Stammt die Universität aus dem Mittelalter?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


0. Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Lehren und Lernen vor Gründung der Universität
2.1 Lehren und Lernen
2.1.1 Altes Testament
2.1.2 Neues Testament
2.1.3 Frühkirchliches Katechumenat
2.1.4 Katechese im Frühmittelalter
2.1.5 Kloster- und Domschulen
2.1.6 Lehren und Lernen in der Antike
2.2 Lehre
2.3 „Universitas magistrorum et scholarium“

3. Stammt die Universität aus dem Mittelalter?

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Mittelalter wird in der heutigen Gesellschaft sehr zwiespältig gesehen. Auf der einen Seite wird diese Epoche im Allgemeinen sehr negativ wahrgenommen, was vor allem an der Unwissenheit gegenüber dieser Zeit der Menschheitsgeschichte liegt. Fragt man verschiedene Menschen nach ihrer Meinung in Bezug auf das Mittelalter, so kommt man fast immer zu dem Ergebnis, dass nur mehr oder minder inhaltslose oder durch Halbwissen angefüllte Schlagworte, wie beispielsweise Kreuzzüge, Inquisition oder Hexenverbrennung, mit ihm verbunden werden. Hinzu kommt, dass die Kirche als dominierender Faktor in Mitteleuropa und darüber hinaus vom heutigen aufgeklärteren Standpunkt aus bewertet wird. Da die katholische Kirche viele mehr oder weniger fachmännische Kritiker hat, wird die vermeintliche Rückständigkeit dieser Institution in der heutigen Zeit scheinbar auf eine ganze Epoche übertragen. So ist es nicht erstaunlich, dass Adjektive wie finster und dunkel das subjektive Empfinden, und somit auch das gesellschaftliche Bild vom Mittelalter prägen.

Auf der anderen Seite hat sich in der Gesellschaft in einzelnen Punkten ein romantisches Bild vom Mittelalter entwickelt, wenn man zum Beispiel an Vorstellungen von Königen, Rittern und Burgen denkt. Diese romantischen Ansichten werden vom heutigen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld gerne aufgenommen. Hierbei sei nur auf Filme, Romane oder Mittelaltermärkte verwiesen, die sich größter Beliebtheit erfreuen und die Menschen ansprechen und faszinieren.

Grundsätzlich trägt die „seichte“ Unterhaltung der Medien zur Verstärkung beider Standpunkte bei, da nach eigenem Ermessen die passende Form ausgewählt wird. Wissenschaftliche Erkenntnisse und eine Nähe zur historischen Wahrheit bleiben dabei nicht selten im Sinne der Massentauglichkeit und Massenverdaulichkeit auf der Strecke. Es überrascht deshalb nicht, dass viele Erkenntnisse und Errungenschaften, die aus dem Mittelalter stammen, von den meisten Menschen nicht mehr dieser Epoche zugeordnet werden bzw. zugeordnet werden können, da sie nicht in das Bild, welches landläufig vorherrscht, zu passen scheinen.

In dieser Hausarbeit soll ein „Vermächtnis“[1] des Mittelalters thematisiert werden, welches weder den romantischen noch den finsteren Vorstellungen entspricht, und doch die Gesellschaft bis heute in hohem Maße prägt und größte Wertschätzung genießt.[2] Die Rede ist von den Universitäten. Die Gründung dieser Einrichtungen im Hoch- und Spätmittelalter wird meist unbewusst oder unwissentlich aus genannten Gründen nicht mit dieser Periode verbunden. Oder stammt diese Form der Bildungsanstalt am Ende gar nicht aus dieser Zeit, bzw. ist sie „nur“ ein Ergebnis der (auch heute noch) hochverehrten klassischen Antike? Die Geschichte und die Umstände, die zur Gründung der Universitäten führen, sollen in dieser Ausarbeitung beleuchtet werden. In diesem Zusammenhang ist die Untersuchung der didaktischen und inhaltlichen Entwicklungen bis zum zwölften Jahrhundert unerlässlich.

Im ersten Teil wird deshalb zunächst auf die Geschichte des Lehren und Lernens in Europa und im Mittelmeerraum bis zur Gründung der ersten Universitäten eingegangen. Dabei soll der Blick auf die didaktischen Ansätze aus der Antike und dem Früh-mittelalter gerichtet werden. In besonderem Maße werden in diesem Teil das altkirchliche Katechumenat bzw. dessen weitere Entwicklung bis zum späten Frühmittelalter, sowie die Entwicklung des Lehrens und Lernens in der klassischen Antike Berücksichtigung finden. In einem weiteren Schritt wird in Kürze die Gründung der Universität dargestellt.

Schließlich soll im zweiten Teil die Frage beantwortet werden, welchen Einfluss die beschriebenen didaktischen Überlegungen und die zu vermittelnden Inhalte der Bildung auf die Gründung der Universitäten gehabt haben, und ob diese Institution eher aus dem Mittelalter oder doch aus der Antike stammt.

Grundsätzlich soll in dieser Ausarbeitung der Fokus bei den christlich geprägten Universitäten in Europa liegen. Der Einfluss außereuropäischer Universitäten, wie beispielsweise der zu jener Zeit im arabischen Raum gegründeten bzw. schon bestehenden, sollte zwar grundsätzlich nicht vergessen werden, spielt in dieser Ausarbeitung aber keine Rolle.

2. Lehren und Lernen vor Gründung der Universität

Um die Gründung der Universität im Mittelalter richtig einschätzen zu können, muss man sich ihre Entstehungsgeschichte vor Augen führen. Hierbei ist es notwendig die Bildungs- und Lehranstaltsformen, also das Lehren und Lernen, von der Antike über das Frühmittelalter bis hin zu den eigentlichen Gründungen ab der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts zu beachten. Dabei dürfen die didaktischen Überlegungen und Konzepte nicht außer Acht gelassen werden. Gleichzeitig ist es lohnenswert die Lehre im selben Zeitraum einer Untersuchung zu unterziehen, wobei diese Entwicklung nur kurz beschrieben wird. Dabei ist die aufgeworfene Frage nach dem Ursprung dieser Einrichtung im Hinterkopf zu behalten.

In den nächsten Abschnitten werden das Lehren und Lernen und die zu vermittelnde Lehre in Hinblick auf die jeweilige historische Entwicklung in der oben genannten Zeitspanne erforscht. Anschließend wird ein Blick auf die Gründung geworfen.

2.1 Lehren und Lernen

Die Grundlagen des universitären Wissenserwerbs und der Wissensvermittlung im Mittelalter müssen in zwei für diese Thematik relevante Hauptstränge unterteilt werden, nämlich einen biblisch-kirchlichen und einen klassisch-antiken. Diese können jeweils weiter aufgefächert werden, um der Spannbreite gerecht zu werden, welche zweifelsfrei in jedem dieser Bereiche steckt.

Beim biblisch-kirchlichen Strang ist zunächst natürlich die Bibel zu beachten, genauer gesagt die verschiedenen Facetten der „biblischen Religionspädagogik“, von der man durchaus im Alten und Neuen Testament sprechen kann.[3] Darüber hinaus darf der Einfluss des altkirchlichen Katechumenats bzw. der Kirchenlehrer auf dieses nicht unterschätzt werden, welches in die frühmittelalterliche Katechese mündet. Schließlich gilt es die Kloster- und Domschulen zu berücksichtigen.

Der klassisch-antike Strang, der freilich Einflüsse auf das Neue Testament, das altkirchliche Katechumenat und darüber hinaus hat, kann in einen griechischen und einen daraus hervorgehenden römischen Teil gegliedert werden, wobei der zuerst genannte hier präferiert werden muss und wird.

2.1.1 Altes Testament

Lehren und Lernen spielen im Judentum bis zum heutigen Tage eine zentrale Rolle. Es ist daher nicht erstaunlich, dass dieses Thema auch dem Alten Testament, welches bis auf einige zusätzliche Bücher mit dem Tanach der Juden übereinstimmt,[4] nicht fremd ist. Durch die Kanonisierung des Tanach spielt das Alte Testament nicht nur heilsgeschichtlich eine Rolle für das Christentum und das christliche Abendland, sondern auch in Bezug auf das Lehren und Lernen.

Grundsätzlich ist die Erziehung der Heranwachsenden ein wichtiger Punkt des Alten Testaments,[5] da diese „als Träger der Zukunft…die für die Gemeinschaft überlebenswichtigen Gewohnheiten, Bräuche und Werte weitertradieren“[6] müssen. Dies geschieht hauptsächlich durch wiederholtes Erzählen[7] der Leidens- und Heilsgeschichte des Volkes Israel im Alltag um der Welt einen Deutungsrahmen zu geben. Neben den Lehrbüchern, wie beispielsweise dem Buch der Psalmen oder dem der Sprichwörter, taucht besonders im fünften Buch Mose, dem Deuteronomium, dieses Motiv immer wieder an zentralen Stellen auf. So werden die Eltern und Erzieher nicht nur aufgefordert durch die Wiederholung der Inhalte Wissen zu vermitteln, sondern auch jederzeit bereit zu sein, Zeugnis vom eigenen Glauben (Wissen) zu geben.[8] Reinhold Boschki fasst die religiöse Bildungstheorie des Deuteronomiums, welche für das ganze Alte Testament grundlegend ist, wie folgt zusammen: „Religion durchdringt Leben und Alltag und benötigt eine solide Wissensgrundlage, um realisiert und tradiert werden zu können“[9].

Um dies zu erreichen entwickelt sich im alten Israel neben der Familie als Lernort ein weiteres Lernritual, nämlich das Lehren und Lernen in der Öffentlichkeit, bei dem man zusammenkommt um Texte zu hören, zu rezitieren und sie auswendig zu lernen. Diese Form der öffentlichen Bildung stärkt wiederum die heimische Familienreligiosität. Beide Punkte sind, vor allem vor dem Hintergrund einer größtenteils mündlich tradierten Religion, entscheidend. Durch das Abwenden vom Tempel in exilisch-nachexilischer Zeit (ab 586 v. Chr.) rücken die rabbinischen Schriftgelehrten in den Vordergrund, denen die Aufgabe zukommt Träger der Überlieferung zu sein. Darüber hinaus wird Gott selbst als der Erzieher der Menschen angesehen, was in Bezug auf das Neue Testament und das altkirchliche Katechumenat nicht übersehen werden darf.[10]

2.1.2 Neues Testament

Das Lehr- und Lernverständnis des Neuen Testaments ähnelt dem des Alten Testaments. Da Jesus selbst und fast alle zentrale Gestalten des frühen Christentums Juden sind, ist dies leicht nachzuvollziehen. So wird die Botschaft Christi durch stetes Erinnern und Erzählen an Leben, Passion und Auferstehung vermittelt. Parallelen finden sich auch in der liturgischen Erinnerung oder in der Hochschätzung der Kinder in beiden Teilen der Bibel[11].

Allerdings kommt es durch die Naherwartung der Parusie[12] zu Besonderheiten. So bildet sich beispielsweise kein christliches „Rabbinat“ analog zum jüdischen. Fundamentaler ist hier die Nachfolge des Auferstandenen,[13] so dass auch die freie Verkündigung möglich und verbreitet ist. Bei der Interpretation (dem Deutungsrahmen) nehmen neben den alttestamentlichen Mustern auch außerbiblische Konzepte wie der Logos[14] eine wichtige Stellung ein, was die Botschaft in ein neues Licht rückt und den Deutungsrahmen neu definiert.

Eine neutestamentliche Bildungstheorie im eigentlichen Sinne ist nicht zu finden,[15] wobei Lehr-Lern-Prozesse bei der Verkündigung der Botschaft und der Sendung zur Verkündigung angenommen werden müssen. Die Rolle des Erziehers oder besser gesagt Lehrers (διδάσκω – im Neuen Testament 50 Mal in Bezug auf Jesus/ διδάσκαλος – 41 Mal) geht auf Jesus über, der seine Zuhörer korrelativ und kontrafaktisch[16] lehrt. Dabei meint korrelativ, dass Jesus seine Zuhörer mit ihren jeweiligen Verstehensvoraussetzungen berücksichtigt und nachvollziehbare Beispiele aus ihrer Erfahrungswelt benutzt, um seine Botschaft zu vermitteln.[17] Nichtsdestotrotz eckt er nicht selten mit seiner radikalen Botschaft bzw. mit seiner Deutung der Heiligen Schrift an, so dass Empörung und Beunruhigung die Folge sind.[18] Vor diesem Hintergrund kommt es zu kontrafaktischem Lernen.

[...]


[1] Logan, F. Donald: Geschichte der Kirche im Mittelalter, S. 240.

[2] Rüegg, Walter (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. 1: Mittelalter, S. 13.

[3] Boschki, Reinhold: Einführung in die Religionspädagogik, S. 17.

[4] Vgl. Zenger, Erich: Einleitung in das Alte Testament, S. 27ff.

[5] Dtn 31, 10-13.

[6] Boschki, Reinhold: Einführung in die Religionspädagogik, S. 17.

[7] Dtn 6, 4-12.

[8] Dtn 6, 20-25.

[9] Boschki, Reinhold: Einführung in die Religionspädagogik, S. 17.

[10] Ebd. S. 18ff.

[11] AT: s. o.; NT: Mk 10, 14-15 parr.

[12] Mk 1, 15.

[13] Mk 1, 17.

[14] Joh 1, 1.

[15] Paul, Eugen: Geschichte der christlichen Erziehung, S. 16.

[16] Boschki, Reinhold: Einführung in die Religionspädagogik, S. 22.

[17] Vgl. die Gleichnisse bspw. in Mk 4, 1-32. Der folgende Vers 4, 33 bringt es dabei auf den Punkt: „Durch viele solche Gleichnisse verkündete er ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten.“

[18] Lk 2, 34 oder Lk 4, 16-30.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Stammt die Universität aus dem Mittelalter?
Hochschule
Universität zu Köln  (Historisches Institut - Abteilung für Didaktik der Geschichte)
Veranstaltung
Einrichtung der Universitäten im Mittelalter
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V268335
ISBN (eBook)
9783656593591
ISBN (Buch)
9783656593638
Dateigröße
574 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
stammt, universität, mittelalter, Bildungsgeschichte, Geschichte der Universität
Arbeit zitieren
Christoph Kurth (Autor:in), 2011, Stammt die Universität aus dem Mittelalter?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268335

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