Die Judenverfolgung und -vernichtung in griechischen Romanen der Nachkriegszeit


Magisterarbeit, 2013

82 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Einleitung

Zur Begrifflichkeit des Holocausts

I. Geschichtlicher Hintergrund
1. Die Anfänge der jüdischen Diaspora
2. Juden in Griechenland
2.1. Die Romanioten
2.2. Die Sepharditen
3. Thessaloniki und die größte jüdische Gemeinde
4. Okkupation, Deportation und Vernichtung

II. Gedächtnis und Erinnerung
1. Zur Begrifflichkeit von Erinnerung und Gedächtnis
1.1 Erinnerung
1.2 Gedächtnis
2. Kollektives Gedächtnis und seine Merkmale
3. Kommunikatives und kulturelles Gedächtnis
3.1 Kommunikatives Gedächtnis
3.2 Kulturelles Gedächtnis
4. Geschichte und Gedächtnis
5. Gedächtnis in der Literatur und die Beziehung zur Geschichte
6. Traumata und Vergessen
7. Wie wird in Griechenland erinnert?
8. Erinnerungsberichte von Opfern der Judenvernichtung

III. Analysen ausgewählter Romane
1. Sofias Nikolaidou „Heute Abend haben wir keine Freunde“
1.1 Sofia Nikolaidou - Erinnern statt Vergessen
1.2 Kurze Zusammenfassung des Romans „ Heute Abend haben wir keine Freunde
1.3 Literarische Gestaltung von „Heute Abend haben wir keine Freunde“
1.4 Darstellung der Juden, der Judenverfolgung und -vernichtung in „Heute Abend haben wir keine Freunde“
1.4.1 Die antisemitische Einstellung der Nicht-Juden
1.4.2 Die Plünderung der jüdischen Häuser infolge der Judenverfolgung und -vernichtung
1.4.3 Die Behandlung der Juden während der Besatzung durch die Deutschen und die griechischen Kollaborateure
1.4.4. Die Reaktionen der Nicht-Juden auf die Deportationen
1.5. Zur Tradierung der Verfolgung und Vernichtung der Juden
2. Nikos Davvetas „Die jüdische Braut“
2.1. Kurze Zusammenfassung
2.2. Die behandelten Themen im Roman
2.3. Literarische Gestaltung
2.4. Die Judenverfolgung und -vernichtung als Thema im Roman
2.4.1. Das Überleben
2.4.2. Das Leben nach der Rückkehr
2.4.3. Väterschuld
2.4.4. Die Judenverfolgung in der Deutungsperspektive des Romans „Die jüdische Braut“
2.5. Davvetas Gedächtniskonstruktion in „Die jüdische Braut“
3. Rea Galanaki: Judasfeuer, Ödipus Asche
3.1. Zusammenfassung des Romans
3.2. Die Paralellen zwischen den zwei erzählten Geschichten
3.3. Gestaltung des Romans und die behandelten Themen
3.3.1. Rassismus und Antisemitismus gegenüber den Juden
3.4. Die Juden in der Deutungsperspektive des Romans von Rea Galanaki
3.5. Galanakis Gedächtniskonstruktion in Judasfeuer, Ödipus Asche
4. Zusammenfassung: Das Thema über die Judenverfolgung und -vernichtung in neugriechischen Nachkriegsromanen

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Expansion Griechenlands zwischen 1832 - 1947

Abbildung 2: Übersicht über sieben historische Generationen des 20. Jahrhunderts

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zahlen der Haushalte im Osmanischen Reich

Tabelle 2: Der Verlust der jüdischen Bevölkerung Griechenlands während der deutschen Verfolgung

Tabelle 3: Die Unterschiede zwischen kulturellem und kommunikativem Gedächtnis

TRANSKRIPTIONSSYSTEM GRIECHISCH

Für die Transkription griechischer Begriffe und Namen wird ein auf der Transkriptionsmethode der ELOT-Regeln basierendes System verwendet. Ausnahmen von dieser Transkription erfolgten (vor allem bei Personennamen), sofern bereits eine etablierte Umschrift existierte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Genau wie in vielen anderen Ländern, so lässt sich auch in Griechenland eine langjährige Präsenz von jüdischer Bevölkerung nachweisen. Bereits in vorchristlicher Zeit bewohnten die Juden verschiedene Orten des Landes. Aufgrund der guten Handelsmöglichkeiten war Thessaloniki ein beliebtes Fluchtziel für die aus Mitteleuropa, Spanien, Portugal, Italien und Russland vertriebenen Juden im 15. Jahrhundert. In der Stadt, die seit dem 16. Jh. als „Mutter Israels“ bezeichnet wird, bildeten die Juden bis zu dem 20. Jh. die Bevölkerungsmehrheit unter den Türken, Griechen, Albanern und Bulgaren. Die deutsche Besatzung in Griechenland (1941) und die danach folgenden Deportationen belegen das Ende des Lebens der jüdischen Gemeinden im ganzen Land. Mit einem Verlust von insgesamt 86 % gehört Griechenland zu den wenigen Ländern Europas, die so einen großen Anteil an der jüdischen Bevölkerung verloren haben.

Wie wird in Griechenland an die Judenverfolgung und -vernichtung erinnert und wie wird das Thema von neugriechischen Autoren, die selber keine Zeugen der Besatzung waren, in den Nachkriegsromanen dargestellt? Im Rahmen der vorliegenden Arbeit versuche ich, diese Fragen anhand von drei ausgewählter Romane zu erläutern.

Aus methodischen Gesichtspunkten gliedert sich die Arbeit in drei Teile. Der erste gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte des jüdischen Volkes auf griechischem Boden. Von dem ersten Babylonischen Exil über die Diaspora in Europa bis zu den Verfolgungen während des Zweiten Weltkriegs wird Folgendes dargestellt:

- Wie und wann kamen die Juden nach Griechenland?
- Welche Gebiete besiedelten sie?
- In welchen Verhältnissen lebten sie mit den Griechen?
- Was passierte mit den griechischen Juden während der Okkupation?

Der Grund, warum ein historischer Teil in der Arbeit dargestellt wird, ist, dass die Geschichte und narrative Texte mit einem geschichtlichen Hintergrund sich ergänzen. Ein Roman, in dem wirklich passierte Ereignisse als Themen behandelt werden, könnte nicht geschrieben werden, wenn man die Fakten nicht kennt. Durch solche Romane bekommt man als Rezipient die Möglichkeit, auf eine unterhaltsame Art und Weise auf diese Fakten zu stoßen und damit eine neue Sichtweise auf die Geschichte zu bekommen.

Gegenstand des zweiten Teils der Arbeit sind Erinnerung, Gedächtnis und Traumata. Die Begriffe des kollektiven, kommunikativen und kulturellen Gedächtnisses werden in einer Auseinandersetzung zwischen Gedächtnis und Erinnerung hervorgehoben. Des Weiteren wird die Funktion des kollektiven Gedächtnisses für die Bewahrung der Geschichte, zu der auch Kulturen, Gesellschaften und Nationen gehören, dargestellt. Im Mittelpunkt soll die Rezeption der Arbeiten von Maurice Halbwachs, Jan und Aleida Assmann stehen, deren Beiträge zu Gedächtnistheorien im kultursoziologischen Bereich massgeblich prägend sind. Einerseits soll die Beziehung zwischen Gedächtnis und kollektiver Identität gezeigt werden und andererseits die Inszenierung der Geschichte und der Literatur durch das Erinnerte des Einzelnen oder von Gruppengemeinschaften. Die Fragen Wie sind Erinnerung und Gedächtnis in kultursoziologischer Sicht zu deuten? und Wie wird die Funktion des kollektiven Gedächtnisses in Gemeinschaften herausgebildet? sollen beantwortet werden. Den Abschluss dieses zweiten Teils bilden Erinnerungsberichte von griechischen Juden, die den Holocaust überlebt haben. Die Zeugenaussagen haben zum Ziel, zum einen den theoretischen Teil anschaulicher zu gestalten, und zum anderen zu zeigen, wie sich Opfer an den schlimmsten Tagen ihren Lebens erinnern. Das, was durch die Gedächtnis- und Erinnerungstheorien festgestellt wird, ist insofern für die Arbeit von Bedeutung, als damit erklärt werden könnte, dass historische Ereignisse wie die Judenverfolgung und -vernichtung als ein Narrativum in der Gegenwart konstruiert werden und verschiedenen Erinnerungsgemeinschaften unterworfen sind.

Im dritten Teil, das als Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit dient, sollen drei neugriechische Nachkriegsromanen in Bezug auf ihre Erinnerungs- und Darstellungskonzeption zum Thema der Judenverfolgung und -vernichtung inhaltlich analysiert werden. Der Auswahl berücksichtigt die Tatsache, dass die Zahl solcher Romane in der gegenwärtigen Literatur Griechenlands sehr gering ist, weil das Hauptthema der Nachkriegsliteratur nicht der Zweite Weltkrieg ist, sondern der darauffolgende Bürgerkrieg. Der Genozid der Juden war lange Zeit ein Tabuthema in Griechenland. Die Geschichte der Vertreibung und Vernichtung der griechischen Juden war bis vor kurzer Zeit in Archiven „versteckt“, womit dieses Ereignis aus der griechischen Gesellschaft und deren kollektiven Gedächtnis entfremdet wurde. Erst ab den 1990er Jahren lässt sich ein zunehmendes Interesse am Thema, nicht nur seitens der Geschichtsforschung erkennen, sondern auch seitens der Literatur.

Die leitende Fragestellung in Bezug auf die Untersuchung ist: Inwieweit hat die Nachkriegsliteratur den Anspruch, die Erinnerung an der Judenverfolgung und -vernichtung zu bewahren und weiterzugeben, indem die Rezipienten durch die Autoren und eine Vergegenwärtigung der Geschichte in eine Gedächtnisgemeinschaf aufgenommen werden? Die darauffolgenden Fragen sind der erwähnten Fragestellung zuzuordnen: In welchem Ausmass ergänzen sich Geschichte und Literatur in Bezug auf das Thema über die Juden?, Wie wird durch das Medium Literatur an die Juden in Griechenland erinnert?, Werden die Fakten in der narrativen Welt objektiv von den Autoren interpretiert und dargestellt?, Können sie als Medium des kulturellen Gedächtnisses angesehen werden, indem sie die Rolle einer zuverlässigen, repräsentativen und erzählerischen Darstellung spielen?

Für die Untersuchung der Erinnerungs- und Darstestellungskonzeption sind im Wesentlichen die unten genanten Fragerichtungen zu verfolgen, die implizit behandelt werden.

- Wie werden die jüdischen Protagonisten dargestellt? Hier soll die Objektivität der Autoren in Bezug auf die erzählerische Gestaltung überprüft werden.
- Welche faktischen Geschichtsbilder über die Judenverfolgung und -vernichtung werden in der fictionellen Welt rekonstruiert? Hier geht es um einen Vergleich zwischen den in den Romanen geschilderten Ereignissen und den Fakten, die in Geschichtsbüchern zu finden sind. Ziel ist es festzustellen, inwieweit die analysierten Romane als ein wahrhaftiges Abbild der Vergangenheit dienen können.

Die ausgewählten Romane bieten unterschiedliche Erinnerungsbilder von der Judenverfolgung und -vernichtung. Es geht nicht nur darum, wie Fakten in einer imaginären Welt rekonstruiert werden, sondern auch darum, welche Erinnerungsbilder über den Holocaust tradiert werden und wie sie im gegenwärtigen kollektiven Gedächtnis aufbewahrt werden sollen.

Der neueste Vorschungsstand bietet eine nicht so große Menge an Beiträgen, wie es z. B. in Deutschland in Bezug auf die deutschen oder polnishen Juden festzustellen ist, es wird aber ein zunehmendes Interesse seitens der Forscher gezeigt. Exemplarisch wären hier folgende Intstitutionen zu nennen: Die Gruppe für die Erforschung der Geschichte der Juden in Griechenland[1] die, unter anderem in Zusammenarbeit mit den Univestitäten von Thessaloniki (Aristhotelos), Berlin (die Freie Universität Berlin), Athen und Geschichtsforschern wie Rena Molho, Hagen Fleischer, Andonis Molho, Mark Mazower und Polymeris Voglis mehrere Symposien und Veranstaltungen organisiert; das Instutut für Neogräzistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und die Forschungsstelle Literarischer Transfer an der Universität Osnabrück, deren Vorsitzende Marilisa Mitsou und Chryssoula Kambas eine internationale Tagung im Sommer 2012 organisiert haben, um zusammen mit den beteiligten Forschern die neuesten Beiträge rund um das Thema „ Erinnerungskultur und Geschichtspolitik der Okkupation Griechenlands 1941 - 1944 “ vorzustellen. Im griechischsprachigen Raum sind in Bezug auf die Literaturforschung die Namen von Fragiskis Abazopoulou[2] und Georgia Gotsi[3] zu erwähnen. Abazopoulou führte eine grundlegende Untersuchung im Jahr 1998 zum Bild der Juden in der Literatur durch und Georgia Gotsi stellt das Thema „ Die Juden und die griechische Literatur “ als Beitrag in der Zeitschrift The books journal im 2010 vor.

Zur Begrifflichkeit des Holocausts

Der Begriff Holocaust[4] (gr. ὁλόκαυστον „Brandopfer“) kommt aus dem Griechischen und hat die Bedeutung einer Opfergabe für die Götter, bei der das Tier (holos) völlig verbrannt (kaustos) wird. Die lateinische Form holocastum wurde zum ersten Mal in den 1190er Jahren für die Beschreibung von Massenmord an den Juden benutzt. Seit den 1960er Jahren wird mit dem Begriff die Vernichtung der ca. sechs Millionen europäischen Juden während des Zweiten Weltkriegs bezeichnet. Alternativen, die in Deutschland verwendet werden, sind Völkermord an den Juden, Genozid, Shoah. Letztere leitet sich aus dem Hebräischen (השואה) ab und bedeutet „Untergang“, „Katastrophe“. Das geplante und in Erfüllung gegangene Programm der deutschen Nazis, die zielgerichtete Vernichtung während des Regimes, richtete sich auch an andere ethnische, politische und soziale Gruppen wie Zigeuner, Kommunisten, Homosexuelle, Jehovas Zeugen, politisch Verfolgte und Behinderte. Die meisten der Wissenschaftler und Forschern aber, die das Thema behandeln (beispielsweise Hagen Fleischer, Rena Molho) verwenden den Begriff nur als Bezeichnung für die Judenvernichtung, die auch „ Die Endlösung der Judenfrage “ von den Nazis genannt wird. Es gibt Leute, die den Holocaust und die Zahl der Opfer leugnen, was in manchen Ländern inkl. Deutschland als Verbrechen gilt. In Griechenland ist so eine Tat nicht strafbar, wird aber stark kritisiert. Ein Beispiel für so eine starke Kritik seitens der griechischen Regierung ist die Aussage des Neo-Nazi-Parteioberhauptes Nikos Michaloliakos[5], der in einem Interview[6] sagte, dass er nichts über Auschwitz weiß, dort nie war und auch nicht weiß, was dort passiert ist.

I. Geschichtlicher Hintergrund

1. Die Anfänge der jüdischen Diaspora

Die Geschichte der jüdischen Diaspora (gr. „Zerstreuung“) geht mehr als 3.000 Jahre zurück. Ca. 598 v. Chr. nahm der Kronprinz Babyloniens Nebukadnezar die Stadt Jerusalem ein und verbannte einen großen Teil der Bevölkerung, was als das erste Exil bekannt ist. Von den Ägyptern ermutigt, wandten sich die Judäer gegen die Babylonier und im Jahr 588 v. Chr. eroberte Nebukadenzer die Hauptstadt zum zweiten Mal. Die Stadt und der Tempel gingen in Flammen auf und tausende von Judäern wurden in das 2. Babylonische Exil verschleppt.[7] Ein halbes Jahrhundert später, ca. 539 v. Chr., übernahmen die Perser Babylonien. Sie zeigten sich sehr tolerant gegenüber den unterworfenen Völkern. Der Schah Kyros gestattete den verbannten Judäern die Rückkehr in ihre alte Heimat. Die Zeit des Friedens dauerte 200 Jahre und endete im 3. Jh. v. Chr. mit mehreren Angriffen von Alexander dem Großen auf die Perser. Judäer in verschiedenen griechischen Städten gab es noch nach dem ersten Babylonischen Exil, organisierte Gemeinde aber bildeten sich zum ersten Mal im Alexanderreich. Viele der Judäer waren von der blühenden Kultur, von der Sprache und vom Lebensstil der Hellenen fasziniert und übernahmen diese. Griechisch war auch die Sprache des Handels und der Verwaltung, was der Grund für sie war, nicht mehr Hebräisch im Alltag zu nutzen. Mit der Zeit bildete sich eine Schicht aus assimilierten Juden, die als pro-griechische Juden zu bezeichnen sind. Nach dem plötzlichen Tod von Alexander dem Großen 323 v. Chr. gerieten die Erben der Macht in Streit über die Aufteilung des Reiches, wobei Judäa wieder zum Zankapfel wurde. Aus den Kriegen der griechischen Heerführer (noch als Diadochenkriege bekannt) gingen zwei Sieger hervor. Den größten Teil aus dem Alexanderreich nahm Seleukos I. Nikator ein. Ptolemäus I. Soter wurde Herr über Ägypten, über die angegrenzten Länder und auch über Judäa. Im Jahre 200 v. Chr. fiel Judäa in die Hände der Seleukiden, die zum Ziel hatten, das Land zu hellenisieren. Sie versuchten, das Judentum zu verdrängen, indem König Antiochos IV. Epiphanes im Jahr 167 ein Zeus-Heiligtum im Jerusalemer Tempel einrichtete. Der jüdische Tempeldienst sowie der Beschneidungsbrauch wurden verboten. Nach diesen Ereignissen ging aus einer kleinen Schar bewaffneter Widerständler eine neue judäische Herrscherdynastie hervor, die der Makkabäer. Der Makkabäeraufstand von 167 - 164 v. Chr. war die berühmteste Auseinandersetzung zwischen Hellenen und Judäern.[8] Viele Judäer verließen die hellenisierte Judäa und ließen sich in Alexandrien und Antiochien nieder. Nach dem jüdischen Historiker Philo (30 v. Chr. - 45 n. Chr.) gab es nach dem Aufstand jüdische Gemeinden in Sparta, Delos, Sikyon, Samos, Rhodos, Kos, Gortynia, Kreta, Knidos, Ägina, Thessalien, Böotien, Mazedonien, Aetonia, Attika, Argos, Korinth und Zypern.

Nach dem Ende des Makkabäerstaates ca. 47 v. Chr. übernahm der römische Vasallenkönig Herodes die Herrschaft über das Land der Juden. Mit ihm beginnt die Zeit Herodes Reiches, dessen letztes Regierungsoberhaupt im Jahr 53 n. Chr. an die Spitze kam. Die danach folgenden zwei jüdische Kriege gegen die Römer führten dazu, dass den Juden der Zutritt zu Jerusalem untersagt wurde, was somit das Ende der jüdischen Nation auf eigenem Boden für nahezu 2.000 Jahre bedeutete.

Die Übernahme des Christentums als Staatsreligion im Rom am Ende des 4. Jhs. kennzeichnet den Anfang des religiös motivierten Antijudaismus. Die Übergriffe auf jüdische Gemeinden häuften sich. Es kam oft zu Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen. In den germanischen Nachfolgestaaten des ehemaligen Weströmischen Reiches setzte sich der christliche Druck auf die Juden fort. Erst am Ende des 11. Jhs., mit dem Beginn der Kreuzzüge, verschlechterte sich die Situation der in West- und Mitteleuropa lebenden Juden. Es kam regional zu Judenverfolgungen. Das Mittelalter und die Renaissancezeit waren für die Juden der meisten europäischen Länder ein Schrecken ohne Ende. Immer mehr Gebiete blieben ihnen verschlossen. Viele abergläubische Taten wurden den Juden während des Mittelalters zugetraut. Zu massiven Judenpogromen führte Ende des 15. Jhs. die Ritualmord-Legende. Sie besagt, dass Juden um die Osterzeit Christenknaben entführten und schlachteten, um deren Blut zu trinken.[9] 1321, die Zeit, in der die Pest in ganz Europa wütete, wurde in Frankreich die Anschuldigung erhoben, dass Juden die Brunnen verseucht haben, um die Christen des Landes zu vernichten. Aus diesem Grunde mussten zwei Jahre später alle Juden das Land verlassen. 1348/49 erreichte die Welle der Gewalt ihren Höhepunkt. Es entstand für die Juden eine Abzeichenpflicht. Übliche Abzeichen, die regional auch verschieden waren, sind der sogenannte Judenhut, eine sehr auffällige Kopfbedeckung, und das Pentagramm, der gelbe Fleck. Das Ghetto[10] gehörte ebenfalls zur Ausgrenzungspolitik. Es bot einerseits einen gewissen Schutz, auch vor der Assimilation, andererseits aber, bei Pogromen, befand sich die gesamte Gemeinde in einer oft tödlichen Gefahr. Die Verjagung der Juden aus Ländern, wo sie seit Jahrhunderten sesshaft waren, ging 1492 weiter, was der Grund war, dass sich viele von ihnen in Osteuropa ausgebreitet haben.

In den nächsten Punkten des ersten Teils der Arbeit wird die Geschichte der Juden in Griechenland dargestellt. Seit wann sind sie sesschaft in Griechenland?, Warum mussten sie überhaupt nach Griechenland auswandern?, Wie wurden sie von den Griechen aufgenommen?, Wie haben die politischen Ereignisse im Land auf das Leben dieser Minderheit reflektiert? Sind die Fragen, die im Folgenden beantwortet werden.

2. Juden in Griechenland

Die griechischen Juden fallen, grob gesagt, in zwei große Kategorien: Romanioten[11] und Sephardim[12]. Die ältere, aber wesentlich kleinere Gruppe ist die der Romanioten. Vierzig Jahre nach der Eroberung Thessalonikis durch den osmanischen Sultan Murad 2. (1430) kamen auch die verfolgten Juden Ost- und Mitteleuropas aus Deutschland, Ungarn und Polen nach Thessaloniki und gründeten die aschkenasische Gemeinde. Nachdem aber die aus Spanien und Portugal vertriebenen Juden in das Osmanische Reich kamen, wurde diese Gemeinde völlig von den Sepharditen absorbiert.

Alle Juden verschiedener Herkunft schlossen sich – getrennt nach dem Herkunftsland – in Vierteln zusammen. Jede Gemeinde hat versucht, ihre Selbstständigkeit gegenüber den anderen zu bewahren. Über die Herkunft der Erbauer gaben die Namen der Synagogen Auskunft, z. B. „Katilia“, „Katalan“, „Aragon“, „Lisbon“, „Sicilia“.[13] Die Juden in Griechenland verfügen über eine Reihe von Kulturen, die auf eine langjährige Präsenz im Land schließen lassen. In den verschiedenen Städten (mit Aussnahme Thessaloniki) gehörten die jüdischen Gemeinden zu den Minderheiten. Die Größe, die Qualität und die Lebendigkeit des Gemeindelebens wurden von den politischen Ereignissen und den Einwanderungswellen im Land beeinflusst.[14]

2.1. Die Romanioten

Zur gleichen Zeit als sich die meisten griechisch sprechenden orthodoxen Christen im frühen 19. Jh. als Romiós (gr. Ρομέος) bezeichnen, in Bezug auf ihre römischen (frühbyzantischen) Ursprünge, so taten dies auch die romaniotischen Juden der Region. Mit dem Begriff Romaniote, laut K. E. Fleming, werden ihre kulturellen Gemeinsamkeiten und die gemeinsamen historischen Wurzeln mit einer Vielzahl von Völkern, deren Ursprungsort in Griechenland liegt, bezeichnet. Im griechisch-jüdischen Kontext hat sich die Bedeutung des Begriffs seit dem 16. Jh. weiterentwickelt. Mit ihm werden die nicht sephardischen Juden bezeichnet.[15]

Wann genau die Romanioten nach Griechenland kamen, ist nicht klar und es gibt mehrere Behauptungen dafür. Viele der Romanioten glauben, dass sie infolge der Zerstörung des Zweiten Tempels durch die Römer aus Palästina gekommen sind.[16] Andere glauben, dass ihre Vorfahren irgendwann zwischen der babylonischen Eroberung Jerusalems (586 v. Chr.) und der frühen römischen Zeit ins Land gekommen sind. Didimoticho, Serres, Thessaloniki, Veria, Jannina, die Pelopones und Halkis galten als Heimatort der Romanioten.[17]

Nach der katholischen Vertreibung der Juden aus Spanien, Portugal, Frankreich und Italien im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert flohen Wellen der Sepharditen zu Orten im Osmanischen Reich. Es gelang, kulturell und wirtschaftlich die Romanioten bis zum Ende des 17. Jhs. zu dominieren. Und obwohl die Romanioten ihren Charakter behielten, blieben sie nicht unbeeinflusst von der Ankunft der Sepharditen. Sie änderten mit der Zeit ihre Liturgie und ihr Brauchtum, indem das sephardische an deren Stelle aufgenommen wurde. Durch diese Transformation, die langsam und schrittweise geschah, sind nur wenige „reine“ romaniotische Gemeinde an Orten wie Jannina, Kreta und Halkis geblieben. Korfu, Volos und Larissa waren die Orte, wo Sepharditen und Romanioten koexistierten. Viele romaniotische Gemeinden wie die ganz alten in Veroia, Florina, Kavala, Kastoria, Kreta, die Ionischen Inseln und Rhodos wurden von den Sepharditen im 17. Jh. assimiliert. Hauptgrund dafür war die geringere Zahl der Romanisten im Vergleich zu den neu gekommenen Sepharditen.[18] Der Konflikt zwischen den verschiedenen jüdischen Gemeinden war nicht das einzigste zentrale Thema in der griechisch-jüdischen Geschichte. Die Machtwechsel, der Übergang vom Osmanischen zum Neugriechischen hat auch einen wichtigen Platz in der Geschichte der Juden in Griechenland.

Als im Jahr 1833 das Königreich Griechenland gegründet wurde, lag die Zahl der im Lande verstreuten Juden um die 1.000. Der griechische Unabhängigkeitskrieg (1821) wurde als Kampf um den christlichen Glauben betrachtet. Griechentum und Orthodoxie waren im frühen 19. Jh. gleichgesetzt. Recht, Bildung und alle täglichen Angelegenheiten des zivilen Lebens wurden von der Kirche vermittelt und so etwas wie einen griechischen Muslim oder griechischen Juden gab es nicht im ersten Jahrhundert nach der Gründung des neuen griechischen Staates. Es gab einfach osmanische Juden verschiedener Herkunft.[19] Die erste erlassene Verfassung im Jahr 1844, nach der Gründung des neuen Staates, erklärte die Orthodoxie als offizielle Staatsreligion und verbot anderen Religionen die Missionierung. In den nächsten vierzig Jahren hatten die Juden keine formelle Anerkennung durch den Staat,[20] obwohl der Übergang vom Osmanischen zum Griechischen in der Region rund um Jannina von den Romanioten willkommen geheißen wurde und sie Seite an Seite mit den Griechen für die Freiheit kämpften. Der legale Status der jüdischen Gemeinden wurde in den 1880er Jahren anerkannt und im Jahr 1913, als Epirus in die Hände Griechenlands fiel, sprach die Regierung formell ihre Dankbarkeit an die Juden aus.[21] Die Expansion Griechenlands zwischen 1881 und 1913 war kein glatter oder einheitlicher Prozess. Auf unterschiedliche Art und Weise wurden verschiedene Gebiete griechisch. Nach einer Jahrhunderte langen osmanischen Herrschaft gingen Thessalien (1881), Epirus ( 1913), Mazedonien (1913), Thrakien (1920) und noch viele nördliche und östliche Inseln direkt aus osmanischen in griechische Hände. Die Ionischen Inseln, die nie zum Osmanischen Reich gehörten, sondern von der venezianischen unter französische, russisch-türkische und britische Kontrolle gerieten, wurden im Jahr 1864 Teil Griechenlands. Kreta wurde griechisch als Ergebnis der Bevölkerungsagitation für die Vereinigung (énosis) im Jahr 1913. Seit 1912 waren Rhodos und die Dodekanes im Besitz Italiens, erst seit 1947 gehören sie zu Griechenland.

Abb.1: Die Expansion Griechenlands zwischen 1832 - 1947. Clogg, Richard, A concise History of Greece, Cambridge University Press, Cambridge, 1992, S. 43

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie die Gründung des Staates selbst, war auch der Prozess, in dem die Juden des „neuen Griechenlands“ zu griechischen Juden wurden, genauso uneinheitlich. Ungleichmäßig war das Ausmaß, in dem die Juden im Land ein deutliches griechisches Nationalbewusstsein in den Jahrzehnten nach dem Beginn der Nationalisierung entwickelten. Sowohl die Umstände als auch die historischen Fakten haben diesen Übergang als glatt oder traumatisch beschrieben. Das Einleben in einem neuen Land war nicht für alle leicht. Am leichtesten war es für die Gemeinden, in denen schon Griechisch gesprochen wurde, wie in Jannina. Die Juden dort wurden auch zu Philhellenen erklärt.[22] In Thessaloniki aber hatten die Juden Angst, unter griechische Herrschaft zu geraten, was der Grund war, dass sie die Osmanen finanziell unterstützt haben.[23] Etwas Negatives war der Übergang für diejenigen, die eine von Spannungen zwischen Christen und Juden gekennzeichnete Geschichte hatten. So ein Fall war Korfu. Daran lässt sich am besten die Heterogenität der verschiedenen Prozesse bei der Integration der Juden veranschaulichen.[24]

Die griechische Unabhängigkeit, die Expansion und die antisemitischen Ausbrüche hatten einen Einfluss auf die ständige Veränderung der Bevölkerungszahlen der Juden in den verschiedenen Städten. Die Antwort der Juden auf den Antisemitismus war die Migration in Städte, die immer noch zum Osmanischen Reich gehörten.

Die wirtschaftlichen Zentren sowie die Hauptstadt und Thessaloniki waren ebenfalls beliebte Fluchtziele. Eine große Zahl von Romanioten flüchtete nach Athen, wo sie ein romaniotisches Zentrum gründeten. Sie haben sich in Athen integriert, indem sie die dort dominierende Nationalkultur übernommen haben. Das Gegenteil war in Thessaloniki zu beobachten, wo die sephardische Kultur über das Leben aller Juden herrschte.

2.2. Die Sepharditen

Mit Sephard wurde im mittelalterlichen Hebräisch die iberische Halbinsel bezeichnet. Der Begriff erlangte nach der Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492 eine neue Bedeutung. Sie verbreiteten sich vor allem über die Balkanregion, aber auch über Westeuropa, Maghreb und Amerika. Heute werden als Sepharden alle nicht-aschkenasischen Juden, die maghrebinischen und orientalischen Juden bezeichnet.[25]

Die über tausendjährige Präsenz von Juden auf der Iberischen Halbinsel endete mit der Verbannung im Jahr 1492. Am 30.03.1492 unterschrieben die spanischen Herrscher in Granada das Vertreibungsedikt gegen die Juden. Sie hatten zwei Möglichkeiten – zum Christentum überzutreten oder bis Ende Juli desselben Jahres das Land zu verlassen.[26] Wie groß die Zahl der konvertierten und aus Spanien ausgewiesenen Juden war, bleibt laut Esther Benbassa umstritten. Schätzungen, die sie in ihrem Werk „ Die Geschichte der sephardischen Juden. Von Toledo bis Thessaloniki “ erwähnt, weichen voneinander ab und reichen von 50.000 bis zu 400.000 Ausreisen.[27] In einem Zeitraum von 50 Jahren zerstreute sich die große Mehrheit der Sepharditen über den Mittelmeerraum. Sie schlossen sich ihren Glaubensgenossen in Nordafrika und der Levante an oder gründeten neue Gemeinden in westeuropäischen Städten wie Bordeaux, Amsterdam, Hamburg, London und später auch in Amerika. In diesen Gebieten aber bildeten die sephardischen Juden keine unterscheidbare Mehrheitsgruppierungen und verfügten nicht über einen eigenständigen Kulturbereich. Anders war die Situation in den osmanischen Gebieten der Balkanregion, an der Adriaküste, in Bosnien, Serbien, Mazedonien, Bulgarien, Griechenland, Thrakien und Kleinasien, wo bis in das 20. Jh. der sephardische Kulturbereich als eine klar umrissene jüdisch-spanische Gemeinschaft bestand. Die Sepharden des Orients überlagerten die einheimischen Romanioten und die Gemeinden der Aschkenasen. Sie bildeten die überwiegende Mehrheit und verwandelten die jüdische Lebenswelt in einen jüdisch-spanischen Kulturbereich.

Eine große Anzahl von spanischen Juden wählte Portugal als Fluchtort. Die kleine jüdische Gemeinschaft, die im Land seit der römischen Periode ansässig war, sowie die dazugekommenen Flüchtlinge blieben von den Verfolgungen 1492 verschont. Am 05.12.1496, auf Druck der spanischen Krone, unterschrieb Manuel Ⅰ. ein Edikt, das die Juden zur Ausreise binnen ein paar Monaten verurteilte. In der Zeit der jüdischen Vertreibung aus Spanien und Portugal war der grösste Teil der Balkanregion unter osmanischer Herrschaft. Das osmanische Reich wurde für eine bedrohliche und unbesiegbare Großmacht gehalten. Sultan Bayazid Ⅱ. (1491 - 1512) war derjenige, der den sephardischen Juden den Aufenthalt im Imperium gestattet hat. Die Gründe für seine Entscheidung waren, dass die Vielzahl von Nichtchristen keine Gefahr in Bezug auf politische Probleme sein konnte und noch wichtiger, sie konnten durch ihre Teilnahme an der Wirtschaft dazu beitragen, das Imperium noch reicher zu machen. Diese Migrationsbewegungen sind der Grund für die Zunahme der jüdischen Bevölkerung in manchen Hauptzentren des Osmanischen Reiches.

Tabelle 1 : Zahlen der Haushalte im Osmanischen Reich in: Lewis, Bernard, Die Juden in der islamischen Welt. Vom frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, München, Beck, 2004, S. 110-111

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Tabelle zeigt, dass die Mehrheit der jüdischen Haushalte in Thessaloniki ansässig war. 1.222 Haushalte waren romaniotisch und der Rest bestand aus den dazugekommenen Sepharditeen.[28]

Nach ihrer Ankunft organisierten sie sich in eigenen Gemeinden und übernahmen das religiöse Recht und Brauchtum nicht. Es gelang den Sepharden, sich gegen Ende des 16. Jhs. und zu Beginn des 17. Jhs. gegenüber den anderen jüdischen Gruppierungen der Aschkenasen und der Romanioten durchzusetzen und ihren Willen zu diktieren. Mit Ausnahme von einigen Gemeinden, die isoliert waren (die in Jannina, in Epirus, in Arta oder auf Korfu), ließen sich die anderen Romanioten von den Sepharden assimilieren. Die sephardischen Juden hatten zum Ziel, durch die Gründung der Gemeinden ihre Sitten, Traditionen, Gebräuche, Sprache und die Einheit des Judentums zu bewahren. Es herrschte ein religiös geregeltes Alltagsleben. Sie lebten in der Gruppe, arbeiteten mit anderen Juden, besuchten die gemeinsame Synagoge und waren von jüdischen Hilfswerken abhängig. Ein Leben außerhalb dieses Rahmens war unvorstellbar. Eine ganze Reihe von Sanktionen gab es für diejenigen, die es wagten, anders zu leben: Geldstrafen, Ausschluss von religiösen Rechten, öffentliche Verwarnungen und Bannfluch. Für die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinden gegenüber der Regierung waren die Rabbiner zuständig. Sie waren auch die Verbindungsleute der Gemeinden zu den Gouverneuren und lokalen Provinzbeamten.

Mit der Veränderung der Grenzen im Osmanischen Reich im 19. Jh. kamen die sephardischen Juden unter das Regiment verschiedener Staaten. Obwohl sie sich anderen lokalen Gegebenheiten anpassen sollten, fand keine Assimilation statt. Die größte sephardische Gruppierung, die der Juden von Thessaloniki, kam im Jahr 1912 unter griechische Herrschaft. Nachdem die nicht integrierte jüdische Gemeinde ein ernstes Problem für die nationalistische griechische Regierung darstellte, war der Staat zunächst bereit, sich liberal gegenüber den Juden zu zeigen. In der Verfassung wurde die Religionsfreiheit garantiert und ein Erlass von 1914 gab den Juden das Recht, nach dem jüdischen Gesetz zu heiraten. 1920 und 1922 wurden die Gemeinden auch rechtlich anerkannt. Eine Gemeinde durfte dort gegründet werden, wo mehr als 20 Familien wohnten. Ab 1920 hatten sie das Recht, Handelsregister in der Sprache ihrer Wahl zu führen, den Sabbat als Feiertag zu haben sowie den Unterricht an den Gemeindeschulen auch in der Sprache ihrer Wahl zu erteilen. Die liberale Periode der griechischen Regierung aber ging 1923 zu Ende. Grund dafür waren der erneuerte Hellenisierungs- und Nationalisierungsdruck des Staatsapparates sowie die Spaltungen und Konflikte im Staat selbst. Seit den Wahlen im Jahr 1915 und 1920, bei denen die Juden massiv gegen Venizelos stimmten, bestand ein Konflikt zwischen den Juden von Thessaloniki und der liberalen Venizelos Bewegung sowie deren Verbündeten. Der Liberalismus, der in Griechenland in Form des „Venizelismus“ auftrat, ging mit einem assimilatorischen Nationalismus einher, der eine Hellenisierung der Minderheiten zum Ziel hatte. 1923 verloren die Juden viele der Rechte, die ihnen 1920 zugesichert wurden.

Zusammenfassend kommt man zu dem Urteil, dass die Juden in keinem der Nationalstaaten des Osmanischen Reiches, seien sie nun christlich oder muslimisch, vollständig integriert waren.“[29]

3. Thessaloniki und die größte jüdische Gemeinde

Thessaloniki wurde 315 v. Chr. gegründet und wurde nach der Halbschwester von Alexander dem Großen benannt. Aufgrund der strategischen Position wurde die Stadt zur Hauptstadt der Provinz Makedonien und im Jahr 146 v. Chr. war sie die zweitwichtigste Stadt in Byzanz.[30]

[...]


[1] Ομάδα για τη Μελέτη της Ιστορίας των Εβραίων της Ελλάδας

[2] Φραγκίσκης, Αμπατζοπούλος, Ο Άλλος εν διωγμώ. Η εικόνα του Εϐραίου στη λογοτεχνία. Ζητήματα ιστορίας και μυθοπλασίας, Θεμέλιο, 1998, σ. 266-337

[3] Γεωργία, Γκοτση, Εβραίοι και ελληνική λογοτεχνία in: The books΄ journal, Dezember 2010, S.75-77

[4] Die Erklärung der Begriffe Holocaust und Shoah folgen aus: www.duden.de

[5] Oberhaupt der neonazistischen Partei Χρυσή Αυγή (Goldene Morgenröte). Die Partei zog am 06.05.2012 in das griechische Parlament ein

[6] Das Gespräch mit der unten zitierten Aussage von Michaloliakos ist auf der folgenden Internetseite zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=1T0Omd7_iHY&feature=player_embedded#!

(in der 14. min 20 s) 20.06.2012

[7] Vgl. Ortag, Peter, 2003, S. 64-66

[8] Vgl.Ortag, Peter, 2003, S. 67

[9] Siehe ebd., S. 80

[10] Nach Geto Nuovo, einem Stadtteil von Venedig, in den angeblich erstmals Juden zwangsumgesiedelt wurden, Ortag, Peter, 2003 S. 80

[11] Die Romanioten sind griechisch sprechende Juden des Byzantischen Imperiums (Lewkowicz, Bea, 2006, S. 42)

[12] Die Sephardim in Griechenland stellen die Juden dar, die aus Spanien (1492) und Portugal (1496 - 1497) vertrieben wurden und in die Länder auswanderten, die unter osmanischer Herrschaft standen.

[13] Vgl. Gogos, Manuel, Salonici-Mutter israels. Zur Geschichte der sephardischen Juden von Thesaloniki, in: Eidenaeier, Niki, Die Sonnenblumen der Juden. Die Juden in der neugriechischen Literatur, Romiossini, Köln, 2006, S. 21

[14] Mehr zum Thema: Mazower, Mark, The Balkans: a short history, New York, 2000; Todorova, Maria , Imagining the Balkans, New York, 1997;

[15] Siehe Fleming, Katherine Elizabeth, 2008, S. 8-9

[16] Ebd., S.8

[17] Vgl. ebd., S.8

[18] Mehr dazu in: Fleming, K. E., S. 41-48

[19] Vgl. Fleming, K. E., 2008, S. 18

[20] Ebd., S. 46

[21] Mehr dazu in: Fross, Arthur, 1978, S. 34

[22] Siehe Fleming, K. E., 2008, S. 32

[23] Ebd., S. 32

[24] 1891 brach große Aufregung des christlichen Volkes gegen die Juden auf Korfu aus, wobei ca. 20 Juden umgebracht wurden. Fast gleichzeitig verließen mehr als 1.500 die Insel. Der damalige Papst (LeoⅩⅢ. ) habe an die katholischen Geistlichen die Weisung ergehen lassen, sie sollten das christliche Volk beruhigen und es von gewaltsamen Schritten gegen die Juden abzuhalten versuchen. (Siehe Friedrich, Frank, 1891, S. 42)

[25] Siehe Benbassa, Esther Rodrigue, 2005, S. 7

[26] Vgl. Ebd. S. 19

[27] Siehe ebd., S. 35

[28] Siehe Benbassa, Esther, 2005, S. 64

[29] Benbassa, Esther, 2005, S. 205

[30] Vgl. Lewkowicz, Bea, 2006, S. 42

Ende der Leseprobe aus 82 Seiten

Details

Titel
Die Judenverfolgung und -vernichtung in griechischen Romanen der Nachkriegszeit
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Neogräzistik)
Note
2,5
Autor
Jahr
2013
Seiten
82
Katalognummer
V269756
ISBN (eBook)
9783656614340
ISBN (Buch)
9783656614333
Dateigröße
1173 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
judenverfolgung, romanen, nachkriegszeit
Arbeit zitieren
Daniela Atanassova (Autor:in), 2013, Die Judenverfolgung und -vernichtung in griechischen Romanen der Nachkriegszeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269756

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