Am Anfang war das Tier. Zur Rolle der Tiere im christlichen Wandel


Hausarbeit, 2012

18 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Schöpfungslehre des Alten Testaments:

Was die biblischen Schöpfungstexte meinen und was nicht

Vorbild einer Wertschätzung unserer Mitgeschöpfe:

Franz von Assisi

Zur Bedeutung der Tiere für den Menschen

Homo interplanetaris praedator

- Zur Denkweise des Menschen der Neuzeit

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Diese Hausarbeit möchte sich in Auseinandersetzung mit den Schöpfungserzählungen aus dem Buch Genesis mit der Frage nach der Rolle der Tiere im christlichen Denken auseinandersetzen. Die christliche Welt wurde von diesen Erzählungen im Laufe der Zeit geprägt. Der Mensch ist Gast auf Erden, aber er ist nicht das einzige Geschöpf, das sich der Liebe Gottes verdankt. Mit ihm leben die Tiere und Pflanzen. Dieses Mit-Einander ist immer mehr verloren gegangen, bis hin zu einer Entfremdung. Ziel dieser Hausarbeit ist es daher, das notwendige Mit -Einander hervorzuheben und der Entfremdung entgegenzuwirken. Dazu soll der Schöpfungsauftrag herausgestellt und die individuelle Bedeutung aufgezeigt werden. Die Hausarbeit klärt daher zunächst die Frage, wie die Schöpfungstexte zu verstehen sind, d.h. welche Rolle Mensch und Tier im Schöpfungsverständnis spielen. Ohne diese Grundlage kann es zu keinem Wissen über unseren Schöpfer kommen, bzw. es würde zu einem fatalen Irrtum kommen, den es unbedingt zu vermeiden gilt. Bevor die Hausarbeit auf die Bedeutung der Tiere für den Menschen eingeht, wird der Leser durch die Geschichte des Heiligen Franz von Assisi angeregt, über Gottes wunderbare Schöpfung in besonderer Weise nachzudenken. Zwei ausgewählte Bibelstellen sollen anschließend den Blick für die Bedeutung der Tiere verstärken. Die Ansicht des modernen Menschen schließt den geschlagenen Bogen von der Zeit der Bibel bis ins Heute.

Die Motivation, mich näher mit diesem Thema zu beschäftigen, hat sich durch mehrere Aspekte ergeben. Im Rahmen des Seminares haben wir erwähnt, dass die Tiere in der Bibel eine große Rolle spielen und daher für die Menschen von großer Wichtigkeit waren. Aus diesem Wissen ergibt sich die Frage, wie es sein kann, dass die Tiere heute -im Gegensatz zur Zeit der Bibel- viel weniger Teil des menschlichen Lebens sind. In meinem Leben haben Tiere immer einen wichtigen Platz eingenommen und das hat sich bis heute nicht geändert: als Haustiere sind sie für mich da und ohne sie ergibt sich eine Lücke, die sich nicht so leicht schließen lässt. Einen weiteren Impuls lieferte die im Seminar gezeigte Filmsequenz von We feed the world. Bislang hatte ich mir noch kein Bild über das Leben eines Tieres aus Massentierhaltung gemacht. Durch den Film hat sich ein schreckliches Bild von Skrupellosigkeit und Größenwahn festgesetzt. Aus diesen Gründen habe ich mich dazu entschlossen, mich näher mit dem Thema der Rolle des Tieres im christlichen Wandel auseinanderzusetzen.

Die Schöpfungslehre des Alten Testaments:

Was die biblischen Schöpfungstexte meinen und was nicht

Im europäischen Weltbild scheint die Abgrenzung zum Tier eindeutig zu sein, der Mensch genießt eine den Tieren gegenüber herausgehobene Stellung. Doch wie konnte es dazu kommen? Woher nimmt der Mensch die Legitimation für die Gleichgültigkeit seinen Mitgeschöpfen gegenüber? Religiös haben diese Fragen eine sehr große Bedeutung bei der Diskussion über die Rolle der Tiere und das Handeln der Menschen. Wenn sich der Mensch als die „Krone der Schöpfung“[1] versteht, dann enthält dieses Bild eine bestimmte Überzeugung, die nicht nur persönliche Gültigkeit hat. Das Bild des Menschen als Nonplusultra, als Abbild Gottes, wird u.a. aus der (religiösen) Erziehung und der persönlichen Lebenserfahrung gewonnen und ebenso weiter tradiert -mit einer unhinterfragten Validität. Es kommt zu grundlegenden Annahmen über die Tiere, die sich in der gesamten Bevölkerung wiederspiegeln. Diese Mythen der Schöpfung finden sich in fast allen Gesellschaften und weisen auf ein egoistisches Selbstverständnis der Menschen hin. Bei der Bezeichnung „Abbild“ darf es nicht zu einem Missverständnis kommen, das den Menschen zu sehr als Gott-gleich betrachten würde. Die Ähnlichkeit mit Gott bedeutet „sowohl Nähe als auch Abstand“[2]. An dieser Stelle ist ein genauer Blick auf die Schöpfungserzählungen notwendig, um zu überprüfen, ob der Mensch eine Sonderstellung einnimmt und um zu verstehen, wie sich der Mensch zu Tieren und anderen Mitgeschöpfen verhalten soll. Dass es zwei Erzählungen über die Entstehungsgeschichte gibt, mag zunächst verwirren, zumal einige Spannungen auffallen. Bedeutend sind jedoch nicht die zwei Darstellungen, sondern die eine gemeinsame Botschaft.[3] So lässt sich, hierauf verweist Georg Fischer, Gen 2,4-25 als Bestätigung von Gen 1,1-2,3 verstehen.[4] Wenn Gen erzählt, dass der Mensch von Gott erschaffen wurde „nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes“ (Gen 1,27), so verleitet dies schnell dazu, den Menschen als Geschöpf zu betrachten, dem eine Sonderstellung gebührt, welche ihn als wertvoller und bedeutender als die Tiere erscheinen lässt. Dabei ist die Abbild-Gottes-Bezeichnung als Metapher zu verstehen: der Abbild-Charakter bezieht sich nicht auf das Äußere des Menschen, sondern darauf, dass der Mensch Repräsentant Gottes auf Erden ist.[5] In dieser Hinsicht ist die „Sonderstellung“ des Menschen zu verstehen. Die stilistischen Mittel in Gen heben ihn über das bisher Geschaffene hinaus. Ein Beleg[6] dafür ist die mitgeteilte Absicht Gottes „(u)nd Gott sprach: Lasst uns Menschen machen“ (Gen 1, 26), weiterhin die erkennbare Steigerung von „gut“ (V.10, 12, 18, 21, 25) zu „es war sehr gut“ (Gen 1,31), sowie die ausführliche Beschreibung über das Erschaffen des Menschen. Neben diesen Belegen lassen sich für die Überlegenheit des Menschen über die Tiere die Anrede Gottes aufführen, wodurch Gott den Menschen zu seinem Zuhörer und Gesprächspartner[7] bestimmt. Ein weiterer Hinweis auf die Sonderstellung findet sich in der Namensgebung[8] „Und der Mensch gab Namen allem Vieh und den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes“ (Gen 2, 20). Die Namensgebung sollte im Kontext des Kennenlernens, des “Sich-Vertrautmachen(s) mit dem Tier“[9] betrachtet werden. Dieses bildet die Basis für ein dem Tier gegenüber angemessenes menschliches Verhalten.[10]

Der Mensch unterscheidet sich von anderen Lebewesen, denn er ist Person und verfügt über einen Verstand, der es ihm ermöglicht sich für die Liebe zu entscheiden.[11] Diesen soll er dazu nutzen, sich für Tierliebe zu entscheiden, denn Gott erschuf sowohl Mensch als auch Tier aus Liebe. „Der Mensch soll in den Geschöpfen den Schöpfer ehren und achtsam und verlässlich mit ihnen umgehen.“[12] Gen bietet ihm keine Grundlage, die ihm erlaubt über die Tiere zu herrschen, indem er sie quält oder nicht artgerecht hält. Ein solches Handeln widerspricht dem Schöpfungsauftrag. „(U)nd macht sie euch untertan; und herrscht (…) über alle Tiere, die sich auf der Erde regen!“ (Gen 1,28). Die Bibel verleiht dem Menschen also keinen Anspruch, sich über die Tiere und Pflanzen zu erhöhen. Der scheinbare Herrschaftsanspruch ist viel mehr als Fürsorgeauftrag anzusehen. Das Wort „herrschen“ meint herrschen im Namen Gottes[13] und die Herrschaft Gottes ist eine der Verantwortungsübernahme, der friedlichen Fürsorge. Dem Menschen soll es um den Fortbestand der göttlichen Schöpfung gehen. Daher kann der Mensch angesichts dieses Auftrages auch als „Stellvertreter des unsichtbaren Gottes“[14] oder als „Hirte und Hüter“[15] angesehen werden. Gott setzt sein Vertrauen in uns Menschen. Er hat uns Freiheit geschenkt, diese gilt es durch die Erfüllung des Schöpfungsauftrages zu würdigen. Anzumerken ist ferner die Universalität des Herrschaftsauftrages, die nicht mit einer individuellen Herrschaft verwechselt werden darf. „Adam“ meint die gesamte Menschheit und nicht Einzelne.[16]

Unheil über die Mitgeschöpfe anzurichten oder Blut zu vergießen kann nicht in Gottes Interesse gewesen sein, als er den Menschen geschaffen hat. Es wäre ein Widerspruch gegenüber der Würde der Schöpfung.[17] Der Schöpfer wünscht sich Lob und Dank über die wundervolle Schöpfung. Dazu hat Gott den Menschen geschaffen, dieser soll selig werden. Ein seliger Mensch erkennt Gottes Liebe und tritt mit ihm in Beziehung. Die uns geschenkte Freiheit bedeutet zugleich Gottes Respekt über unsere Entscheidungen, er will die gewünschte Liebe nicht erzwingen. Es liegt an jedem Menschen selbst, ob er bereit ist, den Auftrag Gottes zu erfüllen und „für den Schutz der Schöpfung und die Erhaltung ihrer natürlichen Ressourcen einzutreten“[18]. Gott legt es den Menschen nur nahe, vertraut es ihnen an. Es bleibt eine Art „Angebot“. Leider ist der Mensch nicht immer dazu bereit, die ihm anvertraute Verantwortung zu tragen. Tierquälerei, Massentierhaltung, überhöhter Fleischkonsum, Tierexperimente, Waldrodung und Lederwarenhandel sind nur einige der Verfehlungen im Handeln des Menschen, die ihrem Schöpfungsauftrag widersprechen. Sie führen die traurige Gewissheit vor Augen wie wenig die moderne Industriegesellschaft an ihr Mit-Geschöpf-Sein denkt und sich von Macht und finanziellen Interessen leiten lässt. Der Mensch wird mehr und mehr zum „Unheil-Stifter in der Welt“[19], der die uns von Gott geschenkte Freiheit missbraucht und sich zum Herrscher über die Geschöpfe aufspielt. In Anbetracht dieser erschreckenden Tatsache soll verstärkt verdeutlicht werden, dass der Mensch nicht die „Krone der Schöpfung“[20] ist. Alleine durch die Reihenfolge der Schöpfung „relativiert sich die Position des Menschen“[21], denn bevor Gott den Menschen erschuf, schenkte er den Landtieren ihr Leben (vgl. Gen 1,24f.). Weiterhin gilt es zu erwähnen, dass Gott den Menschen nicht allein an einem Tag erschuf und dass er ihm keinen für ihn eigenen Lebensraum zur Verfügung stellte.[22] Die Tiere dürfen nicht als ein Nebenprodukt der Schöpfung betrachtet werden, die eine Art Vorgeschmack auf den Menschen bieten.[23] „Denn eben dadurch, dass Gott den Menschen als Herrscher über die Tiere einsetzte, wird ihnen ja eine gewisse Bedeutung zugesprochen.“[24] Auf diese Bedeutung geht die Hausarbeit an späterer Stelle ein.

[...]


[1] Fischer, Georg: „nach unserem Bild und unserer Ähnlichkeit“ (Gen 1,26). Die provokante Aussage von der Erschaffung des Menschen im Horizont von Altem Testament und Altem Orient. In: Topologien des Menschlichen. Der Mensch – ein Abbild Gottes? Geschöpf – Krone der Schöpfung. Darmstadt: WBG, 2010. S. 161. [Im Folgenden zitiert als Fischer.]

[2] Ebd. S. 163.

[3] Vgl. ebd. S. 167.

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. Kuschel, Karl-Josef: „Der Mensch- Abbild oder Statthalter Gottes? Konsequenzen für Juden, Christen und Muslime. In: Schmidinger, Heinrich/Sedmak, Clemens (Hg.): Topologien des Menschlichen. Der Mensch – ein Abbild Gottes? Geschöpf- Krone der Schöpfung. Darmstadt: WBG, 2010. S. 47. [Im Folgenden zitiert als Kuschel.]

[6] Vgl. Fischer. S. 161.

[7] Vgl. ebd. S. 166.

[8] Vgl. ebd. S. 168.

[9] Hagencord, Rainer: Diesseits von Eden. Verhaltensbiologische und theologische Argumente für eine neue Sicht der Tiere. Mit einem Geleitwort von Jane Goodall. Regensburg: Pustet, 2005. S. 77.

[10] Vgl. ebd.

[11] Vgl. Österreichische Bischofskonferenz mit Zustimmung der Deutschen Bischofskonferenz und der Schweizer Bischofskonferenz (Hg.): Youcat Deutsch. Jugendkatechismus der katholischen Kirche. Mit einem Vorwort von Papst Benedict XVI. München: Pattloch, 2010. S. 44. [Im Folgenden zitiert als ÖBK.]

[12] Ebd.

[13] Kuschel. S. 48.

[14] Kuschel. S. 48.

[15] ÖBK. S. 236.

[16] Vgl. Kuschel. S. 48.

[17] Vgl. ÖBK. S. 45.

[18] Ebd. S. 232.

[19] Kuschel. S. 51.

[20] Fischer. S. 161.

[21] Ebd.

[22] Vgl. Fischer. S. 161.

[23] Vgl. Hendricks, Alfred (Hg.): Tiere der Bibel. LWL-Museum für Naturkunde. Westfälisches Landesmuseum mit Planetarium. Steinfurt: Druckhaus Tecklenborg,2010. S. 22. [Im Folgenden zitiert als Hendricks.]

[24] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Am Anfang war das Tier. Zur Rolle der Tiere im christlichen Wandel
Hochschule
Universität Münster  (Seminar für philosophische Grundfragen der Theologie)
Veranstaltung
Argumente für eine Antropologie mit dem Gesicht zum Tier. Theologische, philosophische und verhaltensbiologische Zugänge zu Mensch und Tier.
Note
2,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V268173
ISBN (eBook)
9783656585466
ISBN (Buch)
9783656585442
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anfang, tier, rolle, tiere, wandel
Arbeit zitieren
Anja Reckenfeld (Autor:in), 2012, Am Anfang war das Tier. Zur Rolle der Tiere im christlichen Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268173

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