Value-Effekte am deutschen Aktienmarkt. Empirische Untersuchung für den Zeitraum 1991 - 2012


Bachelorarbeit, 2014

88 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

1. Einleitung

2. Wertpapieranalyse nach Benjamin Graham.

3. Definition Value-Investing

4. Renditeanomalien in der empirischen Kapitalmarktforschung
4.1 Kleinfirmen-Effekt
4.2 Kurs-Gewinn-Verhältnis-Effekt
4.3 Dividendenrendite-Effekt
4.4 Buchwert-Marktwert-Effekt

5. Einfach Value-Strategien
5.1 Fama und French
5.2 Empirische Belege einfacher Value-Strategien
5.3 Value-Aktien übertreffen den Gesamtmarkt
5.4 Korrelationen zwischen Kennzahlen
5.5 Mehrfaktormodelle

6. Erklärungsansätze und Ursachen für den Value-Effekt
6.1 Datamining
6.2 Bias – Verzerrungen
6.2.1 Survivorship-bias
6.2.2 Look-ahead-bias
6.3 Risikobasierte Erklärungsansätze
6.3.1 Volatilität
6.3.2 Sharpe-Ratio
6.3.3 Beta
6.3.4 Verlustpotenzial in unterschiedlichen Marktphasen
6.4 Verhaltenstheoretischer Ansatz – Behavioral Finance
6.4.1 Mean reversion und „Overreaction“-Hypothese
6.4.2 Selbstüberschätzung und selektive Wahrnehmung
6.4.3 Agency-Effekte
6.4.4 Managerwechsel und Mittelflüsse

7. Empirische Untersuchung von Value-Strategien
7.1 Zielsetzung
7.2 Datenbasis und Kennzahlen
7.3 Eindimensionale Portfolios
7.3.1 Durchschnittliche Folgerenditen für eindimensionale Portfolios
7.3.2 Durchschnittliche Renditedifferenz Value – Gesamtmarkt (Dezile)
7.3.3 Risikokennzahlen eindimensionaler Portfolios
7.4.4 Teilzeiträume 1992 bis 2001 und 2002 bis 2012
7.3.5 Eindimensionale Portfolios mit fixierter Anzahl an Aktien
7.3.6 Durchschnittliche Renditedifferenz Value-Portfolios – Gesamtmarkt
7.4 Mehrdimensionale Portfolios
7.4.1 Durchschnittliche Folgerenditen für mehrdimensionale Portfolios
7.4.2 Durchschnittliche Renditedifferenz Value-Portfolios – Gesamtmarkt
7.4.3 Risikokennzahlen mehrdimensionaler Portfolios
7.4.4 Teilzeiträume von 1995 bis 2012

8. Zusammenfassung und Ausblick

9. Literaturverzeichnis

10. Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 3.1: Berkshire’s Corporate Performance vs. the S&P 500

Abbildung 5.1: Mittlere Folgerenditen je KBV-Portfolio nach Fama und French

Abbildung 5.2: Übersicht internationaler Value-Growth-Spread von 1975 - 1995 nach Fama und French

Abbildung 7.1: Wertentwicklung des Performanceindex CDAX und des monatlichen Geldmarksatzes über den gesamten Untersuchungszeitraum

Abbildung 7.2: Mittlere Sharpe-Ratio für das erste Folgejahr von Value- und Growth-Strategien im Vergleich zum dem Gesamtmarkt

Tabellenverzeichnis

Tabelle 5.1: Übersicht internationaler, empirischer Value-Growth-Spreads einfacher Value-Strategien

Tabelle 5.2:  Mehrjährige Folgerenditen je KBV-Dezil

Tabelle 5.3: Übersicht internationaler, empirischer Value-Market-Spreads einfacher Value-Strategien

Tabelle 5.4: Monatliche Folgerenditen in Abhängigkeit vom KBV und der Unternehmensgröße

Tabelle 5.5: Mehrjährige Folgerenditen in Abhängigkeit vom KBV und Umsatzwachstum

Tabelle 6.1: Übersicht empirische Studien zum Beta-Faktor

Tabelle 6.2: Übersicht alternative Risikobetrachtung nach Lakonishok, Shleifer und Vishny

Tabelle 7.1: Übersicht fünfjährige, durchschnittliche Folgerenditen eindimensionaler Portfolios von 1991 bis 2012

Tabelle 7.2: Übersicht durchschnittlicher Value-Market-Spreads für fünf Folgejahre.

Tabelle 7.3: Übersicht von Risiken und risikoadjustierten Performances eindimensionaler Portfolios und dem Gesamtmarkt

Tabelle 7.4: Übersicht fünfjährige, durchschnittliche Renditedifferenzen eindimensionaler Portfolios von 1992 bis 2001 und 2002 bis 2012.

Tabelle 7.5: Übersicht eindimensionaler Value- und Growth-Portfoliorenditen p. a. mit fixierter Anzahl an Aktien

Tabelle 7.6: Übersicht durchschnittlicher Value-Market-Spreads mit fixierter Anzahl an Aktien.  

Tabelle 7.7: Übersicht fünfjährige, durchschnittliche Folgerenditen mehrdimensionaler Portfolios von 1995 bis 2012

Tabelle 7.8: Übersicht durchschnittlicher Value-Market-Spreads für fünf Folgejahre (Mehrdimensionale Portfolios).

Tabelle 7.9: Übersicht von Risiken und risikoadjustierten Performances mehrdimensionaler Portfolios und dem Gesamtmarkt (LL und HH)

Tabelle 7.10: Übersicht von Risiken und risikoadjustierten Performances mehrdimensionaler Portfolios und dem Gesamtmarkt (LH und HL)

Tabelle 7.11: Übersicht fünfjährige, durchschnittliche Renditedifferenzen mehrdimensionaler Portfolios von 1997 bis 2004 und 2005 bis 2012

Tabelle 10.1: Deskriptive Statistiken der untersuchten Variablen

Tabelle 10.2: Liste der einbezogenen Unternehmen.

Tabelle 10.3: Korrelationsmatrix der erklärenden Variablen.

Tabelle 10.4: Regressionsanalyse auf Basis von jährlichen Folgerenditen für KGV- Value-Portfolios

Tabelle 10.5: Regressionsanalyse auf Basis von jährlichen Folgerenditen für KBV-Value-Portfolios

Tabelle 10.6: Regressionsanalyse auf Basis von jährlichen Folgerenditen für KCV-Value-Portfolios

Tabelle 10.7: Regressionsanalyse auf Basis von jährlichen Folgerenditen für KUV-Value-Portfolios

Tabelle 10.8: Regressionsanalyse auf Basis von jährlichen Folgerenditen für KGV+EPS (LL-HH) Value-Portfolios

Tabelle 10.9: Regressionsanalyse auf Basis von jährlichen Folgerenditen für KBV+EPS (LL-HH) Value-Portfolios

Tabelle 10.10: Regressionsanalyse auf Basis von jährlichen Folgerenditen für KCV+EPS (LL-HH) Value-Portfolios

Tabelle 10.11: Regressionsanalyse auf Basis von jährlichen Folgerenditen für KUV+EPS (LL-HH) Value-Portfolios

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Die Grundgedanken der Geldanlage bestehen darin, dass man Aktien als Unternehmen betrachtet, dass man Marktschwankungen zu seinem Vorteil nutzt und dass man einen Sicherheitsabstand anstrebt. Das hat uns Ben Graham gelehrt. Das werden auch noch in hundert Jahren die Eckpfeiler der Geldanlage sein.“[1] (Warren Buffet, 1994)

Benjamin Graham gilt als Urvater des Value-Investing (deutsch: wertorientiertes Anlegen). Zusammen mit David Dodd veröffentlichte er bereits 1934 sein weltbekanntes Werk „ Security Analysis “ indem er fundamentale Grundsätze der langfristigen Geldanlage formuliert hat. Noch heute wird zwischen einem substanzorientierten Value-Ansatz mit Fokus auf unterbewertete Unternehmen und einem wachstumsorientierten Growth-Ansatz mit Fokus auf hohes Gewinnwachstum unterschieden.

Der Kapitalmarkt und die Geldanlage haben sich im Zuge der Technologisierung und globalen Vernetzung weiter entwickelt. Im Jahre 1980 war eine Aktie in Deutschland durchschnittlich zehn Jahre lang im Besitz eines Investors. Diese Haltedauer hat sich bis zum heutigen Tage auf durchschnittlich 22 Sekunden reduziert. Die Ursachen der noch anhaltenden Banken- und Staatsschuldenkrise machen deutlich, dass die Grundsätze der langfristigen Geldanlage nach Benjamin Grahams Vorbild wieder an Aktualität gewonnen haben.

„Security Analysis“ erschien einige Jahre nach dem schwarzen Freitag von 1929 und B. Graham gab den Menschen durch seine Logik und Struktur im Umgang mit Unternehmens- und Finanzdaten ein Regelwerk an die Hand, das dabei hilft, profitabel und sicher zu investieren. Es sei möglich, mithilfe von Value-Strategien den Gesamtmarkt langfristig bei niedrigerem Risiko zu übertreffen. Die Theorie der effizienten Kapitalmärkte und das Capital Asset Pricing Model (CAPM) widersprechen diesem Ansatz. So gehen nach dem CAPM erhöhte Renditen stets mit erhöhten Risiken einher und Anomalien existieren an einem informationseffizienten Kapitalmarkt nicht. Allerdings stellen moderne verhaltenstheoretische Forschungen wie die Behavioral Finance und zahlreiche empirische Belege die Annahmen eines Homo oeconomicus und das Kapitalmarktmodell CAPM infrage.

Besonders mit Blick auf die Tatsache, dass es durchschnittlich über 80 Prozent aller aktiv gemanagten Investmentfonds nicht schaffen, den Gesamtmarkt zu übertreffen, sollten Anleger den Unterschied zwischen mittelmäßigen Resultaten und einer langfristig erfolgreichen Strategie kennen.[2]

Die Theorie des Value-Investings wurde bis heute von vielen Investoren erfolgreich umgesetzt und von Forschern international empirisch belegt. Prof. Bruce Greenwald von der Columbia University in New York hat den modernen Value-Ansatz des 21.  Jhd. mitgeprägt und erweitert. Im Sinne der Columbia-Universität sind Wachstumsaspekte für eine erfolgreiche Value-Strategie unerlässlich. In der empirischen Kapitalmarktforschung werden niedrig bewertete Value-Stocks und hoch bewertete Growth-Stocks jedoch als Gegensätze betrachtet und auch getrennt voneinander untersucht. „Eine Kombination aus wachstums- und substanzorientierten Strategien ist der vielversprechendste Weg zum Anlageerfolg“[3]

In der vorliegenden Arbeit werden zunächst empirische Belege und Ursachen für verschiedene Value-Strategien dargelegt. Anschließend wird im empirischen Teil der Arbeit der Frage nachgegangen, ob es im Untersuchungszeitraum von 1991 bis 2012 Value-Effekte am deutschen Aktienmarkt gegeben hat. Ob man mithilfe von Value-Strategien den Gesamtmarkt langfristig bei gleichzeitig niedrigerem Risiko übertreffen kann, ist ebenfalls eine Fragestellung. Weiterhin wird überprüft, ob die Kombination aus Value- und Growth-Strategien vorteilhafter gegenüber einfachen Value-Strategien ist.

2. Wertpapieranalyse nach Benjamin Graham

Benjamin Graham gilt als Urvater des Value-Investings (deutsch: wertorientiertes Anlegen). Er lehrte von 1928 bis 1957 an der Columbia University in den USA. B. Graham veröffentlichte 1934 zusammen mit David Dodd sein weltbekanntes Werk „Wertpapieranalyse“. Dieses Buch wurde zur Grundlage für sämtliche Arten von Value-Investing.

Er definierte als Erster in seinem Buch einen Unterschied zwischen einer Investition und einer Spekulation. Weiterhin erkannte er als einer der Ersten, dass die Börsenpreise von Unternehmen stark von der menschlichen Psychologie mitgeprägt werden und dazu neigen, in Boomphasen extrem hohe Bewertungen zu verursachen. In schwachen Wirtschaftsphasen oder aufgrund schlechter Nachrichten über ein Unternehmen tendierten die Börsenpreise jedoch überproportional negativ. B. Graham erkannte, dass man diese fundamental ungerechtfertigten Preisunterschiede zu seinem Vorteil nutzen kann, indem man übermäßig abgestrafte Unternehmen günstig einkauft und zu einer angemessenen Bewertung wieder verkauft. Er verdeutlichte diesen Vorgang mithilfe einer Kunstfigur „ Mr. Market “, um den Menschen das irrationale Verhalten des Marktes deutlich zu machen. Mr. Market verkauft und kauft täglich Aktien zu guten, angemessenen, aber auch zu über- oder untertriebenen Preisen.

Da der Börsenpreis nicht repräsentativ für den wirklichen Wert eines Unternehmens war, entwickelte Graham die Idee des inneren Wertes „ intrinsic Value “, der sich über fundamentale Daten berechnen lässt. Anschließend verglich Graham den errechneten inneren Wert eines Unternehmens mit dem Börsenpreis und konnte anhand von Differenzen die Ineffizienzen des Finanzmarktes deutlich machen. Der innere Wert ist jedoch kein absoluter Wert, sondern eher ein Wertbereich, den man nur näherungsweise auf verschiedene Arten berechnen kann. Der innere Wert lässt sich beispielsweise anhand des Liquidationswertes oder des Ertragswertes bestimmen.

Um ein günstiges und sicheres Investment zu finden, muss dieser innere Wertbereich einen ausreichend großen Abstand zum Börsenpreis haben. Diese einfache Logik bringt ein weiteres grundlegendes Element des Value-Investings mit sich, die „Sicherheitsmarge“ oder „Margin of Safety“. Eine Sicherheitsmarge war gemäß Graham gegeben, wenn der innere Wert weniger als zwei Drittel des Börsenpreises ausmachte. Dadurch war eine gute Sicherheit gegeben, mit einem Investment kein Geld zu verlieren, was eine der wichtigsten Regeln von Graham darstellt.

Weiterhin erhöhen sich dadurch gleichzeitig die Renditechancen des Investments durch das Ausnutzen von Ineffizienzen am Finanzmarkt. B. Graham erkannte, dass man anhand von fundamentalen Kennzahlen ebenfalls günstige Unternehmen identifizieren kann und so konzentrierte er sich auch auf Unternehmen mit einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).

Graham suchte also systematisch auf verschiedene Arten nach unterbewerteten Unternehmen, da er davon überzeugt war, dass der Markt die Aktien häufig falsch bewertet. Seine Theorien beruhten weiterhin auf der Annahme, dass falsche Bewertungen irgendwann wieder zu ihrem Mittelwert zurückkehren. „Viele werden wieder aufstehen, die jetzt gefallen sind, und viele werden fallen, die jetzt in Ehren stehen.“ [4] Die grundlegenden Gedanken von B. Graham behalten bis heute, fast 80 Jahre nach der ersten Ausgabe, ihre Gültigkeit und sind in Zeiten komplexer und schnelllebiger Finanzmärkte noch wichtiger denn je geworden.

Erst in den Neunzigerjahren wurde das Value-Investing durch zwei wissenschaftliche Veröffentlichungen in den Mittelpunkt der Forschung gerückt. Zum einen veröffentlichten die Professoren Eugene F. Fama und Kenneth R. French im Jahr 1992 ihre Studie „The Cross-Section of Expected Stock Return“. In dieser Studie konnten sie empirisch nachweisen, dass langfristig Value-Aktien signifikant höhere Renditen erzielen als Growth-Aktien. Weiterhin kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Überrenditen von Value-Aktien nicht mit dem Kapitalmarktmodell CAPM vereinbar waren und der lineare Zusammenhang zwischen Aktienrenditen und dem Beta infrage gestellt wurde.[5] Im Jahr 1994 veröffentlichten Josef Lakonishok, Andrei Shleifer und Robert W. Vinshy ihre Studie „Contrarian Investment, Extrapolation and Risk“. In dieser Studie kamen sie zu den gleichen Ergebnissen wie Fama und French (1992). Allerdings fanden sie Hinweise dafür, dass die Value-Prämien auf systematische Fehleinschätzungen der Investoren zurückzuführen sind.[6] Nach diesen beiden Veröffentlichungen war das Thema Value-Investing in der Wissenschaft etabliert und zog zahlreiche weitere Studien nach sich.

3. Definition Value-Investing

Fama und French haben dem Value-Effekt zu weltweiter Aufmerksamkeit und Bedeutung verholfen. So gehört die Kennzahl „Kurs-Buchwert-Verhältnis“ (KBV) seitdem zu einem der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale für den Investitionsstil von Investmentfonds und zur Beschreibung von einfachen Value-Strategien. Wachstumsfonds investieren bevorzugt in Unternehmen mit hervorragenden Zukunftsperspektiven und Wachstumsmöglichkeiten („ growth stocks “). Dem gegenüber stehen Fonds, die vorzugsweise in einkommensorientierte Unternehmen investieren, die in reifen Produktmärkten agieren und bei relativ niedrigen Investitionen hohe Cashflows generieren („ value stocks “). Es ist verbreitet, den Investitionsstil von Fonds anhand von Fundamentalkennzahlen wie dem KBV zuzuordnen. Danach sind value-stocks Unternehmen mit niedrigen KBV-Werten und growth-stocks Unternehmen mit hohen KBV-Werten.[7]

Nach dem Verständnis von Lakonishok, Shleifer und Vishny sind Value-Aktien zum einen durch unterdurchschnittliches historisches Wachstum und zum anderen durch niedrige Zukunftserwartungen gekennzeichnet. Dagegen stehen Unternehmen, die exzellentes Wachstum in der Vergangenheit und sehr positive Zukunftsaussichten vorweisen können, die „ glamour -“ oder „ growth-stocks“.[8] Diese beiden Kriterien, „vergangenes Wachstum“ und „Zukunftsperspektiven“, lassen sich unabhängig voneinander beurteilen und erfassen. Das historische Wachstum von Gewinn, Umsatz und Kurs lässt sich aus Unternehmensberichten leicht ablesen und bewerten. Die zukünftigen Wachstumserwartungen der Mehrheit lassen sich an den diversen Fundamentalkennzahlen wie dem KGV, KBV, Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV), Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) oder der Dividendenrendite (DR) ablesen. Diese Kennzahlen setzen den Börsenkurs in ein Verhältnis zu verschiedenen fundamentalen Faktoren. An diesen Kennzahlen kann man ablesen, ob ein Unternehmen, gemessen an seinen Cashflows, Umsätzen, Gewinnen o. Ä., hoch oder niedrig bewertet ist.[9]

Der Value-Ansatz wurde wie eingangs bereits beschrieben von Benjamin Graham als Prof. an der Columbia University in New York entwickelt und in seinem Werk „ Security Analysis “ (1934) veröffentlicht. Prof. Bruce Greenwald ist heute der Direktor des „Heilbrunn Center of Graham & Dodd Investing“ an der Columbia University und leitet den Lehrstuhl für Value-Investing. Er hat wesentlich dazu beigetragen, eine moderne Definition des Value-Investings zu entwickeln. Aufbauend auf zahlreichen Studien und Erkenntnissen von Nobelpreisträgern zu diesem Thema sind folgende Punkte essenziell für das Value-Investing im Sinne der Columbia University.

Das grundlegende Prinzip von Graham und Dodd, den Börsenpreis mit einem errechneten inneren Wert zu vergleichen und in unterbewertete Aktien zu investieren, gilt bis heute. Die Berechnung eines Sicherheitsabstandes „ margin of safety “ und die Ausrichtung an zukünftigen Entwicklungen eines Unternehmens sind heute ebenfalls noch von Bedeutung. Zusätzlich wurde die Wettbewerbs- und Wachstumsanalyse in das Bewertungsmodell von Unternehmen integriert. Das bedeutet, dass vor allem das Geschäftsmodell und das Management eines Unternehmens nach qualitativen Aspekten bewertet werden.[10] Weiterhin wird im modernen Value-Ansatz der Wachstumsaspekt nicht als Gegensatz zum Value-Investmentstil angesehen. Im Sinne von Prof. Bruce Greenwald und Warren Buffett ist Wachstum ein wichtiger Bestandteil des Value-Investing. Warren Buffett ist der erfolgreichste Investor auf der Welt und war der beste Schüler von Benjamin Graham. Er gilt als Repräsentant für Value-Investoren und er hält in seinem Portfolio zahlreiche Wachstumsaktien.[11]

“Market commentators and investment managers who glibly refer to ‘growthʼ and ‘valueʼ styles as contrasting approaches to investment are displaying their ignorance, not their sophistication. Growth is simply a component / usually a plus, sometimes a minus / in the value equation.”[12]

Nach Warren Buffett stellen Marktkommentatoren oder Investmentmanager also ihre Unwissenheit zur Schau, wenn sie „growth“ und „value“ als entgegengesetzte Investmentstile bezeichnen. Diese Aussage kann man logisch nachvollziehen, denn ein Unternehmen kann gleichzeitig wachsen, kontinuierlich hohe Cashflows erwirtschaften und unterbewertet sein.

Der Value-Ansatz im Sinne von Greenwald und der Columbia University baut auf drei wesentlichen Punkten auf.

1. Empirische Kapitalmarktforschung
2. Qualitativer Ansatz zur Bewertung von Kapitalgesellschaften (entwickelt von der Columbia University)
3. Überdurchschnittlicher und langfristiger Erfolg von Investoren, die in der Tradition von Benjamin Graham stehen[13]

Die qualitative Bewertung von Management und Geschäftsmodell ist sehr individuell und subjektiv. Aus diesem Grund muss dieser Aspekt des Value-Ansatzes im Sinne der Columbia University von der quantitativen Bewertung abgegrenzt werden. Da die qualitativen Bewertungsmethoden in der akademischen und empirischen Forschung nicht erfasst und verglichen werden können, beschränkt sich diese Arbeit auf die quantitativen einfachen Value-Strategien. Unter quantitativen Methoden wird ein Prozess verstanden, der nach vorgegebenen Kriterien und unter einheitlichen Bedingungen Unternehmen auswählt.

In der akademischen Welt herrscht mittlerweile ein breiter Konsens darüber, dass Value-Aktien langfristig höhere Renditen erzielen als Growth-Aktien.[14] Uneinigkeit herrscht darüber, wieso die Value-Prämien existieren und wie man sie erklären kann. Weiterhin ist man sich nicht einig, ob es möglich ist, mit Value-Strategien den Gesamtmarkt langfristig zu übertreffen, obwohl dies viele Value-Investoren über Jahrzehnte unter Beweis gestellt haben.[15] Folgende Abbildung zeigt die Wertentwicklung des Buchwertes einer Aktie von Warren Buffetts Investment Holding Berkshire Hathaway Inc. im Vergleich zum Aktienindex S&P 500 inklusive Dividenden von 1965 bis 2012.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.1: Berkshire’s Corporate Performance vs. the S&P 500[16]

Diese außergewöhnliche Performance konnte Warren Buffett unter anderem durch seinen sehr erfolgreichen Value-Investing-Ansatz erzielen. Bei seiner Unternehmenswahl berücksichtigt er sowohl fundamental wertorientierte Aspekte als auch Wachstumskomponenten. Auf diese Weise konnte der Buchwert seiner Investmentholding von 1965 bis 2012 um 586.817 Prozent ansteigen. Der Vergleichsindex S&P 500 konnte im selben Zeitraum lediglich um 7433 Prozent zulegen. Auch andere Schüler von Benjamin Graham konnten über einen sehr langen Zeitraum den Gesamtmarkt beständig und deutlich übertreffen.

Die meisten Forschungsarbeiten beziehen sich auf den US-amerikanischen Aktienmarkt. Aus diesem Grund geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, ob am deutschen Aktienmarkt im Untersuchungszeitraum ein Value-Effekt existiert. Sollte eine Value-Prämie existieren, wird der Frage nachgegangen, ob man diesen Effekt durch eine Wachstumskomponente verstärken kann. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob man den deutschen Aktienmarkt langfristig mit Value-Strategien übertreffen kann.

4. Renditeanomalien in der empirischen Kapitalmarktforschung

Der Begriff „Anomalie“ wurde in der Kapitalmarktforschung von Ball im Jahr 1978 eingeführt.[17] Grundsätzlich werden unter Rendite-Anomalien empirische Regelmäßigkeiten verstanden, die nicht mit der informationseffizienten Kapitalmarkttheorie vereinbar sind. Weiterhin unterscheidet Schnittke im Jahr 1989 zwischen Rendite-Saisonalitäten und Rendite-Anomalien. Unter Rendite-Saisonalitäten versteht man den Montagseffekt, den Januar -, Sell-in-May- und den Turn-of-the-Month-Effekt. Dieser Differenzierung wird in der vorliegenden Arbeit ebenfalls gefolgt.[18]

Bereits 1934 beschreibt Benjamin Graham, dass es an den Kapitalmärkten systematische Fehlbewertungen gibt. Es existieren sowohl extreme Über- als auch extreme Unterbewertungen bei börsennotierten Unternehmen, die man gewinnbringend nutzen kann. In kurzfristigen Zeiträumen bis zu einem Jahr ist eine positive Autokorrelation in Renditezeitreihen festzustellen. Betrachtet man jedoch langfristige Zeiträume, kann man überwiegend negative Korrelationen in den Renditezeitreihen feststellen. Das bedeutet, dass Aktien mit einer sehr schlechten Performance in der Vergangenheit zukünftig mehrheitlich eine überdurchschnittlich gute Performance erzielen und umgekehrt. Auch diesen Zusammenhang beschreibt Benjamin Graham bereits 1934. Er erkennt, dass Renditen langfristig zu ihrem Mittelwert zurückkehren. In der Kapitalmarktforschung bezeichnet man das als „Mittelwertrückkehr“ oder „mean reversion“.[19]

Die meisten Anleger tendieren jedoch dazu, die Vergangenheit in die Zukunft zu extrapolieren, und treiben somit die Kurse von Unternehmen weit nach oben oder unten. Diese Kursentwicklungen sind in ihren Extremen meistens wirtschaftlich ungerechtfertigt.[20] Exakt diesen sollte nach Benjamin Graham ein intelligenter Investor zu seinem Vorteil nutzen, indem er in unterbewertete Unternehmen investiert und sie zu einer fairen Bewertung wieder verkauft.

Die Gruppe der Kennzahlanomalien repräsentiert die systematische Abweichung vom CAPM. Denn fundamentale Kennzahlen werden in diesem Kapitalmarktmodell nicht berücksichtigt. Fama und French sind der Meinung, dass die Kennzahlen stellvertretend für unbekannte Risiken stehen und deshalb eine Renditeprämie erzielt werden kann. Weiterhin ist Fama der Meinung, dass eine Kennzahlanomalie in Bezug auf das CAPM definiert wird. Solche Anomalien seien nicht mit irrationalem Marktverhalten gleichzusetzen. Sie widerlegen lediglich, dass eine verbundene Hypothese zwischen rationalem Verhalten und einem Kapitalmarktmodell besteht (CAPM).[21] Diese Arbeit beschäftigt sich unter anderem mit der Frage ob Kennzahlanomalien auf dem deutschen Aktienmarkt existieren und ob diese mit höheren Risiken einhergehen.

4.1 Kleinfirmen-Effekt

In der empirischen Kapitalmarktforschung wurde von Banz (1981) der erste Nachweis erbracht, dass vor allem am US-amerikanischen Aktienmarkt kleine Unternehmen, gemessen an ihrer Marktkapitalisierung, in der Vergangenheit im Durchschnitt höhere Renditen erzielt haben als Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung.[22] Diese Erkenntnis zog weitere Studien zu dieser Thematik nach sich. So weisen Chan, Chen, Hsieh (1985) und Chan, Chen (1991) für kleine Unternehmen erhöhte Risiken nach, die sich in den Renditeprämien niederschlagen. In den USA haben kleine börsennotierte Unternehmen häufig einen erhöhten Verschuldungsgrad und relativ zu ihren Zahlungsverpflichtungen niedrige Cashflows. Dieses erhöhte Konkursrisiko ist nach Chan und Chen für die erhöhten Renditen solcher Unternehmen verantwortlich. Somit steht die Unternehmensgröße stellvertretend für einen Risikofaktor, der mit der Konkursgefahr eines Unternehmens zusammenhängt („relative distress factor“).[23] [24]

Für den deutschen Aktienmarkt hat Beiker (1993) festgestellt, dass die Unternehmensgröße und die Renditeprämien nicht linear voneinander abhängen. Der Untersuchungszeitraum habe einen erheblichen Einfluss auf die Signifikanz der Ergebnisse in Bezug auf den Kleinfirmeneffekt. Wenn man den Beobachtungszeitraum verschiebt, ergeben sich gravierende Veränderungen in den Ergebnissen.[25] Hinter dem Kleinfirmeneffekt verbergen sich also Konkurs-, Liquiditäts- und Informationsrisiken, für die der Investor eine Renditeprämie verlangt.

4.2 Kurs-Gewinn-Verhältnis-Effekt

Dem KGV wird, wie bereits eingangs beschrieben, seit den Zwanzigerjahren eine hohe Bedeutung in der Wertpapieranalyse zugemessen. Aktien galten damals und gelten noch heute als günstig bewertet, wenn ihr Kurs im Verhältnis zu den künftigen Gewinnen niedrig ist. Ein wesentliches Problem hierbei ist, dass die zukünftigen Gewinne lediglich prognostiziert werden können und die Kennzahl somit gravierende Fehler beinhalten kann. B. Graham und D. Dodd haben die Bedeutung dieser Kennzahl bereits 1934 erkannt und in ihrem Werk „Security Analysis“ veröffentlicht. Allerdings lehnten sie die Extrapolation des vergangenen Gewinnwachstums in die Zukunft ab und empfehlen deshalb, den Kurs in das Verhältnis zum Gewinn aus der vorherigen Periode zu setzen.[26]

Eine der ersten empirischen Studien zu diesem Thema verfasste Nicholson im Jahr 1960. Er konnte nachweisen, dass Aktien mit niedrigem KGV überdurchschnittliche Renditen erzielten und Aktien mit hohem KGV eher unterdurchschnittlich abschnitten.[27] Basu (1977) untersuchte, ob die Renditeprämien von Aktien mit niedrigen KGV-Werten im Einklang mit dem CAPM stünden. Er kommt zu den gleichen Ergebnissen wie Nicholson, dass Portfolios mit niedrigen KGV-Werten etwa 4 bis 7 % höhere Renditen erzielen als Portfolios mit hohen KGV-Werten. Die höheren Renditen wurden nicht durch eine Risikokompensation erzielt und bestehen sogar noch unter Einbeziehung von Transaktionskosten.[28]

4.3 Dividendenrendite-Effekt

Der Einfluss der Dividendenpolitik von Kapitalgesellschaften auf die erwarteten Aktienrenditen wird bereits seit den Siebzigerjahren diskutiert. So konnten Litzenberg (1979) und Ramaswamy (1982) eine starke positive Korrelation zwischen den Dividendenrenditen und den durchschnittlichen Aktienrenditen an der New York Stock Exchange (NYSE) nachweisen. Die Ergebnisse stellen in Bezug auf das CAPM eine Rendite-Anomalie dar, denn die Dividendenrendite ist neben dem Beta-Faktor ein eigenständiger Renditefaktor.[29] Fama und French können in einer sehr umfangreichen Studie im Jahr 1998 ebenfalls nachweisen, dass Portfolios mit hohen Dividendenrenditen signifikant höhere Renditen erzielen als Portfolios mit niedrigen Dividendenrenditen.[30]

4.4 Buchwert-Marktwert-Effekt

Das KBV oder Book-to-Market Ratio (BE/ME) wurde in Bezug auf seine Bedeutung für die Wertpapieranalyse erstmals von Rosenberg, Reid und Lanstein im Jahre 1985 untersucht. Die Kennzahl gibt das Verhältnis zwischen bilanziellem Eigenkapital und der Marktkapitalisierung einer Aktiengesellschaft an. Nach Rosenberg, Reid und Lanstein lassen sich aus dieser Kennzahl Marktineffizienzen ablesen. Sie konnten nachweisen, dass die durchschnittlichen Renditen von Aktien mit Annäherung des Marktwertes an den Buchwert signifikant ansteigen. Umgekehrt fallen die durchschnittlichen Renditen eher niedrig aus, wenn das Verhältnis von Marktwert und Buchwert deutlich größer ist. So konnten sie zeigen, dass ein Portfolio mit niedrigen KBV-Werten im Vergleich zu einem Portfolio mit hohen KBV-Werten überdurchschnittliche Renditen erzielt. Weiterhin konnten sie nachweisen, dass die Renditeprämien nicht mit erhöhten Risiken einhergehen.[31] Fama und French konnten in der Studie „ The Cross-Section of Expected Stock Returns “ im Jahr 1992 den gleichen Effekt nachweisen.[32] Von allen analysierten Rendite-Anomalien war der Buchwert-Marktwert-Effekt bis dahin am deutlichsten ausgeprägt.

5. Einfach Value-Strategien

5.1 Fama und French

Eugene F. Fama und Kenneth R. French haben in ihrer Studie „ The Cross-Section of Expected Stock Returns “ untersucht inwiefern der Marktwert und das KBV erwartete Aktienrenditen erklären können. Sie hinterfragen das bis dahin allgemein anerkannte CAPM zur Bestimmung des Risikos und der erwarteten Aktienrendite mithilfe nur einer Kennzahl, dem Beta-Faktor (β). Laut Fama und French ist das Risiko von Aktien multidimensional. Eine Dimension des Risikos wird stellvertretend durch den Marktwert repräsentiert. Eine weitere Risikodimension wird durch das KBV repräsentiert. In dem Untersuchungszeitraum von 1963 bis 1990 bewerten sie die Rolle des Betas, der Marktkapitalisierung, des KGV, des Verschuldungsgrads und des KBV im Querschnitt der durchschnittlichen Aktienrenditen. Diese Untersuchung beschränkt sich auf den US-Aktienmarkt und alle an der NYSE, American Stock Exchange (AMEX) und National Association of Securities Dealers Automated Quotations (NASDAQ) notierten Unternehmen.[33] Fama und French erstellten unter anderem Portfolios die nach dem KBV sortiert wurden.  Sie erstellten zehn Portfolios wobei die zehn Prozent der Aktien mit den höchsten KBV-Werten in Portfolio „eins“ und die zehn Prozent der Aktien mit den niedrigsten KBV-Werten in Portfolio „zehn“ zusammengefasst wurden. Weiterhin haben sie Portfolio eins und zehn noch einmal unterteilt, um die extremen Portfolios differenzierter darzustellen. In der folgenden Abbildung wurde diese zusätzliche Differenzierung der Anschaulichkeit halber aufgehoben. Anschließend haben sie für den Zeitraum von Juli bis Juni einen fiktiven Betrag in die Portfolios investiert. Am Ende jeden Jahres haben sie die Renditen ermittelt und die Portfolios erneut nach den gleichen Kriterien zusammengestellt. Fama und French kamen zu dem signifikanten Ergebnis, dass gemessen am KBV niedrig bewertete Unternehmen im Durchschnitt höhere Renditen erzielen als höher bewertete Unternehmen. Die folgende Abbildung zeigt die durchschnittlichen Renditen p. a. der zehn Portfolios für den Zeitraum von 1963 bis 1990. Es wird deutlich, dass die Renditen mit sinkendem KBV kontinuierlich zunehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5.1: Mittlere Folgerenditen je KBV-Portfolio nach Fama und French [34]

Die Abbildung macht deutlich, dass sich die durchschnittliche Rendite p. a. der Value-Portfolios auf 22,5 % p. a. beläuft. Dagegen erreichen die Growth-Portfolios lediglich eine durchschnittliche Rendite von 5,82 % p. a., was einer Differenz von 16,68 % entspricht. Diese „Value-Prämie “ oder der „Value-Growth-Spread“ wurde von Fama und French als Erstes empirisch nachgewiesen.

In der finanzökonomischen Forschung ist bis heute das von Sharpe (1964), Lintner (1965) und Black (1972) unabhängig voneinander entwickelte CAPM einer der wichtigsten Ansätze zur systematischen Erklärung von Aktienrenditen. Das CAPM besagt, dass die erwartete Rendite von Aktien sich aus dem risikolosen Zins und einer Risikoprämie des Marktes zusammensetzt. Der Beta-Faktor beschreibt das systematische Risiko und die Renditechancen einer Aktie.

In ihrer Studie „ The Cross-Section of Expected Stock Returns “ untersuchen Fama und French den Erklärungsgehalt des Beta-Faktors in Bezug auf das Risiko und die durchschnittlichen Aktienrenditen. Das CAPM erkläre das Risiko und die Renditen für den Zeitraum von 1926 bis 1968 sehr gut. Allerdings verliere dieses Modell seine Gültigkeit, wenn man es auf den Zeitraum 1963 bis 1990 anwendet. So zeigt ihre Forschung, dass es keinen konsistenten positiven Zusammenhang zwischen dem β und den durchschnittlichen Aktienrenditen gibt.[35]

5.2 Empirische Belege einfacher Value-Strategien

Nachdem Fama und French die akademische Welt von der Existenz des Value-Effekts hatten überzeugen können, folgten darauf zahlreiche Studien zum Thema „ Value-Growth-Spread“. Die Autoren untersuchten zahlreiche Kennzahlen und Märkte für unterschiedlichste Zeiträume. Durch die Menge an empirischen Studien stellte sich heraus, dass die Ergebnisse von Fama und French kein Einzelfall sind und fast an allen Aktienmärkten ihre Gültigkeit behalten. Die Ergebnisse sind weitgehend unabhängig von der Wahl der Märkte, der Zeiträume und der Datenbanken. Die folgende Tabelle soll einige bedeutende Ergebnisse darstellen.

Tabelle 5.1: Übersicht internationaler, empirischer Value-Growth-Spreads einfacher Value-Strategien[36]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Tabelle macht deutlich, dass vor allem anhand von Fundamentalkennzahlen niedrig bewertete Unternehmen 1,6 bis 20,9 Prozent höhere Renditen erzielen als Unternehmen mit hohen Bewertungs- und Erwartungsniveaus. Weiterhin wird deutlich, dass es verschiedene Kennzahlen und Methoden gibt, um unterbewertete Unternehmen zu identifizieren oder zu klassifizieren. So zeigten Lakonishok, Shleifer und Vishny im Jahr 1994, dass man den Value-Growth-Spread erheblich steigern kann, wenn man die Unternehmensauswahl am KBV oder KCV orientiert. Weiterhin haben sie die Prognosekraft des vergangenen Umsatzwachstums eines Unternehmens untersucht. Sie erkannten, dass man nicht zwangsläufig Fundamentalkennzahlen benötigt, um unterbewertete Unternehmen zu identifizieren. Sie zeigten, dass Unternehmen mit dem niedrigsten Umsatzwachstum in den vergangenen fünf Jahren eine um 7,3 Prozent höhere Rendite erzielten als Unternehmen mit hohem Umsatzwachstum in der Vergangenheit.[37] Fama und French ermittelten 1992 für das KGV einen Value-Growth-Spread von durchschnittlich ca. zehn Prozent im Jahr. Für das KBV konnten sie sogar eine Renditedifferenz von ca. 17 Prozent p. a. im Zeitraum 1963 bis 1990 nachweisen.[38] Im Jahr 1998 veröffentlichten sie eine Studie, die auf zwölf internationalen Aktienmärkten ebenfalls den Value-Growth-Spread für das KGV, KCV, KBV und die DR nachgewiesen hat.[39]

Im Jahr 1996 hat La Porta anhand des prognostizierten Gewinnwachstums für einen Zeitraum von 1982 bis 1991 Unternehmen klassifiziert und erzielte einen Value-Growth-Spread von über 20 Prozent im Jahr. Unternehmen mit hohen Gewinnerwartungen haben im Vergleich mit Unternehmen, die sehr niedrige Erwartungen aufweisen konnten, deutlich schlechtere Renditen erzielt.[40] Wallmeier (2000) und Kotkamp zusammen mit Otte (2001) konnten für den deutschen Aktienmarkt über einen langen Zeitraum von 1967 bis 1994 bzw. 1961 bis 1998 signifikante Überrenditen nachweisen. Wallmeier konnte für das KCV einen durchschnittlichen Value-Growth-Spread von 7,2 Prozent p. a. nachweisen und für das KBV eine signifikante Überrendite von 12,6 Prozent p. a.[41] [42] Diese Studien machen deutlich, dass unabhängig vom Beobachtungszeitraum, der Datenbasis und dem Aktienmarkt eine Value-Prämie existiert und diese nicht zwangsläufig mit erhöhten Risiken einhergeht. Außerdem wird deutlich, dass man Value-Aktien auf verschiedene Arten klassifizieren kann. Es ist möglich, Value-Aktien nicht nur anhand von Fundamentalkennzahlen zu identifizieren, sondern auch durch das historische Wachstum eines Unternehmens, die Dividendenrendite oder anhand der prognostizierten Gewinne.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Haltedauer von Value-Aktien. Lakonishok, Shleifer und Vishny haben untersucht, ob sich der Value-Effekt nach der Portfoliobildung in den Folgejahren fortsetzt. Sie konnten im Jahre 1994 für mehrere Fundamentalkennzahlen nachweisen, dass die Value-Portfolios auch fünf Jahre nach Portfoliobildung die Growth-Portfolios übertreffen und signifikante Überrenditen erzielen. In der folgenden Tabelle sind die durchschnittlichen Folgerenditen von Portfolios, die in Abhängigkeit von KBV gebildet wurden, dargestellt. Die Untersuchung wurde im Zeitraum von 1968 bis 1990 am US-amerikanischen Aktienmarkt durchgeführt.

Tabelle 5.2:  Mehrjährige Folgerenditen je KBV-Dezil[43]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Value-Aktien über eine Haltedauer von mindestens fünf Jahren im Durchschnitt höhere Renditen erzielen als Growth-Aktien. Über die gesamten fünf Jahre beträgt der durchschnittliche Value-Growth-Spread 10,4 Prozent p. a. Investmentstrategien können von diesen Ergebnissen abgeleitet werden und auf eine einfache Weise vom Value-Effekt profitieren. In der Realität ist diese Erkenntnis besonders wichtig im Zusammenhang mit Steuern und Transaktionskosten, die durch eine längere Haltedauer wesentlich reduziert werden können. Lakonishok, Shleifer und Vishny sind für das KGV, KCV und das Umsatzwachstum der vergangenen fünf Jahre zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.[44]

Die meisten Studien zum Value-Effekt wurden in den USA durchgeführt und beziehen sich nur auf US-Aktien. Aus diesem Grund haben einige Forscher die internationalen Aktienmärkte untersucht und festgestellt, dass der Value-Effekt kein US-amerikanisches Phänomen ist. Im Jahr 1993 konnten Lakonishok, Chan und Hamao den Value-Effekt erstmals am japanischen Aktienmarkt nachweisen. Über einen Untersuchungszeitraum von 1971 bis 1988 haben sie für die Kennzahlen KGV, KBV, KCV und die Marktkapitalisierung („Size“) einen durchschnittlichen Value-Growth-Spread von 4,4 bis 16 Prozent nachgewiesen.[45] Ebenfalls im Jahr 1993 haben Capaul, Rowley und Sharpe für europäische Aktienmärkte einen Value-Growth-Spread nachgewiesen, darunter UK, Frankreich, Deutschland und die Schweiz.[46] Die bedeutendste Forschung zu dem Thema „ internationale Value-Prämien “ wurde von Fama und French im Jahr 1998 veröffentlicht. Das folgende Diagramm zeigt die durchschnittlichen Value-Growth-Spreads p. a., die Fama und French auf 13 internationalen Aktienmärkten nachweisen konnten. Es handelt sich um annualisierte Werte über einen Zeitraum 1975 bis 1995.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5.2: Übersicht internationaler Value-Growth-Spread von 1975 - 1995 nach Fama und French[47]

Fama und French konnten nachweisen, dass der Value-Growth-Spread international durchschnittlich 3,1 bis 6,6 Prozent p. a. beträgt und somit Value-Aktien auf sämtlichen Aktienmärkten im Durchschnitt höhere Renditen erzielen als Growth-Aktien. Auffällig ist, dass auf dem italienischen Aktienmarkt für das KBV, KGV und die DR negative Value-Growth-Spreads nachgewiesen wurden. Auch in Deutschland sind die Renditedifferenzen zwischen Value- und Growth-Aktien für das KGV und das KBV relativ niedrig und für die DR sogar negativ. Auf beiden Märkten konnte jedoch ein relativ hoher Value-Growth-Spread für das KCV i. H. v. ca. zehn Prozent p. a. nachgewiesen werden. Im Durchschnitt sind die Renditedifferenzen zwischen Value- und Growth-Aktien jedoch positiv. Weiterhin konnten internationale Value-Aktien, die anhand des KCV klassifiziert wurden, im gesamten Untersuchungszeitraum durchschnittlich 15,9 Prozent p. a. erzielen, wogegen Growth-Aktien lediglich 9,3 Prozent p. a. erreichten. Für das KGV, KBV und die DR wurden ähnliche Ergebnisse erzielt.[48]

5.3 Value-Aktien übertreffen den Gesamtmarkt

In der akademischen Welt herrscht mittlerweile ein breiter Konsens darüber, dass Value-Aktien langfristig höhere Renditen erzielen als Growth-Aktien.[49] Uneinigkeit herrscht darüber, ob es möglich ist, mit Value-Strategien den Markt langfristig zu übertreffen, obwohl dies viele Value-Investoren über Jahrzehnte unter Beweis gestellt haben.[50] Investmentstrategien, die auf dem Value-Effekt aufbauen, müssen nicht nur höhere Renditen als ihr Pendant, die Growth-Aktien, erzielen. Sie müssen ebenfalls langfristig den Gesamtmarkt übertreffen, um für Anleger und Investoren attraktiv zu sein. In der Praxis sind Steuern und Transaktionskosten ebenfalls ein wesentlicher Faktor, der einkalkuliert werden muss, der hier aber vernachlässigt wird. Es hat in Bezug auf diese Fragestellung einige Autoren gegeben, die nachweisen konnten, dass man mithilfe einfacher Value-Strategien den jeweiligen nationalen Aktienmarkt übertreffen kann. In der folgenden Tabelle sind einige Autoren und ihre Ergebnisse aufgeführt.

Tabelle 5.3: Übersicht internationaler, empirischer Value-Market-Spreads einfacher Value-Strategien[51]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Tabelle kann man entnehmen, dass Capaul, Rowley und Sharpe bereits 1993 für die USA, Frankreich, Deutschland, Schweiz, England und Japan einen positiven Value-Market-Spread i. H. v. 1,9 Prozent p. a. für die Kennzahl KBV nachweisen konnten.[52] Im Jahr 1998 hat OʼShaughnessy in den USA für diverse Fundamentalkennzahlen und die Dividendenrendite eine Renditedifferenz von 1,7 bis 3,9 Prozent p. a. über einen Zeitraum von 44 Jahren nachgewiesen. Er beschränkte sich dabei jedoch auf 50 Value - und Growth-Aktien für die jährlichen Untersuchungsportfolios.[53] Kotkamp und Otte untersuchten den Einfluss der Dividendenrendite auf die Performance deutscher Aktien und kamen zu dem Ergebnis, dass deutsche Unternehmen mit hoher Dividendenrendite 2,5 Prozent höhere Renditen erzielen als der deutsche Aktienmarkt.[54] Es sind zu dieser Thematik noch nicht viele Studien veröffentlicht worden, allerdings kann man von den Ergebnissen eine deutliche Tendenz ableiten. Mithilfe einfacher Value-Strategien ist es möglich, auch langfristig den Gesamtmarkt zu übertreffen. Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass es durchaus möglich ist, auch nach Transaktionskosten den Gesamtmarkt durch einfache Value-Strategien zu übertreffen. Überrenditen von 1,7 bis 3,9 Prozent p. a. sollten bei jährlicher Depotumschichtung nicht mehr als ein Prozent der Performance ausmachen und diese lassen sich durch eine längere Haltedauer noch weiter reduzieren

[...]


[1] Kilpatrick, Of Permanent Value, S. 1341.

[2] Vgl. O’Shaughnessy, Die besten Anlagestrategien aller Zeiten, S. 17 – 24.

[3] O’Shaughnessy, Die besten Anlagestrategien aller Zeiten, S. 18.

[4] Hangstrom, The Warren Buffett Way, S. 51.

[5] Vgl. Fama; French, The Cross-Section of Expected Stock Returns.

[6] Vgl. Lakonishok, Shleifer, Vinshy, Contrarian Investment, Extrapolation and Risk.

[7] Vgl. Capaul; Rowley; Sharpe, International Value and Growth Stock Returns, S. 27.

[8] Vgl. Lakonishok, Shleifer, Vinshy, Contrarian Investment, Extrapolation and Risk, S. 1542.

[9] Vgl. Lakonishok, Shleifer, Vinshy, Contrarian Investment, Extrapolation and Risk, S. 1547 ff.

[10] Vgl. Greenwald; Kahn; Biema, Value Investing, S. 3 – 4.

[11] Vgl. Greenwald; Kahn; Biema, Value Investing, S. 107 ff.

[12] Buffett, Geschäftsbericht, 2000, S. 12.

[13] Vgl. Greenwald; Kahn; Biema, Value Investing S. 8 – 10.

[14] Vgl. Chan; Lakonishok, Value and Growth Investing, S. 71 ff.

[15] Vgl. Greenwald; Kahn; Biema, Value Investing, S. 161 – 277.

[16] Buffett, Geschäftsbericht 2012, S. 1.

[17] Vgl. Ball, Anomalies in Relationships between Securities Yields and Yield-Surrogates.

[18] Vgl. Schnittke, Überrenditeeffekte am deutschen Aktienmarkt.

[19] Vgl. De Bondt; Thaler, 1985 und 1987.

[20] Vgl. De Bondt; Thaler, Does the Stock Market Overreact?

[21] Vgl. Fama, Efficient Markets: II, S. 1589.

[22] Vgl. Banz, The relation between return and market value of common stocks, S. 3 – 18.

[23] Vgl. Chan; Chen; Hsieh, An Exploratory Investigation of the Firm Size Effect.

[24] Vgl. Chan; Chen, Structural and Return Characteristics of Small and Large Firms.

[25] Vgl. Beiker, Überrenditen und Risiken kleine Aktiengesellschaften.

[26] Vgl. Graham; Dodd, Security Analysis.

[27] Vgl. Nicholson, Price-Earnings-Ratios, S. 43 – 45.

[28] Vgl. Basu, 1977, S. 666 ff.

[29] Litzenberger; Ramaswamy, 1979 und 1982.

[30] Vgl. Fama; French, Value versus Growth: The International Evidence, S. 1979 ff.

[31] Vgl. Rosenberg; Reid; Landstein, Persuasive evidence of market inefficiency, S. 9.

[32] Vgl. Fama; French, The Cross-Section of Expected Stock Returns.

[33] Vgl. Fama; French, The Cross-Section of Expected Stock Returns, S. 427-429.

[34] Vgl. Fama; French, The Cross-Section of Expected Stock Returns, S. 442.

[35] Vgl. Fama; French, The Cross-Section of Expected Stock Returns, S. 454 – 459.

[36] Vgl. Keimling, Erfolgsaussichten einfacher Value-Strategien, S. 8.

[37] Vgl. Lakonishok, Shleifer, Vinshy, Contrarian Investment, Extrapolation and Risk, S. 1548 – 1549.

[38] Vgl. Fama; French, The Cross-Section of Expected Stock Returns.

[39] Vgl. Fama; French, The International Evidence.

[40] Vgl. La Porta, Expectations and the Cross-Section of Stock Returns, S. 1715 ff.

[41] Vgl. Wallmeier, Prognose von Aktienrenditen und –risiken mit Mehrfaktormodellen, S. 261 ff.

[42] Vgl. Kotkamp; Otte, Die langfristige Performance von DAX- Dividendenstrategien.

[43] Lakonishok, Shleifer, Vinshy, Contrarian Investment, Extrapolation and Risk, S. 1548.

[44] Vgl. Lakonishok, Shleifer, Vinshy, Contrarian Investment, Extrapolation and Risk, S. 1548 – 1549.

[45] Vgl. Chan; Hamao; Lakonishok, Can Fundamentals Predict Japanes Stock Returns?, S. 27.

[46] Vgl. Capaul; Rowley; Sharpe, International Value and Growth Stock Returns.

[47] Fama; French, The international Evidence, S. 1980.

[48] Vgl. Fama; French, The International Evidence, S. 1980.

[49] Vgl. Chan; Lakonishok, Value and Growth Investing, S. 71 ff.

[50] Vgl. Greenwald; Kahn, Value Investing, S. 161 – 277.

[51] Vgl. Keimling, Erfolgsaussichten einfacher Value-Strategien, S. 12.

[52] Vgl. Capaul; Rowley; Sharpe, International Value and Growth Stock Returns.

[53] Vgl. O’Shaughnessy, Die besten Anlagestrategien aller Zeiten.

[54] Vgl. Kotkamp; Otte, Die langfristige Performance von DAX- Dividendenstrategien.

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Value-Effekte am deutschen Aktienmarkt. Empirische Untersuchung für den Zeitraum 1991 - 2012
Hochschule
Technische Hochschule Köln, ehem. Fachhochschule Köln
Note
1.0
Autor
Jahr
2014
Seiten
88
Katalognummer
V271489
ISBN (eBook)
9783656624875
ISBN (Buch)
9783656624851
Dateigröße
2925 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
value-effekte, aktienmarkt, empirische, untersuchung, zeitraum
Arbeit zitieren
Lasse Erdweg (Autor:in), 2014, Value-Effekte am deutschen Aktienmarkt. Empirische Untersuchung für den Zeitraum 1991 - 2012, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271489

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