Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Nibelungenlied


Seminararbeit, 2014

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit
2.2.1 Sichtbarkeit
2.2.2 Unsichtbarkeit

3. Manipulation der Sichtbarkeit
3.1 Steigbügeldienst und Standeslüge
3.2.Brautwerbung um Brünhild
3.3 Brautnachtbetrug
3.4 Königinnenstreit
3.4.1 Konkurrenz zwischen Kriemhild und Brünhild
3.4.2 Eskalation des Königinnenstreits

4. Schluss

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Sein und Schein“ - Die Fragen nach Wirklichkeit und Erscheinungsbild sind keine Neuerfindung unserer heutigen Gesellschaft und auch kein Überrest aus der Romantik. Abgesehen von unterschiedlichen Akzentuierungen lassen sich diese Fragen nämlich schon in früheren Epochen der Literatur wiederfinden. Dies gilt nicht nur in unserer heutigen Gesellschaft als Frage nach Wirklichkeit und Erscheinungsbild. Das Nibelungenlied1, die Geschichte von Siegfrieds Tod, der Rache Kriemhilds und dem Untergang der Burgunden, ist mitunter eines der bekanntesten Werke des deutschen Mittelalters und lässt sich an Popularität kaum übertreffen. Die Werte einer heroischen Welt - Ruhm, Ehre und Rache - stehen hier höfischen Verhaltensmodellen - Minne, Ehe, Recht, Vasallität und Verwandtschaft - gegenüber, und ziehen sich wie ein roter Faden durch die Handlung.2

Das gesellschaftliche Leben am königlichen Hof richtete sich nach einem festen Protokoll, welches vor allem bei feierlichen Anlässen, zu denen unter anderem Krönungen, Hochzeiten und Schwertleiten zählten, in Erscheinung trat. „Die Literatur als Repräsentation der Repräsentation fungiert dabei zugleich als Metaebene, von der aus höfische Repräsentation beobachtet und in ihren Möglichkeiten und Grenzen dargestellt […] werden kann.“3 Das Nibelungenlied zeigt jedoch, dass selbst die Sichtbarkeit dieser höfischen Rituale verfälscht und manipuliert werden kann.

Erst durch das Auftreten von Sicht- und Unsichtbarkeit kommt die Handlung des Nibelungenlieds zustande. Täuschungen prägen das Agieren der Helden und sind für die Entstehung jeglicher Konflikte verantwortlich. Die Folgen der Manipulation lassen die Spannungen im Laufe der Handlung immer mehr ansteigen und enden schließlich in der unvermeidbaren Katastrophe. Das Verhältnis zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit gestaltet sich im Nibelungenlied äußerst schwierig. Die Geltung der Sichtbarkeit versucht sich zu behaupten, obwohl das, was vor aller Öffentlichkeit gesagt und dadurch sichtbar gemacht wird, sich immer klarer als falscher Schein herausstellt. In dieser Arbeit soll besonders anhand der Aventiuren 1-14 gezeigt werden, welche große Rolle Sicht- und Unsichtbarkeit im Nibelungenlied spielt und wie sich die Konsequenzen der (un-)sichtbaren Handlungen auf die Protagonisten auswirken. Besondere Beachtung wird hierbei der Manipulation von Sichtbarkeit - den zahlreichen Täuschungen im Nibelungenlied in Form von dem Standesbetrug, der Brautwerbung um Brünhild, dem darauf folgenden Brautnachtbetrug und dem Königinnenstreit - geschenkt.

2. Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit

„Sichtbarkeit ist die immanente Norm der nibelungischen Welt. Wo sie manipuliert wird oder verfälscht wird, sammeln sich im ersten Teil die Konflikte an, die sich im zweiten entladen. Der immer brutalere Durchbruch von Gewalt läßt sich als Aufdeckung eines vertuschten Rechtsbruchs verstehen, seine Vorbereitung ist tückisches Spiel mit falschem Schein. Die Wiederherstellung von Transparenz in der offenen Konfrontation erweist sich jedoch auch als ein Prozeß der Regression, in dem am Ende alles, was den Wert dieser Erzählwelt ausmachte, zu Bruch geht. Wenn alle Vorstellung beseitigt ist und alles, was die Sicht verstellen könnte, aus dem Weg geräumt, gibt es auch nichts mehr zu sehen: Diu vil michel êre was dâ gelgen tôt (2375,1)“4

Im Nibelungenlied spielt das kontroverse Verhältnis zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit eine bedeutende Rolle. Selbst wenn etwas nicht explizit Sichtbares nur erzählt wird, so behauptet es durch das Ausgesprochen werden seine Geltung und wird folglich zum Sichtbaren erklärt. Dabei spielt es keine Rolle, ob das scheinbar Sichtbare der Wahrheit entspricht oder ob ein Betrug oder eine Täuschung vorliegt. Torsten Wondrejz erklärt das Spannungsverhältnis zwischen Wort und Zeichen als Sphäre abseits der Sichtbarkeit und verbindet diese einschlägig mit Verrat und Intrige. Aber obwohl Siegfried einen Reinigungseid leistet, kann er die Tatsache seines Betrugs nicht vollständig vertuschen, da Brünhilds Ring und Gürtel später als sichtbare Zeichen die vollständige Wahrheit suggerieren. Das gesprochene Wort, das nicht Sichtbares sichtbar machen, Wahrheit verkünden und Recht setzen soll, kann sich also trotz allen Bestrebens am Ende nicht gegen die Aussagekraft der Zeichen stellen. Körperhaftigkeit bedeutet aber auch gleichzeitig Sichtbarkeit. Dementsprechend bedeutet Unsichtbarkeit auch Abwesenheit. Während sich Siegfried unter seiner Tarnkappe befindet und sowohl für den Zuschauer als auch den Leser unsichtbar ist, werden alle seine Taten einzig dem sichtbaren Gunther zugeschrieben, der im Kampf mit Brünhild lediglich scheinbare Bewegungen ausführt. Hier wird die Sichtbarkeit manipuliert und der Betrug kann durch diese Verschleierung seinen Lauf nehmen. Die Figuren handeln in der nibelungischen Welt also nach der Befolgung bestimmter, ihnen vorgegebener Regeln - selbst wenn diese gebrochen oder missachtet werden. Der Mediävist Jan-Dirk Müller betitelt diese Vorschriften treffenderweise als „Spielregeln für den Untergang“.5

2.2.1 Sichtbarkeit

Diu vil michel êre was dâ gelegen tôt (2375,1). In diesem Vers wird zum Ausdruck gebracht, dass diese êre - ein eigentlich unsichtbares Element - sichtbar gemacht wird. Allein durch die Anwesenheit derer, die sich am Hof versammeln, sei es in Worms, in Isenstein und auch am Hof Etzels, wird êre greifbar. Mit Hilfe von materiellen Mitteln der Hofausstattung und der Gegebenheiten der Hofgesellschaft und zuletzt noch durch das Strahlen des Heros erlangt die êre ihren (Sichtbarkeits-)Zustand. Dadurch wird der Ruf des Hofes dargestellt. „Die Ausstattung […] macht […] Status sichtbar […]. Der Charakter der sinnfälligen Inszenierung, der öffentlichkeitswirksamen Aufführung (performance), wird dem Leser/Hörer unmittelbar einsichtig. Das Bild, das sich vor dem inneren Auge aufbaut, ist ein Schaubild höfischer Pracht und Schönheit.“6 Erzählungen über den Hof wecken das Interesse bei Fremden, den Glanz mit eigenen Augen sehen zu wollen, um ihn folglich mit weiteren Ausschmückungen weiter zu verbreiten und zu steigern.

Mir wart gesaget mære in mîns vater lant,

daz hie bî iu wæren, daz het ich gern erkant,

di küensten recken, des hân ich vil vernomen,

di ie kunec gewunne. dar umbe bin ich her bekomen. (105)

Dieses Sichtbarmachen von êre allein durch Erzählungen darüber ist nicht nur im Nibelungenlied vorzufinden, sondern ist ein weit verbreitetes Motiv in der Heldenepik und unter anderem auch bei Biterolf zu finden, als Biterolf von Etzels Macht hört und sich daraufhin selbst davon überzeugen will: daz wir die grôzen êre / hie zen Hiunen wolden sehen (Bit 1198f.) Dort angekommen, ist er vom Glanz und der êre derart überwältigt, dass er am Hof bleibt und Etzel dient, weil er die recken gerne sach (Bit 1353).

Sobald also etwas erzählt wird, spiegelt es sich in der Wahrnehmung derer, die es hören, später bezeugen und weitererzählen sollen und wird dadurch sichtbar gemacht. Sichtbarkeit als Ergebnis sozialer Kommunikation wird durch Hörbarkeit ergänzt und erweitert. „Als mære finden die Ereignisse nicht nur im ganzen Land Verbreitung,

sondern werden ebenso für eine gewisse Dauer konserviert.“7 Diese Tatsache verhält sich auch bei den Wettspielen Brünhilds so:

Der rinc der was bezeiget, dâ solde das spil geschehen

Vor manigem küenem recken, die daz solden sehen

Mêr danne siben hundert, die sah man wâfen tragen:

Swem an dem spil gelunge, daz ez die helde solden sagen. (431)

An diesem Beispiel wird deutlich, dass es mehrere „Ringe“ von Betrachtern gibt. Der innerste Ring besteht aus Brunhild und Gunther, die den Wettstreit unter sich ausfechten. Siegfried ist zwar auch anwesend, wird aber unter der Tarnkappe zum blinden Fleck und somit unsichtbar. Den zweiten Ring bilden die 700 bewaffneten Recken und Gefolgsleute von Brünhild, die als zahlreiche Zeugen dienen, die wiederum vom folgenden Ring, der aus nicht näher definierten Leuten besteht, gesehen werden. Den äußersten und gleichzeitig abschließenden Ring bilden der Erzähler selbst und die Leser, die die Adressaten des „Gesagten“ sind. Alles das, was durch die Augen der Zeugen gesehen wird, wird durch das Weitererzählen sichtbar gemacht. Der Erzähler ist also „Sprachrohr dessen, was ‚man‘ sehen kann und sich davon erzählt. Die Augenzeugen auf der Szene geben dem Hörer die eigene Sicht auf die Erzählwelt vor.“8 Sichtbarkeit und Hörbarkeit sind also erforderlich um Rechtsverbindlichkeit zu gewährleisten. Hörbarkeit ist folglich als Komplement von Sichtbarkeit zu verstehen. Gesagtes erreicht aber nicht allein durch das Aussprechen Gültigkeit. Es reicht also nicht, dass Kriemhilt ihren Siegfried in heimlîche vil dicke güetlîchen sprach (130,4). Heimlîche drückt in diesem Fall sogar das Gegenteil, nämlich Unsichtbarkeit, aus, da es in der Abgeschlossenheit des Frauengemachs stattfindet und somit keinerlei Zeugen erreicht. Erst als vor helden wart geküsset diu schœne küniginne sint (613,4) wird die Ehe als rechtsgültig anerkannt.9 Gleichermaßen verhält es sich mit der Legitimierung von Herrschaft: Vers 710,1 vor sînen vriunden und 710,3 vor …recken…krône trägt. In Bezug auf die Hörbarkeit findet man im Vers 464,1 und Vers 2138,4 Beispiele für die Gültigkeit. Im ersten Beispiel gesteht Brünhild lûte ihre Niederlage ein, im zweiten stellt sich die Beleidigung gegen Rüedeger als unwiderruflich dar, da sie ze lûte vor den Anwesenden ausgesprochen wurde.

Weitere Vokabeln, die für die öffentliche Anerkennung und die damit einhergehende Sichtbarkeit stehen sind jehen, man hôrt oder man sach.

Jehen drückt allgemein Gültiges aus wie zum Beispiel die milte Kriemhilds in Strophe 1324 oder die êren, die Hagen zustehen:

dar umb muoz man Hagenen der êren billiche jehen (1794,4)

sô müese man von schulden dem edeln recken jehen,

daz er wære ein der beste, der ûf orss ie gesaz. (720,2f)

Jehen stellt erzählte Tatsachen dar und bietet aufgrund der Augenzeugen keinen Anlass, diese anzuzweifeln, so dass sie âne luge weitergetragen werden können.

Dô spehten mit den ougen, die ê hôrten jehen,

daz si alsô schœnes niht mêr heten gesehen

sô di vrouwen beide. des jch man âne luge.

ouch kôs man an ir lîbe dâ deheiner slahte truge. (589)

Ergänzend dazu gewährleisten die Ausdrücke man sach beziehungsweise man hôrt Augenzeugenschaft:

Swes iemen ander pflæge, man sach den kunic trûrende gân. (644,4) Under wîlen blicken man Brünhilde sach (796,2)

Hier wird deutlich, dass die Quelle der Erzählung von den Zeugen ausgeht und sich das Geschehen in deren Wahrnehmung wiederspiegelt. Jan-Dirk Müller formuliert dies mit den Worten, dass das „Geschehen (…) nie einfach (abläuft), sondern ‚man sieht‘ es ablaufen.“10 Die Figuren drücken aus, was man sieht und an was man sich zukünftig erinnern wird. Das sogenannte Sagengedächtnis ist somit für das Verhalten ausschlaggebend, was zur Folge hat, dass die großen szenischen Auftritte auf eine große Beobachterschar abzielen. Je mehr Zuschauer und Augenzeugen vor Ort, desto mehr können sich ein Urteil bilden und im besten Fall das Ansehen der Figuren steigern. Dadurch entsteht für den Zuhörer und Leser eine „[völlige] Transparenz höfischer Identität“11. Am Beispiel von Rüdigers Konflikt - einerseits durch Eid an Etzel und Kriemhild gebunden, andererseits durch Freundschaft mit den Burgunden verbunden - kann man beobachten, dass Rüdiger den Zuhörern vorgibt, was diese von ihm zu halten haben und was diese später weitererzählen sollen und dadurch gleichzeitig im Sagengedächtnis verewigt wird. In diesem Fall bilden di liute (2157,1), elliu diet (2151,3), und diu werlt (2153,4) die Instanzen, vor denen er zu bestehen hat. Insgesamt ist das, was die handelnden Figuren und der Erzähler berichten, die Bestätigung dessen, was gesehen wurde und künftig erzählt werden kann.

Die Rede über die Herkunft der gezeigten Pracht verstärkt die Aura des Gesehenen. Hörensagen und Sichtbarwerden gehören zusammen, um dem Anspruch herrscherlicher Repräsentation zu entspreche und eine multisensorische Wahrnehmung von körpergebundenem Status zu gewährleisten.12

Selbst umstrittene Meinungen oder Urteile werden als gültig dargestellt und stellen die Vorgaben der folgenden Aktionen. Doch gibt es trotz allem eine Einschränkung im Handlungsspielraum: Die heroische êre beeinflusst, ob es sich überhaupt lohnt zu kämpfen. Nur wenn der Nachruhm eines Helden oder seines Geschlechtes absehbar ist, werden Anstrengungen betrieben diesen zu erreichen, wie am Kampf zwischen Siegfried und Dietrich deutlich wird:

man sol daz hiute kiesen, wem man des besten muge jehen. (2323,4)

Die Frage nach der Führung des Sagengedächtnisses und die Aussicht auf den eigenen Nachruhm treibt Hagen in den Kampf mit seinem Kontrahenten, weshalb er eine friedliche Einigung ablehnt, um zu verhindern, dass Falsches gesehen und berichtet wird:13

»Nune muotet sîn niht mêre«, sprach aber Hagene »von uns zimt daz mære niht wol ze sagene, daz sich iu ergæben zwêne alsô küene man. nu siht man bî iu niemen wan eine Hildebranden stân.« (2338)

2.2.2 Unsichtbarkeit

Im Nibelungenlied wird Unsichtbarkeit in Form von nichtöffentlichem Handeln ausgedrückt. Alles was unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Augenzeugen vonstatten geht wird der Sicht entzogen und gilt somit als unsichtbar. Dazu gehören vor allem Situationen wie vorangegangene, nicht gesehene Handlungen, aber auch Absprachen und Zwiegespräche in abgeschlossenen Räumen, so dass nur die beteiligten Figuren anwesend sind und sich selbige Situationen heimlich abspielen. Dass lediglich die Betroffenen von diesen Heimlichkeiten wissen, trägt zur Unsichtbarkeit der Handlungen für die anderen Personen bei. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass dies meist mit dem Begriff heimliche einhergeht, aber auch tougenliche, verdagen und heln tauchen dabei auf:

Die Begriffe heimlîch, heîmlichkeit, heinlîche usw. (ähnlich tougen, tougenheit, tougenlîche usw.) bezeichnen einen Bereich des Handelns und einen Aktionszeitraum, der der allgemeinen Einsicht und Wahrnehmung entzogen bleibt. Heînliche (stf) ist primär der Raum der Nichtöffentlichkeit

[…]. Heimlîche (adv.) oder tougenlîche (adv.) ist dementsprechend eine Handlung, die sich nicht öffentlich vollzieht, aber der Öffentlichkeit entzogen, dennoch handlungsbestimmend sein kann.14

Unsichtbarkeit beziehungsweise Heimlichkeit wird im Nibelungenlied auch sehr oft mit erweiterten Begriffen wie verheimlichen, verschweigen und überlisten umschrieben. Bis auf die heimliche minne-Beziehung15 zwischen Siegfried und Kriemhild kann man feststellen, dass die Aktionen, die im Verborgenen stattfinden und somit für die Außenwelt unsichtbar sind, mit Täuschung und List verbunden sind und letztendlich als Betrug anzusehen sind. Der Betrug an sich ist jedoch nicht aus dem Nibelungenlied wegzudenken, da er den Ursprung des Konflikts und somit Motivationsgrundlage für die Erzählung ist. Ohne ihn käme es nicht zur Eskalation, die Katastrophe würde ausbleiben und das Nibelungenlied hätte keinen weiteren Erzählstrang. Komplementär zur Sichtbarkeit ist also die Unsichtbarkeit von Nöten. Fehlt der Raum der Unsichtbarkeit, so fehlt auch der Raum für Heimlichkeit und Betrug, List und Täuschung sind nicht möglich.

3. Manipulation der Sichtbarkeit

Stellt man Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Nibelungenlied gegenüber, ist bei näherer Betrachtung festzustellen, dass Unsichtbarkeit die Sichtbarkeit beeinflussen kann und darüber hinaus die Möglichkeit besteht, Sichtbarkeit zu manipulieren. Im Rahmen dieser Arbeit sollen einige Variationen von dieser Manipulation dargestellt werden: Der Steigbügel- oder Stratordienst Siegfrids und die damit einhergehende Standeslüge ist die erste Täuschung im Nibelungenlied und bildet den Ausgangspunkt des Betrugs. Die Standeslüge ist von enormer Wichtigkeit, da ohne sie die Brautwerbung Gunthers um Brünhild nicht möglich wäre. Innerhalb der Brautwerbung werden wieder Heimlichkeiten und eine List angewandt: Siegfried agiert mit Hilfe der magischen Tarnkappe unsichtbar, während Gunther zwar sichtbar ist, aber nur eine Rolle spielt. Die Brautwerbung um Kriemhild steht hierzu im Gegensatz, da in dieser Szene zwar auch Heimlichkeiten und unsichtbare Handlungen stattfinden, die aber in diesem speziellen Fall ohne Manipulation ablaufen und die minne-Beziehung zwischen Siegfried und Kriemhild dadurch positiv konnotiert werden kann. Letztendlich soll der Königinnenstreit zwischen Kriemhild und Brünhild ins Auge gefasst werden.

[...]


1 Im Folgenden beziehen sich Versangaben und zitierte mhd. Textstellen - sofern nicht anderweitig angegeben - auf folgende Ausgabe: Das 'Nibelungenlied'. Mhd./Nhd. Nach der Handschrift B hrsg. von Ursula Schulze. Ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse. Stuttgart 2010.

2 Edward R. Haymes: Das Nibelungenlied. Geschichte und Interpretation. München 1999, S. 125.

3 Horst Wenzel: Die mittelalterliche Herrschaftsdarstellung als mediales Ereignis. In: Georg Stanitzek und Wilhelm Voßkamp (Hrsg.): Schnittstelle. Medien- und Kulturwissenschaften. Mediologie Band 1, Köln 2001, S. 163-186, hier S. 166.

4 Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang: Die Welt des Nibelungenliedes, Tübingen 1998, S. 249. 4

5 Vgl. Torsten Wondrejz: Kalkulierte Verräterin oder treusorgende Ehefrau? Kriemhilds Rolle bei der Ermordung Siegfrieds, Gastbeitrag für die Nibelungenlied-Gesellschaft, 2008, online abrufbar unter: http://www.nibelungenlied-gesellschaft.de/03_beitrag/gast/fs08_wondrejz.html.

6 Horst Wenzel: Die mittelalterliche Herrschaftsdarstellung als mediales Ereignis, hier S. 166f. 5

7 Haiko Wandhoff: Der epische Blick. Eine mediengeschichtliche Studie zur höfischen Literatur. (Philologische Studien und Quellen H. 41), Berlin 1996.

8 Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang, S. 250.

9 Vgl. Ebd. S. 250f.

10 Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang, S. 251.

11 Ebd., S. 252.

12 Horst Wenzel: Die mittelalterliche Herrschaftsdarstellung als mediales Ereignis, hier S. 167.

13 Vgl. Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang, S. 256f.

14 Horst Wenzel: Ze hove und ze holze - offenlîch und tougen. Zur Darstellung und Deutung des Unhöfischen in der höfischen Epik und im Nibelungenlied. In: Höfische Literatur - Hofgesellschaft - Höfische Lebensformen um 1200: Kolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (3.-5. November 1983). Hrsg. von Gert Kaiser und Jan-Dirk Müller. Düsseldorf 1986, S. 277-300, hier S. 290.

15 Die minne-Beziehung zwischen Kriemhild und Siegfried soll hier nur am Rande erwähnt und nicht tiefer behandelt werden.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Nibelungenlied
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Deutsche Philologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
25
Katalognummer
V268579
ISBN (eBook)
9783656597094
ISBN (Buch)
9783656597087
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sichtbarkeit, unsichtbarkeit, nibelungenlied
Arbeit zitieren
Eva Sailer (Autor:in), 2014, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Nibelungenlied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268579

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Titel: Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Nibelungenlied



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