Soziale Ungleichheit. Die Folgen der Bildungsexpansion


Hausarbeit, 2013

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Begrifflichkeit der Sozialen Ungleichheit

3. Die Bildungsexpansion
3.1. Ursachen und Ziele
3.2. Methoden

4. Folgen der Bildungsexpansion
4.1. Bildungssystem
4.2. Soziale Problematiken
4.2.1. Sozioökonomische Herkunft
4.2.2. Gender
4.2.3. Ethnie

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

"Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, […] seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“1

So steht es im Grundgesetz und hat allgemeine Gültigkeit. Doch ist das oberste Prinzip in allen Institutionen Deutschlands wirklich, dass alle gleich sind?

Vor allem in Bezug auf die Bildungschancen der Kinder in Deutschland wird dieser Sachverhalt wiederkehrend in den Medien diskutiert.

Die vorliegende Arbeit befasst sich damit, ob die Meritokratie, vor dem Hintergrund der Bildungsexpansion der 50er und 60er Jahre, in unserem Bildungssystem wirklich Einzug erhalten hat?

Hat eine Reform des Bildungssystems in Bezug auf die soziale Ungleichheit wirklich stattgefunden?

Oder kurz: Konnte die Bildungsexpansion das Ziel erreichen, das Prinzip der Gleichheit in das Bildungssystem einziehen zu lassen? Und wenn ja, wie?

Um diese Fragen umfassend beantworten zu können, wird zunächst erläutert in wie weit soziale Gleichheit in Beziehung zum Bildungssystem steht. Außerdem wird der Stellenwert der sozialen Gleichheit vor und nach der Bildungsexpansion skizziert, um später Bezug drauf nehmen zu können. Darauf folgend wird die Bildungsexpansion an sich betrachtet und sich auf deren Ursachen und Ziele bezogen, um schließlich die Folgen der Bildungsexpansion erläutern zu können.

In dem Umfang dieser Arbeit werden nur die Folgen in den folgenden drei Teilbereiche erläutert: sozioökonomische Herkunft, Gender und Ethnie. Abschließend wird ein Fazit formuliert.

2. Soziale Ungleichheit

Spricht man heute in der Gesellschaft von sozialer Ungleichheit, so lassen sich die unterschiedlichen Aussagen in dem folgenden Zitat zusammen- fassen:

Soziale Ungleichheit bezeichnet jenen Zustand der sozialen Differenzierung, in dem die ungleiche Verteilung von Ressourcen, Positionen und Rängen nicht als selbstverständlich angesehen wird und ein gesellschaftliches Problem darstellt.“2

Diese genannten Differenzierungen lassen sich auf ökonomische, kulturelle und soziale Zusammenhänge beziehen.

Es gibt zwei Modelle, die den Zusammenhang zwischen sozialer Gleichheit und dem Bildungssystem, zu beschreiben versuchen. Zum einen das ‚Proporzmodell‘ und zum anderen das ‚meritokratische Modell‘.

Das Proporzmodell versucht die soziale Gleichheit im Bildungssystem nach dem Bevölkerungsanteil der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu beurteilen. So sei soziale Gleichheit erreicht, wenn der Anteil einer Gesellschaftsgruppe, deren Anteil im Schulsystem entspricht.3

In dem heutigen Bildungssystem wird allerdings versucht das „meritokratische Modell“4 als Prinzip anzuwenden, um gleiche Chancen für alle Schüler gewährleisten zu können. Das Modell arbeitet mit der Ansicht, dass jeder Schüler bzw. jeder Bürger nur durch seine individuellen Leistungen einen angemessenen Platz im Bildungs- und Berufssystem erhält, unabhängig von Sozioökonomischer Herkunft, genderspezifischen Unterschiede, etc.

Ob es das Schulsystem schafft dieser Leitfigur gerecht zu werden, steht immer wieder in der Kritik. Auf diesen Aspekt wird allerdings erst an späterer Stelle eingegangen.

Der Stellenwert der sozialen Gleichheit vor der Bildungsexpansion lässt sich mit Hilfe des „katholische Arbeitermädchen vom Lande“5 erläutern. Das „katholische Arbeitermädchen vom Lande“ vereint alle Größen, die zu der damaligen Zeit ausschlaggebend für den Bildungserfolg eines Kindes waren.

Die genannten Bezugsgrößen waren die Ethnie, die sozioökonomische Herkunft, das Geschlecht und die Region und sollen verdeutlichen, dass es zu einer Selektion der Schüler nach diesen Faktoren kam. So waren zum Beispiel Mädchen, in Relation zu ihrem Bevölkerungsanteil, weniger vertreten als die Jungen und besuchten auch weniger häufig das Gymnasium.6

Zu einem späteren Zeitpunkt, wird in Bezug auf die Leitfrage, ein besonderes Augenmerk auf die Aspekte der sozioökonomischen Herkunft, der genderspezifischen Unterschiede und der Ethnie gelegt.

3. Bildungsexpansion

Der Begriff der Bildungsexpansion in Deutschland umfasst nach Müller et al „drei Phasen der Bildungsentwicklung“7, die sich über mehrere Jahrhunderte erstrecken und immer wieder zu einer Reform im Bildungssystem führten. In dieser Arbeit wird sich ausschließlich auf die Bildungsexpansion in den 50er und 60er Jahren bezogen, welche nach Müller et al. als die „dritte Phase“ beschrieben werden kann.8

Zur allgemeinen Definition der Bildungsexpansion lässt sich Folgendes festhalten:

Die „Ausweitung und Ausdifferenzierung der Bildungseinrichtung, die Vermehrung der vermittelten Bildungsinhalte, der Bildungsdauer und der Anzahl der solcherart Gebildeten, wird als ‚Bildungsexpansion‘ bezeichnet.“9

Näheres zu diesem Sachverhalt, wird in Bezug auf die Methoden der Bildungsexpansion erläutert.

3.1. Ursachen und Ziele

„In den Forderungen der 60er Jahre trafen […] ökonomische Wachstums- und sozialpolitische Gerechtigkeitsinteressen zusammen.“10

Spricht man heute von der Bildungsexpansion, so wird sich zumeist auf den Abbau der sozialen Ungleichheit bezogen. Allerdings war dieser Aspekt nicht alleinige Ursache und ausschlaggebend für die Bildungsreform in den 60er Jahren.

Vielmehr spielten besonders wirtschafts- und gesellschaftspolitische Sachverhalte eine wesentliche Rolle.

Am Anfang der Bildungsexpansion steht aus der wirtschaftspolitischen Sicht, vor allem das Wirtschaftswunder der 50er Jahre.

Nach dem 2. Weltkrieg gelang Deutschland durch den Marschall-Plan ein schneller Wiederaufbau und erlangte schnellen wirtschaftlichen Aufschwung. Dabei standen vor allem der Massenkonsum und die Förderung der Industrie im Mittelpunkt11 und gingen mit „steigenden Produktivitäts- und Qualifikationsanforderungen im Arbeitsleben“12 einher.

Unter anderen formulierte Picht vor diesem Hintergrund folgende These:

„Der bisherige wirtschaftliche Aufschwung wird ein rasches Ende nehmen, wenn uns die qualifizierten Nachwuchskräfte fehlen […].“13

Im Zusammenhang mit dieser These forderten Wirtschaftswissenschaftler, dass vermehrt in die Bildung investiert werden sollte, um „sowohl […] das Wirtschaftswachstum zu sichern, als auch […] die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“14

Diese Forderung resultierte daraus, dass in der heranwachsenden Industriegesellschaft die Nachfrage nach Bildung, die durch die steigende Nachfrage nach ausgebildeten und qualifizierten Fachkräften in der Industrie zu Stande kam, meist größer war als das Angebot.15

„In der Bundesrepublik hat sich allein von 1930 bis 1987 der Anteil der Berufe, die sich durch hohes Fachkönnen, hohe Eigenverantwortung und hohe Kommunikations- und Vernetzungsfähigkeiten auszeichnen, von 5,6 Prozent auf rund 22 Prozent erhöht“16

Neben der qualifikationstheoretischen Begründung wurden, aus „einer gesellschaftspolitischen Perspektive[,][…] die zwischen Sozialschichten, Geschlechtern und Regionen ungleich verteilten Bildungschancen problematisiert.“17

So waren zum Beispiel Kinder aus Arbeiterfamilien im Bildungssystem deutlich weniger vertreten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entsprach.18 Hierzu soll nochmals auf das bereits erwähnte ‚Arbeitermädchen vom Land‘ verwiesen werden.

Durch die Differenzierung der schichtspezifischen Bildungserfolge, herrschte eine „scharfe Abgrenzung der Schulformen“19. Die Realschule war im Gegensatz zu dem Gymnasium und der Hauptschule nur wenig besucht. Vor allem durch internationale Bildungsvergleiche und die Kritik an dem Ausmaß der vermittelten Bildung, geriet diese Tatsache in öffentliche Kritik.20

Vester folgert in seinem Aufsatz „Die selektive Bildungsexpansion“ aus der Chancenungleichheit in der Bildung, dass dies eine „wesentliche Ursache für das Zurückbleiben hinter internationalen Standards ist“21 und verweist damit auf die Wettbewerbsfähigkeit, die in dem wirtschaftspolitischen Zusammen- hang genannt worden ist.

Forschungsinstitute der Wirtschaft äußerten dementsprechend, dass Bildungs- und Qualifikationspotenziale der deutschen Bevölkerung durch die Selektion nach Schichtzugehörigkeit u.a. nicht ausgeschöpft, da individuelle Bildungstalente nicht berücksichtigt würden.22

Die „Theorie des Humankapitals“23 beschreibt diesen Sachverhalt sehr anschaulich. Die Theorie besagt, dass jeder Mensch individuelle Veranlagungen hat, unabhängig von äußeren Gegebenheiten, die es zu fördern gilt.

Des Weiteren „erhofften sich […] liberale Kreise eine auf mündige, politisch[…] informierten und interessierten Bürgern beruhenden Demokratie.“24

Bildung trüge demnach zur Aufklärung der Bevölkerung bei und fördere, durch den Abbau des schichtspezifischen Bildungserfolges, die Individualisierung der Schüler.

Zusammenfassend sollte wirtschaftliche und soziale Entwicklung satt finden!

3.2. Methoden

„Diese primär politischen Ziele [wurden][…] durch einen massiven Ausbau des Bildungswesens und einen deutlichen Anstieg der Bildungsbeteiligung in allen Bevölkerungsschichten realisiert“25. Anzumerken ist hierbei, dass sich die Methoden in der Bildungsexpansion ausschließlich auf „das allgemeinbildende, weiterführende Schulsystem von Gymnasium, Realschule und Gesamtschule sowie das Hochschulsystem“26 bezogen. Dies ist ein Resultat dessen, dass der Primarbereich, für alle Kinder gleichermaßen zugänglich war bzw. ist und in dieser Hinsicht keine direkte Selektion stattgefunden hat. Oder anders pointiert: Dieser Teil des Bildungssystems hat bzw. trägt nicht mittelbar zu dem späteren Bildungszertifikat bei.

Es wurden also die weiterführenden Schulen ausgebaut und „materielle[…] und institutionelle[…] Zugangsschranken“27 gesenkt. Die Aufnahmegebühren wurden auf dem Gymnasium abgeschafft28 und bei den Empfehlungen für die weiterführenden Schulen, ging es nicht länger nach der Klassenzugehörigkeit, sondern alleinig nach der individuellen Leistung.

Des Weiteren wurde eine „Curriculumreform“29 eingeleitet.

Wie an voran gegangener Stelle bereits erwähnt, stand im Zusammenhang mit der sozialen Ungleichheit auch das Ausmaß der vermittelten Bildung in der Kritik. Somit hatte die Curriculumreform zum Ziel, „ausgewählte Bildungsinhalte und das praktische Leben stärker [miteinander zu] verzahnen“30, um einen leichteren Einstieg in das Arbeitsleben zu gewährleisten, aber auch um mündige, politisch informierte und interessierte Bürger hervor zu bringen.

Außerdem wurde die Pflichtschulzeit verlängert.31

4. Folgen der Bildungsexpansion

Die Bildungsexpansion hatte Folgen auf alle betroffenen Gruppen bzw. Institution. So hatte sie Auswirkungen auf die Struktur des Bildungssystems, die genderspezifischen Rollenverteilung und die Benachteiligung in sozioökonomischen und ethnischen Begebenheiten.

[...]


1 GG Artikel 3

2 (Andersen, et al., 2003)

3 Vgl. (Geißler, 2008 S. 72)

4 (Geißler, 2008 S. 72)

5 (Allmendinger, et al., 2009 S. 54)

6 Vgl. (Dedering, et al., 2009 S. 376f)

7 (Hadjar, et al., 2006 S. 12)

8 (Müller, et al., 1997 S. 178)

9 (Hradil, 2001 S. 149)

10 (Hradil, 2001 S. 157)

11 (Kriwet, 2013)

12 (Hradil, 2001 S. 157)

13 (Picht, 1964 S. 17)

14 (Zelder, 1985 S. 61)

15 (Hradil, 2001 S. 152)

16 (Vester, 2008 S. 57) zit. Nach (Vester, et al., 2001)

17 (Hadjar, et al., 2006 S. 11)

18 Vgl. (Dedering, et al., 2009 S. 376f)

19 (Tippelt, 1990 S. 29)

20 Vgl. (Hradil, 2001 S. 157)

21 (Vester, 2008 S. 39)

22 Vgl. (Geißler, 2008 S. 71)

23 (Vester, 2008 S. 40)

24 (Hadjar, et al., 2006 S. 14)

25 (Hadjar, et al., 2006 S. 11)

26 (Hopf, 2010 S. 43)

27 (Vester, 2008 S. 40)

28 (Vester, 2008 S. 40)

29 (Tippelt, 1990 S. 29)

30 (Tippelt, 1990 S. 29)

31 (Hadjar, et al., 2006 S. 11)

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Soziale Ungleichheit. Die Folgen der Bildungsexpansion
Hochschule
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel
Veranstaltung
Gesellschafts- und erziehungswissenschaftliche Grundlagen der Sozialen Arbeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
25
Katalognummer
V271923
ISBN (eBook)
9783656637011
ISBN (Buch)
9783656636977
Dateigröße
1086 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
soziale, ungleichheit, folgen, bildungsexpansion
Arbeit zitieren
Nadine Taubensee (Autor:in), 2013, Soziale Ungleichheit. Die Folgen der Bildungsexpansion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271923

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