Gesellschaftliche und biographische Einflüsse auf das Liebesmotiv in Heinrich Heines „Almansor“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Biographische und gesellschaftliche Umstände während der Entstehungszeit des Werks
2.1. Biographische Motivation
2.2. Gesellschaftspolitische Situation
2.3. Religiöse Unruhen

3. Das Liebesmotiv im Drama „Almansor“
3.1. Die Liebe gegenüber Zuleima
3.1.1. Enttäuschende Liebe in der Balkonszene
3.1.2. Das erste Wiedersehen der beiden Liebenden und seine Bedeutung
3.1.3. Der Tod als einzige Lösung
3.2. Religions- und Vaterlandsliebe
3.2.1. Die verschiedenen Glaubenspositionen
3.2.2. Religiöse Konflikte in der Tragödie
3.3. Elternliebe
3.3.1. Die Liebe zu den wahren Eltern und Pflegeeltern
3.3.2. Die Liebe zu den Kindern und die Rettung vor dem Tod durch die Wahrheit

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Drama „Almansor“ ist 1823  als Buchausgabe zusammen mit „William Ratcliff“ und dem lyrischen Intermezzo erschienen. Einige Rezensionen zerrissen das Drama und auch die Uraufführung in Braunschweig war ein glatter Misserfolg, denn wegen heftiger Publikumsproteste während der Schlussszene musste das Stück abgebrochen werden und wurde danach auch nicht wieder aufgeführt.[1]

Der Dichter gestand bereits zwei Jahre zuvor in einem zitierten Brief an Friedrich Steinmann, er habe zu seinem „Entsetzen“ herausgefunden „daß dieses von mir selbst angestaunte und vergötterte Prachtwerk nicht allein keine gute Tragödie ist, sondern nicht mal den Namen einer Tragödie verdient.“[2] Hier spielt Heine wahrscheinlich auf die zahlreichen  Kunstfehler des Stücks hinsichtlich  der klassizistischen und schicksalsdramatischen Prinzipien an. Außerdem durchzog das Stück viele Lyrismen  und musste sich einem judenfeindlichen Publikum stellen. Der Misserfolg schien also vorprogrammiert.[3]

Dennoch war die Tragödie besser als ihr Ruf. August Klingemann, Theaterleiter in Braunschweig, beispielsweise bezeichnete das Stück als eine „geniale, freilich hinsichtlich der Bühnenanwendung noch ungeregelte Arbeit.“[4] Außerdem fielen die Reaktionen überraschend umfangreich und zustimmend aus. Knapp die Hälfte der fünfzehn Rezensionen war positiv bis enthusiastisch und nur zwei Besprechungen kommen einem Verriss gleich.[5]

Gerade deshalb habe ich mich für die Arbeit mit diesem Drama entschieden, denn es wurde immer kontrovers diskutiert und eine feststehende Bedeutungs- und Motivationszuschreibung sucht man in der Forschungsliteratur vergeblich. Selbst Heine schrieb 1820: „ In diesem Stück habe ich mein eigenes Selbst hineingeworfen, mit sammt meinen Paradoxen, meiner Weisheit und meiner ganzen Verrücktheit.“[6] Gleichzeitig möchte er aber nicht, dass das Stück autobiographisch gelesen wird,[7] was der vorangegangenen Aussage aber deutlich widerspricht. Deshalb hat sich diese Arbeit zur Aufgabe gemacht, anhand des Liebesmotivs im „Almansor“ zu untersuchen inwieweit gesellschaftliche und autobiographische Elemente in das Drama eingeflossen sind. Dazu werde ich zuerst biographische und gesellschaftliche Umstände während der Entstehungszeit des Werks darstellen, um darauf aufbauend dann das Liebesmotiv unter den Aspekten Liebe zu Zuleima, Religions- und Vaterlandsliebe und Elternliebe untersuchen. Ich werde dabei versuchen, Rückschlüsse auf die Entstehungszeit und Heines Biographie zu ziehen, um am Ende sagen zu können hat Heine nun sein ganzes selbst in diese Arbeit gelegt oder darf man die Tragödie auf keinen Fall autobiographisch lesen.

2. Biographische und gesellschaftliche Umstände während der Entstehungszeit des Werks

2.1. Biographische Motivation

1816 verliebte sich der inzwischen neunzehnjährige Heine „unsterblich“ in seine Kusine Amalie. Sie war die Tochter seines reichen Onkels Salomon Heine, der ihm nach dem Tod seines Vaters immer wieder unter die Arme griff.[8] In seinen Briefen an Christian Sethe nennt er sie Molly und gibt ihr die magische Initiale M.[9] 1814 hatte man sich das letzte Mal in Düsseldorf gesehen und rückblickend erinnert sich Heine:

Entfernt von ihr, lange Jahre glühende Sehnsucht im Herzen tragen, das ist Höllenqual, und drängt höllisches Schmerzgeschrey hervor.[10]

Am Anfang hatte Heine große Hoffnung, dass seine Liebe erwidert wird. In einem Brief an Heinrich Straube schreibt er dazu:

Es ging schon gegen Mitternacht, da begab ich mich nach dem Hause meiner Dulcinea de Tobosa, um unter ihren Fenstern die Rolle meines Almansor in Wirklichkeit zu spielen. Aber ich hatte leider keinen Mantel wie Almansor, und musste frieren wie ein Schneider. Auch hatte ich statt einer hellgestirnten andalusischen Sommernacht nur einen aschgrauen Himmel, feuchten hamburger Nazionalwind und durchfröstelndes Regengeträufel. Denn der gelbe Kuppler, der mich so oft belogen, hatte sich aus Scham hinter seine Wolkenbatterien verkrochen und beleuchtete nur mit einzelnen Stralen das Haus aller Häuser. […]. Doch doppeltschneidender Schmerz zerriß mein innerstes Gemüth, als ich bemerkte, dass meine Fantasie mich wieder in den April geschickt hatte. Das schaurigsüße Lockenköpfchen, das mir so huldreich herabgenickt, war nur die alte Gouvernante, die ihre Jalousien zugemacht, der wundersame Duft, der meine Sinne umnebelte, war nur der Geruch aus einem nahen Käseladen, und der herabrauschende Blutstrom war nur der Schiffprügelinhalt, den eine Hure aus ihrem Fenster herabgoß….“[11]

Doch es handelte sich um eine unerfüllte Liebe, denn Molly liebte ihn nicht. Doch die wiederholten deutlichen Ablehnungen hielten Heine nicht davon ab, weiter zu hoffen. In einem Brief an Christian Sethe bezeichnete er sich als „wahnsinnigen Schachspieler“, der um die „Königinn“ spielt.[12] Aber Heine kann trotz allem Amalie nicht für sich gewinnen. Sie distanziert sich immer mehr von ihm und heiratet 1821 einen ostpreußischen Gutsbesitzer.[13]

2.2. Gesellschaftspolitische Situation

Heine betrat kurz nach dem Wiener Kongress die literarische Bühne. Dieser fand 1814/15 statt, wobei die Grenzen Europas neu definiert wurden, weil zuvor Napoleon die politische Landkarte des Kontinents erheblich verändert hatte. Zu dieser Zeit rangen in Europa zwei ideologische Strömungen um die geistige und politische Herrschaft. Zum einen gab es die „Heilige Allianz“. Hierbei handelt es sich um ein Bündnis zwischen Russland, Österreich und Preußen, die sich zum gemeinsamen Eingreifen an Orten, wo sie die Monarchie als gefährdet ansahen, verpflichteten. Der Begriff „Restauration“ hat diese Zeit sehr stark geprägt, wobei versucht wurde, die Freiheitsbewegungen der europäischen Völker zu ersticken.

Bei der Gegenbewegung der Restaurativen handelt es sich um eine liberale Bewegung in Deutschland, die so genannten Deutschtümmler, die sich von den Befreiungskriegen eine Einheit Deutschlands versprochen haben.  Eine Restauration stand also einer Revolution gegenüber. Beide flüchteten vor den Problemen der aufkommenden Industriegesellschaft in eine irreale, aber angeblich glorreiche Vergangenheit. Die einen in die höfische Welt des vorrevolutionären Absolutismus, die anderen in das Germanentum der Vorzeit und das Rittertum des Mittelalters.

Schon Heines frühe Werke zeigten einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen seinen politischen Ansichten und den beiden dominierenden Ideologien.[14] Es folgte 1815 die Gründung von zahlreichen deutschen Burschenschaften, die symbolisch die Einheit Deutschlands demonstrieren wollten.[15] Heine selbst sah sich als Kosmopolit, der sich zu den demokratischen Idealen der Französischen Revolution bekannte, in Deutschland überall „Stagnation, Lethargie und Gähnen“ verspürte und die scheinheilige Allianz von Thron und Altar satirischer Kritik unterzog. Folglich war er den Restaurationsgewalten ein Stein des Anstoßes und des Ärgernisses.[16]

Vielleicht beteiligte sich Heine gerade deshalb in einer Burschenschaft, die antijüdisch war. Er trat ihnen aus Sympathie für den Liberalismus bei und beteiligte sich an ihren Feiern, die aus politischen Gründen verboten waren.[17]

Spektakulären Ausdruck fand der Judenhass der Burschenschaften beim Wartburgfest, das am 18. Oktober 1817 von etwa 500 meist protestantischen Studenten gefeiert wurde. Heinrich Heine befand sich nicht unter ihnen. Man verbrannte dort zahlreiche Bücher und Schriften, unter anderem den Code Napoléon, der den Juden viele Rechte einräumte und die Germanomanie des deutsch-jüdischen Schriftstellers Saul Ascher, der vor den Gefahren des Nationalismus warnte.[18] Heine verabscheute diese Taten und nannte sie „ Dummheiten […], die des blödsinnigsten Mittelalters.“ Dort „herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der in seiner Universität nichts Besseres zu finden wußte  als Bücher zu verbrennen.“[19] Und als hätte Heine etwas von der Zukunft seines Heimatlandes geahnt, äußert er im „Almasor“:

Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt,
verbrennt man am Ende auch Menschen.[20]

Auch Fürst Metternich, der Anführer der Restauration und österreichischer Staatskanzler, gefallen die Studentenunruhen wenig und somit kommt ihm die Ermordung des Dichters August von Kotzebue durch den Studenten Karl Sand sehr gelegen, um die Karlsbader Beschlüsse 1819 zu verabschieden. Sie beinhalten ein Verbot von Burschenschaften und politischen Vereinen, eine Pressezensur, eine Überwachung der Universitäten und die Demagogenverfolgung.[21]

Heine wird Ende 1920 unter einem dubiosen Vorwand aus der Burschenschaft, die illegal weiter besteht, aufgrund ihres „christlich-teutschen“ Charakters ausgeschlossen.[22]

[...]


[1] Vgl. Höhn, Gerhard: Heine-Handbuch. Zeit, Person, Werk. Stuttgart 1997. S. 46.

[2] Ebd. S. 47.

[3] Vgl. Trilse-Finkelstein, Jochanan: Gelebter Widerspruch. Heinrich Heine Biographie. Berlin 1997. S. 79.

[4] Ebd. S. 78.

[5] Vgl. Höhn, Gerhard: Heine-Handbuch. Zeit, Person, Werk. Stuttgart 1997. S. 50.

[6] Ebd. S. 46.

[7] Vgl. Hausschild, Jan-Christoph; Werner, Michael: Heinrich Heine. Eine Biographie. Köln 1997. S. 58.

[8] Vgl. Grözinger, Elvira: Heinrich Heine. Deutscher Dichter, streitbarer Publizist, politischer Emigrant. Potsdam 2006. S. 12.

[9] Vgl. Hausschild, Jan-Christoph; Werner, Michael: Heinrich Heine. Eine Biographie. Köln 1997. S. 42- 43.

[10] Ebd.

[11] Hirth, Friedrich: Heinrich Heine. Bausteine einer Biographie. Mainz 1950. S. 27-29.

[12] Vgl. Ebd. S. 45.

[13] Vgl. Bartscherer, Christoph: Heinrich Heine und die Frauen. Freiburg 2006. S. 61.

[14] Vgl. Grab, Walter: Heinrich Heine als politischer Dichter. Franfurt am Main 1992.  S. 12.

[15] Vgl. Müller, Helmut: Schlaglichter der deutschen Geschichte. Bonn 2003. S. 151.

[16] Vgl. Grab, Walter: Heinrich Heine als politischer Dichter. Franfurt am Main 1992. S. 16.

[17] Vgl. Grözinger, Elvira: Heinrich Heine. Deutscher Dichter, streitbarer Publizist, politischer Emigrant. Potsdam 2006. S. 14.

[18] Vgl. Grab, Walter: Heinrich Heine als politischer Dichter. Franfurt am Main 1992. S. 33.

[19] Ebd. 34.

[20] Briegleb, Klaus: Heinrich Heine. Sämtliche Schriften. München 1968. S. 284- 285.

[21] Vgl. Müller, Helmut: Schlaglichter der deutschen Geschichte. Bonn 2003. S. 151.

[22] Vgl. Höhn, Gerhard: Heine-Handbuch, Zeit, Person, Werk. Stuttgart 1997. S. 54.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Gesellschaftliche und biographische Einflüsse auf das Liebesmotiv in Heinrich Heines „Almansor“
Hochschule
Universität Rostock  (Germanistik)
Veranstaltung
„Es ist hier ungemein viel geselliges Leben.“ Heinrich Heine in und aus Berlin.
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
21
Katalognummer
V268443
ISBN (eBook)
9783656595724
ISBN (Buch)
9783656595694
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gesellschaftliche, einflüsse, liebesmotiv, heinrich, heines, almansor
Arbeit zitieren
Claudia Dähn (Autor:in), 2010, Gesellschaftliche und biographische Einflüsse auf das Liebesmotiv in Heinrich Heines „Almansor“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268443

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