Nietzsche und das Weib. Sein Frauenbild und die Beziehung zu den Frauen


Seminararbeit, 2004

23 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Nietzsche und die Frauen in seinem Leben
2.1 Franziska Nietzsche
2.2 Elisabeth Förster-Nietzsche
2.3 Cosima Wagner
2.4 Malwida von Meysenbug
2.5 Lou Andreas-Salomé
2.6 Meta von Salis

3. Der Begriff Frau in seinen Werken
3.1 Menschliches, Allzumenschliches
3.2 Also sprach Zarathustra
3.3 Jenseits von Gut und Böse
3.4 Ecce homo

4. Sein Frauenbild
4.1 Liebe
4.2 Freundschaft

5. Ansichten über seine Sexualität

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Friedrich W. Nietzsche verwirrte wie kein anderer die Geister mit Widersprüchen und provozierte zum Um- und Neudenken. Mit seiner Philosophie hebt er sich von allem anderen bislang da Gewesenen ab. Er ist selbstkritisch und selbstironisch, was ihn so ungreifbar und darum auch umso unangreifbarer macht. Er ist wohl einer der umstrittensten und provokantesten Philosophen der jüngst vergangenen Jahrhunderte und versteht sich selbst als Vorreiter einer „Philosophie der Zukunft“. Nietzsches Werke und Philosophie wurden oft interpretiert und auch fehlinterpretiert, wie ich meine. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Widersprüchlichkeit darin, konnte jeder sich genau die Passagen heraussuchen die ihm am besten zusagten, im positiven wie im negativen Sinn.

Doch was beeinflusste Nietzsches Philosophie, machte ihn zu dem, der er war? Frauen spielten in seinem Leben zwar eine wenig entscheidende Rolle, doch nicht zuletzt sie beeinflussten seine Gedanken maßgeblich. Und auch er beeinflusste die Frauen seiner Zeit und machte sich Gedanken über sie und ihre Stellung in eben dieser Gesellschaft. Der zu dieser Zeit aufkommenden Emanzipation konnte Nietzsche nicht sehr viel abgewinnen. In seinem Frauenbild reflektiert sich zugleich sein Kultur- und Gesellschaftsbild.

Man fragt sich, was Nietzsche wohl wirklich über die Frauen dachte. Verehrte er sie? Verachtete er sie? Beides zugleich?

Im Folgenden wird versucht, sein Frauenbild und die Beziehung zu den Frauen, die in seinem Leben eine Rolle spielten, zu erörtern. Dabei werden im ersten Abschnitt einige Frauen seiner Familie und aus seinem engsten Bekanntenkreis kurz umrissen. Lediglich die Affäre „Lou Salomé“ wird genauer ausgeführt, da sie maßgeblich an der Veränderung seines Gemütszustandes mit schuld war. Anschließend werden einige seiner Äußerungen zu den Themen Frau, Liebe und Freundschaft in seinen Werken dargestellt. In einer abschließenden Gesamtdarstellung wird seine Einstellung zu eben diesen Themen noch einmal näher untersucht. Der Begriff Frau ist bei Nietzsche schwer fassbar, und muss eigentlich immer in Zusammenhang mit seinen biographischen Hintergründen betrachtet werden, da seine persönlichen Erfahrungen und Ambitionen in die abstrakten Erörterungen seiner Werke mit eingeflossen sind. Er durchlitt die Zerrissenheit zwischen Leid und Leben-Wollen in existentieller Art und Weise. Seine Äußerungen über das weibliche Geschlecht sind erstaunlich differenziert. Das letzte Kapitel gibt die Meinungen einiger seiner Freunde sowie Psychoanalytiker über seine Sexualität wieder.

2. Nietzsche und die Frauen in seinem Leben

Nach dem tragischen Tod seines Vaters Carl Ludwig sowie seines zwei Jahre jüngeren Bruders Joseph im darauffolgenden Jahr zog seine Mutter mit den beiden Kindern in das Haus der Schwiegermutter Erdmuthe Nietzsche. In diesem Haushalt lebten auch noch die zwei unverheirateten Tanten Augusta und Rosalie. Und so wuchs der damals erst fünfjährige Friedrich Nietzsche in einem reinen Frauenhaushalt auf. Er war offensichtlich an die Vorherrschaft von Frauen in der Familie gewöhnt. Doch das mutterhafte Sorgen und Bewachen war für ihn eine seelische Geißel, der er entfliehen wollte, wie er in Aphorismus 429 mit Überschrift „Die goldene Wiege“ in Menschliches, Allzumenschliches beschreibt:

„Der Freigeist wird immer aufathmen, wenn er sich endlich entschlossen hat, jenes mutterhafte Sorgen und Bewachen, mit welchem die Frauen um ihn walten, von sich abzuschütteln. [...] Deshalb kann sich die Milch, welche die mütterliche Gesinnung der ihn umgebenden Frauen reicht, so leicht in Galle verwandeln.“

Abgesehen von den Frauen in seiner Familie gab es eine Reihe von Freundinnen und Bekannten, die in seinem Leben eine mehr oder weniger große Rolle spielten. Neben seiner Mutter und seiner Schwester war Lou Salomé eine der Hauptfiguren, welche auch in Zusammenhang mit den Vorkommnissen im Jahre 1882 eine Bedeutung für seine Vereinsamung hatte. Zudem gab es einige Frauen, die Nietzsche verehrten, sowie welche, an denen er Interesse zeigte. Ernsthafte Absichten hatte er aber nur bei Frauen, bei denen er ohnehin keine Chancen hatte, wie zum Beispiel Cosima Wagner und Lou Salomé, wie weiter unten beschrieben.

In den nächsten Abschnitten werde ich die wichtigsten Frauen aus Nietzsches Familie und Umkreis näher erörtern.

2.1 Franziska Nietzsche (1826 - 1897)

Nietzsches Mutter Franziska berichtet in ihrer unvollständig gebliebenen Autobiografie[1], dass ihre Schwiegermutter Erdmuthe, bei der sie mit ihren Kindern unterkam, sie von Anfang an für zu jung gehalten habe. Sie selbst empfand sich aufgrund ihres Pietismus auch im Erwachsenenalter als Kind, das in allem auf seinen himmlischen Vater vertraut. Nach dem Tod ihres Mannes unterdrückte Franziska bereits mit dreiundzwanzig Jahren jede Regung der Libido.

Die Religiosität war nach Abschluss ihrer Persönlichkeitsentwicklung ihre herausstechendste Eigenschaft[2]. Doch eben diese dogmatische Religiosität könnte sich negativ auf ihre Kinder ausgewirkt haben. Angeblich hat sie diese bei ungehorsamem Verhalten durch die Androhung von Gottes Zorn unter Druck gesetzt. Zwar ist Franziska Nietzsche auch ein Opfer der Umstände, doch könnte sie durch ihre manipulativen Erziehungsmaßnahmen innere Spannungen und unbewältigte Konflikte hervorgerufen haben. JÆrgen Kjaer[3] versuchte anhand des Zarathustra nachzuweisen, dass Nietzsche in allen seinen Werken versucht, ebendiese unbewältigten Konflikte zu verarbeiten. Von Klaus Goch wird Franziska als eine Mutter geschildert, die den Kindern ihre Zuneigung entzogen hat, um sie zu bestrafen. Wenn Kinder emotional erpresst werden, kann sich das negativ auf ihre Psyche auswirken[4].

Dennoch liebte Nietzsche seine Mutter und achtete sie nicht zuletzt aufgrund ihrer Opferbereitschaft. Ihren allzu einfachen Glauben und die daraus resultierenden falschen Urteile verwarf er jedoch[5].

2.2 Elisabeth Förster-Nietzsche (1846 – 1935)

Zu seiner Schwester hatte Nietzsche von Anfang an ein sehr inniges Verhältnis, welches bis zu dem Zeitpunkt hielt, da Elisabeth die Freundschaft mit Lou Salomé zu zerstören versuchte. Bis dahin aber war ihre Beziehung geprägt von Hilfsbereitschaft und während Nietzsches Professur in Basel lebte er mit ihr sogar in der gleichen Wohnung, da diese sich so besser um den kranken Bruder kümmern konnte. In der wilhelminischen Gesellschaft waren Frauen ohne männlichen Schutz sehr verwundbar. Nietzsche bot seiner Schwester lange Zeit diesen Schutz, und auch noch von Beginn seiner Krankheit an bis über seinen Tod hinaus durch seinen Namen.

Elisabeth machte sich auch Gedanken um die Heiratsaussichten ihres Bruders. In ihren Briefen an Nietzsche erörtert sie immer wieder Frauen im heiratsfähigen Alter, wie zum Beispiel Berta Rohr, Natalie Herzen und Fräulein Köckert. Doch Nietzsche selbst hat jedes Mal Bedenken. Er macht Mathilde Trampedach, die er 1876 in Genf kennen lernte, einen wohl nicht ernst gemeinten Heiratsantrag. Carol Diethe zieht sogar in Erwägung, dass Nietzsche und seine Schwester sich so nahe standen, dass sie sich gegenseitig daran hinderten, einen geeigneten Ehepartner zu finden[6]. Elisabeth, der man auch einen Fürsorgekomplex unterstellen könnte, war nicht zuletzt auf Lou Salomé offenkundig eifersüchtig. Sie sah Lou als Rivalin und womöglich aufgrund der Fixierung auf ihren Bruder heiratete sie erst im Alter von vierzig Jahren.

Wie weiter unten beschrieben, hetzte sie ihren Bruder so lange gegen Lou Salomé auf, bis dieser sich mit ihr endgültig verwarf. Gegenüber seiner charakterstarken Schwester konnte Nietzsche sich nur schwer durchsetzen. Doch trotz all der Streitereien und Einmischungen akzeptierte und mochte er sie auf brüderliche Art und Weise.

In ihrem Buch „Der einsame Nietzsche“[7] weist Elisabeth mehrmals auf die zunehmende Vereinsamung ihres Bruders hin. Er selbst schreibt: „Die Einsamkeit ist, je länger je mehr, etwas Gefährliches“. Im Alleinsein fühlte er seine wundeste Stelle.

Nach Nietzsches Tod bemühte Elisabeth sich um die Veröffentlichung seiner Werke. Allerdings forcierte sie dieses Vorhaben so stark, dass sie auch vor Verfälschungen nicht zurück schreckte, nur um den Namen ihres Bruder berühmt zu machen. Durch ihre Verbiegung der Tatsachen ließ sie Nietzsche sogar als Vorläufer der Nazis erscheinen[8]. Sie selbst wurde, wie ihre Mutter, bereits nach kurzer Ehe Witwe.

2.3 Cosima Wagner (1837 – 1930)

Cosima Wagner war die Frau von Richard Wagner und Mutter von vier Kindern. Nietzsche war bereits bei ihrer ersten Begegnung von der schönen, geistreichen und musikalisch begabten Frau hingerissen. Sie übte mit ihren aufmunternden Worten einen stimulierenden Einfluss auf ihn aus. Laut Janz[9] habe Nietzsche keine Frau so viel bedeutet wie sie. Sie entspricht „Ariadne“, dem Höchsten, das Nietzsche einst winken zu sehen wähnte. Vielleicht hatte er ihr gegenüber ödipale Regungen und hat deshalb auch tatsächlich mit zunehmender Krankheit immer mehr versucht, Beweise dafür zu finden, dass sie von ihrem Gatten vernachlässigt wird, um sie diesem entreißen zu können[10]. Über Cosimas Gefühle zu Nietzsche gibt es keine Aufzeichnungen mehr, da diese nach dem Tod ihres Mannes alles vernichtete, was ihrem Image hätte schaden können. Nun wäre sie eigentlich frei gewesen, doch hing ihr Herz nach wie vor an Wagner.

In einem Brief bezichtigte Nietzsche Cosima, ihren Mann in Bezug auf Parsifal negativ beeinflusst zu haben. Er macht sie für die heuchlerische Religiosität dieser Oper verantwortlich.

2.4 Malwida von Meysenbug (1816 – 1903)

Das Fräulein Malwida von Meysenbug war eine gebürtige Deutsche, welche ihren Wohnsitz in Rom hatte. Nietzsche lernte sie 1872 in Bayreuth kennen und sie wurde eine gute Freundin. Über sie lernte er im April 1882 Lou Salomé kennen, eine junge Russin, welche sie ihm als Schülerin und Gehilfin empfahl. Außerdem dachte Mawida von Meysenbug wohl, dass sie eine passende Lebensgefährtin für Nietzsche wäre. Anscheinend ließ Nietzsche von mehreren seiner Freunde die „Idealfrau“ für ihn finden, auf die er sein ganzes Leben lang vergeblich wartete. Auf Malwidas Schreiben hin fährt er unverzüglich nach Rom, um Lou kennen zu lernen.

Malwida war eine der ersten, die sich für die Frauenemanzipation einsetzte, und Nietzsche fühlte sich wohl vor allem durch ihr mütterliches Wesen zu ihr hingezogen. Sie war Schriftstellerin und Intellektuelle und Nietzsche schickte seiner Freundin immer wieder seine Schriften und Texte, damit diese ihre Meinung und Kritik dazu äußern kann. Er hielt viel auf ihre Meinung und schätzt ihre offene und ehrliche Art.

Aber sie enttäuschte und kränkt Nietzsche einmal zutiefst, indem sie spöttisch und ungerecht über „Der Fall Wagner“ schrieb, den er ihr zur Durchsicht zugeschickt und der sie ziemlich bestürzt hatte.

Meta von Salis war von ihren „Memoiren einer Idealistin“, welche 1876 herausgegeben wurden, derart beeindruckt, dass sie sich ebenfalls entschloss, für die Emanzipation zu arbeiten. Zwischen Malwida und Meta von Salis entwickelte sich eine langjährige Freundschaft.

[...]


[1] Adalbert Oehler: Nietzsches Mutter, München 1941, S.26 - 39

[2] Carol Diethe: Vergiss die Peitsche – Nietzsche und die Frauen, S. 27

[3] JÆrgen Kjaer: Friedrich Nietzsche. Die Zerstörung der Humanität durch Mutterliebe, Opladen 1990

[4] vgl. psychoanalytische Theorie nach Alice Miller

[5] Carol Diethe: Vergiss die Peitsche – Nietzsche und die Frauen, S. 31

[6] Carol Diethe: Vergiss die Peitsche – Nietzsche und die Frauen, S. 38

[7] Elisabeth Förster-Nietzsche: Der einsame Nietzsche, Alfred Kröner Verlag, Leipzig 1914

[8] Carol Diethe: Vergiss die Peitsche – Nietzsche und die Frauen, S. 41

[9] Curt Paul Janz: Friedrich Nietzsche. Biographie, 3 Bde., München und Wien 1978

[10] Henry Walter Brann: Nietzsche und die Frauen, Bonn 1976, S.68ff

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Nietzsche und das Weib. Sein Frauenbild und die Beziehung zu den Frauen
Hochschule
Universität Passau  (Lehrstuhl für Philosophie)
Veranstaltung
Proseminar: Nietzsche - Jenseits von Gut und Böse
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V26964
ISBN (eBook)
9783638291422
ISBN (Buch)
9783638692069
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nietzsche, Weib, Frauenbild, Beziehung, Frauen, Proseminar, Jenseits, Böse
Arbeit zitieren
Dipl. Inf. Sabine Augustin (Autor:in), 2004, Nietzsche und das Weib. Sein Frauenbild und die Beziehung zu den Frauen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26964

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