Arbeitsorganisation und Qualifikation in der Industrie 4.0

Ermittlung der Anforderungen an Management, Mitarbeiter und Arbeitsumfeld in der Produktion


Masterarbeit, 2013

134 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung 1
1.1. Industrie 4.0 als Zukunft der Produktion in Deutschland
1.1.1. Herausforderungen der industriellen Produktion
1.1.2. Stellenwert von produzierenden Gewerbe und Maschinenbau in Deutschland
1.1.3. Sicherung des Industriestandorts Deutschland durch Industrie 4.0
1.2. Auswirkungs- und Anforderungsprognose als Ziel der Arbeit
1.2.1. Stand der Literatur
1.2.2. Zielsetzung der Arbeit
1.2.3. Inhaltliche Abgrenzung
1.3. Aufbau der Arbeit

2. Arbeitsorganisation und Qualifikation in der Produktion
2.1. Soziotechnisches Arbeitssystem der Produktion
2.1.1. Soziotechnische Systeme
2.1.2. MTO-Ansatz
2.1.3. Arbeitssystem der Produktion
2.2. Grundlagen der Arbeitsorganisation
2.2.1. Begriffliche Definition der Arbeitsorganisation
2.2.2. Entwicklung der industriellen Arbeitsorganisation
2.2.3. Dimensionen der Arbeitsorganisation
2.3. Grundlagen der Qualifikation
2.3.1. Begriffliche Definition und Abgrenzung von Qualifikation
2.3.2. Funktionale und extrafunktionale Qualifikationen

3. Rahmenbedingungen und Lösungsansätze der Industrie 4.0
3.1. Abgrenzung und Grundlagen der Industrie 4.0
3.1.1. Artverwandte Begriffe und Leitideen
3.1.2. Grundlagen und Leitidee der Industrie 4.0
3.2. Rahmenbedingungen der Industrie 4.0
3.2.1. Steigende Globalisierung
3.2.2. Volatilere Märkte
3.2.3. Steigende Vielfalt von Produkten und Leistungen
3.2.4. Steigende Dynamisierung von Produktlebenszyklen
3.2.5. Steigende Bedeutung nachhaltiger Entwicklung
3.2.6. Steigende Diversität der Belegschaft
3.2.7. Wandel zur Wissensgesellschaft
3.3. Technologische Lösungsansätze der Industrie 4.0
3.3.1. Cyber-Physische Systeme in der Produktion
3.3.2. Intelligente Assistenzsysteme
3.3.3. Smart Devices
3.3.4. Social Media-Funktionalitäten

4. Delphi-Befragung zur Auswirkungs- und Anforderungsprognose
4.1. Methoden der Zukunftsforschung
4.1.1. Grundlagen der Zukunftsforschung
4.1.2. Gegenüberstellung wissenschaftlicher Prognosemethoden
4.2. Gestaltung der Delphi-Befragung
4.2.1. Definition und allgemeine Vorgehensweise
4.2.2. Herleitung von Thesen und Fragebogenkonzeption
4.2.3. Auswahl der Experten
4.2.4. Beschreibung der Auswertung

5. Anforderungen der Industrie 4.0 an Arbeitsorganisation und Qualifikation
5.1. Auswirkungen von Lösungsansätzen der Industrie 4.0
5.1.1. Durchgehende Vernetzung und Informationstransparenz
5.1.2. Steigende Automatisierung von Produktionssystemen
5.1.3. Selbststeuerung und Entscheidungsfindung von Objekten
5.1.4. Digitale Kommunikation und interaktive Managementfunktionen
5.1.5. Flexibilisierung des Mitarbeitereinsatzes
5.2. Anforderungen an Management, Mitarbeiter und Arbeitsumfeld
5.2.1. Anforderungen an die Arbeitsorganisation
5.2.2. Anforderungen an Qualifikation
5.3. Ansätze für die Arbeitssystemgestaltung der Industrie 4.0
5.3.1. Inhaltliche Flexibilisierung des Mitarbeitereinsatzes
5.3.2. Zeitliche Flexibilisierung des Mitarbeitereinsatzes
5.3.3. Dezentralisierung von Entscheidungsaufgaben
5.3.4. Hohe Partizipation von Mitarbeitern
5.3.5. Standardisierung von Entscheidungsaufgaben

6. Abschluss
6.1. Zusammenfassung der Arbeit
6.2. Reflexion der Methodik
6.3. Ausblick

Literaturverzeichnis XI

Anhang XX

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Bremen.

Viele Menschen haben durch Ihre Unterstützung und Wissensweitergabe dazu beigetragen, dass die Arbeit in dieser Form realisiert werden konnte. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Herrn Prof. Dr.-Ing. Franz J. Heeg für die interessanten Diskussionen und hilfreichen Anregungen im Rahmen der Betreuung dieser Masterarbeit. Ebenso danke ich Frau Dipl.-Psych. Brigitte Schneider-Heeg für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens. Ein weiterer Dank gilt den insgesamt 18 Experten, die an der Delphi-Befragung teilgenommen haben. Die Experten finden sich mit Namen und Institut/ Unternehmen im Anhang 1 dieser Arbeit wieder. Durch ihren jeweiligen inhaltlichen Beitrag haben sie die Prognose im Rahmen dieser Arbeit ermöglicht und somit essentiell zum Ergebnis beigetragen.

Mit der Arbeit werde ich mein Studium abschließen und in das Berufsleben einsteigen. Für die Unterstützung während meines gesamten Studiums möchte ich mich herzlich bei meinen El- tern bedanken. Auf diese Weise konnte ich vollkommen fokussiert meinem Studium nachge- hen und kann auf eine lehrreiche, prägende und erfolgreiche Studienzeit zurückblicken.

Abstract

Die vorliegende Arbeit enthält als Ergebnis die Ermittlung von Auswirkungen durch die Umsetzung der Lösungsansätze der Industrie 4.0 und abgeleitete Anforderungen an Arbeitsorganisation und Qualifikation in der Produktion.

Zukünftige Marktbedingungen führen zu einem herausfordernden Umfeld für die industrielle Produktion. Unter dem Begriff Industrie 4.0 wird versucht, diese Herausforderungen anzugehen und entsprechende technologische Lösungen anzubieten. Diese finden sich in der Ausgestaltung von Cyber-Physischen Systemen, intelligenten Assistenzsystemen, Smart Devices sowie Social Media-Funktionalitäten wieder. Die Entwicklung und Umsetzung dieser technologischen Lösungen ist ein Zukunftsprojekt der Bundesrepublik Deutschland.

Mit der Integration von technologischen Innovationen muss die Ausgestaltung der Auswirkungen auf Mitarbeiter in Form von Anforderungen an Arbeitsorganisation und Qualifikation berücksichtigt werden. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt zur Ermittlung der Anforderungen eine Delphi-Befragung. Dabei wurden 18 hochrangige Experten zur Bewertung zukünftiger Entwicklungstendenzen befragt.

Maßgebliche Ergebnisse sind Auswirkungen in Form einer durchgehenden Vernetzung und In- formationstransparenz, steigender Automatisierung von Produktionssystemen, Selbststeue- rung und Entscheidungsfindung von Objekten, digitalen Kommunikation und interaktiven Ma- nagementfunktionen sowie einer Flexibilisierung des Mitarbeitereinsatzes. Die abzuleitenden Anforderungen erfordern eine Arbeitsorganisation mit hoher Standardisierung und Formali- sierung sowie einer Dezentralisation und geringen Spezialisierung. Anforderungen an die Qua- lifikation von Mitarbeitern sind neben interdisziplinären Fach- und Methodenwissen, an- spruchsvolle aktivitäts- und umsetzungsorientierte sowie sozial-kommunikative Kompeten- zen.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die zehn wichtigsten deutschen Exportwaren 2012

Abbildung 2: Auszug Tendenzbefragung der Plattform Industrie 4.0

Abbildung 3: Schematischer Aufbau der Arbeit

Abbildung 4: Elemente eines Arbeitssystems

Abbildung 5: Funktionale und extrafunktionale Qualifikationen

Abbildung 6: Zeitliche Einordnung der Begrifflichkeiten

Abbildung 7: Industrie 4.0 als Teil des Internets der Dinge und Dienste

Abbildung 8:Ablaufschema der klassischen Delphi-Befragung

Abbildung 9: Herleitung von Hypothesen

Abbildung 10: Systematisierung der Hypothesen

Abbildung 11: Zusammensetzung des Expertenpanels

Abbildung 12: Rückmeldung der Experten

Abbildung 13: Verschiebung der Expertenmeinungen nach Fragewelle

Abbildung 14: Zusammenfassende Darstellung maßgeblicher Aspekte

Abbildung 15: Qualitativ bewertete Ausprägungen der zukünftigen Arbeitsorganisation

Abbildung 16: Maßnahmen zur Generalisierung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Dimensionen der Organisationsstruktur

Tabelle 2: Fachlich-methodische Kompetenzen

Tabelle 3: Sozial-kommunikative Kompetenzen

Tabelle 4: Personale Kompetenzen

Tabelle 5: Aktivitäts- und Umsetzungsorientierte Kompetenzen

Tabelle 6: Allgemeine kognitive Kompetenzen

Tabelle 7: Gegenüberstellung verschiedener Erhebungsmethoden

Tabelle 8: Ausprägungen von Delphi-Befragungen im Vergleich

Tabelle 9: Beispielhafte Darstellung zu beantwortender Fragen

Tabelle 10: Anforderungen an funktionale und extrafunktionale Qualifikation

Tabelle 11: Grundmodi der Arbeitskraftnutzung und Rationalisierung

Tabelle 12: Übereinstimmung von Anforderungen und bestehenden Ansätzen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Das folgende Kapitel dient der Einleitung in die Arbeit. Dazu wird zunächst der Bedarf der Auseinandersetzung mit der Thematik herausstellt. Auf dieser Grundlage wird die Zielsetzung abgeleitet und im Anschluss der Aufbau der Arbeit vorgestellt. Es wird darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Arbeit aus Gründen des besseren Leseflusses auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet wird.

1.1. Industrie 4.0 als Zukunft der Produktion in Deutschland

Die Produktion der Zukunft ist im Wandel und unterliegt großen Herausforderungen, die im Folgenden zunächst kurz aufgeführt werden. Im Anschluss wird der Stellenwert der Produk- tion und des Maschinenbaus für die Bundesrepublik Deutschland beschrieben. Darauf auf- bauen wird das Thema der Industrie 4.0 als Reaktion auf das sich verändernde Produktions- umfeld dargestellt.

1.1.1. Herausforderungen der industriellen Produktion

Das Produktionsumfeld unterliegt einem erheblichen Wandel. Dieser Wandel zeigt sich in län- gerfristigen Entwicklungen, die durch globale und nachhaltige Auswirkungen mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit verbunden sind (Abele & Reinhart, 10f.). Diese Auswirkungen stel- len die industrielle Produktion bereits heute und verstärkt zukünftig vor großen Herausforde- rungen.

Ein stetiges Wachstum des weltweiten Handels und zunehmende länderübergreifende Unter- nehmenskooperationen führen zu einer Verstärkung der Globalisierung und großen Wert- schöpfungsnetzwerken (ebd. 2011, S. 11). Weiterhin führen stetige Innovationen und indivi- duelle Kundenanforderungen zu einer Vielzahl an unterschiedlichen Produktvarianten eines Herstellers auf dem Absatzmarkt (Spath et al. 2013, S. 42). Ein schneller Technologiewandel bedingt häufige Technologiesprünge und kurze Innovationszyklen. Das Wachstum der Welt- bevölkerung sowie steigende Lebensstandards bedingen einen Bedarf an Ressourcen, der in naher Zukunft nicht mehr gedeckt werden kann und ein nachhaltiges Handeln von Gesell- schaften erfordert. (Abele & Reinhart 2011, S. 15ff.) Der demografische Wandel, steigende Multikulturalität und der Bedarf einer persönlichen Work-Life-Balance von Mitarbeitern füh- ren zu hohen Diversitäten in der Belegschaft (Süss & Kleiner 2007, S. 319). Wissen wird als eine bedeutende Ressource in Unternehmen immer stärker anerkannt und als Schlüsselressourcen für sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt angesehen (North 2011, S. 9; Abele & Reinhart 2011, S. 18f.).

Die aufgeführten Herausforderungen werden die deutsche Industrie an ihre Grenzen stoßen lassen, dessen Erfolg maßgeblich auf Produktivitätsgewinne zurückzuführen ist. Aus diesem Grund ist eine flexible Veränderung der deutschen Wirtschaft erforderlich. Diese Veränderung muss Chancen aus globalen Trends nutzen, Produktivitätsfortschritte und Innovation vereinen sowie mittels übergreifenden Initiativen die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Belebung erweitern. (McKinsey&Company 2008, S. 6f.)

1.1.2. Stellenwert von produzierenden Gewerbe und Maschinenbau in Deutschland

Mit der Summe von 614,7 Mrd. Euro betrug der Beitrag des produzierenden Gewerbes1 im Jahr 2012 etwa 26 Prozent am Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland (Statistisches Bundesamt 2013a, S. 96f.). Im Jahr 2012 arbeiten 7,8 Mio. Erwerbstätige im produzierenden Gewerbe2, weitere 7 Mio. Stellen im Dienstleistungssektor hängen indirekt vom Produzierenden Gewerbe ab. Auf diese Weise ist fast jeder zweite Arbeitsplatz in Deutschland mit der Produktion verbunden (ebd., S. 122; Abele & Reinhart 2011, S. VI). Der Anteil des produzierenden Gewerbes in Deutschland an der gesamten Bruttowertschöpfung liegt dabei weit vor vergleichbaren Volkswirtschaften (BMWi 2010, S. 6f.).

Die Branche des Maschinenbaus nimmt eine entscheidende Position für die internationale Stellung Deutschlands als Exportnation ein. Mit einem Anteil von etwa 10 Prozent an den Weltausfuhren platziert Deutschland abwechselnd an erster (2003-2008) oder zweiter Stelle (1991-2002, 2009) der Exportnationen (Staak 2007, S. 85; WTO 2013, o.S.). Wie in Abbildung

1 dargestellt, ist der Export von Maschinen mit einem Umsatzanteil von etwa 165,6 Mrd. Euro (15 Prozent der Gesamtexporte) nach den Exporten der Automobilindustrie (191 Mrd. Euro, 17 Prozent) von entscheidender Bedeutung für die Exportüberschüsse der Bundesrepublik Deutschland (Statistisches Bundesamt 2013b, o.S.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die zehn wichtigsten deutschen Exportwaren 2012 (Statistisches Bundesamt 2013b, o.S.)

1.1.3. Sicherung des Industriestandorts Deutschland durch Industrie 4.0

Die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands als Industriestandort basiert auf der seit Jahrzehnten erfolgenden Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die sich heute bereits in etwa 90 Prozent aller industriellen Produktionsprozessen wiederfindet (Ka- germann et al. 2013, S. 17). Diese Informatisierung hat dabei in den letzten 30 Jahren zu einer grundlegenden Umgestaltung der Lebens- und Arbeitswelt geführt (Kornwachs 2007, S. 177). Weiterhin ist in Ländern mit einem relativ hohen Lohnniveau wie Deutschland der Anteil an manuellen Tätigkeiten an der Wertschöpfung eines Produkts von entscheidender Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit. Auf diese Weise hängt der Erfolg des produzierenden Gewerbes von der Ausgestaltung der Automatisierung sowie effizienten Gestaltung komplexer Ferti- gungsprozesse ab. (Abele et al. 2009, S. 53f.)

In diesem Zusammenhang sind derzeit wegweisende Paradigmenwechsel in der Industrie zu beobachten. Die klassische, zentral gesteuerte Produktionshierarchie wird abgelöst und durch eine dezentrale Selbstorganisation von Objekten ersetzt. Diese basiert auf der Grundlage von Cyber-Physischen Systemen (CPS), die die Verbindung zwischen physischer und virtueller Welt intensivieren. Produkte werden zu Smart Products, die den Produktionsprozess aktiv unter- stützen. Der schonende Einsatz von Energie und Ressourcen stellt dabei eine grundlegende Nebenbedingung dar. Diese Informatiktrends verkörpern die sogenannte vierte industrielle Revolution und werden im Rahmen des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 verdichtet. (Open Au- tomation 2012, S. 4)

Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 der Bundesrepublik Deutschland soll zur Sicherung des Pro- duktionsstandorts Deutschland durch eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie beitragen. Dazu wird eine duale Strategie verfolgt, die aus einer Leitanbieter- und Leitmarkt- perspektive besteht. Die Weiterentwicklung der Technologie soll dabei zu einem Innovations- sprung im Maschinenbau führen. Gleichzeitig soll der Einsatz von innovativer Technologie im nationalen produzierenden Gewerbe durch Effizienzsteigerung zu einem Vorsprung in Produk- tionsprozessen führen. Auf diese Weise soll sowohl der Produktionsstandort Deutschland als auch die Stellung als Exportnation im Maschinenbau gesichert und ausgebaut werden. (Kager- mann et al. 2013, S. 33f.)

Trotz umfassenden technologischen Lösungen der Industrie 4.0 wird voraussichtlich keine Fabrik entstehen, in der keine Mitarbeiter benötigt werden. Fraglich ist jedoch, in welchem Maße sich die Produktion und die damit verbundene Produktionsarbeit ändern werden. (Spath et al. 2013, S. 50f.) Dementsprechend gilt es, neben der Entwicklung von plattform- übergreifenden technologischen Lösungen, auch Auswirkungen für Mitarbeiter zu antizipie- ren, um diese sozialpartnerschaftlich gestalten zu können (Kagermann et al. 2013, S. 21). Im Zusammenhang mit den Herausforderungen bei der Umsetzung der Lösungen der Industrie

4.0 (Abbildung 2) mit direkten Mitarbeiterbezug sind vor allem die Arbeitsorganisation sowie die Aus- und Weiterbildung von großer Relevanz (BITKOM et al. 2013, S. 6). Arbeitsorganisation und Qualifikation stellen somit kritische Parameter bei der Einführung von technischen Innovationen dar und erfordern eine ebenfalls innovative Sozialorganisation, die es im Rahmen der Industrie 4.0 zu gestalten gilt (Kagermann et al. 2013, S. 56f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Auszug Tendenzbefragung der Plattform Industrie 4.0 (BITKOM et al. 2013, S. 6)3

1.2. Auswirkungs- und Anforderungsprognose als Ziel der Arbeit

Anhand der vorangegangenen Motivation lässt sich der Bedarf der Ermittlung von Auswirkungen auf die Produktionsarbeit und damit einhergehende Anforderungen an die Arbeitsorganisation und Qualifikation ableiten. Vor diesem Hintergrund erfolgt im Folgenden zunächst eine kurze Darstellung des aktuellen Stands der Literatur. Im Anschluss wird die Zielsetzung dieser Arbeit formuliert. Darauf aufbauend wird die Arbeit inhaltlich abgegrenzt.

1.2.1. Stand der Literatur

In Form des Abschlussberichts der Forschungsunion Wissenschaft und Wirtschaft (Kagermann et al. 2013) wurde ein Rahmen für die Forschung und Entwicklung hinsichtlich der Industrie

4.0 in Deutschland gesetzt.4 Als erste Resultate beinhaltet der Bericht Forschungsempfehlun- gen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Die zwei Handlungsfelder „Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung im digitalen Industriezeitalter“ sowie „Aus- und Weiterbildung für Industrie 4.0“ setzen demnach Schwerpunkte bei der Gestaltung von Arbeitsorganisation und Qualifikation. Im Rahmen dieser Handlungsfelder sind bislang jedoch noch keine weiteren Forschungsergebnisse entstanden.

Weiterhin gibt es, neben vielen in die Thematik der Industrie 4.0 einführenden Fachbeiträgen, ein Sammelwerk mit dem Titel „Industrie 4.0“ (Sendler 2013). Dieses beschreibt die Wegga- belungen, an denen sich das Thema in der Fachwelt aktuell befindet.5 Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO) hat im Rahmen einer Studie (Spath et al. 2013) Trends und Perspektiven der Produktion der Zukunft in Deutschland vor dem Hin- tergrund der Industrie 4.0 ermittelt.6 Die Studie soll eine Arbeitsgrundlage für die Gestaltung der Industrie 4.0 schaffen. Im Rahmen der Studie werden Anforderungen der zukünftigen Pro- duktionsarbeit ermittelt, damit Deutschland auch zukünftig erfolgreich am Markt bestehen kann. Ferner existieren, bedingt durch die Aktualität des Themas Industrie 4.0 in der Wissen- schaft und Forschung, aktuell lediglich wenige spezifische und keine umfangreichen Literatur- arbeiten.

1.2.2. Zielsetzung der Arbeit

Für eine erfolgreiche Integration der technologischen Lösungsansätze der Industrie 4.0 sollten die Auswirkungen auf produktionsnahe Mitarbeiter Berücksichtigung erhalten. In diesem Zusammenhang lassen sich aus den Auswirkungen Anforderungen an die zukünftige Arbeitsorganisation und Qualifikation ableiten. Als maßgebliche Zielsetzung dieser Arbeit lässt sich dementsprechend die Ermittlung von Anforderungen, die sich im Rahmen der Umsetzung der Lösungsansätze der Industrie 4.0 an Arbeitsorganisation und Qualifikation im produktionsbezogenen Umfeld ergeben, definieren.

Die Zielsetzung lässt sich zur Sicherstellung einer umfassenden Untersuchung in Unterziele aufgliedern. Dementsprechend sollten durch den Mangel an Standard- bzw. Rahmenwerken zum Thema Industrie 4.0 sowie der noch unausgereiften technologischen Ausgestaltung kon- krete Rahmenbedingungen und Leitideen der Industrie 4.0 sowie technologische Lösungsan- sätze aufgenommen werden. Diese Aufnahme sollte den aktuellen Forschungsstand auf Basis der Empirie darstellen. Auf Grundlage der identifizierten Lösungsansätze sollten weiterhin vo- raussichtliche Auswirkungen auf Management, Mitarbeiter und Arbeitsumfeld in der Produk- tion der Industrie 4.0 abgeleitet werden. Diese Ableitung stellt eine qualitative Prognose dar und sollte mit einer Methode der Zukunftsforschung durchgeführt werden. Weiterhin sollten Auswirkungen hinsichtlich möglicher Anforderungen an Arbeitsorganisation und Qualifikation untersucht werden. Die abgeleiteten Anforderungen stellen das Ergebnis dieser Arbeit dar. In einem weiteren Schritt sollten diese hinsichtlich bereits vorhandener Ansätze überprüft wer- den. Dazu sollten Ansatzpunkte arbeitswissenschaftlicher Modelle sowie Handlungsbedarfe herausgestellt werden.

1.2.3. Inhaltliche Abgrenzung

Im Rahmen dieser Arbeit werden Implikationen durch die technologischen Lösungsansätze der Industrie 4.0 betrachtet und hinsichtlich ihrer Auswirkungen und Anforderungen an Ar- beitsorganisation und Qualifikation untersucht. Die Herausforderungen des Marktes und des Unternehmensumfelds in der Produktion der Industrie 4.0 werden dabei nur indirekt in Form der technologischen Lösungsansätze berücksichtigt. Das Zukunftsprojekt der Bundesrepublik Deutschland zielt auf eine maßgebliche Realisierung der mit der Industrie 4.0 verbundenen Ansätze und Leitideen zum Jahre 2025 hin (BMBF 2013, S. 13). Der Betrachtungshorizont die- ser Arbeit bezieht sich somit auf die Ausgestaltung von Arbeitsorganisation und Qualifikation in zehn bis 15 Jahre. Weiterhin wird der Betrachtungsfokus auf die industrielle Produktion der Bundesrepublik Deutschland gelegt. Die Produktion wird dabei nicht produkt- oder branchenspezifisch eingegrenzt und auf ihre maßgeblichen Grundstrukturen und Funktionsweisen abstrahiert, sodass eine allgemeine Ableitung grundlegender Anforderungen an die Arbeitsorganisation und Qualifikation in der Produktion der Industrie 4.0 möglich ist.

1.3. Aufbau der Arbeit

Die Arbeit unterteilt sich, neben der Einleitung in Kapitel 1 und dem Schlussteil in Kapitel 6, in vier weitere Teile. Kapitel 2 enthält die für das Verständnis der Arbeit notwendigen theoreti- schen Grundlagen. Zu den in diesem Kapitel beschriebenen Themen gehört die Beschreibung der Produktion als ein soziotechnisches Arbeitssystem (Abschnitt 2.1). Weiterhin werden Grundlagen der Arbeitsorganisation (Abschnitt 2.2) und der Qualifikation (Abschnitt 2.3) auf- geführt und beschrieben.

Kapitel 3 enthält den Status Quo der Forschung zum Thema Industrie 4.0. Zum Verständnis der Leitideen und Rahmenbedingungen wird das Thema Industrie 4.0 detailliert anhand aktu- eller Beiträgen beschrieben. Dazu erfolgt zunächst in Abschnitt 3.1 die Abgrenzung hinsichtlich artverwandter Begrifflichkeiten und Leitideen. Weiterhin wird der Begriff Industrie 4.0 erklärt und definiert. Die Entwicklung der Herausforderungen des Unternehmensumfelds werden in Form von zukünftigen Rahmenbedingungen herausgestellt (Abschnitt 3.2). Basierend auf den Erfordernissen des Unternehmensumfelds bietet die Industrie 4.0 technische Lösungsansätze, die in Abschnitt 3.3 vorgestellt werden.

Kapitel 4 widmet sich anschließend dem verwendeten Vorgehen zur Prognose von Auswirkungen und Anforderungen an die Arbeitsorganisation und Qualifikation in der Industrie 4.0. Da es sich um die Untersuchung eines zukünftigen Zustands handelt, wird in Abschnitt 4.1 zunächst die Zukunftsforschung vorgestellt und in diesem Rahmen geeignete Methoden zur Auswirkungs- und Anforderungsprognose gegenübergestellt. Die auf Grundlage der Gegenüberstellung ausgewählte Methode der Delphi-Befragung wird in Abschnitt 4.2 vertieft. Dabei erfolgt zunächst die allgemeine theoretische Vorstellung der Methode. Diese wird weiterhin hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung im Rahmen der Auswirkungs- und Anforderungsprognose in der vorliegenden Arbeit spezifiziert.

Die Ergebnisse der Untersuchung auf Grundlage der Delphi-Befragung werden in Kapitel 5 vorgestellt und weiter analysiert. Dazu werden zunächst die ermittelten Auswirkungen an Mit- arbeiter, Management und Arbeitsumfeld in der Produktion der Industrie 4.0 vorgestellt (Ab- schnitt 5.1). Darauf aufbauend werden die abgeleiteten Anforderungen an die zukünftige Ar- beitsorganisation und Qualifikation aufgeführt (Abschnitt 5.2). Basierend auf den Anforderun- gen werden anschließend in Abschnitt 5.3 bestehende Ansätze und Konzepte zur zielführen- den und perspektivischen Ausgestaltung der Arbeit in der Industrie 4.0 untersucht.

Das Kapitel 6 fasst abschließend die Ergebnisse zusammen (Abschnitt 6.1), betrachtet das ver- wendete Vorgehen der Ermittlung von Auswirkungen und Anforderungen in Form der Delphi- Befragung kritisch (Abschnitt 6.2) und zeigt Perspektiven und Ansatzpunkte für weitere Arbei- ten und Forschungsbedarf im Zusammenhang mit der Zielsetzung dieser Arbeit auf (Abschnitt 6.3). Der Aufbau der Arbeit wird schematisch in Abbildung 3 wiedergegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Schematischer Aufbau der Arbeit (eigene Darstellung)

2. Arbeitsorganisation und Qualifikation in der Produktion

Im Rahmen des folgenden Kapitels werden theoretische Grundlagen der Arbeitsorganisation und Qualifikation von Mitarbeiter und Management in der Produktion aufgeführt. Dazu wird zunächst das soziotechnische Arbeitssystem der Produktion und somit das Betrachtungsfeld dieser Arbeit beschrieben. Anschließend werden theoretische Grundlagen zu den Untersu- chungsgegenständen Arbeitsorganisation und (Mitarbeiter-)Qualifikation dargestellt.

2.1. Soziotechnisches Arbeitssystem der Produktion

Die Zielsetzung dieser Arbeit erfordert eine ganzheitlichen Betrachtung potentieller Wirkungs- zusammenhänge der technischen Lösungsansätze der Industrie 4.0 und den Mitarbeitern. Ropohl (2009, S. 135) stellt allgemein die Hypothese auf, dass das Zusammenwirken zwischen Technologie und Mensch durch das Prinzip der Arbeitsteilung zu beschreiben ist. Dementspre- chend werden im Folgenden zunächst Aspekte der Interaktion von sozialen und technischen Systemen vorgestellt. Daraufhin wird die zusammenhängende Betrachtung von Mensch, Technik und Organisation (MTO) beschrieben, die somit noch um das Teilsystem der Organi- sation ergänzt wird. Basierend auf der Beschreibung und Herleitung dieser beiden Ansätze wird im Anschluss das Arbeitssystem der Produktion als Untersuchungsumfeld dieser Arbeit vorgestellt.

2.1.1. Soziotechnische Systeme

Im Rahmen dieser Arbeit sollen Anforderungen an Mitarbeiter, Management und Arbeitsum- feld in Form von Arbeitsorganisation und Qualifikation ermittelt werden. Die Gestaltung menschlicher Arbeit steht demnach im Fokus der Betrachtung. Der Begriff der Arbeit ent- spricht dabei einer gerichteten Tätigkeit des Menschen zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung (Heeg 1991, S. 9 in Anlehnung an Hackstein 1977, S. 11). In diesem Zusammenhang kann die Gestaltung menschlicher Arbeit mit der Gestaltung von soziotechnischen Arbeitssystemen gleichgesetzt werden (Heeg 1991, S. 11). Ein soziotechnisches System kann folgendermaßen beschrieben werden:

„ Ein soziotechnisches System ist mithin ein Handlungs- oder Arbeitssystem, in dem menschliche und sachtechnische Subsysteme eine integrale Einheit ergeben. “ (Ropohl 2009, S. 141)

Basierend auf dieser Definition sollten Unternehmen bzw. Organisationen als soziotechnische Systeme betrachtet werden und bestehen aus einem technischen und einem sozialen Teilsystem, welche nach unterschiedlichen Regeln funktionieren. Zur optimalen Ausgestaltung des gesamten Systems müssen beide Teilsysteme miteinander verknüpft und in Beziehung zueinander untersucht werden. (Baitsch et al. 1989, S. 32f.) Die sozialen Bezüge eines Gegenstands sind individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Bedienung bzw. Nutzung und die damit verbundenen erlenbaren Qualifikationen. Des Weiteren bedarf es eines Motivs bzw. einer Intention, Technik zu verwenden. Zudem basiert der technische Gegenstand im Rahmen der Technikaneignung und -konstruktion auf kulturellen und gesellschaftlichen Wissen vieler Generationen von Entwicklern und Nutzern. (Weyer 2008, S. 34ff.)

2.1.2. MTO-Ansatz

Der Einsatz moderner Technik in Produktionssystemen erfüllt durch verbundene Probleme mit der Technik, mit der Qualifikation sowie in der Arbeitsorganisation oftmals gesetzte Ziele nicht (Ulich 1997, S. 6ff. in Anlehnung an Strohm et al. 1993, S. 129ff.). Die Probleme mit der Technik begründen sich laut Ulich (1997, S. 9) dabei vor allem in den Ursachen unausgereifter, ungeeigneter und zu komplexer Technik. Die Probleme bzgl. der Organisation begründen sich durch die häufige Integration neuer Technik in vorhandene ungeeignete Organisationsstruk- turen. Die problemhafte Qualifikation von Mitarbeitern wird erst nachträglich behoben und nicht strategisch angegangen. Resultierend aus den vorgestellten Problemfeldern lässt sich der Bedarf eines ganzheitlichen Konzepts ableiten, um moderne Technologie erfolgreich in Arbeitssysteme zu integrieren. (ebd. 1997, S. 9) Als Grundlage für dieses Konzept dient der Ansatz soziotechnischer Systeme unter besonderer Fokussierung der Elemente (bzw. Teilsys- teme) MTO. Das MTO-Konzept7 stellt den Einsatz von Technik, den Mitarbeiter sowie dessen Qualifikation und die Gestaltung der Arbeitsorganisation als im Rahmen eines soziotechni- schen System zusammenhängende Elemente dar, die gemeinsam optimiert werden müssen (Ulich 2011, S. 83f.). Dabei bildet die Arbeitsaufgabe den Schnittpunkt der Elemente und zu- gleich den Mittelpunkt des soziotechnischen Systems und der Arbeitsaufgabe wird eine zentrale Vorrangstellung8 zugesprochen (ebd. 2011, S. 202f.). Auch nach Heeg (1985, S. 38) stellen Technik, Organisation und Qualifikation die entscheidenden Faktoren bei der Gestaltung und Entwicklung von Arbeit dar und sollten im Rahmen einer Neugestaltung durch veränderte Bedingungen des Umfelds besonders berücksichtigt werden.

2.1.3. Arbeitssystem der Produktion

Arbeitssysteme sind organisatorische Einheiten von Unternehmen, die Arbeitsaufgaben ent- halten. Diese stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. (Weber 1999, S. 14) Ar- beitssysteme sind im Unternehmen eindeutig identifizierbare und untereinander abgrenzbare Subsysteme. Das bedeutete, dass in einem Arbeitssystem aufeinanderfolgende Teilaufgaben durchgeführt werden und das Arbeitssystem vom Aufgabenspektrum von anderen Arbeitssys- temen des Unternehmens zu unterscheiden ist. (Strohm 1997, S. 136) Arbeitssysteme können entsprechend des soziotechnischen Systemansatzes folgendermaßen erklärt werden:

„ Arbeitssysteme werden [ … ] als zielorientierte, offene und dynamische Sys teme verstanden, dieüber Inputs und Outputs im Austausch mit ihrer Um welt stehen. “ (ebd. 1997, S. 135f.)

Dementsprechend sind Arbeitssysteme als ein funktionierendes Ganzes anzusehen, bei dem das gesamte System und nicht einzelne Arbeitstätigkeiten die Grundgesamtheit bildet (Trist 1990, S. 12ff.). Das Arbeitssystem ist strukturell durch Primär- und Sekundäraufgaben gekenn- zeichnet (Abbildung 4). Die Primäraufgabe eines Arbeitssystems definiert die Tätigkeit bzw. Tätigkeitsabfolge, zu dessen Zweck das Arbeitssystem konzipiert wurde. Die Primäraufgabe stellt somit ein Transformationsprozess dar, in dem festgelegte Inputs in festgelegte Output transformiert werden. Dieser Transformationsprozess erfolgt zu definierten Terminen, Kosten und Qualität. Sekundäraufgaben sind unterstützende Aufgaben, die für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Arbeitssystems notwendig sind. Die Erfüllung der Primär- und Sekun- däraufgaben eines Arbeitssystems erfolgt durch Mitarbeiter mit aufgabenrelevanten Qualifi- kationen sowie durch eine technische Infrastruktur. Die Nutzung und das Zusammenwirken dieser personellen und technischen Ressourcen werden durch die Arbeitsorganisation festge- legt. (Strohm 1997, S. 137) Eine wichtige Anforderung an Arbeitssystemen die Fähigkeit zur Selbstregulation dar. Durch eine ganzheitliche soziotechnische Gestaltung der Elemente

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Elemente eines Arbeitssystems (in Anlehnung an Strohm 1997, S. 138)

Unter dem Begriff der Produktion kann der Prozess der Leistungserstellung verstanden werden. Diese beschreibt die technische Be- bzw. Verarbeitung von Rohstoffen zu Halb- bzw. Fertigfabrikaten im Sinne eines Transformationsprozesses, also der Primäraufgabe eines Arbeitssystems. Weiterhin schließt der Begriff betriebliche Entscheidungsprozesse, wie Produktionsmenge, -programm, Fertigungsverfahren etc., im Zusammenhang mit der Fertigung eines Produkts mit ein. Somit werden neben der Primäraufgabe auch Sekundäraufgaben eines Arbeitssystems einbezogen. (Weber & Kabst 2010, S. 111ff.)

Die industrielle Produktion lässt sich ferner hinsichtlich ihrer Grundformen der Produktions- prozesse abgrenzen. Zu diesen Grundformen zählen stoffgewinnende Prozesse (Rohstoffför- derung), stoffumwandelnde Prozesse (tiefgreifende stoffliche Veränderungen mit typischer- weise chemischen Eigenschaftsänderungen) und stoffverformende Prozesse. Bei letzterer Grundform ist die physikalische Veränderung der Werkstoffe typisch und stellt die fertigende Produktion dar, die im Rahmen dieser Arbeit fokussiert werden soll. (Nebl 2004, S. 60f.)

2.2. Grundlagen der Arbeitsorganisation

Basierend auf der Beschreibung des Arbeitssystems der Produktion werden im Folgenden Grundlagen zur Organisation der Arbeit und somit zur Gestaltung von Arbeitssystemen vorge- stellt. Dazu wird zunächst der Begriff der Arbeitsorganisation erschlossen. Im Anschluss wer- den maßgebliche Entwicklungen und Ausprägungen der Arbeitsorganisation beschrieben.

2.2.1. Begriffliche Definition der Arbeitsorganisation

Unter dem Begriff der Organisation kann grundsätzlich „ [ … ] ein System von institutionalisier ten Regelungen [ … ], das der gemeinsamen Verfolgung gemeinsamer Zwecke dient “ (Heeg 1991, S. 9) verstanden werden. Weiterhin kann der Begriff in betriebswirtschaftlicher Hinsicht folgendermaßen definiert werden:

„ Eine Organisation ist ein komplexes System, in dem Arbeitspersonen, Ar- beitsaufgaben, Arbeits- und Betriebsmittel sowie Arbeitsobjekte in viel- schichtigen und dynamischen Wechselwirkungen stehen. “ (Schlick et al. 2010, S. 433)

Der Organisationsbegriff kann auf verschiedene betriebliche Funktionsbereiche bezogen werden. Im Rahmen der Arbeitswissenschaften steht die Organisation menschlicher Arbeit im Fokus der Betrachtung. Diese Fokussierung lässt sich mit dem Begriff der Arbeitsorganisation abgrenzen und spezifizieren. (ebd., S. 435) Im Kontext der Gestaltung von Arbeitssystemen beschreibt der Begriff grundsätzlich die Verknüpfung von Produktionsfaktoren zu einem Arbeitssystem und umfasst dabei die organisatorischen Aspekte der Planung und Gestaltung (Spath 2009, S. 3; Schlick et al. 2010, S. 435).

Der Begriff der Organisation kann weiterhin hinsichtlich einer Aufbau- und Ablauforganisation unterteilt werden. Die Aufbauorganisation ordnet Aufgaben, Kompetenzen und Verantwort- lichkeiten der Aufgabenerfüllung zu. Auf diese Weise werden die Aufgaben eines Unterneh- mens bzw. einer Abteilung aufgeteilt und die Zusammenarbeit definiert. Die Ablauforganisa- tion strukturiert die Aufgabenerfüllung und damit das Zusammenwirken von Menschen, Be- triebsmitteln und Arbeitsgegenständen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht. Die Aufgaben der Ablauforganisation bestehen somit in der Planung, Gestaltung und Steuerung von Arbeits- abläufen. (Spath 2009, S. 4; Heeg 1991, S. 19) Aufbau- und Ablauforganisation lassen sich so- mit theoretisch differenzieren, werden jedoch in der praktischen Organisationsgestaltung zu- sammengeführt (Schulte-Zurhausen 2010, S. 14).

Analog des Organisationsbegriffes kann auch die Arbeitsorganisation in Aufbau- und Ablau- forganisation unterteilt werden (Luczak 1990, S: 105ff.; Schlick et al. 2010, S. 436). In der Lite- ratur finden sich weiterhin Ansätze, die Arbeits-, Aufbau- und Ablauforganisation auf eine Stufe stellen (Spath 2009, S. 4; Heeg 1991, S. 19f.). Dementsprechend ergänzt die Arbeitsor- ganisation Ablauf- und Aufbauorganisation „ indem sie die durchzuführende Arbeit in den Ar- beitssystemen gestaltet “ (Spath 2009, S. 4). Somit werden mit dieser Gestaltung Arbeitszeit, Entgeltsystem, Art und Umfang der Arbeitsaufgaben und weitergehende Aspekte festgelegt.

(ebd. 2009, S. 4) Ziele der Arbeitsorganisation sind Arbeitssysteme effizient, produktiv und menschengerecht durch bspw. Betriebsmittelauslastung, Flexibilität beim Personaleinsatz sowie einer motivations- und gesundheitsfördernden Arbeitsgestaltung zu planen und zu gestalten (Schlick et al. 2010, S. 436; Heeg 1991, S. 20 in Anlehnung an Refa 1987, S. 28). Dementsprechend wird im Rahmen dieser Arbeit Arbeitsorganisation als Mittel der Gestaltung von Arbeitssystemen angesehen. Dazu werden Ablauf- und Aufbauorganisation als maßgebliche Aspekte der Gestaltung von Arbeitssystemen aufgegriffen.

2.2.2. Entwicklung der industriellen Arbeitsorganisation

Die Entwicklung der Organisationstheorie lässt sich hinsichtlich klassischen und moderneren Ansätzen unterteilen. Zu den klassischen Ansätzen der Arbeitsorganisation zählen der Büro- kratieansatz von Weber (siehe Weber & Winckelmann 1976, S. 125ff. & 551ff.), der mit der ersten industriellen Revolution einhergehende Ansatz des Scientific Managements von Taylor (siehe Taylor & Wallichs 1914, S. 1ff.) sowie der mit der industriellen Automobilproduktion entstandene Fordismus von Ford (siehe Ford 1923, S. 93). Die klassischen Ansätze zielen auf die Gestaltung einer effizienten Organisationsstruktur nach dem Vorbild einer reibungslos funktionierenden Maschine ab. Dabei dienen die organisatorischen Regelungen als zentrales Instrument zur Steuerung der Mitarbeiter. Die in diesem Zusammenhang formulierten hierar- chischen Beziehungen stehen im Vordergrund und individuelle Verhaltensweisen sowie menschliche Bedürfnisse sind irrelevant. Regelabweichungen stellen Störungen dar und sind durch Kontrollen zu vermeiden. Die Bedingungen des Arbeitsumfelds werden im Rahmen der Ansätze als stabil angesehen. (Schulte-Zurhausen 2010, S. 8ff.)

Zu den moderneren Ansätzen der Arbeitsorganisation zählen verhaltenstheoretische, situa- tive und systemorientierte Ansätze. Bei diesen Ansätzen erfolgt eine Humanisierung der Ar- beitsorganisation, da der Mensch nicht mehr als austauschbare Maschine angesehen wird und somit in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Zu den verhaltensorientierten Ansätzen ge- hören u.a. die Human-Relations-Bewegung (siehe Krüger & Röhr 1981, S. 95ff.) und motivati- onstheoretische Ansätze9 von Maslow (siehe Maslow 2008, S. 35ff.), McGregor (siehe McGre- gor 1973, S. 33ff.) und Herzberg (siehe Herzberg et al. 1959, S. 113ff.). Anhand dieser Ansätze kann eine bedürfnisorientierte Arbeitsgestaltung abgeleitet werden. (Schulte-Zurhausen 2010, S. 16ff.) Relevante Aspekte sind in diesem Zusammenhang die Aufgabenvielfalt, die Ganzheitlichkeit sowie der Bedeutungsgehalt von Aufgaben, die Autonomie des Handelns so- wie die Rückkopplung der Ergebnisse der Arbeit (Steinmann et al. 2005, S. 569f.). Der situative Ansatz der Organisationsgestaltung setzt sich mit dem Bürokratieansatz von Weber auseinan- der und basiert auf den Thesen, dass unterschiedliche Organisationsstrukturen und Verhal- tensweisen von Organisationsmitgliedern auf Unterschiede in der jeweiligen Unternehmens- situation zurückzuführen und Organisationsstrukturen und Verhaltensweisen je nach Situa- tion unterschiedlich effizient sind. (Schulte-Zurhausen 2010, S. 23f.) Der systemtheoretische Ansatz geht auf die Wissenschaft der Kybernetik sowie dem bereits beschriebenen Ansatz so- ziotechnischer Systeme zurück. Kern des Ansatzes ist der Aspekt der Selbstorganisation sozia- ler Systeme. Im Gegensatz zu klassischen Ansätzen der Organisationslehre sind Strukturen von Organisationen nicht das Ergebnis planmäßigen, rationalen Handelns sondern entstehen von selbst. Die informale Organisation rückt dementsprechend in den Fokus der Betrachtung. Das planmäßige Organisieren durch das Management durch eine formale Organisationsstruktur stellt lediglich eine Ergänzung dar. (ebd. 2010, S. 29f.)

Entsprechend dieser moderneren Ansätze der Organisationsgestaltung wurden in den 80er und 90er Jahren Gruppen-/ Teamstrukturen mit integrierten indirekten Tätigkeiten und einem erhöhten Autonomiegrad geschaffen. Diese Dezentralisierung der Organisation hat jedoch eine Intransparenz von zuvor in Fachabteilungen gebündeltem Wissen und eine Auflösung informeller, effizienter Netzwerke zur Folge. (Spath 2009, S. 8f.) Weiterhin haben die jüngsten wirtschaftlichen Krisen nicht nur einen konjunkturellen Ursprung, sondern zeigen auf, dass neue Konzepte die Probleme der Gegenwart und Zukunft angehen müssen. Die noch immer vorhandenen, lange gewachsenen Strukturen müssen weiter überwunden werden, um auf Neuerungen adäquat reagieren zu können. (Sihn 1999, S. 1)

2.2.3. Dimensionen der Arbeitsorganisation

In Zusammenhang mit situativen Unterschieden bei der Ausgestaltung von Organisations- strukturen und einer möglichen Abstufung und differenzierten Ausgestaltung des vorgestell- ten Bürokratiemodells lassen sich Dimensionen ableiten, die als übliche Merkmale von Orga- nisationsstrukturen aufgefasst werden können. Die Dimensionen haben sich weitestgehend auf breiter Ebene durchgesetzt und eignen sich zur Beschreibung der Organisationsstruktur.

Wesentlichen Dimensionen sind demnach die Spezialisierung, Standardisierung, Formalisierung, Konfiguration, Zentralisierung sowie die Partizipation und werden nachfolgend genauer vorgestellt (Tabelle 1). (Schulte-Zurhausen 2010, S. 28; in ähnlicher Weise auch Kieser & Walgenbach 2007, S. 77ff.; Hill et al. 1994, S. 170ff.; Pugh et al 1968, S. 65ff.)

Tabelle 1: Dimensionen der Organisationsstruktur (Schulte-Zurhausen 2010, S. 28)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Dimension der Spezialisierung beschreibt den Grad der Arbeitsteilung und somit die Über- tragung von operationalen Tätigkeiten auf Personen und Objekte. Generell kann zwischen ei- ner horizontalen und einer vertikalen Spezialisierung unterschieden werden. (Schulte-Zurhau- sen 2010, S. 152f.) Die horizontale Spezialisierung beschreibt den Umfang der von einem Mit- arbeiter wahrzunehmenden Tätigkeiten und wird von den Extremfällen Generalist, der eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben wahrnimmt, und Spezialist, der immer dieselbe abge- grenzte Routinetätigkeit verrichtet, eingerahmt (Ulich 1972). Spezialisierte Stellen erfordern kurze Anlern- und Einarbeitungszeiten und sind mit gering qualifizierten Mitarbeitern besetz- bar (Kieser & Walgenbach 2007, S. 81). Die vertikale Spezialisierung beschreibt die qualitative Trennung der Durchführung von Tätigkeiten sowie ihrer Planung und Kontrolle. Die vertikale Spezialisierung ist somit ein Ausmaß für den Entscheidungs- und Kontrollspielraum bei der Ausführung der Tätigkeit und sollte in Abhängigkeit der Komplexität der Tätigkeit gesetzt wer- den. (Schulte-Zurhausen 2010, S. 156) Bei einer hohen vertikalen Spezialisierung werden Stel- len gebildet, die mit Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen ausgestattet und lediglich pla- nende und kontrollierende Aufgaben wahrnehmen. Mehrere ausführende Stellen werden zu- sammengefasst und der vertikal spezialisierten Stelle unterstellt. Auf diese Weise entsteht durch die Arbeitsteilung eine Hierarchie. (Kieser & Walgenbach 2007, S. 87ff.) In der heutigen Produktion finden sich organisatorisch gewachsene Strukturen, die, bedingt durch eine Tren- nung von Hand- und Kopfarbeit im Sinne des Taylorismus, Funktionsbereiche mit einer grund- legenden Spezialisierung aufweisen. In diesem Rahmen lässt sich zwischen direkten Mitarbei- tern (Werker), die in direkt wertschöpfenden Produktionsbereichen tätig sind, und indirekten Mitarbeitern (Angestellte), die in indirekten, nicht wertschöpfenden Bereichen arbeiten, unterscheiden. (Bauer 2003, S. 101)

Unter der Standardisierung wird das Ausmaß der Festlegung von Verhaltensvorschriften ver- standen (Schulte-Zurhausen 2010, S. 236). Die Standardisierung bezieht sich auf die Routini- sierung von gleichen oder sich wiederholenden Tätigkeiten und lässt sich auf Arbeitsprozesse und -ergebnisse sowie Fähigkeiten von Mitarbeitern beziehen (Mintzberg 1992, S. 19ff.). Ar- beitsprozesse werden durch Regeln und Programme standardisiert. Regeln sind generelle Ver- haltensvorschriften wobei sich Programme auf bestimmte Situationen beziehen und eine sachliche Abfolge von Handlungsanweisungen umfassen. Auf diese Weise werden Prozesse detailliert beschrieben, unabhängig von einzelnen Mitarbeitern dauerhaft geregelt und führen zu eine Berechenbarkeit von Arbeitsprozessen. (Hill et al. 1994, S. 266) Bei der Standardisie- rung von Arbeitsergebnissen kann zwischen quantitativer und qualitativer Spezifizierung von Ergebnissen unterschieden werden. Quantitative Standards werden durch Pläne vorgegeben. Auf diese Weise wird eine Zielplanung von zukünftigen Zuständen in inhaltlicher und mengen- mäßiger Hinsicht für eine bestimmte Periode vorgegeben. Bei der qualitativen Standardisie- rung von Ergebnissen erfolgt die Erstellung einer Leistungs- oder Produktspezifikation zur Ab- stimmung geforderter Eigenschaften. Die Standardisierung von Mitarbeiterfähigkeiten bzw. Rollen beinhaltet die schriftliche Bestimmung von Stellenmerkmalen sowie erforderlichen Qualifikationen und Kenntnisse der durchführenden Mitarbeiter. (Schulte-Zurhausen 2010, S. 239f.)

Mit der Dimension der Formalisierung wird das Ausmaß von schriftlich fixierten Regeln, Ver- fahren, Anweisungen und der schriftlichen Kommunikation beschrieben (ebd. 2010, S. 240). Nach Pugh et al. (1968, S. 75) kann bei der Formalisierung zwischen den drei Arten Struktur- und Informationsflussformalisierung sowie der Leistungsdokumentation differenziert wer- den. Die Strukturformalisierung umfasst das schriftliche Festhalten von organisatorischen Re- geln bspw. in Form von Organigrammen, Richtlinien und Stellenbeschreibungen. Die Informa- tionsflussformalisierung (Aktenmäßigkeit) beschreibt das Ausmaß der schriftlichen Dokumen- tation von Einzelfällen u.a. durch Protokolle und Mitteilungen. Die Art der Leistungsdokumen- tation beschreibt die schriftliche Fixierung zur Erfassung und Beurteilung der Leistung von Mit- arbeitern z.B. in Form von Arbeits- und Lohnzetteln und Arbeitszeitkarten. (Kieser & Walgen- bach 2007, S. 169ff.; Seidel & Redel 1987, S. 141ff.)

Die Dimension der Konfiguration beschreibt die äußere Form des Stellengefüges, die in erster Linie durch die Zahl der Hierarchieebenen bestimmt wird und somit zu einer flacheren oder steileren Organisationsstruktur führt (Pugh et al. 1968, S. 78). Eine Organisationsstruktur ist demnach flach, wenn sie in Relation zu ihrer Größe wenige hierarchische Ebenen aufweist. Eine steile Struktur ist durch eine Vielzahl hierarchischer Ebenen gekennzeichnet. Grundsätz- lich kann die Aufbaustruktur einer Organisation nach funktionalen Aspekten (Verrichtungs- prinzip) oder nach Objekten (Spartenorganisation) erfolgen. (Schulte-Zurhausen 2010, S. 245ff.)

Unter der Dimension der Zentralisierung wird das Ausmaß der Verteilung der Entscheidungsbefugnis innerhalb der Stellenhierarchie eines Unternehmens verstanden. Dabei kann zwischen den Extrema Zentralisation sowie Dezentralisation unterschieden werden. Die Zentralisation beschreibt die Konzentration von Entscheidungsaufgaben auf der obersten Hierarchieebene. Die Dezentralisation beschreibt im Gegensatz die Verteilung von Entscheidungskompetenzen auf die unteren Hierarchieebenen und somit auf mehrere dezentrale Stellen. (ebd. 2010, S. 216f.) Der Grad der Zentralisierung wird nach Pugh et al. (1968, S. 76ff.) durch die Anzahl der Hierarchieebenen zwischen einer anfallenden Entscheidung und der Hierarchieebene, auf der die endgültige Entscheidung getroffen wird, bestimmt.

Unter Partizipation wird die Beteiligung von Mitarbeitern an den Entscheidungsaufgaben und der Willensbildung hierarchisch übergeordneter Ebenen der Organisation verstanden (Hill et al. 1994, S. 235). Zwischen den Begriffen der Partizipation und der Zentralisierung ist klar zu unterscheiden. Die Zentralisierung ist eine hierarchische Differenzierung von Entscheidungs- aufgaben, die durch den jeweiligen Stelleninhaber selbstständig wahrgenommen werden müssen (entweder A oder B entscheidet). Bei der Partizipation handelt es sich um die Ausfüh- rung der Entscheidungsaufgabe durch Mitarbeiter unterschiedlicher Hierarchiestufen (A und B entscheiden gemeinsam). In diesem Zusammenhang wird vor allem das Mitwirken an Ent- scheidungen verstanden, die durch den unmittelbaren Vorgesetzten getroffen werden und von denen Mitarbeiter unmittelbar betroffen sind. (Seidel & Redel, 1987, S. 36; Hill et al. 1994, S. 235)

2.3. Grundlagen der Qualifikation

Im Folgenden wird der Begriff der Qualifikation ihm relevanten Kontext abgegrenzt und beschrieben. Weiterhin wird der Begriff hinsichtlich funktionaler und extrafunktionaler Bestandteile untergliedert.

2.3.1. Begriffliche Definition und Abgrenzung von Qualifikation

Der Begriff der Qualifikation weist unterschiedliche Terminologien auf und steht im engen Zusammenhang mit dem Begriff der Kompetenz. Beide Begriffe werden oftmals synonym verwendet, lassen sich jedoch entsprechend ihres wissenschaftlichen Ursprungs voneinander abgrenzen. Der Begriff der Qualifikation entstammt vorrangig der Bildungsökonomie und beschreibt, wie das Bildungssystem ausgestaltet werden kann, um die Anforderungen des Arbeitssystems an Mitarbeiter zu erfüllen. (Schlick et al. 2010, S. 170) Dementsprechend kann der Begriff der Qualifikation folgendermaßen beschrieben werden:

„ Als Qualifikationen [ … ] werden Befähigungen (oder auch nur die erlernten Befähigungen), d.h. Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten,über die Per sonen verfügen, bezeichnet, die bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit [ … ] zur Verwendung kommen können. “ (Teichler 1995, S. 501)

Der Begriff der Qualifikation umfasst somit das Vermögen zur Ausführung der durch ein Arbeitssystem erforderten Arbeitshandlungen. Diese Erfordernisse sind durch die Arbeitsorganisation bzw. Arbeitssystemgestaltung auf Grundlage einer bekannten Aufgabenstellung mit einem bekannten Arbeitsablauf vorgegeben. (Schlick et al. 2010, S. 171) Qualifikationen stellen demzufolge Fähigkeiten dar, die an einen bestimmten Sachverhalt bzw. Kontext gebunden und als sachverhaltsorientiert zu charakterisieren sind (Erpenbeck & von Rosenstiehl 2007, S. XIX). Der Qualifikationsbegriff eignet sich somit als Zielbegriff für Aus-, Fort-, und Weiterbildung im Rahmen der Arbeitswissenschaften und definiert personenunabhängige Handlungsfolgen zur Bearbeitung von Aufgaben (Schlick et al. 2010, S. 171).

Im Gegensatz zum Qualifikationsbegriff umfasst der Begriff der Kompetenz auch Elemente der Persönlichkeitsentwicklung und -bildung (Heyse & Erpenbeck 1997, S. XVI). Kompetenzen sind nach Weinert (2002)10

„ [ … ] die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolg reich und verantwortungsvoll nutzen zu können “ (S. 27f.).

Kompetenzen sind dementsprechend als subjektbezogen zu charakterisieren und nicht direkt prüfbar, sondern nur auf Grundlage der Realisierung der Anforderungen zu bewerten. Im Ge- gensatz dazu sind Qualifikationen Ergebnisse eines mechanisch abgerufenen Prüfungshan- delns. Sie stellen demnach Wissens- und Fertigkeitspositionen dar. (Erpenbeck & von Rosen- stiehl 2007, S. XIX) Die Kompetenz ist somit durch den Aspekt der Selbstorganisation gekenn- zeichnet und auf diese Weise weiter gefasst als der Begriff der Qualifikation. (Heyse & Erpen- beck 1997, S. XVI)

Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt eine zusammengefasste Ermittlung von Qualifikationen und Kompetenzen. Bei der Formulierung von Anforderungen an die Qualifikation von Mitarbeitern und Management in der Industrie 4.0 können keine konkrete Tätigkeitsabfolgen ermittelt werden, da dieses einen spezifischen Anwendungsfall der zukünftigen Produktion bedarf. Aus diesem Grund können Anforderungen nur oberflächlich formuliert werden. In dieser Arbeit werden unter dem Begriff der Qualifikation sowohl funktionale (Qualifikationen), als auch extrafunktionale (Kompetenzen) Aspekte der Mitarbeiterentwicklung zusammengefasst. Grundlage dazu bildet die Untergliederung des Qualifikationsbegriffs hinsichtlich funktionaler und extrafunktionaler Qualifikationen (Abbildung 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Funktionale und extrafunktionale Qualifikationen

(Nauendorf 1997, S. 53 in Anlehnung an Heeg & Münch 1993, S. 32)

2.3.2. Funktionale und extrafunktionale Qualifikationen

Die Differenzierung zwischen funktionalen und extrafunktionalen Qualifikationen ermöglicht die gemeinsame Betrachtung von handlungszentrierten Qualifikationen und personengebun- denen Kompetenzen. Funktionale Qualifikationen setzen sich aus spezifischen technisch-fach- lichen und prozessgebundenen Qualifikationen zusammen (Kern & Schumann 1977, S. 71). Unter extrafunktionalen Qualifikationen werden die Qualifikationen zusammengefasst, die nicht funktional an eine definierte Tätigkeit gebunden sind und als prozessunabhängig zu be- trachten sind (Staehle 1999, S. 179f.). Extrafunktionale Qualifikationen beziehen sich auf or- ganisatorische und soziale Zusammenhänge von Arbeitsprozessen (Gaugler 1999, S. 3ff.).

Die in Abbildung 5 nach funktionalen und extrafunktionalen Qualifikationen gegliederten Kompetenzen lassen sich auf Kompetenzklassen transferieren, die sich für eine nähere Be- trachtung eignen. Die Kompetenzklassen differenzieren zwischen personalen, aktivitäts- und umsetzungsorientierten, fachlich-methodischen sowie sozial-kommunikativen Kompetenzen und eignen sich für eine grundlegende Taxonomie von Kompetenzen (Erpenbeck & von Ro- senstiehl 2007, S. XXIIIff.).

Fachlich-methodische Kompetenzen beschreiben Dispositionen von Personen, um sachlich- objektbezogene Erfordernisse selbstorganisiert zu bedienen (ebd., S. XXIV). Die Fachkompe- tenz bezeichnet die Fähigkeit zur fachlichen Bewältigung der Berufsanforderungen. Mit Me- thodenkompetenz wird das Wissen um und die Anwendung von Arbeitsmethoden bezeichnet. (REFA 1991, S. 229) Die Kompetenz umfasst somit den selbstorganisierten Umgang einer Per- son mit fachlichen und instrumentellen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, der sinn- vollen Wissenseinordnung und Bewertung sowie der methodischen Gestaltung und Weiter- entwicklung von Aufgaben (Erpenbeck & von Rosenstiehl 2007, S. XXIV). Maßgebliche Teil- kompetenzen bzw. Ausprägungen dieser Kompetenzklasse zeigt Tabelle 2.11

Tabelle 2: Fachlich-methodische Kompetenzen (in Anlehnung an Janas et al. 2007, S. 264) FACHLICH-METHODISCHE KOMPETENZEN

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sozialkompetenz ist die Fähigkeit, sich erfolgreich in sozialen Begegnungssituationen auseinandersetzenzu können (Refa 1991, S. 229). Damit werden alle Kompetenzen beschrieben,kooperativ und kommunikativ selbstorganisiert zu handeln. Dazu zählt die kreative Auseinandersetzung mit Einzelpersonen und mit oder in Gruppen. (Erpenbeck & von Rosenstiehl 2007, S. XXIV) Kompetenzen der Klasse sozial-kommunikativerKompetenzen befinden sich in Tabelle 3.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Personale Kompetenzen umfassen Dispositionen der Motivation und Wertevorstellung von Personen. Dazu gehören Kompetenzen zum reflexiven selbstorganisierten Handeln von Mitarbeitern. Personale Kompetenzen ermöglichen die Entfaltung von Selbsteinschätzung, einer produktiven Einstellung, der Werterhaltung und von Motiven. (Erpenbeck & von Rosenstiehl 2007, S. XXIV) Tabelle 4 fasst maßgebliche personale Kompetenzen zusammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die im Qualifikationsmodell von Nauendorf (1997, S. 53) unterteilten partizipativen Kompetenzen sowie Selbstorganisationskompetenzen können in die Klasse der aktivitäts- und umsetzungsorientierten Kompetenzen eingeordnet werden. In diese Kompetenzklasse fallen alle Dispositionen, die es einer Person erlauben, aktiv gesamtheitlich selbstorganisiert zu handeln und auf diese Weise eigene oder Unternehmensziele umzusetzen. Die Kompetenzen dieser Klasse ermöglichen eigene Emotionen, Motivationen, Fähigkeiten und Erfahrungen in die eigenen Willensantriebe zu integrieren und Aufgaben erfolgreich zu realisieren. (Erpenbeck &von Rosenstiehl 2007, S. XXIV) Weiterhin kann nach Janas et al. (2007, S. 265) eine weitere kognitive Kompetenzklasse formuliert werden. Diese allgemeinen Dispositionen selbstorganisierten Handelns ergänzen Aktivitäts- und Handlungskompetenzen.

Tabelle 5: Aktivitäts- und Umsetzungsorientierte Kompetenzen (in Anlehnung an Janas et al. 2007, S. 264) AKTIVITÄTS- UND UMSETZUNGSORIENTIERTE KOMPETENZEN

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 6: Allgemeine kognitive Kompetenzen (in Anlehnung an Janas et al. 2007, S. 265) ALLGEMEINE KOGNITIVE KOMPETENZEN

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Rahmenbedingungen und Lösungsansätze der Industrie 4.0

Im folgenden Kapitel wird das Thema Industrie 4.0 begrifflich abgegrenzt und einhergehende Rahmenbedingungen sowie Lösungsansätze beschrieben. Dazu wird zunächst der Begriff In- dustrie 4.0 fokussiert. Im Anschluss werden zukünftige Rahmenbedingungen beschrieben und anschließend Lösungsansätze der Industrie 4.0 für die zukünftige Produktion aufgeführt.

3.1. Abgrenzung und Grundlagen der Industrie 4.0

Der Begriff Industrie 4.0 tauchte medienwirksam erstmalig im Rahmen der Hannover-Messe im Jahre 2011 auf und ist eine deutsche Bezeichnung für ein international unterschiedlich be- titeltes Phänomen der steigenden Informatisierung der Fabrik.12 Im Folgenden werden zu- nächst ähnliche Leitideen vorgestellt. Basierend auf diesem Überblick wird der Begriff der In- dustrie 4.0 beschrieben.

3.1.1. Artverwandte Begriffe und Leitideen

Eine Abgrenzung von Industrie 4.0 zu anderen artverwandten Begriffen im Kontext von Auto- matisierung und intelligenten technischen Systemen ist nicht eindeutig möglich. Vielmehr stellt die Begrifflichkeit eine Weiterentwicklung anderer Ansätze dar. Daher erscheint eine Be- trachtung des zeitlichen Ursprungs und der Herkunft der im Zusammenhang stehenden An- sätze zweckmäßig (Abbildung 6), um den Begriff Industrie 4.0 einordnen zu können. Analog zu der Entwicklung in der Automatisierungstechnik sind für die Entstehung des Begriffs Industrie 4.0 vor allem die Begriffe Ubiquitous Computing (dt.: allgegenwärtige Datenverarbeitung, Ubi- Comp), Internet of Things (dt.: Internet der Dinge, IoT) und CPS von Relevanz. (Jasperneite 2012, S. 24)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Zeitliche Einordnung der Begrifflichkeiten (in Anlehnung an Jasperneite 2012, S. 25)

UbiComp basiert auf der Vision von Weiser (1991, S. 94ff.) und beschreibt den Einsatz der Computertechnologie hinsichtlich einer umfassenden Informatisierung und Vernetzung der Welt. UbiComp bezeichnet die dritte Generation13 der Computerentwicklung. Die dritte Ge- neration bezeichnet die Entwicklung hin zu einer Vielzahl von kleinen und portablen Geräten, welche miteinander vernetzt Funktionen des Computers in den Alltag übernehmen. Zu diesen Geräten zählen vor allem Smartphones und eingebettete Systeme (engl.: Embedded Sys- tems).14 (Want 2010, S. 2f.) Der Computer tritt in den Hintergrund oder verschwindet durch Verschmelzung mit anderen Dingen ganz, ist jedoch im Sinne einer elektronischen Hinter- grundassistenz überall verfügbar. Somit entsteht ein ubiquitärer Computer, der den Men- schen unsichtbar und unaufdringlich bei seinen Tätigkeiten unterstützt und ihn von lästigen Routineaufgaben weitgehend befreit. (Fleisch & Friedemann 2005, S. 39f.) Als Leitidee ist Ubi- Comp auf ein breites Anwendungsfeld ausgelegt und nicht auf eine konkrete technologische Ausgestaltung festgelegt. Durch die Umsetzung von UbiComp entsteht eine umfassende Ver- bindung zwischen der physischen und der virtuellen Welt. Auf diese Weise können Geschwin- digkeit, Effizienz und Genauigkeit von Informationssystemen optimiert und Fehler durch die Nutzung heterogener Medien ausgeschlossen werden. (ebd., S. 3ff.)

Das IoT folgt der Vision des UbiComp und insbesondere im angelsächsischen Raum werden beide Begriffe weitestgehend Synonym verwendet. Entsprechend analog forciert das IoT eine idealerweise unsichtbare digitale Aufrüstung klassischer Gegenstände und ergänzt somit de- ren physischen Funktionen mit flexiblen Fähigkeiten digitaler Objekte. (Mattern & Flörkemeier 2010, S. 107) Während UbiComp hauptsächlich auf der Ausstattung von Objekten mit Compu- tertechnologie und der Verarbeitung von aufgenommenen Umgebungsdaten beruht (Umge- bungswahrnehmung), wird im IoT zusätzlich auch das Zusammenwirken von Objekten in ei- nem Netzwerk forciert (Umgebungsintelligenz) und eine dementsprechende Internetfähigkeit von Objekten vorausgesetzt (Brand et al. 2009, S. 14). Im Gegensatz zur heutigen Verwendung technologieabhängiger spezieller Protokolle sollen sich im IoT alle Objekte wie normale Inter- netknoten verhalten. Das bedeutet, dass die Objekte eine IP-Adresse erhalten und zur Kom- munikation mit anderen Objekten bzw. Internetknoten das Internet Protocol (IP) verwenden. Diese Grundlage ermöglicht bei konsequenter Verfolgung des Prinzips die weitgehende In- tegration der Objekte in die Infrastruktur des heutigen Internets. Auf diese Weise kann die standardisierte und preiswerte Internettechnologie eine Grundlage für das IoT bieten und sich evolutionär mit ihren Nutzerschnittstellen weiterentwickeln. (Mattern & Flörkemeier 2010, S. 116ff.) Die Umsetzung des IoT erfolgt nicht durch die Nutzung einer einzelnen Technologie, sondern durch die Verwendung ergänzender und teilweise konvergierender Technologien (Brand et al. 2009, S. 31f.).

Der Begriff CPS lässt sich als Zusammenschluss von Computerberechnungen und physischen Prozessen definieren. Eingebettete Systeme und Netzwerke überwachen und steuern dabei physische Prozesse regulär mit Rückkopplungsschleifen, in denen physische Prozesse die Be- rechnungen beeinflussen und umgekehrt. (Lee 2008, S. 1) CPS sind Systeme, bei denen physi- sche und digitale Systeme auf allen Ebenen miteinander verbunden sind und auf diese Weise eine vollständige Verbindung der Informationsverarbeitung mit dem realen Prozess darstellen (Jasperneite 2012, S. 25). Diese Verbindung ergibt sich aus dem komplexen Zusammenspiel von eingebetteten Systemen, Anwendungssystemen und Infrastrukturen auf Grundlage ihrer gegenseitigen Vernetzung sowie von Mensch-Technik-Interaktionen in Anwendungsprozes- sen. CPS sind somit eingebettete Systeme, die über Sensoren Daten erfassen, durch Aktoren mit physikalischen Abläufen interagieren und erfasste Daten verarbeiten. Mittels digitaler Kommunikationsinstrumente besteht eine Verbindung untereinander und in globale Netze, aufgrund dessen globale Daten und Netze dem System zur Verfügung stehen. (Acatech 2011, S. 13) CPS benutzen „ multimodale Mensch-Maschine Schnittstellen “ (ebd., S. 13) zur sozio- technischen Interaktion. CPS stellen somit keine geschlossenen, sondern vielmehr offene so- ziotechnische Systeme dar, die auf einer durchgehenden Vernetzung zwischen physikalischen, sozialen und virtuellen Ebenen in Verbindung mit der Nutzung von IKT basieren. (Geisberger & Broy 2012, S. 17f.) Die Entwicklung und zusammenführende Nutzung der Innovationsfelder eingebettete Systeme sowie globale Datennetze, wie das Internet, bilden die Grundlage von CPS (Acatech 2011, S. 15f.). Als Beispiel für Ansätze von CPS können Fahrerassistenz- und Ver- kehrssystem, bei denen die Fahrzeuge untereinander und mit ihrer Umgebung vernetzt sind, oder die dezentrale Erzeugung und Verteilung von Energie (sog. „Smart Grids“) genannt werden. (Kowalewski et al. 2012, S. 113)

3.1.2. Grundlagen und Leitidee der Industrie 4.0

Die Industrie 4.0 ist ein wichtiger Bestandteil der Hightech-Strategie 202015 und betitelt ein Zukunftsprojekt16 der Bundesrepublik Deutschland. Im Rahmen dieses Zukunftsprojekts sollen die Rahmenbedingungen einer beginnenden vierten industriellen Revolution hinsichtlich wirt- schaftspolitischer Zielsetzungen aktiv gestaltet werden. Als maßgebliche Zielsetzung soll das Zukunftsprojekt zur Sicherung des Produktionsstandorts Deutschland durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie beitragen. Das soll mittels einer dualen Strategie erfol- gen, die sich aus einer Leitanbieter- und Leitmarktperspektive zusammensetzt. Die Weiterent- wicklung von Technologie soll dementsprechend zu einem Innovationssprung in der Ausrüs- terindustrie führen. Gleichzeitig soll der Einsatz von innovativer Technologie in der nationalen Fertigung durch Effizienzsteigerung zu einem Vorsprung in Produktionsprozessen führen. (Ka- germann et al. 2013, S. 33f.)

Grundsätzlich steht der Begriff Industrie 4.0 für die vierte Revolution der Industrie. Die erste industrielle Revolution wird durch die Mechanisierung der Arbeit charakterisiert. Ansätze ei- ner arbeitsteiligen Massenproduktion führen zur zweiten industriellen Revolution. Mit der In- tegration von Elektronikkomponenten und IKT in die Produktion kommt es zur dritten indust- riellen Revolution. Diese hält noch immer an, wird durch die zunehmende Integration des In- ternets in Geschäftsprozesse jedoch ansteigend von einer vierten Revolution abgelöst. (Open Automation 2012, S. 1f.; BMBF 2012, S. 52) Die Industrie 4.0 lässt sich in einer ersten Näherung folgendermaßen beschreiben:

„ Industrie 4.0 meint im Kern die technische Integration von CPS in die Produktion und die Logistik sowie die Anwendung des Internets der Dinge und Dienste in industrielle Prozesse - einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wertschöpfung, die Geschäftsmodelle sowie die nachgelagerten Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation. “ (Kagermann et al. 2013, S. 18)

Die Industrie 4.0 basiert dabei auf der Vorstellung einer intelligenten und vollständig mitei- nander vernetzten Welt, in der das IoT durch das Internet der Dienste vervollständigt wird. Das Internet der Dienste beschreibt die Möglichkeit von intelligenten Dienstleistungen17, die durch eine neue Generation von Produkten ermöglicht wird. Diese Produkte tauschen sich dabei bspw. über das Internet durch Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M-Kommuni- kation)18 eigenständig aus, lösen Aktionen aus und können sich gegenseitig steuern. (Open Automation 2012, S. 4) Industrie 4.0 betrifft somit maßgeblich die Produktion und Logistik, benötigt jedoch ein Umfeld, in der die Vision des Ubiquitous Computing in Form des IoT und von CPS umfassend Einzug gehalten hat und ist somit nicht isoliert zu betrachten. (Kagermann et al. 2013, S. 17) Im Mittelpunkt der Industrie 4.0 steht die intelligente Fabrik (Smart Factory), welche durchgehend mit CPS ausgestattet Komplexität beherrscht und somit minimal Störan- fällig ist sowie die Effizienz der Produktion steigert (Abbildung 7). Dabei erfolgt eine durchgän- gige Kommunikation zwischen Menschen, Maschinen und Ressourcen analog zu der Kommu- nikation in sozialen Netzwerken. Sowohl Fabrik als auch das Produkt weisen durch Infrastruk- turen Schnittstellen zu angrenzenden intelligenten Systemen des Internets der Dinge und Dienste, wie Smart Mobility, Smart Logistics, Smart Grids und Smart Buildings, auf. (ebd., S. 23)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Industrie 4.0 als Teil des Internets der Dinge und Dienste (in Anlehnung an Kagermann et al. 2013, S. 23)

[...]


1Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes liegt davon bei 527,6 Mrd. Euro. (Statistisches Bundesamt 2013a, S. 97)

2Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe. 7,3 Mio. Erwerbstätige sind davon dem verarbeitenden Ge- werbe zuzuordnen. (ebd., S. 122)

3 Die Tendenzbefragung wurde im Rahmen der Initiative Plattform Industrie 4.0 von den drei Branchenverbän-den BITKOM, VDMA und ZVEI durchgeführt und an ihre Mitgliedsunternehmen verschickt.

4Die Forschungsunion ist ein zentrales innovationspolitisches Beratungsgremium der Bundesregierung.

5Diese Literatur stellt lediglich ein Begleitbuch zum Industriegipfel Feldafing – System Leadership 2030 dar und besteht aus Beiträgen von Impulsrednern und Podiumsteilnehmern.

6Die Studie „Produktionsarbeit der Zukunft“ basiert auf einer zweiteiligen Befragung. Dazu wurden 661 produzierende Unternehmen mittels Fragebogen schriftlich befragt. Weiterhin wurden 21 Experteninterviews durchgeführt.

7 Strohm (1997, S. 21ff.) hat den MTO-Ansatz fortgeführt und zu einer ganzheitlichen MTO-Analyse ausgebaut. Diese arbeitspsychologische Analyse ermöglicht eine methodische Hilfestellung für Arbeits- und Organisati- onsgestalter. Im Rahmen dieser Ausarbeitung findet dieser fortführende Ansatz jedoch keine weitere Beach- tung, da keine praktischen, unternehmensspezifischen Untersuchungen erfolgen und des Weiteren lediglich Leitideen und Visionen betrachtet werden, die nur teilweise eindeutige Anforderungen an das Zielsystem geben.

8 Ulich (2011) spricht in diesem Zusammenhang vom „ Primat der Aufgabe “ (S. 203).

9 Basierend auf der Erkenntnis, dass zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Arbeitsleistung kein direkter Zu- sammenhang besteht, wurden die Untersuchungen auf alle menschliche Bedürfnisse ausgeweitet. (SchulteZurhausen 2010, S. 17)

10 Die Definition von Weinert basiert auf der Grundlage eines Gutachtes der Organisation for Economic Co- operation an Development (OECD) und wurde im Zusammenhang mit der Studie “Definition and Selection of Competencies: Theoretical and Conceptual Foundations” international diskutiert (Schlick et al. 2010, S. 178).

11 Die Kompetenzkategorien finden im Rahmen der Messung von erforderlichen Kompetenzen eines Unterneh- mens im sogenannten „becobi-Kompetenzcheck“ Anwendung (Janas et al. 2007, S. 258ff.).

12Vergleichbare internationale Begriffe sind „Smart Production“, „Smart Manufacturing“ und der etwas breiter aufgestellte Begriff „Advanced Manufacturing“ (Jasperneite 2012, S. 26; Kagermann et al. 2013, S. 71).

13Die erste Generation (ein Computer, viele Nutzer) ist der Mainframe-Computer. Dieser ist ein zentraler Computer, der abwechselnd unter zeitlicher Limitierung von verschiedenen Benutzern einer Organisation verwendet wird. Die zweite Generation (ein Computer, ein Nutzer) beschreibt den Personal Computer (PC). Der PC gehört einer Einzelperson und wird nur von dieser verwendet. (Want 2010, S. 2f.)

14Eingebettete Systeme sind informationsverarbeitende Technologien, die eingebettet in geschlossenen Objekten sind. Entscheidende Charakteristika eingebetteter Systemen sind dabei die Systemstabilität, hohe energetische Effizienzanforderungen, geringes Gewicht sowie die Möglichkeit der kostengünstigen Massenproduktion. (Marwedel 2011, S. 5ff.)

15 Die Hightech-Strategie stellt ein nationales Gesamtkonzept dar, das wichtige Akteure in Deutschland hinter gemeinsamen Innovationszielen versammeln soll. Auf diese Weise sollen Wachstumspotentiale angehoben und neue Perspektiven geschaffen werden, um die deutsche Position im internationalen Wettbewerb um Technologien und Marktführerschaft zu halten und auszubauen. (BMBF 2010, 3ff.)

16 Zukunftsprojekte verfolgen über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren gesellschaftliche, technologische und wissenschaftliche Entwicklungen hinsichtlich konkreter Zielsetzungen (ebd., 3ff.).

17 Ein Beispiel für eine mögliche Dienstleistung in diesem Zusammenhang zeigt das durch das BMBF geförderte Forschungsprojekt Res-Com. Durch gegenseitige Kommunikation treffen verteilte Systeme ganzheitliche Ent- scheidungen unter Berücksichtigung ressourcenrelevanter Parameter und individuellen Produktspezifikatio- nen und ermöglichen dabei die Ressourcenschonung als Dienstleistungsangebot. (Open Automation 2012, S. 5)

18 M2M-Kommunikation bezeichnet den Datenaustausch zwischen Endgeräten (Sendler 2013, S. 11).

Ende der Leseprobe aus 134 Seiten

Details

Titel
Arbeitsorganisation und Qualifikation in der Industrie 4.0
Untertitel
Ermittlung der Anforderungen an Management, Mitarbeiter und Arbeitsumfeld in der Produktion
Hochschule
Universität Bremen
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
134
Katalognummer
V271583
ISBN (eBook)
9783656625513
ISBN (Buch)
9783656625506
Dateigröße
3593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Industrie 4.0, Cyber-Physische Systeme, CPS, Internet der Dinge, Produktion der Zukunft, Arbeitsorganisation, Mitarbeiterqualifikation, Mitarbeiterkompetenzen, Delphi-Befragung, Anforderungsermittlung
Arbeit zitieren
Tim Weiland (Autor:in), 2013, Arbeitsorganisation und Qualifikation in der Industrie 4.0, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271583

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