Leitfaden für ein Beratungsgespräch im Schulkontext

Sozialpsychologische Aspekte


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


I Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Beschreibung der Situation

3 Bedrohung der fundamentalen Bedürfnisse

4 Kommunikationsmodelle
4.1 Shannon & Weaver: Sender – Empfänger – Modell
4.2 Schulz von Thun: Vier – Seiten – Modell
4.3 Berne: Transaktionsanalyse
4.4 Implikationen für die Beratungssituation

5 Mentale Repräsentation

6 Ratschläge geben und annehmen
6.1 Ratschläge geben
6.2 Ratschläge annehmen

7 Fazit

II Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Geschichte unserer Kultur ist heute mehr denn je von jenen erfüllt, die sich in der Vorzeit Moloch oder Nero nannten, und die unablässig Opfer forderten. Ihre Namen sind längst unserer Zeit angepasst. Heute nennen wir sie Mobbing, Selbstherrlichkeit, Verachtung und Lieblosigkeit.

Peter E. Schumacher

Wie dieses Zitat zeigt, sind negative kommunikative Verhaltensweisen gegenüber anderen Menschen oder Personengruppen leider auch in der heutigen Zeit immer noch an der Tagesordnung und keineswegs Einzelfälle. Vor allem eines der oben aufgeführten Phänomene, das Mobbing, tritt alarmierend häufig auf. Sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Internet: immer wieder liest und hört man in den Medien von Situationen, in denen Menschen gehänselt, bloßgestellt oder diskriminiert werden.

Obwohl insbesondere viele Schulen dieses Thema herunterspielen (Koning, 2010), ist es ein ernstzunehmendes Problem. Ein Artikel der BBC News aus dem Jahre 2013 legte in aller Deutlichkeit dar, welche weitreichenden Langzeitkonsequenzen Erfahrungen Mobbing – sei es auf der Seite der Täter oder der Opfer - haben kann. Demnach haben Mobbingopfer, auch Jahre später, eine höhere Wahrscheinlichkeit, Geisteskrankheiten zu entwickeln und ernsthaft krank zu werden sowie zu verarmen (Coughlan, 2013). Auch ihre Jobaussichten sind schlechter als die von Personen, die niemals mit Mobbing in Kontakt kamen (ebd.).

Der Artikel beruft sich nur auf eine der vielen Studien, die belegen, wie schädlich Mobbing für die Beteiligten ist. Folglich ist es von äußerster Wichtigkeit, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken. Aufklärungsgespräche sind ohne jeden Zweifel eine wichtige Präventivmaßnahme, doch was muss getan werden, wenn es dafür bereits zu spät ist? Eine gängige Methode ist die Beratung von Mobbingopfern, womit sich die vorliegende Arbeit beschäftigt. Damit die Gespräche auch zum gewünschten Erfolg führen, müssen verschiedene Aspekte beachtet werden. Dieser Leitfaden soll die Beteiligten dabei unterstützen. In mehreren Kapiteln werden die Mechanismen erklärt, die Beratungsgesprächen zugrunde liegen und anhand dieser Erklärungen praktische Ratschläge für den Berater und den Ratsuchenden abgeleitet.

Um die Inhalte des Leitfadens leichter zugänglich zu machen, wird stets an einem bestimmten, frei erfundenen Fall aufgezeigt, welche Probleme auftreten können und wie diese am besten zu vermeiden sind. Deshalb wird zuerst ein grober Überblick über diese spezifische Situation gegeben.

Dem folgt ein Kapitel über die Bedrohung der fundamentalen Bedürfnisse, welche mit Mobbing einhergeht. Es wird erörtert, welche genau dies sind und welche Folgen sich ergeben können.

Daraufhin werden drei verschiedene Kommunikationsmodelle vorgestellt und besprochen; für das Beratungsgespräch wichtige Implikationen werden aufgeführt. Da die Kommunikation die Basis eines Beratungsgespräches ist, ist dieses Kapitel das ausführlichste.

Der nächste Abschnitt behandelt die mentale Repräsentation. Hier soll eine Erklärung des Konzeptes gegeben sowie die Vorteile erläutert werden, die das Wissen um eben jenes mit sich bringen.

Im letzten Abschnitt finden sich Ausführungen zum Prozess des Ratschläge Gebens und Annehmens. Es wird darauf eingegangen, was die Verarbeitung der Informationen beeinflusst und mit welchen Auswirkungen gerechnet werden sollte.

Ein Fazit, in dem die wichtigsten Punkte bezüglich der eingangs genannten Problemstellung noch einmal aufgegriffen werden, rundet die Arbeit ab.

2 Beschreibung der Situation

Wie bereits erwähnt, wird in diesem Leitfaden eine bestimmte Situation analysiert, um das Anwenden der Theorie und das Verständnis der Ratschläge zu erleichtern. Im Folgenden soll diese Ausgangslage inklusive aller Rahmenbedingungen dargestellt werden.

Das Beratungsgespräch, das hier betrachtet wird, findet an einer weiterführenden Schule statt. Die Beraterin ist ausgebildete Schulpsychologin und seit mehreren Jahren an dieser Schule angestellt. Die Ratsuchende ist eine 13-jährige Schülerin mit Migrationshintergrund: Sita Nuri, deren Familie erst vor einem knappen Jahr von Indien nach Deutschland gezogen ist, da der Vater dorthin versetzt wurde. Sita wird von ihren Mitschülern gehänselt, beleidigt und ausgeschlossen, da sie nicht sehr gut Deutsch spricht und weiterhin Kleidung trägt, wie sie es aus ihrer Heimat gewohnt ist. Die Sticheleien und die Ausgrenzung durch ihre Mitschüler belasten die junge Inderin sehr. Sie leidet unter Schulangst und weigert sich, den Unterricht zu besuchen.

Ihre Eltern wissen nicht mehr weiter und veranlassen eine Beratung bei der Schulpsychologin. Nach anfänglichem Zögern ist Sita bereit, die Psychologin aufzusuchen und ihre Probleme auf diesem Wege zu lösen.

Das Besondere an der Situation ist, dass Sita kaum Deutsch spricht und deshalb in Betracht gezogen werden sollte, ob die Gespräche auf Englisch stattfinden sollten. Hierfür spricht u.a., dass Sita sich auf Englisch besser ausdrücken und Ratschläge besser abwägen und verstehen kann und die Möglichkeit besteht, dass ein deutsches Gespräch ihre Angst verstärken könnte. Allerdings ergeben sich aus einem englischen Gespräch auch Nachteile, wie beispielsweise, dass die Schulpsychologin eventuell nicht so gut versteht, welche Gefühle mit den englischen Ausdrücken transportiert werden, wenn sie nicht perfekt Englisch spricht.

Welche Herangehensweise die bessere ist, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, jedoch wird in diesem Leitfaden davon ausgegangen, dass die Schulpsychologin sehr gute Englischkenntnisse vorweist, weshalb sich die Wahl der englischen Sprache anbietet.

Allgemein gilt natürlich für beide Parteien, dass es essenziell ist, bei Verständnisproblemen sofort nachzufragen, um Missverständnisse zu vermeiden.

3 Bedrohung der fundamentalen Bedürfnisse

Bei der Gestaltung der Gespräche sollte zwingend beachtet werden, dass Sitas fundamentale Bedürfnisse bedroht sind. Was genau dies bedeutet und welche Konsequenzen die Bedrohung haben kann, wird im folgenden Kapitel erläutert.

In ihrer Arbeit zu sozialem Ausschluss über das Internet stellen Williams, Cheung und Choi (2000) ein Modell vor, das den Autoren zufolge ebenfalls auf die „reale Welt“ anwendbar ist. Diesem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass sozialer Ausschluss vier fundamentale Bedürfnisse des Menschen bedroht: das Zugehörigkeitsgefühl, den Selbstwert, die Kontrolle und den Wunsch nach einer bedeutungsvollen Existenz.

Sie sind der Meinung, dass sozialer Ausschluss sich u.a. dadurch äußert, dass jede Verbindung zum Opfer geleugnet wird. D.h., dass die Täter das Opfer nicht nur beleidigen oder mit ihm streiten, sondern es meiden und keinen Kontakt zu ihm haben wollen. Dies entzieht dem Zugehörigkeitsgefühl jede Grundlage.

Daraus ergibt sich wiederum die zweite Bedrohung: ausgeschlossenen Personen  wird gezeigt, wie das Leben ohne sie wäre. Ihnen wird der Eindruck vermittelt, dass sie nicht gebraucht werden. Menschen in dieser Lage hinterfragen zweifellos die Bedeutung und den Zweck ihres Daseins.

Da sozialer Ausschluss zumeist mit einer Strafe in Verbindung gebracht wird (ebd.), liegt die Vermutung nahe, dass das Opfer die Schuld bei sich suchen wird. Es wird sich fragen, was es falsch gemacht hat oder ob die Situation anders verlaufen wäre, wenn es sich anders verhalten hätte. Dies sind Fragen, die den Selbstwert des Opfers gefährden.

Das letzte fundamentale Bedürfnis, die Kontrolle, wird durch das Gefühl der Hilflosigkeit bedroht, das die Opfer empfinden, wenn sie keinerlei Reaktion bei den Tätern hervorrufen können. Williams et al. halten fest, dass es zwar unangenehm sei, mit den Tätern Beleidigungen und Schläge auszutauschen, aber dass die Opfer auf diese Weise zumindest eine Illusion von Kontrolle über die Interaktion aufrechterhalten können. Diese schwindet, wenn das Opfer das Gefühl hat, keinen Einfluss auf die Täter ausüben zu können.

Betrachtet man Sitas Situation genauer, wird schnell deutlich, welche der vier Bedürfnisse bei ihr am stärksten bedroht werden.

Der Ausschluss durch ihre Mitschüler sorgt dafür, dass sie sich zu keiner Gruppe

zugehörig fühlt. Die Pausen muss sie alleine verbringen und auch bei Teamarbeiten wird sie als Letzte gewählt. Ihre Familie ist die einzige Gruppe, in die sie wirklich integriert ist.

Auch ihr Selbstwert leidet unter dem Mobbing, dem sie ausgesetzt ist. Sie ist sich unsicher in Bezug auf ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten und sucht den Grund für das Verhalten ihrer Mitschüler bei sich. Sita ist sich sicher, dass es an ihr liegen muss, dass sie keiner mag.

Weniger stark gefährdet ist hingegen ihre Illusion von Kontrolle. Sie glaubt zu wissen, weshalb sie ausgegrenzt wird und verschafft sich somit eine interpretative Kontrolle. Da ihre Mitschüler sie zudem nicht nur ausgrenzen, sondern auch hänseln und auslachen, glaubt sie weiterhin, dass sie einen Einfluss auf die Täter ausübt.

Aus einem ähnlichen Grund ist die bedeutungsvolle Existenz ebenfalls nur schwach bedroht. In den Momenten, in denen die anderen Schüler sie ignorieren, erfährt sie, wie das (Schul-)Leben ohne sie aussähe. Ihr wird bewusst, dass alles auch ohne sie funktioniert. Allerdings gibt es auch viele Situationen, in denen sie beschimpft wird, weshalb sie häufig die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zieht. Wenn auch in einem negativen Sinne, zeigt ihr das Verhalten der Mitschüler, dass sie „gebraucht“ wird.

Doch was bedeutet das Wissen um die fundamentalen Bedürfnisse für die Beratungssituation?

Die Beraterin sollte bedenken, dass die Bedrohung der vier Bedürfnisse bestimmte Konsequenzen nach sich zieht. Bei den möglichen Folgen wird zwischen reflexiven und reflektiven unterschieden. Reflexive Konsequenzen umfassen negative Gefühle, wie u.a. Traurigkeit, Beklemmung, Einsamkeit und Scham (Buckley, Winkel & Leary, 2004). Auch Angst, Depression und Hilflosigkeit – Emotionen, die Sita sicherlich fühlt – spielen hier eine wichtige Rolle. Diese Gefühle müssen bei der Gestaltung des Gespräches unbedingt beachtet werden, sodass der Schülerin beispielsweise zuerst die Angst genommen werden sollte, bevor nach Lösungsansätzen gesucht wird.

Aber auch die reflektiven Folgen sozialen Ausschlusses können sich auf das Beratungsgespräch auswirken. Zu diesen zählen pro-soziale (z.B. Konformität oder Kooperationsbereitschaft, siehe Williams et al., 2000) und anti-soziale Strategien (z.B. erhöhtes aggressives Verhalten oder Meidung anderer Ausgeschlossener, siehe Twenge, 2005). Anti-soziale Strategien werden häufig angewendet, wenn sich zeigt, dass das Opfer mit pro-sozialem Verhalten keine Änderungen herbeiführen kann.

Da dies bei Sita der Fall ist, sollte die Psychologin darauf vorbereitet sein, dass die Schülerin ihr abweisend oder gar aggressiv gegenübertreten könnte.

4 Kommunikationsmodelle

Wenn Menschen aufeinandertreffen, lässt es sich häufig nicht vermeiden, dass sich Missverständnisse, Unklarheiten oder gar Konflikte ergeben. Man kann sich vor diesen Kommunikationsstörungen nicht schützen. Deshalb ist es essenziell zu wissen, wie man sie handhaben sollte, um die eventuelle Verwirrung auflösen zu können, sodass sachliche Gespräche möglich werden.

4.1 Shannon & Weaver: Sender – Empfänger – Modell

Eines der ersten Kommunikationsmodelle ist das Sender-Empfänger-Modell von Shannon und Weaver, welches im Jahre 1949 entwickelt wurde. Ursprünglich dazu entworfen, die technische Kommunikation zu verbessern, wurde es schon bald in verschiedenen Bereichen der Kommunikationsforschung angewendet.

Grundlegend für dieses Modell ist der Fokus auf die Übermittlung von Nachrichten. Es wird die effektive Kommunikation zwischen einem Sender und einem Empfänger dargestellt, allerdings fanden die Autoren auch einige Faktoren, die diese Kommunikation stören können. Abbildung 1 zeigt das Modell.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Shannon & Weavers Kommunikationsmodell (1949)

Quelle: http://communicationtheory.org/wp-content/uploads/2011/06/shannon_weaver_model.jpg

(modifiziert von Isabelle Fischer)

Wie man der Abbildung entnehmen kann, durchläuft eine Information laut Shannon und Weaver mehrere Schritte, bevor sie beim Empfänger ankommt.

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Leitfaden für ein Beratungsgespräch im Schulkontext
Untertitel
Sozialpsychologische Aspekte
Hochschule
Universität Mannheim
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
22
Katalognummer
V269603
ISBN (eBook)
9783656607748
ISBN (Buch)
9783656607731
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leitfaden, Beratung, Ratgeber, Ratschlag, Mobbing, Schulpsychologe
Arbeit zitieren
Isabelle Fischer (Autor:in), 2014, Leitfaden für ein Beratungsgespräch im Schulkontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269603

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