”¡Esos moros!“. Andalusien zwischen Faszination und Aversion


Hausarbeit, 2014

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Begriffserklärung und Überblick

2 Geschichtliche und aktuelle Hintergr ünde
2.1 Al-Andalus und die Herrschaft der Mauren
2.2 Immigration nach Andalusien

3 Umgang mit den jeweils
3.1 Unbewusste Inkorporation und Romantisierung
3.2 Vorurteile und Konfliktpotenzial

R´esum´e und Ausblick

Literaturverzeichnis

”Anderen”

1 Einleitung: Begriffserklärung und Überblick

“Spain is different” - Mit diesem Slogan der 60er Jahre versuchte Spanien, seine Tou- rismusökonomie zu revitalisieren. Die Aussage dieser Werbemaßnahme lässt sich je- doch auch auf die Region Andalusien für die unterschiedlichsten Bereiche anwenden. Andalusien ist anders im Vergleich zum Rest Europas, da es auf eine langjährige Ge- schichte der maurischen Besatzung zurückblicken kann. Andalusien ist anders, weil es unter dem Eindruck zunehmender Immigration von eben jenen Ländern der ehema- ligen Eroberer verändert wird. Andalusien ist anders, weil es sich selbst als anders in Abgrenzung von eben diesen Einflüssen definiert. Im ambivalenten Umgang mit dem

”Anderen“schwanktdasöffentlicheBilddagegenzwischenFaszinationundAversi- on.

Diese ”Anderen“sindimRahmendervorliegendenArbeitdie ”moros“,einBe- griff, der im Laufe der Jahrhunderte für die unterschiedlichsten Personengruppen verwendet wurde. Einerseits bezeichnet man damit die Einwohner der ehemaligen römischen Provinz Mauretanien in Nordafrika, welche sich nach ihrer Eroberung von Spanien im8. Jahrhundert auch dort niederließen. Teilweise wird der Begriff auch stellvertretend für Muslime, gleich ob arabischer oder berberischer Herkunft, verwen- det (Hertel2012:16f) und vereint somit eigentlich sehr heterogene Bevölkerungsgruppen. Seitdem die Immigration nach Spanien in den80er Jahren stetig zunimmt, werden auch die Einwanderer aus Nordafrika im Gedenken an die ehemaligen Beherrscher Spaniens so bezeichnet. Als differenziert ”Andere“tretenVorstellungenvon ”losmo- ros“ den Spaniern also sowohl imaginiert in historischen, als auch real in aktuellen Kontexten entgegen und evozieren somit sowohl Faszination als auch Aversion.

Um dieses komplexe Gefüge ambivalenter Vorstellungen und Beziehungen be- greifbar zu machen, soll in der vorliegenden Arbeit zunächst ein historischer Überblick zu der Zeit von Al-Andalus offeriert werden, auf denen die Thesen späterer Kapitel aufbauen. Ähnlich verhält es sich mit der folgenden Darstellung der Immigrationssi- tuation in Spanien. Die beiden letzten Kapitel schließlich beleuchten die beiden wider- sprüchlichen Arten, einmal positiv-romantisiert, einmal negativ-ablehnend, mit dem Erbe der ”moros“undden ”moros“selbst,alsoimübertragenenSinnedenheutigen Immigranten, umzugehen.

2 Geschichtliche und aktuelle Hintergr ünde

Obwohl den verschiedenen Phasen der spanischen Geschichte je nach Kontext un- terschiedliche Bedeutung beigemessen wird, steht fraglos fest, dass sowohl die lange Zeit der Maurenherrschaft in Spanien als auch aktuelle Entwicklungen, wie die Zu- nahme der Immigration, nachhaltige Veränderungen sowohl symbolischer, demogra- phischer als auch kultureller Natur mit sich brachten und bringen. Um ein Verständnis für heutige gesellschaftliche Vorstellungen und Diskurse entwickeln zu können, ist es also notwendig, sich zunächst zumindest einen rudimentären Überblick zu verschaf- fen.

2.1 Al-Andalus und die Herrschaft der Mauren

Al-Andalus das ist die Zeit der Maurenherrschaft, das goldene Zeitalter, die Zeit der Toleranz (Bierman 2013 und Bossong 2011). Bei einer Recherche zu diesem Thema wird bereits bei der Wortwahl vieler Autoren deutlich, welch unterschiedliche und doch tendenziell sehr positive Assoziationen mit der fast achthundert Jahre währenden Präsenz der Mauren auf der Iberischen Halbinsel geknüpft werden.

Diese nahm in dem kurzen Zeitraum von nur drei Jahren von 711-713 ihren An- fang, als der Großteil der Iberischen Halbinsel vom Heer Musa ibn Tariqs erobert und dadurch die vorherige Herrschaft der Westgoten gebrochen wurde. Nach dieser erfolgreichen Invasion setzte sich die Bevölkerung Spaniens einerseits zum Teil aus den besiegten Westgoten, den im vorherigen Reich stark unterdrückten Juden, Kelten, Iberern, Levantinern und eben auch den neu hinzugekommenen Berbern und Arabern zusammen.

Häufig wird diese Phase als eine Zeit der Toleranz und des kulturellen Fortschritts idealisiert, was sich auf die angenommene friedliche Koexistenz der drei monotheistischen Religionen Islam, Judentum und Christentum bezieht. Laut verschiedener historischer Quellen schien keine Zwangskonvertierung der Bevölkerung zum Islam stattgefunden zu haben, sondern es wurden vielmehr die Stätten und Praktiken der ursprünglichen Religionen erhalten (Burckhardt 1970: 27).

Rein formell gehörte das neu geschaffene Reich als eine Art Provinz dem umayya- dischen Kalifat von Damaskus an, was sich jedoch im achten Jahrhundert ändern sollte. Zu dieser Zeit wurde die Herrschaft der Umayyaden durch die Abassiden abgelöst und deren Herrschaftszentrum nach Badgad verlegt (1970: 37). Ein überlebender Prinz des umayyadischen Herrscherhauses, Abd al-Rahman, begründete nach seiner Flucht nach Al-Andalus dort das unabhängige Kalifat von Córdoba und legte damit den Grundstein für die baldige kulturelle Blütezeit.

Abd al-Rahman III, genannt al-Nasir, setzte 929 schließlich der Herrschaft der Umayyaden ein Ende, drängte die nach wie vor existenten christlichen Königreiche in den Norden zurück und verhinderte die Expansionsbestrebungen des neuen Kalifats der Fatimiden aus Nordafrika (Bossong 2010: 24). Vor allem sein Sohn, ein Förderer der Künste und Wissenschaften, verhalf Al-Andalus zu neuem Glanz.

Das Ende des spanischen Kalifats bahnte sich jedoch mit dem Tod des späteren Reichskanzlers al-Mansur an, der sich mittels eines Söldnerheeres vor allem aus Nord afrika an die Spitze des Staates gedrängt hatte (Burckhardt 1970: 116). Das Zurückbleiben eben jener Söldner gestaltete sich in den folgenden Jahren zum Problem, in denen das vorherige Großreich in die rivalisierenden Kleinreiche der Ta’ifa zerfiel. Um sich dieser Bedrohung und vor allem den Rückeroberungsbestrebungen der christlichen Königreiche zu erwehren, baten einige der Fürstentümer die in der West- sahara neu entstandene Berberdynastie der Almoraviden um militärische Unterstützung (Bossong 2010: 45). Als Vertreter einer strenggläubigen Richtung des Islam weite- ten die Almoraviden ihren eigenen Herrschaftsanspruch bis zum Jahre 1090 auf Al- Andalus aus. Nur etwa 50 Jahre später jedoch sollte ihre Herrschaft mit der Eroberung ihrer Hauptstadt Marrakesch durch die militärisch-religiösen Almohaden gebrochen werden.

Doch auch deren Vormacht wurde auf der iberischen Halbinsel zunehmend durch die Reconquista der christlichen Könige bedroht. Nach einer langen Phase militärischer Auseinandersetzungen blieben 1248 nach dem Fall Sevillas nur noch Granada und die Region von Gibraltar über Málaga bis Almería als letzte Enklaven maurischen Ein- flusses bestehen (2010: 55). Während der mehr als zweihundert Jahre andauernden Periode nasridischer Herrschaft über Granada entfaltete sich die letzte kulturelle Blüte des einstigen Großreiches, die erst mit der Eroberung Granadas 1492 ein Ende nahm.

Die romantisierte Konstruktion dieser erfolgreichen Reconquista als ”koordinierte Aktion aller christlichen Herrscher (...), bei der religiöse und politische Ziele untrenn- bar verbunden waren”(Hertel 2012: 22), zeigte sich in den folgenden Jahrhunderten in verschiedenen Strategien: der Institutionalisierung der Inquisition und der damit einhergehenden Vertreibung der letzten Muslime von der Iberischen Halbinsel Anfang des 17. Jahrhunderts. Die komplexe und vielschichtige Diskurspraxis um Aversion und Faszination (s. auch ab Kapitel 3) und die darauf basierende Formierung eines betont kastilisch-christlichen Nationalismus steht in engem Zusammenhang mit der Bewertung der langjährigen Präsenz der Muslime am Rande Europas und deren so viele Lebensbereiche durchdringenden Erbes.

Das wohl offensichtlichste Denkmal dieses Erbes ist in den maurischen Monumenten, allen voran der Alhambra, zu sehen. Als ein Zeugnis längst vergangener ”goldener“ Zeitensymbolisiertsiedieromantisiert- verklärteSeitedermaurischen Vergangenheit. Dieses Bild von

”lariquezayelexotismodelacivilizaciónhispano musulmana“ (http://www.legadoandalusi.es/es/fundacion/principal/rutas/ruta-washing- ton-irving), also des Reichtums und der Exotik der hispano-muslimischen Bevölkerung, wurde vom amerikanischen Schriftsteller Washington Irving mit geprägt.

Andere Hinterlassenschaften sind weit weniger offensichtlich und bisweilen in ih- rer Tragweite gar überraschend. Man denke an solch scheinbar typisch deutsche oder französische Traditionen wie der des Minnegesangs, der von der islamischen Poesie und Liebesphilosohie inspiriert wurde (Burckhardt 1970: 93 und 98). Man könnte zu- dem behaupten, dass die europäische Philosophie durch Gelehrte wie Ibn Sina, der die arabische Weltsicht mit neo-platonischen Auslegungen verband, oder Ibn Rushd (Averroes), welcher sich eher den aristotelischen Lehren zugewandt fühlte, maßgeb- lich beeinflusst wurde (Jayyusi 1992:789ff und Bossong 2011). Auch Debatten um die Konstruktion und Idealisierung des exotischen Orient (vgl. Said 2009) spielen noch in heutigen Vorstellungen und der Aushandlung einer spanischen Nationalidentität eine Rolle (für eine umfassendere Darstellung s. Hertel 2012: Kapitel 3).

Bekannt ist der arabische Einfluss wiederum bei den Wissenschaften wie der Ma- thematik (für eine umfassendere Darstellung s. Hottinger 2005: 419ff), der Medizin oder der Herstellung effizienter Bewässerungsanlagen (Jayyusi 1992: 1060ff).

Als wichtiges Kapitel der spanischen Geschichte wird Al-Andalus in Imagination, Konstruktion und Diskursen also durch ständige Re-Evaluation neu ausgehandelt und stellt somit für diese Arbeit einen notwendigen Ausgangspunkt dar, um spätere Aussagen zu heutigen Sichtweisen angemessen interpretieren zu können.

2.2 Immigration nach Andalusien

Diese durch die Vergangenheit nach wie vor beeinflussten Fremdbilder und Vorstel- lungen wirken auch auf den Umgang mit der heutigen Situation ein. Wie in vielen Quellen postuliert wird, wandelte sich Spanien in den 80er Jahren von einem typi- schen Emigrationsland zu einem zunehmend attraktiven Ziel von Immigration.

Dennoch darf die Situation laut Dietz nicht einfach als ein Umschwung in dem Migrationsmuster gedeutet werden, sondern er fordert die zugrunde liegende Hetero- genität genauer zu analysieren (Dietz 2001: 9). Wie er in verschiedenen seiner Werke darlegt, koexistieren sehr unterschiedliche Formen der Einwanderung: die permanen- te Niederlassung von Emigranten der ersten Generation im Zielland, die Rückkehr von pensionierten Gastarbeitern und die Einreise von nicht-europäischen Migranten, welche Spanien nicht mehr nur als bloßes Eingangstor zur EU, sondern vielmehr als eigentliches Ziel ansehen.

Dazu kommt die teilweise nur saisonale Auswanderung von europäischen Rent- nern, welche vor allem die Costa del Sol zum Altersdomizil auserwählen und da- mit tatsächlich den größten Teil der Migration ausmachen (2006: 151). Da dies je- doch nicht wirklich als Einwanderung im klassischen Sinne, sondern als ein Un- terphänomen des Tourismus kategorisiert wird, stehen die Immigranten von außer- europäischen Herkunftsländern im eigentlichen Interesse von kontroversen Debatten zur Immigration (2004: 11).

Obwohl der tatsächliche Prozentsatz von Immigranten im europäischen Vergleich mit beispielsweise Deutschland oder Frankreich doch recht gering ausfällt (2001: 11), so führt gerade die Herkunft der Immigranten vor dem Hintergrund der bewegten Ge- schichte Spaniens zu Konflikten. Neben Rumänen stellen Marokkaner einen großen Teil der ankommenden Migranten und schüren so bei manchen in Gedenken an die Zeit maurischer Besatzung die Furcht vor einer Rückkehr Tariqs (2011: 11) als eine ”repetitionofthepast:‘Moors’arelandingonthecoastsagain“(Kottmann2011 : 109).

Dies bezieht sich auch auf Ereignisse wie die illegale Landung von Migranten in großer Zahl an Spaniens Stränden, wie z.B. im Jahre 2008 , die den Eindruck einer ”avalanchadeinmigrantessobreEspaña“(ColectivoIoé2001:2),alsoeinerLawi- ne der Immigration nach Spanien, erwecken.

[...]

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Details

Titel
”¡Esos moros!“. Andalusien zwischen Faszination und Aversion
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Ethnologie)
Veranstaltung
Proseminar "Der marokkanisch-spanische Grenzraum"
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
17
Katalognummer
V271563
ISBN (eBook)
9783656637981
ISBN (Buch)
9783656637950
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spanien, Andalusien, Immigration, Al Andalus, Mauren
Arbeit zitieren
Verena Knerich (Autor:in), 2014, ”¡Esos moros!“. Andalusien zwischen Faszination und Aversion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271563

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