Alban Bergs Lyrische Suite anhand von Briefen


Hausarbeit, 2012

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


I. Zielsetzung der Arbeit und Erläuterung des inhaltlichen Aufbaus

Alban Bergs Tonkunst gilt zum gegenwärtigen Zeitpunkt als ein Raffinement verborgener autobiografischer Bezüge. Der umfangreiche Nachlass Bergs in der Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek bot vielen Musikwissenschaftlern ab 1979 die Gelegenheit Nachforschungen über die verschwiegenen Fragmente seines Schaffens zu betreiben und dabei die latente Sprache eines Künstlers anhand der enormen Zeichenfülle seiner Musik zu deuten. Die nachfolgende Ausarbeitung liegt Bergs Lyrischer Suite aus dem Jahre 1925 zu Grunde und thematisiert im Kern die semantischen Hintergründe dieser Kompositen. Eine umfassende Werksanalyse oder die konkrete Untersuchung der Partitur sollen dabei nicht im Fokus stehen. Viel reizvoller erscheint es mir dagegen bei dieser Arbeit, die ‚Botschaft zwischen den Zeilen‘ zu ergründen. Zu Beginn dieser Arbeit möchte ich die entscheidenden Forschungs-ereignisse seit 1976 zusammentragen, die den programmatischen Charakter diese Werkes offengelegt haben und somit der häufig vermuteten These nachgehen, dass die Verbindung von Kunst und Leben das subtile Oeuvre Alban Bergs war. Dabei werde ich auch die zusammengetragenen Fakten zur Entstehung des Werkes festhalten. Anschließend werde ich mich auf das öffentlich zugängliche archivarische Material aus dem Leben Bergs beziehen, auf persönliche Briefe und Dokumente, welche den Entstehungshintergrund des Werkes eindeutig auf eine verborgene Liebesbeziehung Bergs zu der Prager Industriellengattin Hanna Fuchs-Robettin zurückführt. Die Quellen- und Forschungslage zu dem behandelten Thema erweist sich als äußerst umfangreich. Vor allem Constantin Floros hat mehrere Abhandlungen zu diesem Thema publiziert. Aus diesem Grund werde ich nicht alle Aspekte der Lyrischen Suite explizit erwähnen, sondern vor allem die Themen anführen, die Berg in der Korrespondenz mit Hanna Fuchs erläutert hat und die in einer engen Beziehung zu seiner eigenen Autobiographie stehen.

II. Zur Forschungs- und Entstehungsgeschichte der Lyrischen Suite

Die heutige Erkenntnis über den autobiografischen Kontext, welcher der Lyrischen Suite zu Grunde liegt, verdankt sich verschiedenster Recherchen, doch vor allem

einer gravierenden Enthüllung George Perles im Jahre 1976, die auf eine außergewöhnliche Entdeckung in Pennsylvania zurückzuführen ist.[1]

Waren es doch über 50 Jahre hinweg ausschließlich karge Vermutungen oder „ein gewisses Unbehagen darüber […], dass biografische Fragestellungen in die Werkbetrachtung einflossen“[2], so konnte man nun (seit Perles Veröffentlichung von 1977) schriftlich nachweisen, dass der verheiratete Alban Berg ein bis dato unbemerktes Liebesverhältnis zu der Prager Industriellengattin Hanna Fuchs-Robettin (der Schwester Franz Werfels) hatte. Diese unerfüllte Liebe lebt seither als Signum der Lyrischen Suite fort. Kern der Feststellung waren 14 Briefe Bergs an Hanna und ein handschriftliches, mit persönlichen Anmerkungen versehenes Einzelstück der Lyrischen Suite, jahrelang behütet im Vermächtnis der Geliebten und wiederentdeckt im Hause der Tochter Dorothea Fuchs. Bereits nach den ersten öffentlichen Vorstellungen der Lyrischen Suite wurden vereinzelt Stimmen laut, die dem Werk eine tiefer liegende Aussage nahelegten. So findet man in einer Konzertkritik aus dem Jahre 1928 den wohl äußerst zutreffenden und frühen ‚Verdacht‘, dass Berg mit seinem 1925/ 26 verfassten Streichquartett „den Gott verkünden“[3] will, oder „vielleicht auch seinen [Bergs] Teufel.“[4] Obendrein bemerkt man bereits hier, dass der Misterioso-Satz „ein geisterhaftes Nachtstück, eine diabolische Phantasie über vier Noten (a, b, f, h)“[5] ist. Und sogar für Berg selbst scheint das ‚musikalische Psychogramm‘ enthüllt, denn das verborgene Liebesbekenntnis zu Hanna Fuchs ist das, „was [sogar] die Dümmsten fast erraten, wenn sie die Lyrische Suite hören“[6]. Zwei Jahre vor der wertvollen Aufklärungsarbeit Perles hatte Constantin Floros bereits ähnliche Vermutungen bezüglich der subtilen Anspielungen innerhalb des Werkes angestellt.

Er bezog sich bei seinen Untersuchungen jedoch vor allem auf die Lyrische Symphonie des österreichischen Komponisten Alexander von Zemlinsky (dem Schwager, Lehrer und Freund Schönbergs), deren bloßer Titel lediglich schon eine Gegenüberstellung zu Bergs Komposition plausibel macht und auf die die Lyrische Suite nach Bergs eigenen, offiziellen Angaben wertschätzenden Bezug nimmt.[7] Fast identisch scheint auch die Motivik beider Werke, denn „der Grundton […] ist freilich der von Sehnsucht“[8].

Floros nahm ebenfalls an, dass die Motivation für Bergs Komposition aus einer großen Liebe hervorgeht und auch in dieser begründet liegt. Er unterlag jedoch einem Irrtum mit dem Glauben, dass die Gattin Helene Berg als Triebfeder agierte.[9] Berg machte die Bekanntschaft mit Hanna Fuchs-Robettin, während seines Aufenthalts in Prag- Bubeneč im Mai und im November des Jahres 1925.[10] Die Einladung ging unter anderem auf ein Schreiben von Herbert Fuchs-Robettin zurück, der Berg aus Anlass des II. Festivals der Internationalen Gesellschaft für neue Musik eine Unterkunft  im engen Kreise der eigenen Familie anbot. Möglicherweise wurde Herbert mit dieser Idee von Franz Werfel, einem engen Freund der Familie Berg angeregt, welcher in Kenntnis darüber war, dass Berg dem Prager Musikfest und der dortigen Aufführung seiner Drei Bruchstücke für Gesang und Orchester aus der Oper Wozzeck beiwohnen würde.[11] Wie Constantin Floros bemerkte, erreichte Berg diese gastfreundliche Offerte zu einem Zeitpunkt, „als seine Ehe mit Helene nicht mehr ganz intakt war“[12].

Arnold Schönberg erklärte einmal, dass unlängst in Bergs frühen Schaffen zwei charakteristische Tendenzen ersichtlich wurden, „ erstens, dass Musik ihm eine Sprache war und dass er sich in dieser Sprache tatsächlich ausdrückte; und zweitens: überströmende Wärme des Fühlens“[13].

[...]


[1] Vgl. Floros, Constantin: Alban Berg und Hanna Fuchs. Die Geschichte einer Liebe in Briefen, Zürich-Hamburg 2001, S. 8.

[2] Ebd., S. 11.

[3] Aus einem Ausschnitt, den Berg seinem Brief an Hanna Fuchs am 7. Juni 1928 beilegte, zit. nach: Floros, 2001, S. 73.

[4] Ebd.

[5] Ebd., S. 74.

[6] Ebd., S. 73.

[7] Vgl. Floros, Constantin: Alban Berg. Musik als Autobiographie. Wiesbaden 1992., S. 236.

[8] Floros, 2001, S. 124.

[9] Vgl. ebd., S. 237.

[10] Vgl. König, Werner: Der erste Satz der Lyrischen Suite und seine fast belanglose Stimmung. Ein Deutungsversuch, Tutzing 1999, S. 7.

[11] Vgl. Floros, 2001, S. 91.

[12] Floros, 2001, S. 154.

[13] Arnold Schönberg, zit nach: Stähr, Susanne: Romantische Lieder von Schumann bis Strauss, Programmheft Nr. 84 zum 01.06.2008, URL: http://www.berliner-philharmoniker.de/news-medien/programmhefte/details/heft/romantische-lieder-von-schumann-bis-strauss/, Stand: 15.08.2012.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Alban Bergs Lyrische Suite anhand von Briefen
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Musikwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Musikgeschichte - Alban Berg
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V271348
ISBN (eBook)
9783656628569
ISBN (Buch)
9783656628637
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
alban, bergs, lyrische, suite, briefen
Arbeit zitieren
Sabine Wollmann (Autor:in), 2012, Alban Bergs Lyrische Suite anhand von Briefen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271348

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