prozeß als auf den Inhalt orientieren, besonders in unserer Zeit der schnellen Wissenschaftsentwicklung. Lifelong-learning ist natürlich auch für den Fremdsprachenerwerb sehr wichtig. Man hört nie auf, die eigene Muttersprache zu lernen. Es ist also auch wichtig, das Lernen einer Fremdsprache über die Schulzeit hinaus fortzusetzen. Im schulischen Fremdsprachenunterricht können nämlich nicht alle Bedürfnisse der Lerner berücksichtigt werden (Little 1991). Manche von ihnen ergeben sich erst später, und dann muß der Lerner versuchen, seine Wissenslücken zu beheben. Er kann die Sprache für seinen Beruf oder seine Freizeit brauchen. Möglicherweise wird er keine Zeit haben, an einem Kurs teilzunehmen. In diesem würden seine individuellen Bedürfnisse ohnehin nicht vollständig berücksichtigt werden. Deshalb muß man bereits dem Schüler die Strategien vermitteln, die ihm helfen, allein zu lernen. Bereits in der Schule muß der Lerner Gelegenheit haben, diese Form des Lernens auszuprobieren. Sie ist aber auch für den schulischen Unterricht günstig, weil der Einsatz von Strategien den Schüler aktiviert. Er muß nämlich mit Hilfe des Lehrers Entscheidungen über Lehrstoff, Lernzeit, Lernziel und Lernmethoden treffen. Das führt wiederum dazu, daß der Leistungsstreß abgebaut wird. Wenn der Lerner sich bewußt ist, daß er seine Lernprozesse selbst steuern kann, gerät er nicht so leicht in den Teufelskreis des Leistungsdrucks (Rampillon, 1989: 21). Er kann nämlich in dem Konzept des autonomen Lerners seine Lernzeit selbst einplanen, Verfahren, Strategien wählen und Leistungen selbst kontrollieren und bewerten. Er wird das alles nur machen können, wenn ihm früher Strategien vermittelt wurden. Zum Schluß wollen wir ein Argument nennen, das uns besonders wichtig zu sein scheint. Die Lerntechniken fördern Individualisierung des Lernprozesses. In jeder Gruppe sind verschiedene Lerntypen zu finden, und es ist sehr schwer, sie im Lehrprozeß zu berücksichtigen. Aber man kann den Lernern helfen, ihren eigenen Lerntyp zu erkennen, und ihnen die Möglichkeit geben, ihnen gemäße Lernstrategien einzusetzen (Rampillon 1989. 19). Damit wäre der Lernprozeß soweit wie möglich individualisiert.

In diesem Kapitel der Arbeit wurde versucht, das Phänomen der Lernstrategien darzustellen. Da in der Literatur zur Lernstrategieforschung eine den Forschern gemeinsame Definition fehlt, wurde der Begriff für die Zwecke der Arbeit definiert. Unter Strategien werden Verhaltensweisen der Lerner verstanden, die von ihnen unbewußt oder bewußt eingesetzt werden, um die kognitiven, metakognitiven, affektiven und sozialen Aspekte des Lernens selbständig zu steuern. Um das Phänomen verständlicher zu machen, wurden auch die Merkmale der Strategien genannt. Am Ende wurden die wichtigsten Argumente für Strategievermittlung dargestellt. Damit versuchte man, den Strategiebegriff für die Zwecke der Arbeit zu definieren und dem Leser das Phänomen näherzubringen.

IV. Der gute Fremdsprachenlerner

Die Untersuchungen der siebziger Jahre hatten einen Master-Modelling Charakter. Die For­scher versuchten herauszufinden, was einen Fremdsprachenlerner, der seine Fähigkeiten voll­kommen zu entfalten vermag, von einem nur mittelmäßigen Schüler unterscheidet. Sie haben also die exzellenten Lerner in ihrer Arbeit beobachtet, um die Struktur ihres kognitiven, kommunikativen und sozialen Lernverhaltens festzuhalten. Die Ergebnisse wurden dann analysiert und zu einem Modell verdichtet. Hier wird versucht, das Bild eines guten Fremdsprachenlerners darzustellen, das hauptsächlich auf den Forschungsergebnissen von Rubin (1975), Stern (1975) und Naiman (1978) basiert. Es werden hier aber auch neuere Entdeckungen berücksichtigt.

In zahlreichen Untersuchungen wurde festgestellt, daß der gute Fremdsprachenlerner zahlreiche Strategien oder eher Komplexe von Strategien einsetzt. Dabei wählt er Strategien, die für eine bestimmte Aufgabe und für ihn persönlich geeignet sind. Er besitzt, Wissen über die Aufgabe, über die Lernereigenschaften und über die Strategien, das seine Vorgehensweise beim Lernen beeinflußt. Der gute Lerner kennt die Art der Aufgabe, ihren Zweck und ihre Lösungsmöglichkeiten. Er weiß, wie man eine fremde Sprache lernt und wie man bestimmte Teilfertigkeiten erwerben kann. Der Lerner kennt auch seinen Lernstil, seinen Lerntyp, seine Lernpräferenzen, Begabungen, Lernschwächen und seinen Wissensstand. Er kennt auch zahlreiche Strategien und setzt sie ihm und der Lernaufgabe gemäß ein. Dadurch hat er große Chancen, gute Lernergebnisse zu erreichen. So kann man also ganz allgemein das Verhalten eines guten Fremdsprachenlerners beschreiben. Es wird jetzt genauer dargestellt, was den guten von dem schlechten Lerner unterscheidet. Es wird das Bild des guten Fremdsprachenlerners, der ein Strategiebenutzer ist, dargestellt.

Der gute Fremdsprachenlerner besitzt Wissen über sich selbst als Lerner. Er kennt seinen persönlichen Lernstil und weiß, wie er am effektivsten lernen kann. Was wichtig ist, er zieht Nutzen aus diesem Wissen. Er versucht in jeder Situation, den für ihn geeigneten Lernweg zu gehen. Er weiß, welche Strategien und Lernmethoden für ihn geeignet sind. Er läßt sich nicht passiv auf die Lerninstruktionen ein, sondern überprüft, ob die vorgeschlagene Vorgehensweise für ihn geeignet ist. Wenn es nicht der Fall ist, geht er seinen eigenen Weg. Er ist durchaus aktiv, nicht nur in der Wahl der Methode, sondern auch der Lernziele. Das steigert natürlich seine Motivation. Er versucht wirklich, das zu erreichen, was er sich vorgenommen hat. Er nimmt also aktiv am Unterricht teil und ergreift Gelegenheiten, die Fremdsprache auch außerhalb des Klassenzimmers zu lernen. Er nutzt beispielsweise jede Möglichkeit, mit einem Muttersprachler zu sprechen. Er hört Radio, sieht fern und liest in der Zielsprache. Der gute Fremdsprachenlerner fängt auch relativ schnell an, in der Sprache zu denken. Er weiß auch, daß das Erlernen einer neuen Sprache ein langwieriger Prozeß ist. Deshalb bringt er viel Geduld auf und weiß, mit seinen Fehlern und Mißerfolgen umzugehen. Er kann sich motivieren, seine Ängste und Blocka­den überwinden. Das alles verhilft ihm zum Lernerfolg. Man kann bemerken, daß ein guter Fremdsprachenlerner seinen Lernprozeß weitgehend selbständig steuert, wodurch er seine in­dividuellen Präferenzen und Bedürfnisse berücksichtigen kann. Er ist aktiv und für sein Lernen selbst verantwortlich. Der gute Fremdsprachenlerner ist autonom.

Es wurde früher gesagt, daß der gute Lerner Wissen um die Lernaufgabe besitzt. In unserem Fall handelt es sich um das Wissen über das Erlernen einer fremden Sprache. In den Untersuchungen der siebziger Jahre wurde festgestellt, daß der gute Fremdsprachenlerner eine andere Einstellung zur Sprache als der schwache hat, was seine Herangehensweise an das Lernen sehr stark beeinflußt. Er versteht die Sprache als Kommunikationsmittel und System. Deshalb findet er es sehr wichtig, die Sprache anzuwenden. Trotz der Unvollkommenheit seiner Sprachkenntnisse versucht er, in der Sprache zu kommunizieren. Die Gefahr, daß er dabei Fehler macht, schreckt ihn davon nicht ab. Er überprüft aber seine Aussagen und will verbessert werden. Er versucht, aus seinen Fehlern zu lernen. Die Kommunikation in der Zielsprache ist für ihn eine gute Gelegenheit zu lernen, nach der er sucht. Er hat gute Techniken, seine fehlende Kompetenz bei Sprachproduktion und Verstehen auszugleichen. Um die Information verständlich zu machen, benutzt er Gestik, Mimik, Umschreibungen, Synonyme oder andere Hilfsmittel. Ihm stehen auch zahlreiche Kompensationsstrategien für die Sprachrezeption zur Verfügung. Er kann gut inferieren und schnell Hinweise finden, die ihm helfen, auf die Bedeutung der Aussage zu schließen. Das erlaubt ihm, im Gespräch zu bleiben, was indirekt zu seinem Lernen beiträgt. Er verhält sich so, weil die fremde Sprache für ihn eine Fertigkeit, ein Kommunikationsmittel ist.

Der gute Fremdsprachenlerner versteht die Sprache aber gleichzeitig auch als System. Er versucht herauszufinden, wie sie funktioniert. Er interessiert sich nicht nur für die Grammatik, sondern auch für Aussprache und Wortschatz. Er stellt Hypothesen auf und überprüft sie. Geschickte Analyse, Schlußfolgerungen, Kategorisierung und Synthese erlauben ihm, die Sprache als System zu sehen. Er ist wie ein Detektiv, der den Regelmäßigkeiten der Sprache auf der Spur ist. Um sie zu entdecken, zieht er Hilfen aus verschiedenen Bereichen heran. Er vergleicht sie z.B. mit der Muttersprache oder einer anderen Fremdsprache. Er experimentiert.

Es wurde dargestellt, wie sich ein guter Fremdsprachenlerner verhält. Wenn wir nach Stern (in Wenden 1987) annehmen, daß die Aktivitäten, die die Lerner einsetzen, um eine zu beherrschen, Strategien sind, müssen wir zugeben, daß die erfolgreichen und nicht erfolgreichen Lerner Strategien einsetzen. Die Wahl von Strategien wird durch das Wissen über Aufgabe, eigene Lernereigenschaften und Strategien beeinflußt. Was für den Lernerfolg ausschlaggebend ist, ist die richtige Wahl der Strategien. Der gute Lerner setzt Strategien ein, die ihm und der zu bewältigenden Aufgabe gemäß sind. Was den guten Lerner ausmacht ist, daß er nicht nur solche Strategien einsetzt, die seine kognitiven Verarbeitungsprozesse direkt fördern, sondern auch solche, die auf affektive und soziale Aspekte des Lernens Einfluß haben. Diese Lernaktivitäten sind den indirekten Strategien untergeordnet, die eine steuernde Funktion übernehmen. Die metakognitiven Techniken werden eingesetzt, um das Lernen zu planen, zu kontrollieren und zu bewerten. Die guten Lerner steuern ihre Lernprozesse selbständig. Sie planen ihr Lernen, setzen sich Ziele, wählen Materialien, Inhalte und Strategien. Sie kontrollieren ihre Lernprozesse und bewerten. Die Bewertung und die frühere Lernerfahrung berücksichtigen sie bei der nächsten Planung des Lernvorhabens. Sie überprüfen ihre Lernroutinen, Lerngewohnheiten, festgefahrenen Vorgehensweisen und, wenn es nötig ist, revidieren sie. Deshalb können sie immer bessere Lernergebnisse erreichen. Solche Vorgehensweise beim Lernen wird als autonom bezeichnet. Sie ist also besonders günstig, weil der selbständige Lerner aktiv und motiviert ist. Er setzt sich selbst Ziele, wobei er seine eigenen Bedürfnisse berücksichtigen kann, wählt selbst Materialien, die ihn interessieren, und wendet Lernstrategien an, die seinem Lerntyp angemessen sind. Der gute Lerner richtet sich bei der Wahl der Lerntechniken auch nach dem selbst gewählten Lerngegenstand, selbstgesetzten Lern­ziel und seiner Lernbefindlichkeit (Lernerfahrung, Vorwissen, Lernroutinen). So kann er seine Lernprozesse weitgehend individualisieren. Das Bild des guten Fremdsprachenlerners ist also gleichzeitig das eines autonomen, der selbstbewußt, selbstverantwortlich und selbstkritisch ist und weiß, was erfolgreiches Fremdsprachenlernen ausmacht. So sind wir von dem Bild des erfolgreichen Lerners (Rubin 1975, Stern 1975, Naiman 1978) zu dem eines autonomen gekommen (Little 1991, Rampillon 1994). Wir haben festgestellt, daß die selbständig lernenden Schüler größere Chancen haben, eine Sprache zu beherrschen.

Das ist das Bild des idealen Fremdsprachenlerners, das in Folge der Forschungen der siebziger Jahre entstand. In zahlreichen Untersuchungen wurde in dieser Zeit festgestellt, daß manche Lerner bessere Lernergebnisse erreichen, weil sie versuchen, ihr Lernen selbst zu planen, zu kontrollieren und zu bewerten. Sie steuern ihr Lernen selbst, übernehmen Verantwortung für ihre Lernergebnisse, sind aktiv und autonom. Ihr Verhalten wird als strategisch bezeichnet. Sie setzen ganze Sequenzen von indirekten und direkten Strategien ein, die ihnen und der Lernaufgabe gemäß sind. Dabei aktivieren sie ihr Wissen über Strategien, Lernereigenschaften und Lerngegenstand. Bei unserem Verständnis des Strategiebegriffs können wir den guten Fremdsprachenlerner als geschickten Strategiebenutzer bezeichnen. Dies erweckt Hoffnung, weil die Strategien lehrbar sind. Wenn man also Lerntechniken und dabei Lernerbewußtsein entwickelt und darüber hinaus dem Lerner Wissen über Lerngegenstand und -aufgabe vermittelt sowie seine Bereitschaft zur Selbststeuerung fördert, wird er vielleicht besser lernen können. In dieser Arbeit wird also darauf eingegangen, wie man dem Lerner zu besseren Lernerfolgen verhelfen kann.

V. Lernstrategien zum Fremdsprachenerwerb

Bei der Charakteristik des guten Fremdsprachenlerners wurde gesagt, daß der erfolgreiche Schüler zahlreiche Strategien beim Lernen einsetzt. Bei der Wahl der Strategien berücksichtigt er die Art der Aufgabe und seine Lernermerkmale. Um schwächeren Schülern zu besseren Lernergebnissen zu verhelfen, kann man sie lehren, sich ähnlich zu verhalten. Deshalb soll man ihnen das Wissen über diese drei Komponenten (Strategien, Lernermerkmale und Aufgabe) vermitteln. In diesem Teil der Arbeit werden also Strategien dargestellt, die beim Zweitspracherwerb eingesetzt werden, und den Schülern, die eine fremde Sprache lernen, vermittelt werden sollten. Das wird den Schwerpunkt dieses Kapitels bilden. Zuerst werden aber die Methoden zur Erfassung von Lernstrategien genannt, mit deren Hilfe die Forscher die Strategien ermittelt haben.

A. Methoden der Lernstrategieerfassung

Im Rahmen dieser Arbeit werden die Verfahren zur Erfassung von Lernstrategien aus zwei Gründen dargestellt. Sie sind wichtig als Methoden der Lernstrategieforschung, hiermit wichtig für die Forscher, aber gleichzeitig auch sehr bedeutend für den Lerner. Im Prozeß der Ermittlung der Strategien finden nämlich zwei wichtige Prozesse statt. Nicht nur der Forscher lernt die Strategien seiner Versuchsperson kennen, sondern auch der Lerner selbst gewinnt dadurch Einsicht in seine Lernprozesse. Dadurch wird nebenbei sein Lernerbewußtsein entwickelt. Das ist auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Lernautonomie und wichtige Vorraussetzung zum Strategietraining.

1. Kategorien zur Klassifikation der Lernstrategie­erfassungsmethoden

Das allgemeine Ziel der Methoden, die in diesem Kapitel dargestellt werden, ist, Strategien zu ermitteln, die von den Lernern bei verschiedenen Aktivitäten unter unterschiedlichen Bedingungen eingesetzt werden (O’Malley & Chamot 1990: 86)[14]. Es gibt mehrere Verfahren, die dazu führen. Unterschiedliche Vorgehensweisen sind auch für unterschiedliche Untersuchungszwecke und -bedingungen geeignet. Die Methoden unterscheiden sich voneinander in mehreren Aspekten. Faerch und Kasper (1987) nennen sechs Kategorien zur Klassifizierung der einzelnen Methoden. Sie werden jetzt dargestellt und besprochen. Wir nehmen nämlich an, daß nicht nur Forscher, sondern auch Lehrer diese Verfahren zur Ermittlung der vorhandenen Strategien anwenden werden. Deshalb ist es wichtig, daß die Lehrer sich der Aspekte, in denen sich die einzelnen Methoden voneinander unterscheiden, bewußt sind, damit sie die Richtige für ihre Zwecke wählen können. Es sind:

(1) Objekt der Untersuchung; Strategien, die ermittelt werden sollen

Das allgemeine Ziel all dieser Verfahren ist, Strategien beim Lernen einer Sprache zu ermitteln. Die Strategien unterscheiden sich aber in vielen Aspekten voneinander. Sie unterscheiden sich beispielsweise im Grad der Bewußtheit, Beobachtbarkeit und ihrer Funktion. Es gibt Strategien, die bewußt eingesetzt werden, aber auch solche, die weitgehend automatisch ablaufen. Solche Strategien sind viel schwieriger zu entdecken, und man muß dabei anders vorgehen.

Strategien unterscheiden sich auch im Grad der Beobachtbarkeit. Es gibt eine ganze Reihe von Strategien, die nur mental verlaufen. Solche Strategien sind für den Forscher verdeckt. Aber es gibt auch solche, die er gut beobachten kann, wie z.B. Notizenmachen, Zusammenarbeit mit anderen Schülern usw.. Während letztere in Beobachtungsverfahren ermittelt werden können, werden die anderen nur mit Hilfe der introspektiven Methoden erfaßt.

Die Vorgehensweisen unterscheiden sich auch deshalb, weil sie zur Erfassung von Strategien aus unterschiedlichen Funktionsbereichen dienen. Der Forscher kann sich beispielsweise auf metakognitive, kognitive oder soziale Strategien konzentrieren oder auch versuchen, zahlreiche oder eine bestimmte Technik zu ermitteln. Mit Hilfe eines Fragebogens kann er zahlreiche Strategien ermitteln, während er beim think aloud - Verfahren Informationen über eine konkrete Strategie gewinnt. Die Methoden sind also für die Ermittlung verschiedener Strategietypen unterschiedlich gut geeignet. Deshalb kann man sie nach diesen Kriterien klassifizieren und damit dem Lehrer die Wahl der geeigneten Vorgehensweise erleichtern.

(2) Teilfertigkeit oder Aufgabe

Wie schon früher erwähnt, sind manche Strategien aufgabenspezifisch. Das Ziel einer Untersuchung kann sein, eben solche Strategien zu ermitteln, die bei bestimmten Aufgaben und Teilfertigkeiten (Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben) eingesetzt werden oder beim Fremdsprachenlernen allgemein. Dementsprechend wird man bei der Ermittlung der Strategien andere Methoden anwenden.

(3) Zeitfaktor

Die Erfassung der Lernstrategien kann auch in unterschiedlicher zeitlicher Beziehung zur Anwendung der jeweiligen Strategie stehen. Man unterscheidet hauptsächlich zwischen drei Möglichkeiten (O’Malley & Chamot, 1990: 90)

1. simultaneous introspection - Die Lernprozesse und Erfassung der Strategien laufen gleichzeitig ab; (z.B. lautes Denken bzw. think aloud - Diese Methode erlaubt, Strategien zu ermitteln, die mehr unbewußt angewandt werden).
2. immediate retrospection - Die Erfassung der Daten erfolgt unmittelbar nach dem Abschluß der Aufgabe (z.B. Interview). Andererseits kann das laute Denken bei den natürlichen Verarbeitungsprozessen stören.
3. delayed Introspection - Die Strategievermittlung kann viel später als ihre Anwendung stattfinden.

Diese Verfahren können nicht in allen Fällen eingesetzt werden. Es ist beispielsweise nicht sinnvoll, Lautes Denken-Verfahren bei mündlicher Sprachproduktion einzusetzen.

(4) Training des Informanten

Der Forscher muß sich bei der Wahl der Methode überlegen, ob er den Lerner zuerst darauf vorbereiten muß. Bei solchen Vorgehensweisen, wie Tagebuch, Interview, lautes Denken usw., ist es besser, die Versuchsperson mit Ziel und Verfahren der Untersuchung bekannt zu machen, um die erwünschten Informationen zu bekommen. Man soll ihr erklären, worüber, wie oft und wieviel sie berichten soll; und das mit ihr zuerst üben (Ericsson & Simon 1987).

(5) Erfassungsprozedur

Bei der Erfassung der Daten kann man unterschiedlich vorgehen. Die Ermittlung von Strategien kann mündlich oder schriftlich, in der Mutter- oder der Zielsprache erfolgen. Man läßt meistens die Versuchspersonen über ihre Strategien in der Muttersprache berichten. Für die alternative Vorgehensweise ist hohes Niveau der Sprachbeherrschung eine wichtige Voraussetzung. Mündliche und schriftliche Datenerhebung zieht weitere Konsequenzen nach sich. Mündliche Aussagen müssen aufgenommen und transkribiert werden, was mit größerem Zeitaufwand verbunden ist. Sie sind aber meistens informativer als die schriftlichen, weil der Lerner es auch meistens interessant findet, mit jemandem über sein Lernen zu sprechen (O’Malley & Chamot 1990: 94). Die einzelnen Methoden beeinflussen stark die Struktur der erhobenen Daten. Die Fragebogen haben eine festgelegte Struktur, und die Antworten werden stark gelenkt, was die Auswertung erleichtert. Bei Tagebüchern entscheidet dagegen der Lerner selbst, was er schreibt. Deshalb wird der Forscher dabei auf viele irrelevante Informationen stoßen, aber bestimmt auch neue Erkenntnisse über Lernprozesse erhalten. Die Analyse solcher freien Daten ist viel schwieriger.

(6) Zahl der Informanten (Einzelner Lerner versus Gruppe)

Erfassung von Lernstrategien kann auch mit unterschiedlicher Zahl der Personen erfolgen. Man kann mit großen oder kleinen Gruppen oder einzelnen Personen arbeiten. Dabei sind auch unterschiedliche Methoden einzusetzen. Man kann mehrere Lerner beobachten oder auch großen Gruppen Fragebögen zum Ausfüllen geben. Bei Interviews ist es aber günstiger, mit einzelnen Lernern zu arbeiten. Auch Tagebuchführung und lautes Denken sind Formen der individualisierten Datenerfassung. Interwievs dagegen kann man sowohl mit einzelnen Schülern als auch mit Gruppen durchführen. O’ Malley empfiehlt jedoch, dieses Verfahren nur mit einer geringen Anzahl von Versuchspersonen einzusetzen.

2. Methoden zur Erfassung von Lernstrategien

Es sind die wesentliche Aspekte, in denen sich die einzelnen Vorgehensweisen bei der Erfassung von Lernstrategien voneinander unterscheiden. Die Forscher haben die Möglichkeit, verschiedene Daten unter unterschiedlichen Untersuchungsbedingungen auf verschiedene Art und Weisen zu erheben. Sie müssen deswegen ihr Ziel und die Untersuchungssituation genau analysieren, bevor sie eine der möglichen Vorgehensweisen wählen. Dies bezieht sich auch auf den Lehrer, der eine der Methoden wählen soll, um zu erfahren, welche Strategien ihre Schüler bereits anwenden. Die Methoden, die ihm und den Forschern zur Verfügung stehen, wurden von Oxford in ihrem Buch (1990: 193ff) dargestellt.

(1) Beobachtung

Es ist eine einfach einzusetzende Methode. Sie bringt aber selten klare, eindeutige Daten. Es geht hier um die Beobachtung der Lerner bei ihrer Arbeit. Der größte Teil der Lernprozesse ist aber unsichtbar.

Diese Methode kann man also nur zur Ermittlung sichtbarer Strategien einsetzen. Es wurden inzwischen Beobachtungsformulare[15] entworfen, die einem Lehrer bei solcher Beobachtung helfen sollen. Durch sie wird die Aufmerksamkeit des Lehrers auf bestimmte Aspekte der Lernprozesse der Schüler gelenkt. Er kann aber auch selbst die Ziele der Beobachtung bestimmen. Im Mittelpunkt seines Interesses können beispielsweise bestimmte Strategietypen bzw. Aufgabenarten stehen. Bei dieser Methode wird oft eine Videokamera eingesetzt, was die Datenerfassung wesentlich erleichtert.

(2) Interview

In diesem Fall wird mit dem Lerner ein Interview über seine Lernprozesse durchgeführt. Er berichtet mit eigenen Worten darüber, was er macht, wenn er lernt.

Man kann hier zwischen folgenden Verfahren unterscheiden. Beide sind introspektiv:

* Interview und lautes Denken

Bei dieser Methode wird der Lerner vom Interviewer aufgefordert, durch lautes Denken spontan und ohne bewußte Kontrolle über seine Lernprozesse zu berichten. Es erfolgt während der Bewältigung einer Aufgabe. Diese Methode eignet sich zur Erfassung von Strategien, die mentale unsichtbare Prozesse implizieren. Auch bei diesem Verfahren kann man nach vorgefertigten Interviewrichtlinien vorgehen[16].

* Interview und Selbstbeobachtung

Diese Methode ist auch zur Ermittlung von mentalen Prozessen von Lernstrategien geeignet. Der Interviewer arbeitet mit einzelnen Lernern oder kleinen Gruppen. Er befragt sie, wie sie gewöhnlich eine bestimmte Aufgabe machen. Das Gespräch kann kurz nach Bewältigung einer Aufgabe stattfinden, aber es kann auch so sein, daß die Versuchspersonen innerhalb des Experiments keine sprachlichen Aufgaben machen, sondern berichten, wie sie sich typischerweise in einer bestimmten Lernsituation verhalten. Sie sprechen über ihre Beobachtungsergebnisse. Für die Analyse der Daten können Tonbandaufnahmen sehr hilfreich sein. Auch für dieses Verfahren wurden Interviewrichtlinien festgelegt[17].

Man kann diese Verfahren auch variieren. So kann man Interview ohne lautes Denken und lautes Denken ohne Interview einsetzen. Bei allen diesen relativ wenig strukturierten Vorgehensweisen müssen Kategorien für Analyse und Interpretation der Ergebnisse festgelegt werden. Man kann sich aber auch nach vorgefertigten Strategieermittlungsrichtlinien richten. Bei Beobachtung scheint es sehr sinnvoll, mit der Videokamera zu arbeiten. Bei jeder Form der mündlichen Erfassung von Strategien können Tonbandaufnahmen sehr hilfreich sein.

Außer Beobachtung und Interview kann man auch schriftliche Methoden zur Ermittlung von Lernstrategien einsetzen.

(3) Notizenmachen

Bei diesem Verfahren berichten die Lerner schriftlich über ihre Lernprozesse. Man kann dabei aber ganz unterschiedlich vorgehen:

1. Sie werden aufgefordert, sich zu notieren, welche Schwierigkeiten sie bei der Bewältigung einer Aufgabe hatten. Diese Schwierigkeiten werden dann im Interview besprochen.
2. Die Lerner tragen über einen längeren Zeitraum alle ihre Aktivitäten, die zum Fremdsprachenlernen in irgendeiner Weise beitragen, in eine Tabelle ein.
3. Die Lerner tragen in eine Tabelle mit vorgegebenen Strategien ein, wie oft sie diese angewandt haben; ob sie sie gut, effektiv und praktisch finden.

Alle diese Techniken fordern bei dem Schüler Selbstreflexion. Sie entdecken, wie ihre Lernprozesse ablaufen und welche Rolle dabei die Lernstrategien spielen. Ähnliche Prozesse finden bei dem Einsatz der nächsten Untersuchungsmethode statt[18].

[...]


[1] In dieser Arbeit findet eine amerikanische Zitierweise Verwendung. Sie hat sich als äußerst praktisch für den Schreiber und den Leser erwiesen. Nach jedem Zitat wird die Quelle mit Angabe des Autorennamens, dem Veröffentlichungsdatum der vorliegenden Ausgabe und der Seitenzahl - z.B. (Rampillon 1989: 34) - definiert. Dadurch wird der Endnotenapparat erheblich reduziert. Die Endnoten werden nur Zusatzinformationen enthalten Damit die angegebenen Quellen leichter zu finden sind, wird in der Bibliographie das Veröffentlichungsdatum am Ende stehen; bei Zeitschriften wird nach dem Datum noch eine Seitenangabe zu finden sein.

[2] Die zehn Strategien, die von Stern entdeckt wurden (Strern 1983: 414):

1. Planning strategy: a personal learning style or positive learning strategy.
2. Active strategy: an active approach to the learning task.
3. Empathic strategy: a tolerant and outgoing approach to the target language and ist speakers.
4. Formal strategy: technical know-how of how to tackle a language.
5. Experimental strategy: a methodical but flexible approach, developing the new language into an ordered system and constantly revising it.
6. Semantic strategy: constant searching for meaning.
7. Practice strategy: willingness to practise.
8. Communication strategy: willingness to use the language in real communication.
9. Monitoring strategy: self-monitoring and critical sensitivity to language use.
10. Internalization strategy: developing second language more and more as a separate reference system and learning to think in it.

[3] Übersetzung der Autorin im Original (Rubin 1987: 20): 1. actively involve themselves in the language learning prozess by identifying and seeking prefered environments and exploring them, 2. develope an awarness of language as a system, 3. develope an awarness of language as a means of communikation and interaction, 4. accept and cope with the affective demands of second language, 5. extend and revise second language system by inferencing and monitoring

Die guten Fremdsprachenlerner 1. beteiligen sich aktiv am Lernprozeß, 2. verstehen die Sprache als System, 3. verstehen die Sprache als Kommunikations- und Interaktionsmittel, 4. akzeptieren und bewältigen die affektive Komponente des Fremdsprachenlernens, 5. erweitern und verbessern ihr System der neuen Sprache durch Inferenz und Monitoring

[4] Strategien, die im Jahre 1981 von Rubin genannt wurden (O’Malley & Chamot 1990: 4) Strategies that directly affect learning: clarification/verification, monitoring, memorization, guessing/inductive inferencing, deductive reasoning und practice; Processes that contribute indirectly to learning: create opportunities for practice, production trics .

[5] Für weitere Untersuchiungen zu Lernstrategietraining siehe Derry & Murphy (1986)

[6] O’Malley & Chamot (1990: 6): Vocabulary: 1. making up charts and memorizing them; 2. learning words in context; 3. learning words that are assoziated; 4. using new words in phrases; 5. using a dictionary when necessary; and carring a notebook to note new items.

[7] O’Malley & Chamot (1990: 142): Vocabulary: Metacognitive strategies: self-monitoring; self-evaluation; Cognitive strategies: resourcing; elaboration.

[8] Im Orginal Wenden (1987: 6): „First of all, the term learnar strategies refers to language learning behaviours learners actually engage in to learn and regulate the learning of a second language. These language learning behaviours have been called strategies.“

[9] Übersetzung der Autorin. Im Original Labarca (1990: 141): „Learner strategies are task - specific tactics or techniques, observable or nonosevable, that an individual uses to comprehend, store, retrive, and use information or to plane, regulate, or assess learning.“

[10] Norman / Rumelhart (1978) und Anderson (1980) unterscheiden zwischen prozeduralem und deklarativem Wissen. Prozedurales Wissen ist das Wie-Wissen; das Wissen, wie die Informationen zu verarbeiten sind. Das deklarative Wissen wird als Was-Wissen bezeichnet. Es ist das Wissen des Informationsverarbeiters über Fakren und Ereignisse. Dementsprechend sind alle Fertigkeiten also auch Strategien und Sprach-Können als prozedurales Wissen, während Sprach- und Strategie-Wissen als deklaratives gespeichert sind.

[11] Übersetzung der Autorin. Im Original (Oxford, 1990: 8): „learning strategies are specific actions taken by the learner to make learning easier, faster, more enjoyable, more self-directed, more effective, and more transferable to new situations“

[12] Übersetzung der Autorin. Im Original (Stern, 1987: xi): „purposeful activities learners engage in when they are face to face with the tremendous task of language learning“

[13] Oxford schreibt, daß dem Lehrer folgende Rollen zufallen (Oxford 1990: 10): „facilator, helper, guide, consultant, adviser, coordinator, idea person, diagnostician and co-comunikator.“

[14] Im Orginal: O’Malley & Chamot (1990: 86): „The major objective of data collection in studing learning strategies is to elicite information about the ways in which the strategies are used with sprcifick second language tasks by various learner operating under different types of conditions.“

[15] Observation Schedule of Language Learners - Rubin (1981); The Class Observation Guide - O’Malley (1985b)

[16] The Interview Guide - Hosenfeld, Arnold, Kirchhofer, Luciura and Wilson (1981) für Lesestrategien, Student Interview Guide - O’Malley & Chamot (1985b) für verschiedene Fertigkeiten

[17] O’Malley & Chamont (1985b)

[18] Diese Techniken wurden beschrieben. Siehe: Cohen, Glasman, Rosenbaum-Cohen, Ferrara and Fine (1979), Wenden (1986a, 1986b), Allwright (1980)

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Lernstrategien im Fremdsprachenerwerb - Einsatz von NLP zur Festlegung der Lernpräferenzen
Hochschule
Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu  (Angewandte Linguistik; Adam Mickiewicz Universität)
Note
1,0
Autor
Jahr
1996
Seiten
72
Katalognummer
V27236
ISBN (eBook)
9783638293372
Dateigröße
964 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernstrategien, Fremdsprachenerwerb, Einsatz, Festlegung, Lernpräferenzen
Arbeit zitieren
Agnieszka Cieplinska (Autor:in), 1996, Lernstrategien im Fremdsprachenerwerb - Einsatz von NLP zur Festlegung der Lernpräferenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27236

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