Hitler's Kunst- und Architekturauffassung als Ausdruck einer Stiltradition widersprüchlichen Inhalts


Essay, 2004

16 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Hitler’s Kunst-/Architekturauffassung als Ausdruck einer Stiltradition widersprüchlichen Inhalts

von Heiko Winter // Fh-Darmstadt FB-Gestaltung

Wenn wir Begriffe wie „Antike„, „Griechentum„, „Hellenen„, „Stadtstaaten„, „Polis„ usw. hören, assoziieren wir diese mit vermeintlichen Synonymen wie „Demokratie„, „Humanismus„, „Republik„, oder auch „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit„. Letztere verweisen auf die Zeit der französischen Revolution, gleichwohl aber auch auf Widersprüchlichkeiten zum Einen in der Auslegung bzw. Interpretation historischer Geschehnisse, wie z. B. der griechischen bzw. römischen Antike, zum Anderen zeigen diese Vergleiche sich geschichtlich wiederholender Ereignisse, die mangelnde Konsequenz bzw. die fehlende Objektivität des Interpretierenden aber auch im Gegensatz dazu die übersteigerte Konsequenz der Auslegbarkeit der Geschichte zugunsten der eigenen Präsenz und nicht zuletzt zum Erlangen, zum Repräsentieren und zum Aufrecht erhalten der eigenen Macht. Letzteres nahm Gestalt an in der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933, in dessen Kulturverständnis bzw. Kulturpolitik in den folgdenden Jahren aber auch schon in den Jahren zuvor.

Es manifestieren sich Widersprüche, welche einerseits auf Klassizismen früherer Generationen basieren, in der Art, dass die Antike schon zu Zeiten der italienischen Renaissance und später zu napoleonischer Zeit in die eine bzw. andere Richtung missinterpretiert wurde, und die Auslegung antiker Intentionen z. B. in Bezug auf Funktionen und Zeweckmäßigkeiten von Plastik und Architektur, welche bei näherer Betrachtung die Weiterführung von Gedanken historischer Vorläufer darstellen.

Eben diese Widersprüchlichkeiten zeichnen die vielen Klassizismen aus, die angefangen von der Antike (der römischen, wenn man diese Epoche sozusagen als ersten Klassizismus ansehen mag), über die Karolingische Zeit, die Neuzeit, angefangen mit der italienischen Renaissance über das Revolutionszeitalter bis hin zum Neoklassizismus des sogenannten dritten Reichs zwischen 1933 und 1945.

Widmen wir unser Augenmerk zuallererst der Antike selbst, da schon der Versuch Klassizismen zu verstehen das, zumindest teilweise, Verständnis der Antike voraussetzt. Der griechischen Kultur, mit ihren Gelehrten, Philosophen, Staatsmännern, haben wir sicherlich ein gewaltiges kulturelles Erbe zu verdanken; Philosophie, Naturwissenschaft, Drama, Literatur, Kunst, Architektur, um nur einen groben Überblick darüber zu geben, was wir heute noch am Griechentum bewundern.

Wahrhaft fortschrittlich auf allen möglichen Gebiteten schienen die Griechen zu sein, mit faszinierenden neuen Wissenschaften und Erkenntnissen, die ihrer Zeit eigentlich weit voraus wahren. Der „szientifische Mensch„, dessen Konzept von Aristoteles stammt oder die von Aristarch von Samonthrake geschaffene kritische Philologie, Kulturgeschichte (Dikaiarch aus Messene), Kunstgeschichte (Duris aus Samos), pragmatische Geschichte (Polybios), Theophrast‘s Physiologie der Pflanzen, die Trigonometrie und die Lehre von den irrationalen Größen von Apollonios von Perge, des Weiteren wären solche Persönlichkeiten wie Euklid (Geometrie, Optik), Archimedes (Kugelinhalt, Kreisumfang) oder Heron von Alexandrien zu nennen, der schon der antiken Welt allerlei Automaten, wie Türöffner, Seilbahnen, Taxameterwagen, Schraubenpressen und vieles mehr, bescherte; ganz abgesehen davon, dass er sich bei einigen Erfindungen bereits das Rückstoßprinzip (Wasserdampf) nutzbar machte. Außerdem fertigten die Griechen auf Basis ägyptischen und babylonischen Wissens Sternkarten und Kalender an, sie berechneten Mond- und Sonnenfinsternisse voraus und erkannten, dass die Erde als Kugel sich zum Einen um die eigene Achse und zum Anderen um die Sonne dreht. „Die antike Menschheit stand also damals dicht vor der Annahme des heliozentrischen Systems, der Entdeckung Amerikas und der Erfindung der Dampfmaschine.„ (Egon Friedell, 1928, Kulturgeschichte der Neuzeit, S. 809) Auch die Politik haben die Griechen erfunden, auf deren Grundfesten heute die Demokratien unserer Zeit aufgebaut sind. Doch genau hier liegt der springende Punkt. Trotz allen Fortschritts haben sie es nicht geschafft, die antike Welt in o. a. Punkten zu verändern. Sie haben weder die Dampfmaschine erfunden, noch Amerika entdeckt, und auch nicht „verhindert„, dass die Erde 1000 Jahre später wieder „eine Scheibe ist„.

Was die Politik im Staat im antiken Griechenland angeht sieht die Sache ähnlich aus. Von der Monarchie über eine Aristokratie zu Demokratie; wenn man es sich einfach machen will. Die Bürgerschaft war auch noch zu Perikles’ Zeiten in Stände gegliedert, von denen die untersten Klassen zwar die gleichen Rechte, aber trotzdem nicht den Einfluss hatten, der innerhalb eines demokratischen Systems wünschenswert wäre; ganz zu schweigen vom gänzlichen Ausschluss der Frauen. Abgesehen davon, dass nicht davon auszugehen ist, dass diese „(…) extreme Demokratie,„ funktioniert hätte, wie Egon Friedell (Kulturgeschichte der Neuzeit, S. 819-820) 1928 schreibt, „die keinen Parlamentarismus, kein noch so gleiches und noch so allgemeines Wahlrecht kennt, sondern nur lärmende Massenabstimmungen der ganzen Bevölkerung, nicht über die Gesetze, sondern auch über deren jeweilige Ausführung, die das Geschworenengericht, zumindest in der Theorie, aus der gesamten Volksbevölkerung bestehen läßt, die Beamten durch das Los bestimmt und die Kriegführung zehn jährlich gewählten, täglich im Oberkommando abwechselnden Strategen überläßt! Man kann sich denken, wie es in diesem irrsinnig gewordenen Bienenstock von Polis zugegangen sein muß, der von allem Anfang an und in steigenden Maße ein bloßer Vorwand für alle Arten von Klassenjustiz, Minoritätsvergewaltigung, Parteischiebungen und „patriotischen„ Erpressungen war.„ Die Attribute, die Friedell im letzten Satz aufzählt finden sich auch allesamt in sämtlichen Klassizismen wieder, ob in der Revolutionszeit, wo die Menschen mit der Guillotine für neue Ideale „begeistert„ wurden und auch im dritten Reich, auf deren Beziehungen zur Antike später noch genauer eingegangen werden wird.

Wenn man sich solch ein „demokratisches„ Instrument wie den Ostrakismos, das Scherbengericht, anschaut, wird relativ schnell deutlich, wie flugs man im antiken Griechenland auf der „Abschussliste„ derer stehen konnte, für die man „Gottesleugner„, oder Staatsverbrecher„ war oder einfach nur als „Hervorragend„ galt (Egon Friedell, 1928). Die relative Beliebigkeit solcher Begriffe könnten in einer Reihe mit Bezeichnungen wie „Verdächtige„ (siehe Septembermorde zur Revolutionszeit 1792), „Gleichschaltung„ (Zusammenfassung von Parteien und Verbänden, Ländern und Verwaltungen in die NSDAP z. Zeit der Machtergreifung) oder auch „landesverräterischer Umtriebe„ (Parteienverbot 1933) stehen. Und überhaupt waren und sind solche Termini in der Geschichte und in der Gegenwart häufig Variablen recht dehnbaren Ausmaßes, meist euphemistisch verwendet, da von der Masse der Volkes leichter „verdaulich„, Mittel zum Zweck des Machtgewinnes bzw. der Machterhaltung. So gesehen könnte man sagen, dass es unter dem Mantel einer zumindest zweifelhaften Demokratie, Sklaverei, Unterdrückung von Minderheiten und Frauen mit dem vielgepriesenen Humanismus in der Antike (in diesem Fall der Griechischen) nicht weit her war.

Nun soll dieser Einstieg in die Schwächen einer vergangenen Zeit der Griechen nicht die Leistungen schmälern, die sie vollbrachten, aber es treten Widersprüche hervor, die einerseits erklären könnten, dass das Griechentum in der Tat missverstanden wurde, zumindest insoweit, dass sprichwörtlich nicht „alles Gold war, was glänzte„ und dass sich diese Widersprüche andererseits wie ein roter Faden durch die Geschichte durchziehen, vor allem dann zu beobachten, wenn sich direkt auf klassisches bezogen und die Geschichte derart blauäugig betrachtet wird, dass die unangenehmen Dinge und Schattenseiten, derer zweifellos einige vorhanden waren, stets mit einer Beharrlichkeit ignoriert bzw. für den jeweiligen Zweck in ein günstigeres Licht, als sie es tatsächlich waren, gerückt werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Hitler's Kunst- und Architekturauffassung als Ausdruck einer Stiltradition widersprüchlichen Inhalts
Hochschule
Hochschule Darmstadt  (Fb Gestaltung)
Veranstaltung
Theorie und Geschichte in Kunst und Design
Note
1,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V27108
ISBN (eBook)
9783638292368
ISBN (Buch)
9783638771924
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit war Leistungsnachweis am Fachbereich Gestaltung der FH Darmstadt im Fach Theorie und Geschichte in Kunst und Design II. Text ist dicht und kleiner Zeilenabstand.
Schlagworte
Architekturauffassung, Ausdruck, Stiltradition, Inhalts, Theorie, Geschichte, Kunst, Design
Arbeit zitieren
Heiko Winter (Autor:in), 2004, Hitler's Kunst- und Architekturauffassung als Ausdruck einer Stiltradition widersprüchlichen Inhalts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27108

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