DDR Punker. Gefahr für Bürger und Staat?

Analyse einer Jugendkultur ihres Selbstverständnisses und ihrer Musik


Facharbeit (Schule), 2013

28 Seiten, Note: 1,66


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitender Text über die Jugend im Bauern- und Arbeiterstaat

II. Punks in der DDR
2.1 Die anfängliche Situation
2.2 Erscheinungsbild und Auftreten der Punks
2.3 Die Musik
2.4 Ideologie und Gründe für Ihr Lebensstil
2.5 Punks und ihr Verhältnis zu anderen Subkulturen

III. Der Staat, die Bürger und die Kirche
3.1 Anfängliche Auffassung des Staates und der DDR-Durchschnittsbürger in Bezug auf das Punkertum
3.2 Maßnahmen des Staates gegen die Punkbewegung
3.3 Tolerierung der Punker Szene
3.4 Infiltration der Punker durch Stasi und Folgen
3.5 Die Kirche und weitere Zufluchtsorte

IV. Situation nach der Wende

V. Resümee

VI. Abkürzungsverzeichnis

VII. Verzeichnis der verwendeten Literatur und ggf. anderer Hilfsmittel
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Internetquellen
7.3 Abbildungsverzeichnis
7.4 Bewegtbildverzeichnis:

I. Einleitender Text über die Jugend im Bauern- und Arbeiterstaat

Der rebellierende Teenager, der sich aus Prinzip gegen das Elternhaus stellt – wer kann nicht mindestens ein Beispiel eines solchen Szenarios aus Romanen, Filmen, Fernsehen oder persönlichem Umfeld reproduzieren? Doch was ist mit jungen Leuten, die aus Prinzip gegen den Staat aufbegehren? Setzt man sich mit der Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik auseinander, wird deutlich, dass beinahe alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens auf die eine oder andere Art staatlicher Kontrolle unterlagen und das Jugendliche sehr wichtig für die Politik der DDR waren. Der totalitäre Überwachungsstaat verstand sich selbst zwar sehr wohl als ein Staat der Jugend,[1] doch die Angst vor einer negativen Abdriftung der Jugendlichen, hervorgerufen durch westliche Einflüsse, war groß. Daher sollten sie einer besonderen Beobachtung und Erziehung unterzogen werden. Dementsprechend versuchte man vor Allem die DDR-Jugend von westlichen Produkten weitestgehend fernzuhalten und sie an die hauseigenen, `ideologisch korrekten´ Kulturgüter wie z.B. DDR-Musik, heran zu führen. Diese Politik führte zu Gegenbewegungen aus verschiedenen Richtungen, wie beispielsweise eine große Punk Szene, die sich vor allem dem Verlangen nach Freiheit wegen formierte.

Es war damals nicht besonders schwer innerhalb der DDR zum politischen Gegner des Regimes zu werden. Wer eine von der des DDR-Normalbürgers abweichende Lebensweise hatte, wurde von der DDR nicht nur kritisch beäugt, sondern hatte mit schweren politischen Sanktionen zu kämpfen. Marc-Dietrich Ohse, ein deutscher Schriftsteller der sich literarisch mehrfach zum Thema DDR geäußert hatte, konstatiert:

„Der Streit um die Freizeitgestaltung Jugendlicher, um ihre modischen und musikalischen Vorlieben war seit den fünfziger Jahren ein Dauerthema. Dabei wechselten die Moden der Jugendlichen, während der Staat in seiner Skepsis gegenüber dem- alltäglichen- Freiheitsdrang Jugendlicher ebenso verharrte wie in seiner Ablehnung und Sanktionierung allzu großer Freizügigkeit. Anfang der fünfziger Jahre ging es um Jazz, Ende des Jahrzehnts um Rock’n Roll, in den sechziger Jahren um Beatmusik, in den Siebzigern um Hippies und um Bluesfreaks und in den achtziger Jahren vor allem um Punks. All diese Moden wurden- in den ersten Jahrzehnten noch mit radikaler Vehemenz mit dem Verdikt der ‘Kulturbarbarei’ versehen- vom SED-Staat geächtet und ihre Anhänger als ‘Gammler’, als ‘Asoziale’ oder als ‘negative Elemente’ abgestempelt. Zum Teil wurden Jugendliche, die sich nicht den sozialistischen Moralvorstellungen und Kleidernormen anpassten, mit rigiden Kontroll- und Disziplinarmaßnahmen überzogen, etliche fielen wegen ihrer Renitenz staatlichen Erziehungsmaßnahmen anheim, die bis zur Einweisung in Arbeitslager und Jugendwerkhöfe reichen konnten.“[2]

Nachdem Ulbricht 1971 von Erich Honecker abgelöst wurde, entspannte sich die politische und kulturelle Lage in der DDR zeitweise. Die neue politische Ausrichtung versprach eine gewisse Liberalisierung, welche ein regelrechtes florieren in den alternativen Jugend Szenen hervorrief.[3] Ende der 70er Jahre schwappte dann die, in dieser Seminararbeit behandelte Punk-Kultur Englands in die DDR über.

In dieser Arbeit wird das Punkertum in der DDR, das durch seine politische Meinung, den westlichen Musikgeschmack und dem daraus resultierenden nichtkonformen Verhalten auffällt, analysiert. Ebenfalls werden die Reaktionen der DDR-Führung auf die anders denkende Subkultur erörtert. Zudem wird untersucht welche Beweggründe die Jugendlichen von damals hatten, diesen alternativen Lebensstil anzustreben und welche Besonderheit sie ausmachten. Zum Schluss meiner Arbeit wird auf die Zeit nach der Wende eingegangen und was aus den ehemaligen Punks geworden ist.

Dies wird gestützt durch Einbringung von Informationen von mehreren Sachbüchern, Zeitungsartikeln, thematisch passenden Internetpräsenzen und Zeitzeugenberichten.

II. Punks in der DDR

2.1 Die anfängliche Situation

"Wir sind die junge Generation
doch was haben wir vom Leben schon
wir warten auf den Untergang"

(Vitamin-A – Titel: Unbekannt)[4]

Als der Punk in westlich gesinnten Gebieten, insbesondere Großbritannien, ab Mitte der 1970er Jahre kultiviert wurde[5] und dadurch auch in der Bundesrepublik Deutschland publik wurde, fand Punk zwischen den Jahrzenten der 1970er und 1980er Jahren durch illegal konsumierte West-Radio Berichte auch in der DDR Anhängerschaft. Den frühen DDR-Punks war bewusst, dass es sich um mehr als nur Musik handele, sondern eine Lebenseinstellung darstelle. Punk war gegen alles existierende, gegen alles Gegenwärtige und Zukünftige. Die Musikrichtung repräsentierte einfach eine radikale Opposition, die durch aufsässige Haltung alles in Frage stellte, was in der DDR zu einen großen Zuwachs der Mitglieder durch Andersdenkende führte.[6] Ein weiterer Aspekt, der die Entwicklung des Punkertums bedingte, war, dass Bands anfingen, in deutscher Sprache zu singen. Dies hatte zur Folge das vor allem in Ost-Berlin sich eine Punker-Szene zu bilden begann. Das gesellschaftliche Unverständnis war schon von Anfang an vorprogrammiert.

2.2 Erscheinungsbild und Auftreten der Punks

„Ich habe eine Lederjacke an
Mit viel gelumpe dran
Ich habe die Haare gestylt
Auch wenn sich Mutter aufgeilt
Ich habe Platten von The Clash und Sham 69
Und die ziehe ich mir Abend für Abend rein“

(Müllstation - Punkrockkönig vom Mansfelder Land)[7]

„Wir wollten Einzelwesen sein“[8], sagte die ehemalige Punkerin und jetzige Künstlerin Cornelia Schleime. Dies galt vor allen Dingen in der Mode, die der westlichen Punkszene nachempfunden war.

Einfach auffallen und ein Zeichen setzen war das Motto. Dies kam zum Beispiel bei den beliebten selbstbeschrifteten T-Shirts zu trage, Parolen wie „Solidarność“, „Haut die Bullen platt wie Stullen“ und „Macht Arbeit frei?“[9] wurden als provokante Stilmittel genutzt. Anfangs waren den Punks ihre Körperhygiene sehr wichtig, um sich eindeutig von der DDR Hippie Bewegung abzugrenzen.[10] Ab circa 1983 tauchte allerdings auch der Begriff ‚Schmuddelpunks’ auf, die nicht viel von Sauberkeit hielten, sich aber immer mehr etablierten.[11] Neben den selbstverzierten T-Shirts, waren Lederjacken, Jeans und Arbeitsschuhen hoch im Kurs, auch Anzüge mit Hosenträgern waren nicht wegzudenken. Sehr beliebte Accessoires waren Ketten, Sicherheitsnadeln, Verschlüsse von Dosen, Armbinden und Buttons, meist mit politischen Parolenversehen, ähnlich denen der T-Shirts.[12] Die Kleidung sollte möglichst demoliert und zerrissen aussehen, um sich von der allgemeinen Norm abzuheben.[13] Nach und nach wurde auch auf eine gewisse Uniform geachtet, die je nach Gruppierung und Wohnort variierte und den großen Zusammenhalt zwischen den Punkern deutlich machen sollte.[14] Die Haarpracht wurde zunächst schlicht, mit kurzen, strubbeligen Haaren gehalten, doch durch Zunahme der Punkszenen-Anhängerschaft, begannen die Mitglieder dieser, sich mehr Mühe zu geben, wodurch beispielsweise der bekannte Irokesenschnitt in Mode kam. Diesen konnten aber nur Freunde rasieren und nicht etwa der Friseur von nebenan, da dieser möglicherweise Konsequenzen vom Staat und deren Organe zu befürchten hätte.[15][16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Irokesen-Haarschnitt eines DDR Punks

Die Färbung der Haare wurde mit Stoff- und Batikfarben, aber auch mit Fußpilzmittel, bewerkstelligt, da Farben wie rot, grün und blau in der DDR nur schwer auftreibbar waren. Kreativität war allgemein sehr von Nöten, denn der Staat hatte kein Interesse, Utensilien und Hilfsmittel für beispielsweise die Fixierung von Haaren in den Handel zu bringen. Daher wurden Produkte, wie Zuckerwasser, aber auch Haarlack verwendet.[17] Auch eine gewisse Maskierung und Körperbemalung war oft zu sehen, besonders im Gesicht, in Form von umrandeten Augen und schwarzen Lippen. Diese waren selbst bei männlichen Punks beliebt.[18]

2.3 Die Musik

DDR-Punks äußerten ihre Ablehnung gegen Staat und dazugehöriger Gesellschaft nicht nur durch ihr Erscheinungsbild und die allgemeine Verweigerungshaltung, sondern vor allem durch ihre Musik und deren kritischen Liedtexte. Die ständige Schikane der SED-Regierung und das Unverständnis der Bevölkerung waren vor allem „Nährboden“ für die aufkommenden Bands wie zum Beispiel: „Wutanfall“, „Müllstation“ oder „Schleim-Keim“. Die Botschaften waren meist politisch gehalten und wurden oft in direkten und ungeschönten Texten geäußert, auch wenn die Bands gewisse Gegenmaßnahmen fürchten mussten, was jedoch gesondert behandelt wird.[19] Viele dieser Texte sprechen von dem Verlangen nach individueller Freiheit, beispielsweise das Lied „Ohne Sinn“ der Leipziger Punkband L'Attentat:

„aber ich will mich nicht befehlen lassen

weil ich doch ein Mensch bin

ich will nicht schuften für die trüben Tassen

die dumme Reden halten ohne Sinn

ich bin alt genug allein zu gehn

ich will die ganze scheisse nicht mehr sehn

wie ihr meine Zukunft raubt

und für das kämpft an das ihr selbst nicht mehr glaubt“[20]

Weitere Themen sind unter Anderem der Konflikt mit der DDR Regierung. So wird in dem ironischen Lied „Artig“ der DDR-Punk Band „Feeling B“ gesungen:

„Wir woll‘n immer artig sein, denn nur so hat man uns gerne.“[21]

Aber auch typische Jugendthemen, die weltweit aufgegriffen werden, wie Sexualität, kommen nicht zu kurz, auch wenn besagte Themen meist sehr drastisch formuliert sind. So wie folgendes Zitat aus dem Lied „Ach Mathilde“ von der DDR-Punk Band „Schleim-Keim“:

„Ach Mathilde , ach Mathilde, mach doch deine Beine breit!
Ach Mathilde, ach Mathilde, ja es ist so weit.
Er ist so hart wie Stein - komm Mathilde lass mich rein,
Eeeeeeer! - Ist so hart wie Stein!.“[22]

Wer in der DDR Musik öffentlich zur Schau stellen wollte, benötigte eine Erlaubnis die an gewisse Bedingungen verknüpft war. Die dafür zuständigen Kultur-Partei-Funktionäre gaben vor dass 60% des Programms aus Musiktiteln von DDR-Komponisten bestehen müssen. Die Rest durfte zwar aus der Zeit vor 1949, dem Gründungsjahr der DDR, oder aus dem Westen stammen. Letztere aber nur unter der Bedingung, dass diese durch DDR Verlage publiziert wurden.[23] Da ein Regelbruch bei den Punks zur Tagesordnung zählte, setzten Sie sich regelmäßig über die Vorschriften hinweg und lebten mit dem ständigen Risiko, ein Auftrittsverbot für die ohnehin illegale Punkmusik einzufangen.

Doch einen Vorteil hatten die Punkbands im Gegensatz zu den früheren Beat- und Rockbands. Ihnen stand die Kassette als Medium zur Verfügung, die es ihnen ermöglichte, unabhängig Aufnahmen zu vervielfältigen, ohne staatlicher Aufsicht. Finanziell waren die Kosten für Kassettenrecorder oder Kassetten für DDR Verhältnisse ziemlich hoch, doch dies stellte damals kein Hindernis dar, denn das Kopier- und Distributionsmonopol des Staates konnte somit durchbrochen werden.[24]

[...]


[1] http://library.fes.de/gmh/main/pdf-files/gmh/1968/1968-01-a-027.pdf (am 30.10.2013)

[2] T., Großbölting, Friedensstaat, Leseland, Sportnation? DDR-Legenden auf dem Prüfstand, (Berlin, 2009), S. 84f.

[3] http://www.politikundunterricht.de/2_03/baustein_d.htm (am 30.10.2013)

[4] Vitamin A, zitiert in: http://www.mdr.de/sachsenspiegel/artikel93946_dosArt-artikel93972_zc-2d3541bb_zs-c5332a56.html (am 08.11.2013)

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Punk (am 14.09.2013)

[6] http://ddrsubkulturen.homepage24.de/Subkulturen (am 30.10.2013)

[7] Müllstation, zitiert in: http://jedermenschistzuviel.stabo.org/texte.php?show=2&what=3879 (am 09.11.2013)

[8] Schleime, Cornelia, ehemalige DDR-Punkerin, zitiert in: M., Boehlke, C., Fiebeler, OSTPUNK - Too Much Future, Egoli Tossell Film (Deutschland, 2006)

[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Punk_in_der_DDR (am 14.09.2013)

[10] M., Horschig, "In der DDR hat es nie Punks gegeben.", in Wir wollen immer artig sein ...: Punk, New Wave, HipHop, Independent-Szene in der DDR von 1980 bis 1990, hrsg. R., Galenza, und H., Havemeister, (Berlin, 1999), S. 10–22.

[11] Horschig, In der DDR hat es nie Punks gegeben, S. 10–22.

[12] http://de.wikipedia.org/wiki/Punk_in_der_DDR (am 14.09.2013)

[13] http://www.ndr.de/geschichte/grenzenlos/gehen/ddrpunkallgemein100.html (am 14.09.2013)

[14] Horschig, In der DDR hat es nie Punks gegeben, S. 24 ff.

[15] http://www.ndr.de/geschichte/grenzenlos/gehen/ddrpunkallgemein100.html (am 14.09.2013)

[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Punk_in_der_DDR (am 14.09.2013)

[17] M., Westhusen, “Tanz aus der Reihe! Die Dekade der Negative – Dekadenz stolpern aus Grau“ in Von Müllstation und Größenwahn. Punk in der Halleschen Provinz, hrsg. Westhusen, M., Lindner, B., (Halle, 2007), S. 62.

[18] Horschig, In der DDR hat es nie Punks gegeben, S. 10–22

[19] http://www.sterneck.net/musik/ddr-gegenkultur (am 10.11.2013)

[20] L’Attentat, zitiert in: http://jedermenschistzuviel.stabo.org/texte.php?show=2&what=3879 (am 09.11.2013)

[21] Feeling B, zitiert in: http://www.ostmusik.de/artig.htm (am 09.11.2013)

[22] Schleim-Keim, zitiert in: http://schleim-keim.beepworld.de/sk_lyrics.htm (am 09.11.2013)

[23] http://www.underdogfanzine.de/punk-in-dresdenparanoia/ (am 10.11.2013)

[24] http://www.sterneck.net/musik/ddr-gegenkultur/ (am 10.11.2013)

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
DDR Punker. Gefahr für Bürger und Staat?
Untertitel
Analyse einer Jugendkultur ihres Selbstverständnisses und ihrer Musik
Note
1,66
Autor
Jahr
2013
Seiten
28
Katalognummer
V268188
ISBN (eBook)
9783656594659
ISBN (Buch)
9783656594635
Dateigröße
1033 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
DDR, Punk, Ostpunk, geschichte, DDR-Punk, Subkultur, subkulturen
Arbeit zitieren
Alexander Thurm (Autor:in), 2013, DDR Punker. Gefahr für Bürger und Staat?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268188

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