Seniorengerechte Bedienungsanleitungen. Eine Studie zur Verständlichkeit von Gebrauchsanleitungen für Blutdruckmessgeräte


Wissenschaftliche Studie, 2014

87 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Vorwort

Hintergrund der Studie und Erkenntnisinteresse

1 Einführung
1.1 Das Modell des soziotechnischen Systems
1.1.1 Die Mikroebene im soziotechnischen System
1.1.2 Die Makroebene im soziotechnischen System
1.2 Mitwirkende des soziotechnischen Systems
1.2.1 Hersteller
1.2.2 Nutzer
1.2.3 Bedienungsanleitung
1.3 Funktionen der Bedienungsanleitung
1.3.1 Bezeichnungen
1.3.2 Speichermedium
1.3.3 Repräsentation
1.3.4 Richtlinien und Normen
1.3.5 Kommunikation
1.4 Zusammenfassung

2 Anwendung in der Medizintechnik
2.1 Das System Mensch–Maschine
2.1.1 Blutdruckmessgerät – Technikkomponente
2.1.2 Mensch – soziale Komponente
2.2 Allgemeine Zielgruppenanalyse
2.2.1 Definitionen: Alter, Senioren, Seniorengerechtigkeit
2.2.2 Besondere Merkmale der Zielgruppe Senioren
2.2.3 Veränderungen im Alter
2.2.4 Techniknutzung und Technikakzeptanz im Alter
2.3 Zusammenfassung

3 Altersgerechte Textverständlichkeit
3.1 Allgemeine Zielgruppenanalyse
3.1.1 Spezielle und vergleichende Zielgruppenanalyse
3.2 Zielgruppenbefragung – Methodik
3.2.1 Fragenthematik und Ergebnisse
3.2.2 Güte der Auswahl und Plausibilität der Ergebnisse
3.2.3 Vergleichende Ergebnisbewertung
3.3 Verständlichkeitskriterien
3.3.1 Allgemeine Strukturierungsmerkmale von  Bedienungsanleitungen 
3.3.2 Kriterien einer altersgruppenspezifischen äußeren  Gestaltung 
3.3.3 Kriterien zur Messung der Textverständlichkeit
3.4 Textverständlichkeitsuntersuchungen
3.4.1 Kurzbewertung der allgemeinen  Strukturierungsmerkmale 
3.4.2 Textbewertung nach dem Hamburger  Verständlichkeitsmodell
3.4.3 Textanalyse auf Wort- und Satzebene: Flesch-Reading-Ease-Index
3.5 Zusammenfassung

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Komponenten des soziotechnischen Systems

Abbildung 2: Einordung der Gebrauchsanleitung in das soziotechnische System

Abbildung 3: Funktionen der Bedienungsanleitung

Abbildung 4: Instruktionsgrad

Abbildung 5: Hippokrates von Kos

Abbildung 6: Gerät nach Korotkoff um 1905

Abbildung 7: Heutiges Oberarm-Blutdruckmessgerät

Abbildung 8: Digitales Oberarm-Blutdruckmessegerät

Abbildung 9: Blutdruckmessung

Abbildung 10: Strommessgerät im Einsatz

Abbildung 11: Veränderung des Sehvermögens im Alter

Abbildung 12: Nutzung verschiedener Techniken in der Altersgruppe 60+

Abbildung 13: Die Sinus-Milieus in Deutschland 2010 – soziale Lage und Grundorientierung

Abbildung 14: Prozentsatz der Blutdruckmessgerät-Nutzer nach Altersgruppe 

Abbildung 15: Unterscheidung nach Geschlechtern der Nutzer in beiden  Altersgruppen

Abbildung 16: Bedienungsanleitungsleser in beiden Gruppen

Abbildung 17: Prozentsatz der Bedienungsanleitung-Vorherleser

Abbildung 18: Antwortverteilung in% auf die Frage nach zu vielen Fremdwörtern 

Abbildung 19: Geräteausstattung im Bereich Gesundheit

Abbildung 20: Wichtigkeit verschiedener Aspekte bei seniorengerechten Geräten 

Abbildung 21: Formel zur Ermittlung des Leitmediumverhältnisses von Bild zu Text

Abbildung 22: Vorliegen von Deckblatt (DB), Inhaltsverzeichnis (IV),  Kurzanleitung (KA)

Abbildung 23: Gewählte Formate

Abbildung 24: Gewählte Schriftgrößen

Abbildung 25: Text- und Bild-Verwendung als Leitmedium in den untersuchten Anleitungen

Abbildung 26: wl, sl in Relation zur Textverständlichkeit verschiedener Textsorten 

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beispielhafte Charakterskizzen in Form von Personae

Tabelle 2: Befragungsparameter der Vergleichsbefragung vom Februar 2013 

Tabelle 3: Klassifizierung der Leseleichtigkeit

Tabelle 4: Untersuchte Blutdruckmessgerät- Bedienungsanleitungen

Tabelle 5: Textverständlichkeitsanalyse der Bedienungsanleitungen

Tabelle 6: Leseleichtigkeit von Bedienungsanleitungen verschiedener  Haushaltsgeräte

Vorwort

Hintergrund der Studie und Erkenntnisinteresse

Die Autorin arbeitet als technische Redakteurin und Übersetzerin. Ihr Interesse gilt der Medizin und hier insbesondere der Unter­suchung der zielgruppengerechten und verständlichen Gestaltung von Gebrauchsanleitungen für medizinische Geräte. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Studie entstanden. Sie richtet sich an technische Redakteure und an all diejenigen, für die technisches Schreiben zum beruflichen Alltag gehört.

In den folgenden Darlegungen wurde der Versuch unternommen, den sehr speziellen Gegenstand und eng gefassten Sachbereich des vorgegebenen Themas in den größeren Rahmen der allgemeinen Technikwissenschaft zu stellen. Ausgehend von der im Jahre 2009 erschienen Arbeit von Marcel Norbey „Benutzerinformation für «seniorengerechte» Geräte der Unterhaltungselektronik“ wurde der darin vorgestellte Ansatz auf die Medizintechnik übertragen und in der Folge speziell die Verständlichkeit von Gebrauchsanleitungen für Blutdruckmessgeräte im Hinblick auf die «Seniorengerechtigkeit» untersucht.

Einführung

Eine Maschine ist weder gut noch böse. Sie funktioniert.

Dieses Zitat aus dem bekannten Film „The Terminator“ mit Arnold Schwarzenegger besagt zweierlei. Zum einen: Eine Maschine an sich entzieht sich einer Kategorisierung nach dem vom Menschen geschaffenen Wertesystem. Zum anderen: Sie erfüllt den Zweck, der ihr konstruktionsbedingt innewohnt, störungsfrei, fehlerfrei, reibungslos, effektiv und möglichst lange. Erst der Gebrauch, den der Mensch von der Technik macht, lässt Gutes oder Böses entstehen.

Die Wechselbeziehung zwischen menschlichem Handeln und Technik beschreibt das Modell des soziotechnischen Systems[1]. Dieses soll nun als Grundlage einer ganzheitlich-theoretischen Betrachtungsweise der Themenstellung näher erläutert werden.[2]

Die vorliegenende Arbeit untersucht die Verständlichkeit von Gebrauchsanleitungen für Blutdruckmessgeräte unter besonderer Berücksichtigung der «Seniorengerechtigkeit». Ausgehend vom allgemeinen System 'Technik' erfolgt eine Einordnung des Unter­suchungsgegenstandes in den Systemkontext sowie eine Be­schreibung der möglichen Nutzergruppen der Vorrichtung. Schließ­lich wird dargelegt, wie die Gebrauchsanleitung zu gestalten ist, damit sie den Bedürfnissen der Anwender gerecht wird.

1.1 Das Modell des soziotechnischen Systems

Ein soziotechnisches System besteht aus zwei Komponenten:

- dem Menschen, der als soziale Komponente das Handeln vornimmt,
- der Maschine als Sachsystem.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Komponenten des soziotechnischen Systems
(entnommen und geändert aus: Norbey 2009)

Abbildung 1 zeigt die Bestandteile des soziotechnischen Systems auf. Die beiden Komponenten des Mikrosystems Mensch und Maschine treten miteinander in eine Wechselbeziehung, die Gegenstand der folgenden näheren Untersuchung ist.

1.1.1 Die Mikroebene im soziotechnischen System

Auf der Mikroebene des soziotechnischen Systems sind die Systemkomponenten Mensch und Maschine angesiedelt. Ihre Beziehung zueinander manifestiert sich durch den Austausch von Informationen in Form von Befehlen, die vom Menschen ausgehen, sowie in Form von Daten, die von der Maschinenkomponente ausgehen, und wieder zurück.

Für eine Kategorisierung der Wechselbeziehung zwischen Mensch und Sachsystem gibt es zwei Möglichkeiten: entweder als Substitution oder als Komplementation. Bei einer Substitution werden bisher vom Menschen verrichtete Handlungen vom technischen System, z.B. Haushaltsgeräten wie Spülmaschine und Waschmaschine, übernommen, während bei einer Komplementation das menschliche Handlungssystem so ergänzt wird, dass es nun in der Lage ist, Handlungen auszuführen, zu denen der Mensch nur auf Grund seines körperlichen und geistigen Potentials nicht im Stande gewesen wäre. Hierzu zählen zum Beispiel Messgeräte, Telefon, und PC.[3]

Ropohl beschreibt „actio und reactio“ eines Mensch–Maschine-Systems am Beispiel des Modells Computer wie folgt:

„Ein Computer wird erst wirklicher Computer, wenn er zum Teil einer Mensch-Maschine-Einheit geworden ist. Wenn Text geschrieben wird, tut das nicht allein der Mensch, aber es ist auch nicht allein der Computer, der den Text schreibt; erst die Arbeitseinheit von Mensch und Computer bringt die Textverarbeitung zuwege. Da freilich im benutzten Computer immer schon die Arbeit anderer Menschen verkörpert ist, da also die Mensch-Maschine-Einheit nicht nur durch den einzelnen Nutzer gebildet, sondern auch von anderen Menschen mitgeprägt wird, bezeichne ich sie als soziotechnisches System.“ (Ropohl 2009: 58–59)

In Anbetracht dieses Zitats von Ropohl entspricht aber eine von der Umwelt losgelöste Betrachtung der Einheit Mensch–Maschine noch nicht der Wirklichkeit. Vielmehr ist das Umfeld als Makroebene mit einzubeziehen, um ein möglichst realitätsnahes Modell zu schaffen.

1.1.2 Die Makroebene im soziotechnischen System

Soll die Betätigung eines technischen Sachsystems durch ein menschliches Handlungssystem möglich sein, soll also dessen störungsfreies, reibungsloses, effektives und möglichst langes Funktionieren sichergestellt sein, müssen einige Voraussetzungen in der Umgebung, also auf der Makroebene, erfüllt sein. Ropohl benennt die folgenden Parameter als Bedingung[4]:

- Logistik,
- Verfügbarkeit,
- Integrierbarkeit,
- Zuverlässigkeit,
- Beherrschbarkeit.

Logistik umfasst die zur Verfügung stehenden Transport- und Bereitstellungswege, über die ein Sachsystem zum Ort seiner Nutzung gelangt.

Verfügbarkeit bedeutet, dass das Sachsystem zur richtigen Zeit am richtigen Ort einem einzigen Nutzer zu Verfügung steht, was eine gleichzeitige Verwendung durch konkurrierende Nutzer ausschließt.

Integrierbarkeit ist gegeben, wenn Sach- und Handlungssystem zu einem funktionellen Gesamtsystem zusammenfinden.

Zuverlässigkeit besagt, dass das System jederzeit, zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt oder im Dauerbetrieb, seiner Bestimmung entsprechend, arbeitet, d.h. es ist reproduzierbar.

Beherrschbarkeit eines Systems setzt beim Anwender das (Fach-) Wissen voraus, das ihn zur Gerätebedienung befähigt. Unwahrscheinlich ist der Fall, dass jemand a priori über das gesamte Wissen verfügt, das notwendig ist, um ein Sachsystem fehlerfrei bedienen zu können. In der Praxis eignet sich der Nutzer dieses Wissen vor oder während der Inbetriebnahme eines Sachsystems an.

An dieser Stelle des soziotechnischen Gesamtsystems hat der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, die Gebrauchsanweisung, ihren Platz. Sie ist nicht Teil der Interaktion zwischen dem Handlungssystem Mensch und dem Sachsystem Technik, ist aber dennoch unabdingbare Vorrausetzung für den fehlerfreien Betrieb desselben. Norbey zählt die Gebrauchsanleitung zu den logistischen Unterstützungssystemen, denn erst ihr Einsatz ermöglicht die zweckgerichtete Verwendung des Sachsystems.[5]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einordung der Gebrauchsanleitung in das soziotechnische System
(entnommen und geändert aus: Norbey 2009)

Abbildung 2 zeichnet nach, an welcher Stelle des soziotechnischen Systems die Gebrauchsanweisung einzuordnen ist. Die Funktion als Informationsübermittlerin erfüllt sie dadurch, dass sie die zur Benutzung des Sachsystems notwenigen Informationen vom Hersteller zum Anwender weiterleitet. Dadurch wird dieser in die Lage versetzt, die Technik zweckorientiert zu verwenden. Damit zweckorientiertes Handeln ermöglicht wird, müssen die Mitwirkenden des soziotechnischen Systems, d.h. Hersteller, Nutzer und Bedienungsanleitung, ebenfalls die ihnen zugedachte Rolle erfüllen.

1.2 Mitwirkende des soziotechnischen Systems

Als Mitwirkende des soziotechnischen Systems sind auf der Mikroebene Anwender und technisches Sachsystem zu finden, während auf der Makroebene Hersteller und Bedienungsanleitung als bereitstellende Organe der Maschinen- und Informationskomponente angesiedelt sind.

1.2.1 Hersteller

Die Herstellung des Sachsystems erfolgt in einer Umgebung, deren Ausstattung, sowohl technisch als auch personell, speziell auf das zu erzeugende Sachsystem ausgerichtet ist. Die Personen, die in diesem Raum zweckgerichtete Handlungen ausführen, sind die Konstrukteure und technischen Redakteure. Sie verfügen über das Fachwissen, das zur Konstruktion und Bedienung des technischen Sachsystems notwendig ist. Während das konstruktive Wissen an der Produktionsstätte verbleibt, muss das Wissen darüber, wie das Sachsystem zu bedienen ist, dem Nutzer zugänglich gemacht wer­den, damit dieser in die Lage versetzt wird, das Gerät sicher und sachgerecht zu bedienen.

1.2.2 Nutzer

Prinzipiell kann und muss davon ausgegangen werden, dass der Nutzer nicht über das zur Bedienung des Geräts erforderliche spezielle Wissen verfügt. Sehr wohl verfügt er aber über ein mehr oder weniger breites allgemeines und technisches Wissen. Allerdings ist das vorhandene technische Basiswissen individuell sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, dass es in der Regel für die am Herstellungsort agierenden Personen, nämlich Hersteller, Konstrukteure und Technische Redakteure, nicht von vornherein erkennbar ist, da Nutzung und Herstellung des Sachsystems in räumlich getrennten und sehr unterschiedlichen Umgebungen erfolgen. Voraussetzung dafür, dass alle Anwender befähigt werden, das Sachsystem sicher und sachgerecht zu bedienen, und somit den größtmöglichen Nutzen[6] daraus zu ziehen, ist aber der Wissenstransfer vom Ort des Entstehens des Sachsystems zum Ort der Benutzung.

1.2.3 Bedienungsanleitung

Zentrales Depot der anwenderbestimmten Informationen ist die Bedienungsanleitung. Neben dem Begriff „Bedienungsanleitung“ sind noch weitere synonym gebrauchte Bezeichnungen im Umlauf, wie Gebrauchsanleitung, Betriebsanleitung, Benutzerhandbuch oder -anweisung, Benutzerinformation, Gebrauchshinweise. Diese verschiedenen Bezeichnungen, wie auch die Wege der Übermittlung von technischem Wissen, sind Gegenstand der Erörterung im nächsten Kapitel.

1.3 Funktionen der Bedienungsanleitung

Als Übermittlerin technischen Wissens vom Hersteller zum Nutzer wurde die Bedienungsanleitung bereits eingeführt. Diese soll überprüfbar und in der Qualität reproduzierbar sein. Aus diesem Grund regeln auf der Seite des Herstellers Richtlinien und Normen, welche Informationen in welcher Weise in der Bedienungsanleitung hinterlegt werden müssen.

Allerdings ist, neben der reinen Sachinformation mit der Bedienungsanleitung, noch ein weiterer Effekt verknüpft, nämlich der der Unternehmensrepräsentation. Aufmachung und Inhalt der Bedienungsanleitung tragen auch zu dem Eindruck bei, den ein Hersteller in der Öffentlichkeit hinterlässt. Für die dritte Funktion als jederzeit abrufbares Wissensdepot und Nachschlagewerk stehen Speichermedien verschiedener Natur zur Verfügung, die maßgeblich den Weg vorgeben, auf dem die Informationen den Nutzer erreichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Funktionen der Bedienungsanleitung

Abbildung 3 zeigt die zentrale Stellung der Bedienungsanleitung zwischen der Erstellungsseite als Verwalterin des Fachwissens und der Nutzerseite mit technischem Laienwissen. Zur Erfüllung ihrer Aufgabe als Informationsvermittlerin und Unternehmensrepräsentantin erscheint die Bedienungsanleitung unter verschiedenen Be­zeichnungen und auf unterschiedlichen Speichermedien.

1.3.1 Bezeichnungen

Mit Blick auf die Zielgruppe ist die schon früher bei Nickl[7] und Pelka[8] gegebene Definition geeignet, die verschiedenen Bezeichnungen für technische Handlungsanweisungen zu klassifizieren. Während sich die Bedienungsanleitung/Anweisung an einen Fachmann wendet, sind Gebrauchsanleitungen eher für Laien oder Novizen auf dem entsprechenden Fachgebiet gedacht.

So verstanden, vermitteln Betriebsanleitung und Benutzerhandbuch eher Fachkenntnisse zum Betreiben von technischen Großgeräten, während die Benutzerinformation sich mehr an einen Nichtfachmann richtet. Gerade die zweiten Wortbestandteile -anleitung und -hand­buch transportieren die Assoziation von Verbindlichkeit, Umfänglichkeit und Detailliertheit der präsentierten Angaben. Dagegen bleibt die Rezeption von Information, Anleitung und Hinweis dem Leser eher freigestellt, es sei denn sie trägt den Zusatz „wichtig“, was in der Praxis auch oft der Fall ist, wenn Wissensweitergabe an den Laien zwingend ist. Dokumente dieser Art haben einen nur instruierenden, lehrenden, oder belehrenden Charakter. Dem Anwender bleibt es überlassen, die Informationen mehr oder weniger verbindlich zu befolgen oder auch nicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Instruktionsgrad

Abbildung 4 zeigt eine Auftragung des Verbindlichkeitscharakters. Während eine Anweisung verbindlichen Charakter besitzt, impliziert ein Hinweis, dass dessen Befolgung dem Anwender mehr oder weniger freigestellt ist. Es liegt in seiner Verantwortung, die für ihn richtige Entscheidung zu treffen, also die Hinweise zu befolgen oder nicht, ohne dass sofort eine Falschbedienung des Sachsystems zu befürchten wäre. Unter Anleitung wird eine eher milde nicht fordernde Form der Belehrung verstanden. Der Begriff ist positiv belegt, da von einer Anleitung gleichzeitig auch ein gewisses Maß an Hilfestellung in einer gefühlt schwierigen Situation erwartet wird. Informationen assoziieren einen eher neutralen Charakter. Über Informationen zu verfügen, bedeutet aber eine Gleichstellung mit dem Fachmann oder auch einen Wissensvorsprung, der sich sowohl in persönlicher Anerkennung als auch im Berufserfolg niederschlägt.

Nicht zu finden sind in diesem Zusammenhang Empfehlung und Vorschlag. Bei einer Gerätebedienung würden diese Begriffe dem Nutzer eine zu große Wahlfreiheit lassen. Auch die Möglichkeit einer Fehlbedienung mit der möglichen Folge, dass Personen oder zumindest Sachen Schaden nehmen, ist nicht ausgeschlossen. An dieser Stelle entfalten zudem auch die im Folgenden noch zu erläuternden Richtlinien und Normen ihre Wirkung. Sie legen durch Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung den Verbindlichkeitsrahmen von technischen Informationen fest.

Die vorliegende Arbeit betrachtet die Benutzung eines monofunktionellen Kleingerätes durch ein Laienpublikum. Daher soll im weiteren Verlauf durchwegs der Begriff Bedingungsanleitung verwendet wer­den, der sich auch im Fachverband der tekom für die Textsorte der technischen Anleitungen durchgesetzt hat.[9]

1.3.2 Speichermedium

Das Druckformat ist für die Bedienungsanleitung bisher noch die gängige und bewährte Form der Wissensbereitstellung. Dennoch sind andere Verfahren praktikabel und auch im Einsatz.

Ein Verkäufer oder eine andere Person mit Fachwissen auf dem betreffenden Gebiet vermag den Neu-Nutzer mit den benötigten Informationen zu versorgen. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass die Gerätebedienung sofort unter fachkundiger Anleitung richtig erlernt werden kann. Fragen können unmittelbar gestellt und beantwortet und mögliche Anwendungsfehler gleich zu Beginn korrigiert werden. Bei diesem Verfahren ist das Wissen zwar bei einer Person gespeichert, es kann aber nicht beliebig oft und zu jeder Zeit und oftmals auch nicht mit überprüfbarer Qualität abgerufen werden, was in der Praxis nachteilig ist.

Die Bereitstellung in elektronischer Form wird mit der fast flächendeckenden Verbreitung des PC zunehmend zu dem Verfahren der Wahl. Vorteilhaft dabei ist die Möglichkeit, das Wissen jederzeit, beliebig oft und reproduzierbar abzurufen. Zudem sind die Herstellungskosten geringer und Aktualisierungen jederzeit mit wenig Aufwand möglich.[10]

1.3.3 Repräsentation

Bisher hat sich die Bedienungsanleitung nur in geringem Maße als Plattform zur Unternehmenspräsentation etabliert. Zur Produktwerbung ist die Bedienungsanleitung grundsätzlich weniger geeignet, weshalb sich beispielsweise der Einsatz von Hochglanzfotos verbietet, da sie dem eigentlichen Zweck widersprechen.

Welcher Stellenwert dem Informationsgehalt der Bedienungsanleitung aus Nutzersicht zukommt, belegen die Zahlen aus einer von der Firma SecureDoc durchgeführten Umfrage.[11]. Je nach Alters­kategorie gaben zwischen 88 und 98% der befragten Personen an, dass die Bedienungsanleitung für sie entweder wichtig oder sehr wichtig ist. Es ist anzunehmen, dass diese Daten aus dem Jahre 2003 inzwischen auf Seiten der Hersteller zu Verbesserungsbemühungen geführt haben. Dieser Prozess ist allerdings eine fortwährende Aufgabe, denn Verbesserungen und Weiterentwicklungen lassen sich immer aufs Neue erreichen.

Das von Nickl[12] aufgegriffene folgende Zitat beschreibt treffend den eigentlichen Zweck von Bedienungsanleitungen: „Gute Bedienungsanleitungen sind nicht absatzfördernd. Wenn der Kunde die Bedienungsanleitung in der Hand hält, hat er ja schon gekauft!“ (Wirtschaftswoche 1985: 38).

Nach Auffassung Nickls ist hier insofern noch Verbesserungspotential vorhanden, als dass eine Kurzanleitung auf die Packung aufgedruckt werden könnte, oder dem Verkäufer ein Exemplar zur Einsichtnahme bereitgestellt wird.[13]

Durch die Online-Verfügbarkeit der Bedienungsanleitung wurden allerdings bereits Fortschritte erzielt, denn aktualisierte Versionen sind auf diese Weise für den Nutzer jederzeit zugänglich. Die Entwicklung einer App, die einen Zugriff auf Bedienungsanleitungen für technische Geräte namhafter Hersteller und deren Verwendung auf dem Handy und Tablet-PC ermöglicht und neben der zeitlichen auch die räumliche Unabhängigkeit des Nutzers zum Ziel hat, wurde im Jahre 2011 gestartet[14]. Sie ist derzeit bereits als E-Manual auf dem Markt.[15]. Dieser Bereich wird künftig noch an Bedeutung gewinnen. Der Altersgruppe, die heute vorwiegend an Blutdruckmessgeräten Interesse hat, ist dieser Informationsweg zwar als solcher schon in der Praxis bekannt, jedoch noch weitgehend unzugänglich.

1.3.4 Richtlinien und Normen

Im Produkthaftungsgesetz ist die Instruktionspflicht des Produkt-Herstellers gegenüber dem Produkt-Nutzer festgelegt. Danach ist sämtlichen erklärungsbedürftigen technischen Produkten eine Be­dienungsanleitung beizulegen, die bestimmte Informationen ent­halten muss.

[...]


[1] Ropohl, G. (2009), S. 71ff.

[2] Auch Norbey (2009), S.11–37, beruft sich in seiner Untersuchung "Benutzerinforma­tion für «seniorengerechte» Geräte der Unterhaltungselektronik" ausführlich auf dieses soziotechnische Modell.

[3] Norbey, M. (2009), S. 22–23.

[4] Ebenda, S. 191–205.

[5] Norbey, M. (2009), S. 31.

[6] Lehrndorfer, A. (2007), S. 42–43: Unterscheidet zwischen Gebrauchsnutzen und Produktnutzen. "Der Gebrauchsnutzen ist der Vorteil oder der Nutzen, den der Anwender eines Produkts tatsächlich hat. Nur wenn das Produkt so gut bedienbar und ausreichend dokumentiert ist, dass der Anwender alle Funktionen nutzen kann, ist der Gebrauchsnutzen gleich dem Produktnutzen".

[7] Nickl, M. (2001), S. 26.

[8] Pelka, R. (1982), S. 88.

[9] Straub, D. und Fritz, M. (2009), S. 17.

[10] Juhl, D. (2005), S. 11.

[11] Wimmer, P. (2003), S. 21.

[12] Nickl, M. (2001), S. 42.

[13] Ebenda.

[14] Pospieszny, C. (2011).

[15] http://emanual.orfgen.net/#start-2=app-store&frame=fur-unternehmen; Zugriff am 17.01.2013.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Seniorengerechte Bedienungsanleitungen. Eine Studie zur Verständlichkeit von Gebrauchsanleitungen für Blutdruckmessgeräte
Veranstaltung
tekom Zertifizierung zur Technischen Redakteurin
Autor
Jahr
2014
Seiten
87
Katalognummer
V270985
ISBN (eBook)
9783656630340
ISBN (Buch)
9783656630333
Dateigröße
4376 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
tekom Zertifizierung zur Technischen Redakteurin
Schlagworte
seniorengerechte, bedienungsanleitungen, eine, studie, verständlichkeit, gebrauchsanleitungen, blutdruckmessgeräte
Arbeit zitieren
Annette Stang (Autor:in), 2014, Seniorengerechte Bedienungsanleitungen. Eine Studie zur Verständlichkeit von Gebrauchsanleitungen für Blutdruckmessgeräte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/270985

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