Zocken bis der Arzt kommt - Ursachen und Symptome der Computerspielsucht


Fachbuch, 2014

245 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Stephan Happel: Hinunter in den Kaninchenbau – aber nicht wieder hinauf! – Warum Computerrollenspiele in ihren Bann ziehen
Einleitung
Der Spaß am Spiel, der Zwang zu spielen
Gefangen im Wunderland der Computerrollenspiele
Schluss
Literaturverzeichnis

Patrick Hentschke: Wenn Computerspiele zur Sucht werden – Der Wandel von Sozialbeziehungen bei nicht-stoffgebundener Abhängigkeit
Vorwort
Geschichte und Funktion des Spielens und die Stellung von Computerspielen in der heutigen Gesellschaft
Motivationshintergrund des Computerspielens und die Entwicklungsdynamik medienabhängigen Verhaltens
Wirkungsweise, Charakteristika und Verbreitung relevanter Computerspiele
Auswirkungen exzessiven Computerspielens: Neue Formen der Gemeinschaft und ihre gesellschaftlichen und gesundheitlichen Folgen
Fazit und Ausblick auf Interventionsmöglichkeiten
Literatur- und Bildquellenverzeichnis

Kristina Striegl: Subjektive Theorien von Computerspielern über Computerspiele und Computerspielsucht am Beispiel des MMORPG World of Warcraft
Zielstellung der Arbeit
Festlegung des theoretischen Begriffsrahmens
Studien zum Forschungsgegenstand Computerspielsucht
Forschungsmethodisches Design
Auswertung und Darstellung der zentralen Ergebnisse
Interpretation der Ergebnisse und Konsequenzen
Literaturverzeichnis
Anhang

Lena Worobiewa: Die Wirkung von Computerspielen – Ein Überblick aktueller Forschung
Einleitung
Faszination Computerspiele
Wirkung von Computerspielen
Prävention
Fazit
Literaturverzeichnis

Einzelbände

Stephan Happel: Hinunter in den Kaninchenbau – aber nicht wieder hinauf! – Warum Computerrollenspiele in ihren Bann ziehen

Einleitung

Nach wie vor stehen Computerspiele unter kritischer Beobachtung durch die Öffentlichkeit. Neben der scheinbar allgegenwärtigen Diskussion um Gewaltspiele sind es vor allem die Themen Sucht und Abhängigkeit, die im Mittelpunkt des Interesses stehen. Regelmäßig laufen Berichte von isolierten und vereinsamten Computerspielern über den Fernsehschirm und ebenso häufig erscheinen Interviews mit Aussteigern aus der Spieleszene in der Presse. Oft sind es (Online-) Rollenspieler die erklären, wie sehr das Spiel ihr Leben beherrscht und andere Interessen verdrängt hat.

Die nachfolgende Arbeit soll jene Mechanismen und Elemente in Computer-rollenspielen untersuchen, die den Spieler in den Bann schlagen und nicht mehr loslassen. Die persönlichen Hintergründe der Spieler, die immer einen Teil zum übertriebenen Konsum beitragen, sollen dabei soweit möglich außen vor gelassen werden. Ziel der Arbeit sind eine Analyse und Beschreibung der suchtfördernden Elemente im Spiel selbst.

Zur Verdeutlichung verschiedener Mechanismen wird in der Arbeit zwischen den Rollenspielen für Einzelspieler und den Onlinerollenspielen unterschieden. Beide Genres ähneln sich zwar in Aufbau und Struktur, setzen aber unterschiedliche Aspekte bei der Intensität mancher Elemente.

Der Spaß am Spiel, der Zwang zu spielen

Macht und Kontrolle sind die Grundpfeiler, auf die sich das Interesse an Computerspielen stützt. Im Computerspiel misst sich der Spieler mit seinem (virtuellen) Gegenüber und erprobt seine eigene Macht und seine Fähigkeiten, das Spielgeschehen zu kontrollieren.[1]

„Das zentrale motivationale Element des Computerspiels ist [dabei] der Wunsch der Spieler, Erfolg zu haben.“[2]

Ob Flugzeugsimulation, Autorennen oder Rollenspiel, nach diesem Grund-prinzip funktionieren alle Arten von Computerspielen. Erzielte Erfolge können positive Auswirkungen haben. Für die Spieler sind Computerspiele nämlich nicht nur Zeitvertreib, sondern sie dienen auch „zur Selbstmedikation gegen Misserfolgsängste, mangelnde Lebenszuversicht und gegen das Gefühl ihr eigenes Leben nicht beherrschen und kontrollieren zu können.“[3]

Bei manchen Spielern nimmt das Computerspiel jedoch einen zu großen Raum ein und droht alle anderen Aktivitäten zu verdrängen. So ermittelte Olgierd Cypra in einer Internetbefragung mit 11.400 Teilnehmern, dass rund fünf Prozent aller Onlinerollenspieler mehr als 60 Stunden pro Woche im Spiel verbringen. Immerhin 30 Prozent spielen zwischen 30 und 59 Stunden.[4]

Längere Spielesitzungen sorgen jedoch unweigerlich dafür, dass andere Lebensbereiche zu kurz kommen. Verluste von Freundschaften und Probleme am Arbeitsplatz sind die unausweichlichen Folgen einer zeitaufwendigen Nutzung. Dieses deviante Nutzungsverhalten kann im weiteren Verlauf in psychische und physische Abhängigkeit übergehen, also zur regelrechten Sucht werden.[5] Immerhin 11,9 Prozent der Computerspieler weisen nach einer Untersuchung der interdisziplinären Suchtforschungsgruppe Berlin ein suchtähnliches Verhalten auf. Bei Onlinerollenspielern liegt die Zahl höher, aber noch unter 20 Prozent.[6]

Teils sind es persönliche oder soziale Missstände und Ängste, die Jugendliche, aber auch Erwachsene dazu verleiten, sich in die virtuellen Welten zu flüchten. Häufig sind es aber auch Langeweile und das Verlangen nach Erfolgs-erlebnissen.[7] Doch in Computerspielen, besonders auch in (Online-) Rollen-spielen, sind Mechanismen integriert, die den Spieler lange an das Produkt binden sollen und so eine mögliche Sogwirkung des Spiels begünstigen.

Gefangen im Wunderland der Computerrollenspiele

Diese suchtfördernden Mechanismen sollen im Folgenden analysiert und beschrieben werden.

Computerrollenspiele für Einzelspieler

Baldur’s Gate, Neverwinter Nights, Final Fantasy, Gothic, The Elder Scrolls, Knights of the Old Republic, Das dritte Zeitalter oder The Witcher. Die Zahl der Computerrollenspiele ist groß und die begonnene Liste ließe sich noch weiterführen. So zahlreich wie die Genrevertreter, so unterschiedlich sind die Welten, in denen sie spielen. Von der mittelalterlichen Burgenlandschaft über apokalyptische Zukunftsvisionen bis zum lizenzierten Filmuniversum eines Herrn der Ringe ist jede denkbare fantastische Form vertreten. Eines aber haben die unterschiedlichen Welten alle gemeinsam: Sie stecken den Spieler in die Rolle eines Helden und entführen ihn in eine Welt, die mit der Realität nur wenig gemeinsam hat. In diesem fremden Universum muss der Spieler eine Reihe von Aufgaben lösen, Monster besiegen, Freundschaften schließen und Intrigen aufdecken.[8]

Dass es eine große Zahl an Spielern gibt, die viel Zeit in dieser virtuellen Abenteuerumgebung verbringen, hat unterschiedliche Gründe:

Zunächst sind Rollenspiele ein Genre, das sehr stark von der Narration lebt. Die Geschichten werden auf unterschiedlichste Weise erzählt, sind jedoch im Vergleich zu anderen Computerspielgenres (z.B. Action- oder Sportspielen) häufig detailliert ausgearbeitet und professionell gestaltet. Die fortschreitende Technik ermöglicht es zudem, die fantastischen Welten mit Ton und Bild glaubhaft und lebensecht zu vermitteln. Zwischensequenzen mit Motiven und Schnitten aus dem Filmbereich leisten ihr Übriges, um den Spieler in den Bann des Spiels zu ziehen.

Besonders im Bereich der Mittelalterspiele stehen häufig Magie und Okkultes im Mittelpunkt. Diese Konzentration auf das Mystische verdeutlicht nicht nur den Bruch zur realen Welt, sondern greift auch Elemente auf, die Menschen seit Jahrhunderten faszinieren.[9]

Die Geschichte eines Rollenspiels entwickelt sich aber nicht gleich eines Films, sondern kann aktiv beeinflusst werden. Diese Interaktivität ist es, die den Spieler so begeistert. Die Geschichte eines Rollenspiels verläuft meist in einer Mischform aus Baumstruktur und Multilinearstruktur.[10] Das bedeutet, die Kernhandlung folgt einem vorgegebenen Verlauf, der Spieler wird aber immer wieder vor Entscheidungen gestellt, in denen er sich zwischen zwei Wegen entscheiden muss. Abseits dieses Hauptpfades kann der Spieler frei durch teils riesige Welten streifen, in denen er auf Nebenaufgaben trifft. Diese kann er nach seinen eigenen Vorlieben erledigen oder ganz außer Acht lassen. Das gleichzeitig vordefinierte und freie Erleben des Spiels erhöht nicht nur den Wiederspielwert, sondern bindet den Spieler noch stärker an die Geschehnisse auf dem Bildschirm, da scheinbar das Schicksal eines ganzen virtuellen Reiches in seiner Hand liegt.

Die Möglichkeit, aktiv in den Verlauf der Geschichte einzugreifen, führt zu einer engen Bindung des Spielers an die Handlung und sein virtuelles Ebenbild, den Avatar. Vertieft wird diese Spieler-Avatar-Bindung durch ein Fertigkeiten- und Punktesystem. Der Spieler kann in der Regel Attribute seines Helden, wie Stärke und Wissen, beeinflussen und seine Klassen wie Ritter und Magier festlegen. Die Fähigkeiten können immer dann ausgebaut werden, wenn der Held durch das Besiegen von Gegnern oder durch das Lösen von Aufgaben eine bestimmte Menge an Erfahrung gesammelt hat. Ständig ist der Spieler also auf der Suche nach neuen Herausforderungen, um seine Fähigkeiten aufzuwerten. Schließlich kann der Avatar häufig selbst äußerlich den Vorlieben des Spielers angepasst werden.

Ein Rollenspiel ermöglicht so eine wesentlich stärkere Identifikation mit dem Helden, als es in den meisten Sport-, Strategie- und Actionspielen möglich ist. Dennoch ist der Spieler nicht mit seinem Avatar gleichzusetzen. Bestimmte Verhaltensregeln und Charaktereigenschaften des Avatars werden immer durch das Spiel vorgegeben. Die Identifikation mit einem Avatar ist also nur eingeschränkt möglich.[11]

Als weiteren Mechanismus, der den Spieler bindet, enthalten Rollenspiele eine Vielzahl an sammelbaren Objekten. Gemeint sind damit Gegenstände, die der Held im Laufe seines Abenteuers aufsammeln kann, um sich besser für den Kampf zu rüsten oder sie zu verkaufen. Allein mit dem Suchen der Objekte können Stunden verbracht werden, ohne in der Spielgeschichte voranzukommen und sich dem eigentlichen Ziel zu nähern. Belohnt wird dieser Einsatz dann mit besonders mächtigen Waffen, Gold oder Zaubersprüchen.

Besonders die Kombination aus dem Punktesystem und der stetig fortschreitenden Geschichte garantieren dem Spieler jene Erfolgserlebnisse, die er sich von einem Computerspiel verspricht.

Rollenspiele im Einzelspielermodus verfügen aber auch über suchtmindernde Elemente. Ein Spiel lässt sich jederzeit oder zumindest regelmäßig speichern. Der Spieler kann seine Abenteuerreise also pausieren und später an der gleichen Stelle fortsetzten, ohne etwas zu verpassen. Endlose Sitzungen vor dem PC sind nicht notwendig um das Spiel voll auszukosten. Weiterhin sind die Spiele endlich. Selbst wenn einige Genrevertreter bis zu 100 Stunden Spielzeit erfordern, ist die Geschichte irgendwann erspielt und das Weiterspielen verliert an Reiz. Besonders dieser letzte Punkt ist es, der eine Sucht verhindert. Ein traditionelles Rollenspiel vermag zwar über Stunden zu fesseln, dauerhaft abhängig machen kann es jedoch nicht.[12]

Im Unterschied dazu sind die Onlinerollenspiele zu betrachten.

Onlinerollenspiele

Suchtfördernde Elemente

World of Warcraft. Auch Unkundigen dürfte der Name dieses Paradeonlinerollenspiels ein Begriff sein. Zehn Millionen Spieler bevölkern nach Angaben des Herstellers Blizzard die mittelalterliche Fantasy-Welt „Azeroth“.[13] Doch auch abseits von WoW, so die Kurzform, gibt es mit Everquest, Final Fantasy XI und weiteren Genrevertretern zahlreiche unterschiedliche Formen des Onlinerollenspiels.[14]

Sie alle verbindet die Eigenschaft, den Spieler in eine riesige Fantasy-Welt zu schicken, die nicht nur von virtuellen, sondern auch von tausenden realen Personen bevölkert wird. Aktuelle Onlinerollenspiele werden daher auch Massively Multiplayer Online Role-Playing Game (kurz: MMORPGs) genannt.

Wie schon bei den Rollenspielen für Einzelspieler ist das Geschehen in eine Rahmenhandlung eingebettet. Im Vergleich zu dem Einzelspielermodus tritt die Geschichte jedoch in den Hintergrund und dafür der Aspekt der spielerischen Freiheit in den Vordergrund.[15] Die Reihenfolge der zu erledigenden Aufgaben, die Reisewege, selbst seine Begleiter kann der Spieler selbst auswählen. Das Spiel verläuft vollständig in Multilinearstrukturen.[16] Lediglich ein Ziel gibt das Spiel indirekt vor: Finde deinen eigenen Platz in dieser Rollenspielwelt!

Je nach Spiel und Vorliebe schlüpft der Spieler in die Rolle eines Kriegers, Magiers, Scharfschützens oder Jedi-Ritters. Die Möglichkeit Berufe wie Bäcker oder Barde zu erlernen, ergänzt die Freiheit sich als Spieler zu entfalten, beschließt sie aber noch nicht. Die endgültige Individualisierung des Avatars findet, wie im Einzelspielermodus durch ein Fertigkeiten- und Punktesystem statt. Wieder sammelt der Spieler im Verlauf seiner Abenteuer Erfahrungspunkte und rüstetet damit seinen Charakter im Laufe der Zeit immer weiter auf. Da die Erfahrungen und Fertigkeiten nicht nur zum Bestehen des Abenteuers beitragen, sondern auch als Alleinstellungsmerkmal unter den andren menschlichen Helden fungieren, ist die Motivation, seine Fertigkeiten zu entwickeln doppelt so stark und ihre suchtfördernde Wirkung erhöht.[17]

Auch andere, aus dem Einzelspielerbereich bekannte, suchtfördernde Elemente treten in MMORPGs verstärkt zutage. Die Aufgaben, sogenannte Quests, die in der Spielwelt vergeben werden, bauen häufig direkt aufeinander auf. Beendet der Spieler einen Auftrag, erhält er bereits den nächsten, den er noch „auf die Schnelle“ erledigen soll. Allein das Erfüllen solcher Serienquests kann Stunden in Anspruch nehmen.[18]

Mit den neuen Aufträgen erhält der Spieler auch immer wieder neue, sammelbare Objekte, die seinen Charakter stärken und ihn von seinen Mitspielern unterscheiden. Trotz tausender Spieler trifft man selten auf zwei Figuren, die sich gleichen.

Die Kombination aus äußerer und innerer Entwicklung des Helden führt zu schnellen Erfolgserlebnissen und zwar in zweifachem Sinne. Zum einen helfen die Fertigkeiten, Objekte und Erfahrungen im Spiel selbst voranzukommen. Zum anderen heben diese Attribute sie von den übrigen Mitspielern ab. Sie unterscheiden die Spieler untereinander und verdeutlichen den Status im Sozialgefüge der virtuellen Welt. Ein erfahrener Krieger mit glänzender Rüstung und hoch zu Pferd genießt mehr Ansehen als ein Neueinsteiger im Lederhemd.

Schlussendlich beschäftigen einige in das Spiel integrierte Unterhaltungs-elemente, wie Wurfbuden oder Haustiere den Spieler auch dann, wenn er die Lust am eigentlichen Spielgeschehen verloren hat.[19]

Erklären lässt sich das verstärkte Auftreten von suchtfördernden Elementen im Onlinebereich durch die Profiterwartung der Hersteller. Im Gegensatz zu Einzelspielerrollenspielen, die einmalig bezahlt werden, haben sie kein Interesse daran, dass der Spieler ein Endziel erreicht und das Spiel beendet. Die Hersteller der Onlinerollenspiele verdienen an monatlichen Gebühren und zusätzlich zu erwerbenden Inhalten.[20]

Soziale Bindungen

Den suchtfördernden Spielelementen zum Trotz: Es sind vor allem die sozialen Komponenten, mit denen sich die lange Verweildauer der Spieler in den Onlinewelten erklären lässt. Die Spieler bevölkern die Welten natürlich nicht nebeneinander, sondern agieren miteinander. Die Begegnung mit menschlichen Mitstreitern ist es auch, die die Menschen so an Onlinerollenspielen fasziniert.

Die Arten von Spielerbegegnungen variieren dabei stark. Die Spieler können einander bekämpfen, Aufgaben gemeinsam lösen oder sich in festen Gemeinschaften, sogenannten Gilden, zusammenfinden. Immer zeigt sich der Spieler aber in der Rolle, in der er gerne erscheinen möchte. Ob starker Krieger oder Prostituierte, die Spieler haben die Möglichkeit sich selbst auszuprobieren.[21] Wie sehr der Avatar dabei dem realen Spieler ähnelt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich.[22]

Die Kommunikation über das Internet, das Chatten, verbirgt aber immer die wahre Identität des Schreibenden. Der Spieler kann ganz in der Rolle seines Avatars aufgehen, ohne sich selbst preisgeben zu müssen. Ängste und Probleme aus der Realität können so mühelos verborgen werden. Dies erleichtert das Kennenlernen anderer Spieler enorm.[23]

Aus zunächst losen Bekanntschaften können sich feste soziale Gefüge und virtuelle Freundschaft entwickeln. Häufig bleiben diese Freundschaften jedoch oberflächlich und rein auf das Spiel beschränkt. Reale Kontakte oder gar Liebschaften sind selten.[24]

Aus den völlig freien Gestaltungsmöglichkeiten der Spielfigur und der Chance, in jede beliebige Rolle zu schlüpfen, folgt, in Verbindung mit den neuen sozialen Kontakten, eine wesentlich stärkere Bindung an den Avatar, als im Einzelspielerbereich. Es kommt nicht nur zu einer eingeschränkten

Identifikation mit der Spielfigur, viel mehr erschafft sich jeder Spieler eine völlig neue, virtuelle Identität.[25] Dies kann bei labilen Personen sogar zu Identitätsstörungen führen, wenn Realität und Onlinewelt verschwimmen.[26]

Das Zusammenspiel von lebendiger Welt, sozialen Kontakten und neuer virtueller Identität wird erst recht problematisch wenn man bedenkt, dass die Onlinerollenspielwelt ständig in Bewegung ist.[27] Wer sich also aus der virtuellen Welt in die Realität zurückzieht verpasst etwas. Neue Mitspieler, größere Herausforderungen, Überfälle von feindlichen Parteien, auch bei Abwesenheit des Spielers steht die Welt nicht still. Da es kein fest definiertes Ziel des Spiels gibt, kann es auch niemals ein richtiges Ende finden, welches den Spieler aus seiner Aufgabe als Fantasyheld befreit. Einmal begonnen kann ein Onlinerollenspiel fast durchgehend und für eine lange Zeit gespielt werden, ohne dass Langeweile auftritt.

Schluss

Abschließend lässt sich sagen, dass sowohl in Einzelspieler-, als auch in Onlinerollenspielen Mechanismen integriert sind, die den Spieler an das Spiel binden und das Spielerlebnis verlängern. Spielerische Freiheit, sammelbare Objekte, gestaltbare Avatare und schnelle Erfolgserlebnisse vermögen in beiden Fällen zu fesseln.

Die Möglichkeit das Spiel zu pausieren, sowie eine überschaubare Spieldauer verhindern jedoch die Abhängigkeit von einem Einzelspielerrollenspiel. Zudem erfolgt dort die Identifikation mit dem Avatar nur eingeschränkt.

Die von Onlinerollenspielen ausgehende, Sogwirkung ist hingegen wesentlich stärker. Zum einen sind dort die suchtfördernden Elemente intensiver ausgeprägt, um den Spieler langfristig zu binden. Zum anderen ermöglichen die freien Gestaltungsmöglichkeiten in Verbindung mit sozialen Kontakten die Erschaffung einer zweiten Identität in der Welt des Spiels.

Allzu leicht kann ein Spieler nun aufgrund von Langeweile, Schwierigkeiten im Freundeskreis oder Stress in die Versuchung kommen, sich in seine virtuelle Welt zu flüchten, die scheinbar so viel mehr enthält als die Realität. In ihr ist er anerkannt, beliebt oder gar gefürchtet. Immer jedoch erlebt er spannende Abenteuer, an deren Ende stets eine Belohnung wartet.

Bei aller Kritik an den suchtfördernden Elementen sollte aber nicht vergessen werden, dass Rollenspiele für Einzelspieler wie auch Onlinerollenspiele zahlreiche positive Möglichkeiten in sich bergen. Kreativität und Kommu-nikationskompetenz sind nur einige Fähigkeiten, die durch Rollenspiele geschult werden können.[28] Es bedarf also einer angemessenen Auseinandersetzung mit dem Thema, um schon Jugendlichen, aber auch Erwachsenen den verantwortungsvollen Umgang mit dem völlig legitimen und lohnenswerten Hobby Computerrollenspiele nahezubringen.

Literaturverzeichnis

- Fritz, Jürgen: Computerspiele – logisch einfach, technisch verwirrend, sozial komplex. Was unter Computerspielen verstanden und wie mit ihnen umgegangen wird. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM.
- Fromme, Johannes: Zwischen Immersion und Distanz Lern- und Bildungspotenzial von Computerspielen. In: Winfred Kaminski / Martin Lorber (Hrsg.): Clash of Realities. Computerspiele und soziale Wirklichkeit. München 2006, S. 177 – 209.
- Fritz, Jürgen: Im Sog der Computerspiele. Vorurteile und Erkenntnisse über Vielspieler. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM.
- Fritz, Jürgen: Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele? Macht, Herrschaft und Kontrolle faszinieren und motivieren. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, S. 10 – 24.
- Höschen, Dirk: „In jedem steckt ein Held“ oder MMORPGs. In: Winfred Kaminski / Martin Lorber (Hrsg.): Clash of Realities. Computerspiele und soziale Wirklichkeit. München 2006, S. 133-145.
- Ibrahim, Shahieda: ig ist anders als RL. Spieler des MMORPGs „Ultima Online“ über das Leben im Spiel und außerhalb. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM.
- Kaminski, Winfred: Stoffe aus denen Computerspiele sind. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM.
- Schmitz, Tobias: Faszination Rollenspiel. In: Andreas Lober (Hrsg.): Virtuelle Welten werden real. Second Life, World of Warcraft & Co: Faszination, Gefahren, Business. Hannover 2007, S. 47-50.
- Schmitz, Tobias: MMORPGs heute und morgen: World of Warcraft forever?. In: Andreas Lober (Hrsg.): Virtuelle Welten werden real. Second Life, World of Warcraft & Co: Faszination, Gefahren, Business. Hannover 2007, S. 21 – 32.
- Schmitz, Tobias: „Soziale“ Welten. In: Andreas Lober (Hrsg.): Virtuelle Welten werden real. Second Life, World of Warcraft & Co: Faszination, Gefahren, Business. Hannover 2007, S. 51-62.
- te Wildt, Bert Theodor: Pathololigical Internet Use: Abhängigkeit, Realitätsflucht und Identitätsverlust im Cyberspace. In: Andreas Lober (Hrsg.): Virtuelle Welten werden real. Second Life, World of Warcraft & Co: Faszination, Gefahren, Business. Hannover 2007, S. 68-77.

Patrick Hentschke: Wenn Computerspiele zur Sucht werden – Der Wandel von Sozialbeziehungen bei nicht-stoffgebundener Abhängigkeit

Vorwort

„Das Menschenleben ist aus Ernst und Spiel zusammengesetzt, und der Weiseste und Glücklichste verdient nur derjenige genannt zu werden, der sich zwischen beiden im Gleichgewicht zu bewegen versteht.“

Johann Wolfgang von Goethe

In der gesamten Menschheitsgeschichte waren Spiele stets von großer Bedeutung, da sie den Menschen einen Rückzugsraum aus den Beanspruchungen des Alltags, einen Raum der Erholung und der kreativen Entfaltung boten und auch heute noch bieten. Kinder spielen, um ihre (Er-) Lebenswelt zu strukturieren und sich eine eigene Identität zu formen. In unserer postmodernen Welt, die einerseits hochtechnologisiert, vielerseits aber auch durch große Verunsicherung geprägt ist, ist das Bestreben, seine eigene Rolle im gesellschaftlichen Sozialgefüge zu finden, ausgeprägter und aufwendiger denn je. Moderne Medien sind heute weitverbreitet und transportieren ebenso breitgefächerte Inhalte, die von Heranwachsenden zur Bildung einer eigenen Identität herangezogen werden (können). Computerspiele bieten vor allem Jugendlichen Anreize, Räume und Handlungsmöglichkeiten, ihre eigenen Identitätsentwürfe und Rollenbilder zu erschaffen, zu verändern oder zu verwerfen. Das gibt ihnen die Chance, die, mit ihrer Selbstsozialisation verbundenen, Bedürfnisse nach Macht, Kontrolle und Partizipation zu erfahren (und sich in dem Sinne selbst zu belohnen). Das stellt sie jedoch auch vor so manche Herausforderungen. Einerseits ist die Erlangung der notwendigen spielerischen Kompetenzen mit einem gewissen kognitiven und motorischen Aufwand verbunden, andererseits sehen sich die Spielenden immer wieder in der Notwendigkeit, das Spielgeschehen und dessen Auswirkungen auf sie selbst kritisch zu hinterfragen. Diese Gratwanderung zwischen der Hingabe an das Spiel und der Wahrung der nötigen Distanz gelingt nicht jedem Computerspieler: einige entwickeln Mediennutzungsschemata, die den Kriterien klassischer Drogenabhängigkeit stark ähneln, während andere davon unberührt bleiben.

Gegenstand dieser Abhandlung soll es daher sein, Ursachen, Hintergründe, Kriterien, Verlauf und Auswirkungen der Computerspielsucht näher zu differenzieren.

„Da es immer Menschen sind, die sich Medien aneignen und ihnen eine bestimmte Rolle in ihrem Alltag zuweisen und nicht Medien, die etwas mit den Menschen machen, muss man klären, was Online-Spiele denen bedeuten, die sie spielen. Damit erfasst man die Medienaneignung Jugendlicher und untersucht das Online-Spielen aus der Perspektive der Subjekte.“

Auszug aus dem Online-Spieler-Report 2008

Geschichte und Funktion des Spielens und die Stellung von Computerspielen in der heutigen Gesellschaft

Warum spielen wir? – Geschichte und Funktion des Spielens und seine Rolle in der Sozialisation

Der Wunsch nach spielerischer Betätigung wohnt dem Menschen bereits seit mehreren tausend Jahren inne. Steinzeitliche Höhlenmalereien, deren Entstehung auf die Zeit zwischen 3.000 und 20.000 v. Chr. datiert wurden, zeigen ihre Bewohner bereits beim geselligen Spiel, was darauf schließen lässt, dass die Entstehung des Spielens mit dem Aufkeimen menschlicher Zivilisation in Zusammenhang steht. Mit der anthropologischen Entwicklung ging adäquat auch die Fortentwicklung der spielerischen Betätigung einher. Seit der Antike, in der das Spiel mitunter als Erfindung der Götter zelebriert wurde, entstand bis in die Moderne hinein eine breite Palette von Spielformen. Würfel-, Karten-, Brett-, Ball- und Geschicklichkeitsspiele sind neben Gesellschafts-, Kampf-, Magie-, Glücks- und Rollenspielen bis heute von Bedeutung für den Menschen. Die seither mit der industriellen und technischen Evolution entstandenen Möglichkeiten medialer Adaption gipfelten schließlich in der erfolgreichen Verbreitung vielfältiger Video-, Konsolen- und Computerspiele. Um zu verdeutlichen, warum das Spielen von derart essentieller Bedeutung für den Menschen ist, ist es sinnvoll, sich zunächst näher mit dem Begriff des Spiels auseinanderzusetzen. Der Kulturanthropologe JOHAN HUIZINGA beschrieb es als

„eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“[29]

Er verstand es somit als eine grundlegende menschliche Tätigkeit, die in erster Linie Kreativität sowie, besonders im Wettkampf, Energie und Kraft freizusetzen vermag, darüber hinaus aber auch über das Potenzial verfügt, verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovation hervorzubringen.[30] Viele Untersuchungen auf dem Gebiet der Gesellschafts- und Sozialwissenschaften erweitern diese Erklärungsansätze um eine Reihe von Funktionen, nach denen das Spielen mit der Erfüllung ureigener Bedürfnisse des Menschen und seiner, besonders in den Phasen der Pubertät bzw. der Adoleszenz entscheidend voranschreitenden, individuellen Entwicklung auf kognitiver, emotionaler und psychosozialer Ebene in Zusammenhang steht.

ROUSSEAU erkannte bereits im 18. Jahrhundert, dass Kinder im Spiel Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit trainieren.

GUT MUTHS warnte davor, das Spielen zu unterbinden, da man sonst „mit negativen Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Kindes rechnen [muss:] sie werden störrisch, unduldsam und eigensinnig.“ Ein seitdem wiederkehrender Erklärungsansatz ist die Theorie der Katharsis (siehe Suchtspezifische Veränderungen im sozialen Netzwerk), nach der das Spiel als Verarbeitungsmethode überschüssiger geistiger und körperlicher Energie verstanden wird. Heute ist man sich in der Fachwelt vorwiegend darüber einig, dass spielerische Aktivität vor allem der geistigen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter dienlich ist.[31]

Nach ERIKSONs Stufenmodell psychosozialer Entwicklung haben Kinder bis zum Eintritt in die Phase der Pubertät vorwiegend partizipative Bedürfnisse. Sie wollen anderen zuschauen, das Gesehene selbst ausprobieren und einfach am Geschehen teilhaben. Sie drängen nach Möglichkeiten der Teilhabe, nach Lösungskonzepten für die Herausforderungen der sie umgebenden Welt. Sie geraten in diesem Bestreben jedoch auch immer wieder in Situationen, die sie (noch) nicht autonom lösen können, was sie emotional mit der Erfahrung von Unzulänglichkeit oder Minderwertigkeit konfrontiert. Mit dem Eintritt ins Jugendalter gewinnen die Ausbildung einer eigenen Identität, deren Modifikation und die Suche nach der einzunehmenden sozialen Rolle an Bedeutung. Jugendliche wollen – nicht zuletzt aufgrund der Beschränkungen, denen sie sich bis dahin immer wieder ausgesetzt sahen (z.B. Machtgefälle zwischen Eltern und Kind) – vor allem Autonomie erfahren und diese auch erproben. Darüber hinaus ist die Pubertät typischerweise eine Zeit des Bruchs mit den Normen und Werten des Elternhauses (schrittweise Ablösung) und eine Zeit gravierender körperlicher, psychisch-emotionaler sowie gesellschaftlich-sozialer Veränderungen.

Spiele bieten dem Jugendlichen die Möglichkeit, seine Entwürfe sozialer Rollen und Identitäten in einer Art vor-realem Testlauf auszuprobieren, das heißt, deren Funktionalität und Akzeptanz in einem geschützten (weil noch nicht durch die Gefahr ernsthafter Sanktionen problematisierten) Rahmen umzusetzen und sie gegebenenfalls zu modifizieren. Insbesondere moderne Mehrspieler-Computerspiele bieten ihren Nutzern meist vielfältige Möglichkeiten zum selbstbestimmten Handeln. „Hier gewinnen sie einen Spielraum, in dem sie das Bewusstsein haben dürfen, Macht und Herrschaft durch Kontrolle ausüben zu können. Die Spieler nutzen die Spiele zwar [auch] als Mittel gegen Langeweile und mangelnde Anregungen in ihrer Lebenswelt. Im Wesentlichen dienen sie jedoch zur Selbstmedikation gegen Misserfolgsängste, mangelnde Lebenszuversicht und gegen das Gefühl, ihr eigenes Leben nicht beherrschen und kontrollieren zu können.

Damit erhält der Computer die Funktion eines Mister feel good. Die intensive Auseinandersetzung mit den Spielen soll ein gutes Gefühl machen.“[32]

Eine besondere Rolle im Prozess der Identitätsentwicklung spielt darüber hinaus die Gruppe der Gleichalterigen, die so genannte Peer Group. Sie ist eine wichtige Instanz im Sozialisationsprozess des Jugendlichen, da er sich an ihr orientieren (zum Beispiel hinsichtlich der allgemeinen Gruppenregeln und –standards) und damit nach und nach vom Elternhaus ablösen kann.

Außerdem dient sie ihm als Bezugsgruppe in Belangen, über die im familiären Gefüge kein Austausch erfolgt oder erfolgen kann. Erfahren Medien in der Peer Group große Akzeptanz bzw. Befürwortung, so wirkt sich das entscheidend auf die eigene Neigung, dieses Medium zu nutzen, aus (vgl. Abb. 1.1.a).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1.1.a Einfluss der Peer Group

Es bilden sich Gruppen von Gleichgesinnten. Mit ihnen entstehen völlig neue, über das Medium Computerspiel verbundene, Gemeinschaftsstrukturen. Gespielt wird nicht mehr im realweltlichen Verbund einiger weniger, sondern in einer virtuellen Spielwelt über teils riesige Netzwerke (siehe LANs als multifunktio-nale Interaktionsräume). „Natürlich bedient sich solch jugendliche Performance der jeweils neuesten Technik, das gehört zum jugendlichen Selbstverständnis und war schon beim Film und Radio so. (…) Insofern sind Jugendliche immer Pioniere von Medien gewesen (…). Deshalb apostrophieren Jugendforscher Medien nicht nur als wichtige Faktoren der Sozialisation für Jugendliche, also als Mittler zwischen dem jugendlichen Individuum und der Gesellschaft, sondern zugleich auch als Vehikel jugendlicher Selbstsozialisation, mithin als Katalysatoren der Findung und Profilierung des Jugendlichen als zeitgemäßes Individuum im sozialen Hier und Jetzt.“[33]

SÜSS verweist zudem auf einen Entwicklungstrend unter vor allem älteren Jugendlichen, ihre soziale Identität aus einer Vielzahl medialer Vorbilder zusammensetzen (so genannte Patchwork-Identität), was sich in „sehr individualisierten Formen von Medienpräferenzen und Selbstinszenierungen“ ausdrücken kann.[34] Diese Entwicklung kann gegebenenfalls als Reaktion auf eine charakteristisch postmoderne Orientierungslosigkeit gedeutet werden.

KRAUS sieht in Umbruchserfahrungen – wie etwa dem Gefühl des Nichteingebundenseins, dem Erfahren des Gültigkeitsverlusts traditioneller Identitätsbildungsschemata, dem Wandel der Geschlechterrollen und der sozialen Verhältnisse oder auch der Erfahrung der Pluralisierung der Lebensformen – Auslöser jugendlicher Identitätsdiffusion, die sie dazu bewegen, über die verfügbaren Medien nach für sie relevanten Schemata der Identitätsbildung zu suchen und in geschützten Umgebungen experimentell eigene Identitätsentwürfe anzuwenden.[35]

Die Stellung von Computerspielen in der heutigen Gesellschaft

Die JIM-Studie 2008 ergab, dass – unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstufe – mittlerweile zwischen 94 und 99% aller Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren mindestens einmal pro Monat einen Computer nutzen. Besonders das Internet ermöglicht den Nutzern ein breites Spektrum von Möglichkeiten in den Bereichen Kommunikation und Unterhaltung.

Mehrspielerfähige Onlinespiele werden von 33% der Jungen und 5% der Mädchen praktiziert, Spiele für einen Spieler zu 24 bzw. 7%. Aber auch offline spielen 48% der Jungen und 13% der Mädchen Computerspiele. Die von den Spielern angegebene Nutzungsdauer dieses Mediums variiert zwischen 91 und 120 Minuten bei den Jungen bzw. 47 und 55 Minuten bei den Mädchen. In anderen Studien zum Medienkonsum Jugendlicher zeichnet sich eine weit umfangreichere Nutzung von Computerspielen ab. Besonders unter Nennung der Spielgenres der Online-Rollenspiele oder gewalthaltiger Schießspiele ist immer wieder von einer Gefahr für die kognitive, emotionale und gesundheitliche Entwicklung der Heranwachsenden die Rede.

Inwieweit diese Warnungen berechtigt sind, ist gegenwärtig nicht eindeutig zu klären, denn wir befinden uns in einem Dilemma der Medienwirkungs-forschung: Es ist „die Überkomplexität der Randbedingungen, die die ‚mediale Spurensuche’ zu einem schwierigen Unterfangen macht.“[36] Das bedeutet, dass nicht das Medium allein Ursache negativer Entwicklungen sein kann, sondern dass es zumeist als Katalysator bereits vorhandener individueller Rand-bedingungen, seien diese nun positiv oder negativ, fungiert, was demnach auch das Potenzial positiver Beeinflussung einschließt. Diese Sichtweise bestärkt viele Medienpädagogen heute in der Ansicht, dass das Medium Computerspiel neben seiner Funktion als Sozialisationsinstanz (vgl. Warum spielen wir? – Geschichte und Funktion des Spielens und seine Rolle in der Sozialisation. auch als Instanz informeller Kompetenzförderung („beiläufiges“ Erlernen biografisch relevanter Kompetenzen in alltäglichen Lebenszusammenhängen, also außerhalb klassisch-formaler Bildungsinstitutionen) und als selbstreferentielle Lern-umgebung (Erlernen ausschließlich spielintern relevanter Kompetenzen) betrachtet werden kann.[37]

In partieller Überschneidung zu dieser Auffassung findet das so genannte Edutainment, ein Konzept spielerisch-unterhaltsamer Wissensvermittlung, Eingang in immer neue Bereiche der Lebenswelt Heranwachsender, obgleich nicht selten eher kommerzielle als pädagogisch hochwertige Motivation hinter derartigen Angeboten steht. Welche Chancen im Bereich [sozial-]pädagogischer Einflussnahme diesem Konzept innewohnen, verdeutlichen u. a. SLEEGERS und POHLMANN: „Edutainment kann kein Allheilmittel für Lernschwächen oder ein Patentrezept für gute Noten sein. Es hat aber durchaus Potential, Lernende zu unterstützen. Das Bild vom ‚digitalen Trichter’, der das Gehirn des Unwissenden automatisch mit Wissen füllt, ist noch nicht gemalt worden.“[38]

Ohne Frage üben Computerspiele jedoch große Faszination auf Heranwachsende (und auch junge Erwachsene) aus. Besonders Eltern sehen sich immer größeren Herausforderungen gegenüber, ihre Kinder nicht vollständig an die virtuellen Spielwelten zu ‚verlieren’. Typische Konsequenz dessen ist in einem Großteil der Fälle entweder die elternseitige Resignation oder, aus Handlungsunfähigkeit bzw. Unkenntnis über effektive Synchronisationsmethoden, das radikale Beschränken des, für die Heranwachsenden sowohl mit großen Chancen als auch gewissen Risiken verbundenen, Kontakts mit dem Medium Computer(spiel).

Motivationshintergrund des Computerspielens und die Entwicklungsdynamik medienabhängigen Verhaltens

Warum spielt jemand Computerspiele? – Motivation und Wirkung

Die Bedeutung von Macht, Kontrolle und Herrschaft

Sowohl Kinder und Jugendliche, als auch Erwachsene nutzen Spiele als Erweiterung ihrer Lebenswelt. Mit zunehmendem Alter gewinnt für sie die Auseinandersetzung mit Macht und Kontrolle immer mehr an Bedeutung. Besonders Heranwachsende suchen im Rahmen ihres Wunsches nach wachsender Verselbstständigung bevorzugt Strategien, um sich von realen Kontrollinstanzen lösen zu können. Virtuelle Spielwelten bieten ihnen diesbezüglich einen geeigneten Raum um mittels eigener Einflussnahme ergo Kontrolle weitgehend gefahrlos Kompetenzen zur Ausübung von Macht und Herrschaft zu erwerben. Weiterhin fungieren Spiele den Heranwachsenden, aber auch Erwachsenen, „als Mittel gegen Langeweile und mangelnde Anregungen in ihrer Lebenswelt. Im Wesentlichen dienen sie jedoch zur Selbstmedikation gegen Misserfolgsängste, mangelnde Lebenszuversicht und gegen das Gefühl, ihr eigenes Leben nicht beherrschen und kontrollieren zu können.“[39]

Computerspiele haben jedoch auch spezifische Vorzüge gegenüber anderen Spielen. Sie ermöglichen dem Spieler beispielsweise, vielfach die individuelle Anpassung ihrer virtuellen Umgebung, also einer künstlichen Realität. Der Spieler kann den Spieltyp an sich, die Schwierigkeit und die Spielfigur mitsamt den gewünschten Charaktereigenschaften auswählen, sowie gegebenenfalls die bevorzugten Spielszenarien (Maps) und/oder die Gegner. Hinterfragt man die Motivationskraft von Spielen im Allgemeinen und von Computerspielen im Besonderen, so stößt man zwangsläufig auf das Grundprinzip der Umsetzung von Strategien zum Aufbau eigener Macht bzw. dem Abbau von Ohnmacht gegenüber dem Spielgegner. Die Begriffe Macht und Ohnmacht sind im spielerischen Rahmen als virtuelle Entsprechungen realer Herausforderungen zu begreifen, die es mittels Interaktion vom Spieler zu meistern gilt.

Macht beschreibt demnach die Fähigkeit des Spielers zur Einflussnahme auf den Spielverlauf im Sinne der spieleigenen Anforderungen und damit die Kompetenz zur Bewältigung der auftretenden Herausforderungen.

Ohnmacht ist als Zustand von Handlungsunfähigkeit zu verstehen, der darauf fußt, dass der Spieler nicht – oder noch nicht – über die notwendigen Voraussetzungen – zum Beispiel Kenntnisse, Strategien, Hilfsmittel, Bündnisse, etc. – verfügt, sich der Macht des Gegners zu entziehen. Die im Spiel getätigten Handlungen sind also

„(…)Versuche, auf die Machtbalance einzuwirken, sie [zu eigenen] Gunsten zu verändern. Macht und Ohnmacht im Spiel finden unmittelbare Entsprechungen im Leben aller Menschen. Jeder wird Situationen von Macht und Ohnmacht erlebt und die Erkenntnis ausgebildet haben, dass diese Erfahrungen etwas damit zu tun haben, dass das Gegenüber mehr (oder auch weniger) Macht besitzt (oder eingesetzt hat) als man selbst. Was Macht letztlich machtvoll macht, hängt von vielen Faktoren ab: eigenen Fähigkeiten und Kräften, situativen Bedingungen, wechselseitigen Erwartungen und vielem anderem. Der Aspekt der Macht bestimmt mehr oder weniger alle menschlichen Beziehungen, sei es zu anderen Menschen, zu Gegenständen oder zur Natur. Im wettbewerbsorientierten Spiel wird dieser Aspekt des ‚Spiels des Lebens’ entfaltet und inszeniert.“[40]

Voraussetzung für den Aufbau und die Sicherung einer machtvollen Position im Spiel ist also die Fähigkeit des Spielers nachteilige externe Bedingungen zu kontrollieren, indem er möglichst nachhaltige und auf wiederkehrende Herausforderungen anwendbare Problemlösungsstrategien erarbeitet oder erlangt. Der Spielende befindet sich also in einer Bewährungssituation, in der er den Nachweis seiner taktischen und/oder kreativen Dominanz durch angemessenes Reagieren auf problematische Situationen erbringen muss.

Beispiele für diesen Nachweis von Dominanz[41] über einen Gegner oder eine Situation seien etwa eine an die Herausforderungen der Problemsituation angepasste Werkzeug- oder Waffenwahl, der vorausschauende Abschluss taktischer Bündnisse mit Gleichgesinnten oder auch einfach nur der Nachweis von Belastbarkeit unter Zeitdruck.

Der Wunsch des Spielenden nach Kontrolle ist ein bedeutsamer Aspekt bei der Frage nach dem Motivationshintergrund von Computerspielen. Die mit der Kontrollfähigkeit einhergehenden spielinternen Erfolge bilden

„eindeutig [den] Mittelpunkt der Spielmotivation. Nahezu alle Befragten äußerten sich direkt oder indirekt zum Problem der Spielbeherrschung und zu den emotionalen Wirkungen bei Kontrolle des Spiels bzw. bei Kontrollverlust. Der Spaß am Spiel steigt beträchtlich, wenn man in der Lage ist, den Spielanforderungen zu genügen, das Spiel zu verstehen, die Spielfigur angemessen zu führen, die Spielaufgabe zu lösen und ins nächste Level zu kommen.“[42]

Weiterhin gibt FRITZ’ Studie darüber Auskunft, dass Spiele, die dem Spieler gute Erfolgsaussichten bieten, ihn also weder unter- noch überfordern, sogar vielfach wiederholt genutzt werden. Dieses Phänomen ist damit ein relevanter Anreiz für das Verhalten vieler Spieler, bereits absolvierte Spiele erneut zu bestreiten. Auch im Kontext der Entstehung abhängigen Verhaltens ist diesem Zusammenhang eine nicht unerhebliche Rolle zuzuweisen. Wenn also dem Kontrollwunsch eine derart bedeutsame Rolle in der Motivation des Spielenden zukommt, so legt das nahe, dass kontrolleinschränkende Erfahrungen den Drang zum Weiterspielen vermindern. Situationen des massiven Kontrollverlusts verursachen laut FRITZ’ Untersuchung deutliche Unlusterfahrungen bei den Spielern, was im weiteren Verlauf nicht selten zu Frustration und auch Aggression führt und sich gegebenenfalls sogar zu einem Frustrations-Aggressions-Kreislauf fortentwickeln kann, aus dem der Spieler sich nur mit Mühe selbst befreien kann. Auslöser dieses Verhaltens können verschiedene Situationen sein. Im Folgenden einige Beispiele:

- Das Spiel weist gravierende und grundlegende Fehler auf, wie etwa massive Grafikfehler, mangelhafte Programmierung (z.B. Fehler im Verhalten der Computergegner) oder systembedingte ‚Abstürze’.

- Das Spielfigur ist nicht angemessen steuerbar (z.B. Steckenbleiben der Spielfigur in der virtuellen Landschaft).
- Es bestehen unklare Anforderungen an den Spieler (Überforderung).
- Der Spielablauf erfordert immer wieder dieselben monotonen Handlungsabläufe vom Spieler (Unterforderung).

Das Auftreten derartiger Situationen führt bei den meisten Nutzern zum frustrierten Abbrechen des Spiels. Besonders versierte Spielernaturen durchbrechen jedoch den Kreislauf aus Frustration und Aggression, sei es durch interne oder externe Strategien wie etwa Fehlerausschlussverfahren, Helfenlassen, Recherche von Lösungen oder durch Cheaten. Der Rückgewinn der Kontrolle über die Situation führt zur Erweiterung der Problemlösungs-kompetenz des Spielers und bestärkt ihn somit in seinem Selbstvertrauen.

Die vier Funktionskreise

Jeder Spieler von Computerspielen ist im Verlauf des von ihm ausgewählten Spiels gewissen Anforderungen an seine individuellen Fähigkeiten ausgesetzt. Er benötigt bestimmte Schlüsselqualifikationen[43], die die Kontrollübernahme in diesen Anforderungsbereichen – JÜRGEN FRITZ beschreibt sie als vier Funktionskreise – ermöglichen. Der Erwerb dieser Schlüsselqualifikationen ist von entscheidender Bedeutung hinsichtlich der Spielmotivation: je besser er die Herausforderungen dieser Funktionskreise meistert, desto mehr gewinnt er an Kontrolle über sich selbst und das Spiel, was dazu führt, dass das Spiel in der Beliebtheit des Nutzers steigt. Die Funktionskreise sind somit als Verbindungsglieder zwischen den Anforderungen des Spiels und den Fähigkeiten des Spielers zu verstehen.

Sensumotorische Synchronisierung

Der erste Funktionskreis, von FRITZ als sensumotorische Synchronisierung bezeichnet, beschreibt die Herausforderung einer angemessenen Übertragung tatsächlicher physischer Bewegungen der Steuergeräte des Computers, also etwa der Maus oder des Joysticks, auf die virtuellen Aktionen der Spielfigur als Avatar[44] des Spielers.

Das geschieht über eine möglichst direkte Rückgabe von Signalen an den Spieler, was diesem ein schnelles Erlernen der Handhabung der Spielfigur ermöglicht. Auch in Spieltypen ohne Avatar erhält der Spieler diese Signale, er bleibt lediglich außerhalb verortet (gleich einem Kommandozentrum). Der Effekt dieses Lernprozesses ist die Möglichkeit, sich „in ein filmartiges Geschehen einzuklinken. […] Das wiederholte Spiel führt als Übungseffekt zum Erwerb automatisierter Körperbewegungen, die je nach situativem Kontext auf dem Bildschirm zu angemessenen Bewegungen der elektronischen Marionette führen. [Das wiederum] führt zur Erweiterung des eigenen Körperschemas, wie wir es auch beim Führen einer Marionette und beim Lenken eines Autos beobachten können.“[45]

Der Zugang zu diesem Funktionskreis erfolgt pragmatisch[46], da der Spieler seine Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Gesetzmäßigkeiten des Spiels im realen Handeln erkennt, was letztlich zur Kontrolle der Spielfigur führt und im Spieler ein befriedigendes Gefühl hervorruft. Dieser Erkenntnisprozess bildet die Voraussetzung zum Zugang zu den weiteren Funktionskreisen.

Bedeutungsübertragung

Im Folgenden absolviert der Spieler die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Bedeutungsinhalten der im Spiel vorgefundenen Elemente. Der Zugang zum Spiel findet semantisch[47] statt: der Spieler deutet und rekonstruiert das Spielgeschehen (üblicherweise) in der von den Spielentwicklern beabsichtigten Art und Weise.

„Mit der Übertragung von Bedeutung verbinden sich kulturelle Erfahrungen, moralische Bewertungen und dadurch bedingte Gefühle mit dem Spiel. All dies bewirkt, dass Spieler bestimmte Einstellungen zu den unterschiedlichen Spielen finden.“[48]

Diese Einstellungen können breit gefächert zwischen Zustimmung bzw. Faszination und Ablehnung variieren. Im Spiel findet der Spieler also bestimmte Objekte vor, mit denen diverse Bedeutungen und damit Handlungsoptionen verknüpft sind. Im Zuge der Bedeutungsübertragung lernt er nun, welche Spielgegenstände ihm beziehungsweise seinem Avatar welche Bewegungs-, Aktions- und/oder Interaktionsmöglichkeiten geben, was ein fantasievolles Einleben des Spielers in verschiedenste – und seien es auch noch so realitätsfremde – Szenarien und Rollen ermöglicht.

Der semantische Funktionskreis hat damit auch „einen Bezug zu den Symbolspielen. Das Symbolspiel gewinnt seinen Reiz aus der Verwandlung: Der Spielgegenstand kann eine andere Bedeutung, der Spieler eine andere Rolle annehmen. Das Geschehen erhält eine andere Bedeutung und dadurch einen für den Spieler besonderen Reiz.“ (vgl. FRITZ, 2003b, S.12)

Regelkompetenz

Handlungen in Computerspielen unterscheiden sich bedeutend von Handlungen in realen Situationen. Der Spieler ist an feste (zunächst) vordefinierte Regeln gebunden, die beispielsweise die Eigenschaften der im Spiel vorzufindenden Objekte und deren Beziehungen zueinander definieren. Daher bezeichnet FRITZ den Zugang zu diesem Funktionskreis als syntaktisch[49]. Durch Interaktion des Avatars in der virtuellen Umgebung des Spiels erkennt der Spieler nach und nach die Spielregeln und lernt, die gewonnenen Erkenntnisse methodisch für sein Spielziel zu nutzen.

Der Spieler erfährt ein Gefühl der Spannung darüber, ob er sowohl seinen eigenen als auch den vom Spiel geforderten Leistungsforderungen entsprechen kann. Der Prozess des Erlernens und Zunutzemachens der Regeln ist sehr stark emotional belastet.

Durch den ständigen Abgleich von eigener Lösungskompetenz und den Gegebenheiten des Spiels, etwa hinsichtlich des bisherigen Spielverlaufs oder des anzustrebenden Spielziels, durchlebt der Spieler vielseitige emotionale Zustände:

„Freude, Stolz, Enttäuschung, Verärgerungen, Überraschung. Hand in Hand mit der Spannung des Spiels steigt die Anspannung der Spieler: Sie müssen die Welt von ihren Regeln her verstehen, die eigenen Handlungsmöglichkeiten nutzen und die angemessenen Strategien entwickeln.“[50]

Im syntaktischen Funktionskreis vollziehen sich weiterhin folgende Prozesse im subjektiven Erleben des Spielers:

- Erkennen der von den Spielentwicklern gemeinten Zusammenhänge
- Bewerten der Spielobjekte nach z. B. Nützlichkeit, Gefährlichkeit usw.
- Erkennen chronologischer Abläufe und Ereignisse
- Bilden von Rückschlüssen bezüglich der eigenen Vorgehensweise
- Organisieren, z. B. Entwerfen und Verknüpfen günstiger hierarchischer Strukturen zur Bewältigung der Herausforderungen des Spielablaufs
- genreorientierte Verallgemeinerung, also Erkenntnis von in allen Spielen dieses Spielgenres typischen Eigenschaften und/oder Strategien

Mit dem Erreichen neuer Erkenntnisse gewinnt der Spieler somit Handlungsfähigkeiten, die er im weiteren Spielverlauf untereinander kombinieren und verknüpfen kann. Wer diese genannten Prozesse angemessen bewältigt, hat die besten Chancen, das Spielziel zu erreichen. Selbst Teilerfolge, zum Beispiel erfolgreich abgeschlossene Levels[51], bestärken den Spieler in seiner Selbstsicherheit und bescheinigen ihm Regelkompetenz.

Selbstbezug

Der pragmatische, der semantische und der syntaktische Funktionskreis schaffen also die Voraussetzung dafür, dass der Spieler sich mit dem Spiel sensumotorisch und kognitiv befasst. Im Folgenden soll es nun darum gehen, in welchem Maße die mit diesen Funktionskreisen einhergehenden Erfahrungen das Verhalten des Spielers beeinflussen. Zunächst lässt sich sagen, dass jemand, der durch ein Medium wie ein Computerspiel an eine solche Vielzahl an neuen Informationen, Erfahrungen und Kompetenzen gelangt, eine gewisse Bindung zu diesem Medium aufbaut. Wie stark diese Bindung letztendlich ausfällt, also wie hoch die Motivation zum weiteren oder erneuten Spielen ist, hängt davon ab, in wie weit und auf welche Art und Weise der Nutzer die Eindrücke des Spiels und deren Auswirkungen auf seine reale eigene Situation bezieht.

„Die (motivationale) Kraft erwächst dadurch, dass Thematiken, Rollenangebote, Skripte, Episoden und einzelne Szenen des Spiels zum eigenen Lebensbereich, dessen kulturellen Hintergründen, Rollen, Lebensthematiken, einzelnen Episoden und Szenen in Beziehung gesetzt werden. Durch den Selbstbezug werden Bildschirmspiele zu einem verflochtenen Band bedeutsamer Metaphern, die in ihren vielfältigen Verweisungen Individuelles mit Gesellschaftlichem verbinden.“[52]

Interessant ist auch, dass der Spieler keineswegs das Spiel in seiner groben Gesamtheit bewertet, sondern stattdessen für sich und sein Leben bedeutsame Aspekte herauslöst.

Es kommt zu einer Übertragung von Avatar- und Spielereigenschaften: der Spieler schöpft aus dem Erfolg seines virtuellen Stellvertreters und verknüpft damit die Errungenschaften aus der Spielwelt mit seiner realen Person und ihrer sozialen wie gesellschaftlichen Umgebung, was gewöhnlich dazu führt, dass er sich im Avatar wiedererkennt und sein Leben im Spiel weiterführt. Die Lebenswelt des Spiels fungiert somit als Metapher zum eigenen Leben. Diese Hingabe an das Spiel ist daher so ausgeprägt, weil die meisten Computerspiele bestimmte Themen in abstrahierter Form behandeln, die den Spieler sehr wohl auch in seiner realen Lebenssituation betreffen. Besonders die Auseinandersetzung mit inneren, teils sehr persönlichen, Motiven wird hier belebt, so etwa (vgl. FRITZ, 2003b):

- Kampf: Auseinandersetzungen führen, Konflikte austragen
- Erledigung: Aufgaben zufriedenstellend ausführen
- Bereicherung und Verstärkung: finanzielles und persönliches Wachstum
- Verbreitung: räumliche Ausdehnung des Einflussbereiches
- Geschick: Ineinklangbringen von Kontakten, Zielen, etc.
- Ordnung: Organisation des eigenen Lebens

Weiterhin fällt auf, dass nahezu alle Computerspiele an dem Motiv ausgerichtet sind, dem Spieler wiederholt einen Nachweis seines Existenz- und Bleiberechts abzufordern, das heißt er muss seinen Herrschaftsanspruch immer wieder aufs Neue untermauern. Der dynamische[53] Funktionskreis nimmt damit eine zentrale Rolle im Spiel um die zu Beginn dieses Kapitels beschriebenen Elemente Macht und Kontrolle ein. Zur Überwindung der von den Entwicklern vordefinierten Herausforderungen muss der Spieler also sowohl das Spiel mit seinen Regeln, Herausforderungen und Funktionen als auch sich selbst einschließlich seiner inneren Motive, Triebe und Wünsche kontrollieren lernen. Typische Anforderungen an die Selbstkontrollfähigkeit des Spielers sind beispielsweise Ausdauer, Konzentration, Stressresistenz oder Wachheit. Sobald er sich selbst angemessen kontrollieren kann, stellt sich ein Gefühl der Vertrautheit ein; das Spiel verliert somit seinen befremdlichen Charakter und der Spieler gewinnt an Handlungssicherheit und Selbstvertrauen. Anspannung und Misserfolg schwinden.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Um Macht, Kontrolle und Herrschaft erreichen zu können, ist der Erwerb der in den Funktionskreisen beschriebenen Schlüsselqualifikationen unumgänglich. Der Prozess des Qualifikationserwerbs geht mit dem Anwachsen der Spielmotivation einher. Der Spieler verknüpft die wiederkehrenden Erfolgsgefühle mit dem Bewusstsein, seine zunehmende Macht zeigen, Kontrolle über sich und das Spiel gewinnen und Dominanz über andere Spieler ausbilden zu können. Er erfährt eine Bestätigung der eigenen Kompetenz, Herausforderungen meistern zu können und entwickelt daher eine besondere Selbstsicherheit. Äquivalent bildet er das Bestreben aus, die erbrachte Leistung immer weiter zu steigern, um – nach seinem Empfinden – konkurrenzfähig bleiben zu können.

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Abb. 2.1.2.a. Übersicht über die vier Funktionskreise nach FRITZ

Diagnose Medienabhängigkeit? – Begriffsumfang, Charakteristika und Verbreitung mediengebundener Verhaltenssüchte

Internet- und Computerspielsucht als Erscheinungsformen medienabhängigen Verhaltens

1995 diagnostizierte der amerikanische Psychiater IVAN GOLDBERG das, den Symptomen der Persönlichkeits- bzw. Verhaltensstörungen ähnelnde, Phänomen der exzessiven Nutzung des Internets scherzhaft als ‚Internetsucht’ und erntete damit anstelle der von ihm erwarteten belustigten Reaktionen überwiegend aufrichtiges Interesse vieler Kollegen. Seitdem führte eine Vielzahl von Wissenschaftlern mehr oder weniger professionelle Untersuchungen über das Verhalten von Internetnutzern durch. Ebenso wuchs stetig auch die Zahl derer, die die Diagnose GOLDBERGs als Beschreibung ihres eigenen Nutzungsverhaltens erkannt zu haben glaubten.

Als eine der ersten Veröffentlichungen zur Häufigkeit des Phänomens der Internetsucht erschien 1999 das Buch Caught in the Net – Suchtgefahr Internet [54] der amerikanischen Psychologie-Professorin KIMBERLY YOUNG, die darüber hinaus auch Gründerin des Center for Online Addiction, einem der bislang wichtigsten Anlaufstellen zu diesem Themenkomplex, ist.

Das Thema ist mittlerweile längst im öffentlichen Diskurs verortet. Besonders im Kontext ‚krankhaften’ Online-Computerspielens ist nur allzu oft von Internet- oder Onlinesucht die Rede. Die Auseinandersetzung mit dem Themengebiet besticht seit dem Einzug der Neuen Medien[55] in Privathaushalte, Bildungseinrichtungen und eine Vielzahl weiterer Institutionen des öffentlichen und privaten Lebens vielfach durch Frontenverhärtung und Undifferenziertheit.

Das Wertungsspektrum reicht von Standpunkten übereuphorischer Medien-befürworter bis hin zu kulturpessimistischen[56] Einstellungen par excellence. Im Folgenden sei daher die Bedeutung von Medienabhängigkeit einmal näher beleuchtet.

Der Begriff selbst dient als Sammelbegriff zur Beschreibung von im Zusammenhang mit Medien, insbesondere den Neuen Medien, auftretenden Verhaltensweisen, die die charakteristischen Merkmale einer psychischen Abhängigkeit aufweisen und sich damit der (vollständigen) willentlichen Kontrolle durch den Betroffenen entziehen.

Gemäß dieser Definition ist Medienabhängigkeit dem Komplex der Verhaltenssüchte zuzuschreiben, der neben klassischen Erscheinungen wie Arbeits-, Kauf-, oder Sportsucht auch mediengebundene Phänomene wie Computerspiel- und Internetsucht, Glücksspielsucht, Fernseh- und Handy-abhängigkeit beinhaltet. Diese Klassifizierung definiert Medienabhängigkeit also als Form der Verhaltenssüchte und damit als Oberkategorie zu den beiden separaten Störungsbildern der Internetsucht und Computerspielsucht. Je nach Untersuchungszusammenhang variiert diese Definition, und zwar in der Art, dass Computerspielsucht (besonders im Zusammenhang mit exzessiv praktizierten Online-Rollenspielen) nicht als selbstständige Störung unter der Kategorie der Medienabhängigkeit sondern als Ausprägungstyp der Internetsucht beschrieben wird. Weitere Ausprägungen der Internetsucht wären nach dieser Kategorisierung z.B. Cybersex, exzessive Informationssuche oder Onlineglücksspiel.

Die Akzeptanz der Verhaltenssüchte als eigenständige Suchtform ist in der Wissenschaft leider immer noch weithin umstritten, was die Aufnahme dieser Störungsbilder in die gängigen Diagnoseklassifikationssysteme[57] verhindert. Bislang erfolgte daher die medizinisch-diagnostische Einordnung dieser Verhaltensformen über die ICD-10-Kategorie F63, die Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle beschreibt. Diese Diagnostik nähert sich dem eigentlichen Wesen der Störungen weitgehend an, sie scheitert jedoch an der Erfassung charakteristisch-stoffgebundener Suchtmerkmale wie der Toleranzentwicklung oder dem Auftreten von Entzugssymptomen.

Charakteristika medienabhängigen Verhaltens am Beispiel der Computerspielsucht

Im Jahr 2007 beriet die American Medical Association über die Aufnahme des Störungsbildes Computerspielsucht in das ICD-10 und das DSM-IV. Das Vorhaben scheiterte mit dem Verweis auf die Notwendigkeit weiterer Forschung, ursächlich lag diese Entwicklung jedoch vor allem in der Uneinigkeit über verbindliche und einheitliche Diagnosekriterien begründet. Weiterhin sind Wissenschaftler und Sachverständige geteilter Auffassung darüber, ob die Entstehung einer Suchtproblematik überhaupt auf einer nicht-suchtstoffgebundenen[58] Basis möglich ist. Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen dennoch, dass Computerspielsucht durch bestimmte Charakteristika gekennzeichnet ist, die zweifelsohne als Varianten der klassischen Merkmale stoffgebundener, und daher bereits anerkannter, Sucht erkennbar sind. Dazu gehören:

Einengung des Verhaltensmusters

Durch den zunehmenden Kontrollgewinn mittels der unter „ Warum spielt jemand Computerspiele? – Motivation und Wirkung“ beschriebenen Schlüssel-qualifikationen und die damit einhergehenden Erfolgserlebnisse gewinnt das Spiel entscheidend an Bedeutung und entwickelt sich rasch zur wichtigsten Aktivität im Leben des Spielers. Die Ereignisse und Handlungsmöglichkeiten der virtuellen Welt beschäftigen ihn permanent, selbst in ihn fordernden oder ihn eigentlich ablenkenden Situationen, nicht selten sogar im Schlaf (z.B. Durchspielen einzelner Spielsequenzen oder Einbinden virtueller Charaktere in das eigene Traumgeschehen).

Kontrollverlust und Rückfälle

Der Spieler verliert die Kontrolle über die Wichtigkeit das Spiels im Vergleich zu weiteren strukturgebenden Aktivitäten seiner realen Lebens(um)welt, wie etwa der Kontakt zu Freunden und der Familie, die Zubereitung und der Verzehr ihm zuträglicher Nahrung oder das Betreiben anderer Hobbies, wie z.B. einer sportlichen Tätigkeit.

Diese Fehlpriorisierung äußert sich darin, dass er Beginn und Ende der Spieltätigkeit nicht selbstständig steuern kann: er spielt auch nachts und in Situationen, die eigentlich seine komplette Konzentration beanspruchen würden (z.B. Prüfungsvorbereitungszeiten). Auch der Versuch einer Unterbrechung oder Reduktion der Spielzeit gelingt ihm höchstens im Falle massiver innerer Bedürfnisse (z.B. starker Hunger oder Harndrang) oder äußerer Gegebenheiten (z.B. Stromausfall oder Hardwaredefekt), insofern er überhaupt unternommen wird. Versuche des Rückgewinns der Kontrolle über das eigene Verhalten enden in Misserfolg. Gesundheitlich bedenkliche Folgen dieses Verhaltens sind unter anderem Unterernährung oder Fettleibigkeit durch Bewegungsmangel und Ernährungsdefizite (z.B. dauerhafter Konsum von Fast Food oder Unterdrückung des Hungergefühls).

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Abb. 2.2.2.a Schematische Darstellung des im Zuge der Toleranzentwicklung eintretenden Flow-Zustand

Toleranzentwicklung

Der vom Spieler ersehnte Effekt der Kompetenzbestätigung ist bald nur noch durch eine konsequente Steigerung der Spielhäufigkeit und Spieldauer oder durch einen Wechsel auf Spiele mit extremeren Inhalten zu erzielen. Er betreibt das Spiel auch im Falle des Auftretens von Übermüdungserscheinungen weiter. Bedeutsam ist außerdem die Verdrängung negativer Affekte[59] durch vom Spiel verursachte rauschartige Zustände der Erregung (so genannte Kick- oder Flow-Erlebnisse[60], vgl. Abb. 2.2.2.a) oder der Entspannung (Versenken in das Spielgeschehen).

Entzugserscheinungen

Wird dem Spieler der Zugang zum Spiel verhindert, beeinflusst ihn das auf emotionaler wie körperlicher Ebene: er ist oft angespannt und/oder nervös, chronisch unruhig, leicht reizbar, es treten Schlafstörungen auf. Vegetative Symptomen können unter anderem Hitzewallungen, Übelkeit und Zittern sein. Er verspürt das unwiderstehliche Verlangen, in die ihm gut vertraute und erfolgversprechende Spielwelt zurückzukehren (Craving[61] ).

Wird ihm die Rückkehr in das Spielgeschehen vorsätzlich von dazu befähigten Instanzen verweigert (etwa durch ‚Erziehungsmaßnahmen’ der Eltern), können sich die oben genannten Symptome bis zu stark aggressiven Ausbrüchen einschließlich Gewaltanwendung steigern.

Negative soziale Konsequenzen

Der Wunsch nach Steigerung der spielbedingten Erfolgsgefühle und die damit einhergehende bewusste Vermeidung oben genannter Entzugserscheinungen führen zu einem klassischen Abgrenzungsverhalten des Spielers. Selbst die Gesellschaft vertrauter und ihm vormals wichtiger Personen oder Gruppen (z.B. Familie, Freunde, Vereinskameraden) verliert an Bedeutung. Der Kreis seiner Bekanntschaften und Kontakte reduziert sich auf Personen, die entweder seine Spielleidenschaft tolerieren, selbst exzessiv am Computer spielen oder der weiteren Ausübung seines Verhaltens in irgendeiner Art und Weise dienlich sind oder sein könnten[62]. Der Spieler verlagert sein gesamtes Handeln und Erleben vollends auf die Lebenswelt des Spiels und schließt sich damit selbst aus realen Sozialstrukturen aus. Weitere Informationen zu den Auswirkungen exzessiven Spielens auf die Sozialbeziehungen sind dem Kapitel „ Auswirkungen exzessiv-dysfunktionalen Spielens auf Sozialbeziehungen und die Gesundheit“ zu entnehmen.

Häufigkeit und Verbreitung der Computerspielsucht

YOUNGs Untersuchung ergab, dass 1998 circa 6-9% der amerikanischen Bevölkerung ein exzessives unkontrolliertes Internetnutzungsverhalten aufwiesen, das den Symptomen einer Abhängigkeit entsprach. GRIFFITHS, DAVIS & CHAPPELL gelangten im Jahr 2004 im Zuge ihrer Untersuchung zur exzessiven Rollenspielnutzung in Amerika zum gleichen Ergebnis. Bewertungs-grundlage ihrer Einschätzung war eine exzessive Nutzung von Online-Rollenspielen im Umfang von über 50 Stunden wöchentlich.

Im europäischen Raum variierte die Verbreitung des Phänomens zwischen Mitte der 1990er Jahre und der ersten 2000er Jahre in einem ähnlichen Bereich. ALBRECHT, GRÜSSER & THALEMANN veröffentlichten 2005 ihre Untersuchungsergebnisse zum Spielverhalten an deutschen Schulen[63]. Es ergab sich bereits ein exzessiver Computerspielgebrauch bei 9% der befragten Kinder in der 6. Klasse. Anfang 2009 veröffentlichte das Kriminologische Forschungs-institut Niedersachsen die größte deutsche Jugendstudie zur Nutzung von Computerspielen und zeigt damit bereits eine deutliche Tendenz zur Ausbreitung der Computerspielsucht in Deutschland auf:

„In den Jahren 2007 und 2008 haben 44.610 Schülerinnen und Schüler neunter Klassen an einer vom Bundesinnenministerium geförderten, bundesweit repräsentativen Schülerbefragung des KFN teilgenommen. Jedem dritten Befragungsteilnehmer (N=15.168) wurde dabei ein umfassendes Zusatzmodul zur Internet- und Computerspielnutzung vorgelegt. 4,3% der Mädchen und 15,8% der Jungen weisen ein exzessives Spielverhalten mit mehr als 4,5 Stunden täglicher Computerspielnutzung auf. Die Befunde der Untersuchung bestätigen zudem ein bedeutsames Abhängigkeitspotenzial von Video- und Computerspielen. Basierend auf einer neu entwickelten Computerspielabhängigkeitsskala, die sich eng an die Klassifikationen des ICD-10 anlehnt, werden 3% der Jungen und 0,3% der Mädchen als computerspielabhängig und weitere 4,7% der Jungen und 0,5% der Mädchen als gefährdet diagnostiziert.“[64]

In Großbritannien erforschte FISHER 1994 den Videospielkonsum in entsprechenden Spielhallen und kam zu dem Ergebnis, dass 6% der britischen Jugendlichen sich exzessiv in dieser Form betätigen[65].

Im asiatischen Raum erforschten WHANG, LEE & CHANG im Jahre 2003 die Verbreitung der Internetabhängigkeit in der koreanischen Gesellschaft[66], 2001 analysierte YANG speziell Computernutzungsverhalten und Medien-abhängigkeit von über tausend Studenten. Mit Hilfe dieser beiden Untersuchungen wurde es möglich, eine Häufigkeit abhängig-exzessiver Computernutzung von 3,5 bzw. 6,1% nachzuweisen.

Eine derartige Verbreitung verdeutlicht das Ausmaß und die Bedeutung weiterer Forschung auf diesem Gebiet, besonders hinsichtlich der Ursachenforschung und Erarbeitung medizinisch-psychologischer Diagnosekriterien. Ob und in welchem Maße tatsächlich von einer massiv steigenden Tendenz die Rede sein kann, ist mit dem heutigen Kenntnisstand nicht allgemeingültig einzuschätzen.

Wann wird Computerspielen zur Sucht? – Faktoren, Konzepte und Phasen der Suchtentstehung

Gibt es eine Suchtpersönlichkeit? – Erklärungsansätze und Faktoren der Suchtentstehung

Seit etwa den 1950er Jahren stellte man sich in der Suchtforschung und der klinischen Psychologie die Frage, wie man einer Abhängigkeitsentstehung entgegenwirken könne. Naheliegenderweise verband man mit dieser Frage die Notwendigkeit der Ursachenforschung auf diesem Gebiet, mit der verschiedene Erklärungskonzepte einhergingen:

„Sind es eher die Menschen, die eine genetische Anlage dazu haben, einer allgemeinen Suchtpersönlichkeit beziehungsweise bestimmten psychischen Störungen oder schlechten psychosozialen Bedingungen in der Biographie, mit traumatischen Erfahrungen, unbefriedigten Sehnsüchten oder bedenkenlosem Risikoverhalten, sind sie Opfer oder/und Sündenböcke einer Suchtgesellschaft, der gesellschaftlichen Ungleichheit und Ausgrenzung, des zugespitzten Leistungswettbewerbs, einer unbefriedigenden Beziehung oder einer krankmachenden Familiendynamik, der Verführung durch andere Menschen oder durch die Werbung der Orientierungslosigkeit im Wertepluralismus oder der modernen Vernunftorientierung oder sind es die sensibleren, phantasievolleren, kreativeren und daher verletzlicheren Menschen?“[67]

Besonders die Frage nach der Existenz einer spezifischen Suchtpersönlichkeit, also nach einem bestimmten Persönlichkeitsprofil, das nachweislich eine besondere Neigung zur Entwicklung eines Abhängigkeitssyndroms aufweist, wird unter einem gewissen Teil der diesbezüglich forschenden Wissenschaftler bis heute diskutiert. Es existieren gegenwärtig verschiedene Standpunkte zu diesem Thema, eine Einigung ist in naher Zukunft nicht abzusehen.

Prof. Dr. KARL MANN, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. und Mitglied des Drogen- und Suchtrates der Bundesregierung, äußerte sich in einem Interview mit der Zeitschrift Psychologie heute folgendermaßen zu diesem Thema:

„Das Konzept einer ‚Suchtpersönlichkeit’ ist (…) reine Fiktion – so zeigen Suchtpatienten (…) das gesamte Spektrum der Persönlichkeits-eigenschaften wie der Rest der Bevölkerung auch. Bei den Abhängigen finden sich alle sozialen Schichten, Temperamente oder Altersstufen – junge oder ältere Arbeiter und Lehrer genauso wie Phlegmatiker oder Choleriker. Sucht ist unabhängig von Ausbildung oder sozialer Stellung: Unter Alkoholikern etwa finden sich prozentual ebenso viele Akademiker, Ärzte oder Psychologen wie Pfarrer oder Bierkutscher. Die ‚Suchtpersönlichkeit’ ist ein ursprünglich psychoanalytisches Konstrukt, das seit den 50er Jahren auch in der Suchttherapie eine Rolle spielte. Heute muss man davon ausgehen, dass [es] weder in der Forschung noch in der klinischen Praxis irgendwo bestätigt oder hilfreich gewesen wäre. Diesen Kenntnisstand könnte man in der Wissenschaft und der Öffentlichkeit am Anfang des neuen Jahrhunderts endgültig zur Kenntnis nehmen.“[68]

Unabhängig davon, ob jemals ein derartiger Persönlichkeitstyp nachgewiesen werden wird, gibt es jedoch bestimmte Hinweise auf Gemeinsamkeiten unter Süchtig-Gewordenen, vor allem hinsichtlich der Veränderung ihres Gefühls-, Erregungs- und Bewusstseinszustandes. Der Offenbacher Psychologe und Psychotherapeut WERNER GROSS sieht in jeder Abhängigkeitsentwicklung vor allem eine Flucht aus dem momentanen psychosozialen und lebensweltlichen Jetzt-Zustand des Betroffenen, die jedoch verschiedenartig gerichtet sein kann. Er differenziert diese Ausrichtung in „aufputschend, dämpfend oder halluzinogen. [Den] Hintergrund für das wiederholte Aufsuchen dieser Zustände [sieht er] fast immer [in einem] schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl, [dass] durch eine Vielzahl von seelischen Verletzungen oder Defiziten, die sich im Laufe der Entwicklung eines Menschen ansammeln und kumulieren, [entsteht].“[69] Er benennt ferner acht Faktoren, die die Herausbildung von abhängigem Verhalten beeinflussen (vgl. GROSS, 2003, S.257-260):

Genetische Faktoren

In der Zwillingsforschung und durch ethnographische Vergleiche konnte nachgewiesen werden, dass selbst genetisch verwandte Menschen eine unterschiedliche Anfälligkeit zur Entwicklung abhängigen Verhaltens aufweisen. So wiesen z.B. Orientale vielfach eine deutlich höhere Alkoholsensibilität auf als Europäer, was als ‚natürlicher Schutz’ gegen Suchtentwicklung interpretiert werden kann. Da dieser Faktor vorrangig im Kontext wirkstoffgebundener Süchte zu nennen ist, ist er im Hinblick auf das Themenfeld mediengebundener Abhängigkeit kaum von Bedeutung.

Konstitutionelle Faktoren

Unter Konstitution ist im medizinisch-psychologischen Sinne die Gesamtheit aller morphologischen, physiologisch-biochemischen sowie psychologischen Merkmale eines Menschen, kurz also seine somatischen Gegebenheiten, zu verstehen. Verschiedene – vor allem traditionelle – Psychiater sehen die Existenz eines ‚vererbbaren konstitutionellen Faktors’ für gegeben, der sich (…) auch im zentralen Nervensystem niederschlägt. Im Kontext mediengebundener

Abhängigkeit könnten diesbezüglich etwa vererbbare Schädigungen bestimmter Nervenzentren und Gehirnregionen (z.B. die des so genannten „Belohnungs-systems“) von Bedeutung sein[70].

Frühkindliche Situation

Vor allem psychoanalytische Autoren sehen in der frühkindlichen seelischen Entwicklung einen bedeutsamen Faktor der Abhängigkeitsentstehung im späteren Jugend- bzw. (frühen) Erwachsenenalter. Die Vernachlässigung des Kindes in den ersten Lebensjahren führt unter anderem zum Phänomen der oralen Gier, was sich in einem ‚verschlingenden Weltbezug’, also in einer übermäßigen Konsumorientierung, emotionaler und materieller Unersättlichkeit oder in stetigem Eroberungsdrang, äußert. Weiterhin spielt das so genannte narzisstische Defizit eine nicht unerhebliche Rolle: es beschreibt das Verlangen des Jugendlichen oder Erwachsenen, das Gefühl innerer Leere, Bedeutungslosigkeit und Selbstverachtung durch suchtartiges Verhalten zu betäuben oder es vollends zu verdrängen.

Familientradition

Eine zentrale Bedeutung nehmen innerfamiliäre Sozialbeziehungsstrukturen und die durch diese vermittelten Werte, Handlungs- und Problemlösungs-möglichkeiten ein. Wenn Menschen in ihrer Familie nicht lernen, unabhängig zu werden und Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen, kann das zu einer süchtigen Entwicklung führen.

Konfliktlösungsmechanismen der Eltern werden von den Kindern mittels Modell-Lernen übernommen. Wenn dem Kind also bereits in jungen Jahren von den Eltern gezeigt wird, dass Alkoholkonsum oder die Flucht in exzessives Essen oder Arbeiten als Problemlösung taugen, ist es sehr wahrscheinlich, dass es dieses Verhalten im Verlauf des eigenen Heranwachsens ebenfalls ausprobiert bzw. nachahmt. Im Kontext der Computerspielsucht sei hier besonders auf die Demonstration von Gewaltanwendung als Konflikt’lösung’ verwiesen.

Peer-Group

„Unter ‚Peer-Group’ versteht man die Bezugsgruppe der Gleichaltrigen, deren Normen man übernimmt.“ Ihre Bedeutung für die psychosoziale Entwicklung des Menschen ist enorm. Besonders im Jugendalter und der damit verbundenen Zeit der Ablösung aus dem Normensystem des Elternhauses ist sie eine zentrale Orientierungsinstanz für das eigene Verhalten. „Wenn in diesen Peer-Groups der süchtige Umgang mit Drogen als positiv angesehen wird bzw. süchtige Verhaltensweisen als erstrebenswert dargestellt werden, beeinflusst das mitunter die Suchtkarriere.“

Besonders auch im Hinblick auf Computerspielsucht ist das Verhalten der Gleichaltrigen von entscheidendem Rang im Prozess der Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion: Wenn ein Großteil der Kontakte im Freundes- und Bekanntenkreis selbst exzessiv Computerspiele spielt, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Betroffene ein ähnliches Verhalten an den Tag legt. Er erfährt durch sein Spielen Kompetenzbestätigung von Seiten des Spiels und durch die Legitimierung und anerkennende Rückmeldung der Peer-Group auch Bestätigung von außen.

Kritische Lebensereignisse

Hier spielen vor allem Ereignisse im Bereich strukturgebender Tätigkeiten wie Arbeit, Schule, etc. eine Rolle, so beispielsweise Stress, Entlassung, Unter- und Überforderung oder das Verrichten von als sinnlos empfundenen Arbeiten. Im privaten Bereich beeinflussen vor allem emotionale strukturverändernde Ereignisse, wie z.B. Scheidung oder Trennung, die Neigung zu abhängigem Verhalten. Auch die einschneidende Erfahrung, Opfer sexuellen Missbrauchs oder gar sexueller Gewalt geworden zu sein, äußert sich nicht selten in einer späteren Suchtentwicklung. Im Hinblick auf Computerspielsucht wird hier ein klarer Bezug zu Flucht- und Ersatzhandlungen erkennbar: berufliche Unter- oder Überförderung kann im virtuellen Rahmen auf die eigenen Fähigkeiten oder Bedürfnisse angepasst werden, erfahrene Geringschätzung lässt sich im Spiel durch fähiges Vorgehen und die damit verbundenen Erfolge kompensieren. Opfern sexuellen Missbrauchs hingegen dient die Entwicklung eines Abhängigkeitsverhaltens eher als – leider oft missverstandene – Strategie, dem sozialen Umfeld den Wunsch anzuzeigen, sich über ihre tragischen Erfahrungen mitzuteilen.[71]

Kulturelle Bedingungen

Inwieweit abhängiges Verhalten in Kultur und Gesellschaft toleriert wird, hängt von der Art und dem Grad der Suchtentwicklung sowie von der Zugänglichkeit des Suchtmediums ab. So ist z. B. Alkohol (und teilweise auch Haschisch) in weiten Teilen westlicher Zivilisationen durchaus als ‚gesellschaftliche Schmiermittel’ geduldet und hat darüber hinaus sogar wirtschaftlich-gewerbliche Bedeutung. Doch auch im Bereich nichtstoffgebundener Abhängigkeit ist dieser Faktor von entscheidender Bedeutung. So verkompliziert die fortschreitende Technisierung und Medialisierung in den westlichen Industrienationen zusehends die Festsetzung eines objektiven Grenzwertes, ab dem man von der Herausbildung medienabhängigen Verhaltens sprechen kann. Die zunehmende Medienkompetenz Jugendlicher wird im Hinblick auf die Befähigung der jungen Generation für zukünftige berufliche Laufbahnen vorwiegend gern gesehen; der Übergang von funktionalem zu dysfunktionalem Mediennutzungsverhalten verschwimmt damit jedoch ebenso.

Lebensstil

Unter dem Begriff des Lebensstils ist im eigentlichen Sinne kein eigenständiger Faktor zu verstehen. Er beschreibt vielmehr eine Art Essenz der bisher genannten Faktoren. Das bedeutet, dass die Kombination aus individuellen Erfahrungen, Kompetenzen, Erlebnissen, Rückmeldungen, Traditionen, Werten, Zielen, Präferenzen, usw. zu einem individuellen Sinnmodell, dem Lebensstil, zusammengefasst werden. Je nach Ausprägung, Fortschritt und Beschaffenheit dieses Konglomerats erfolgt dann intrapersonal die Be- oder Verurteilung von degenerativen exzessiven Verhaltensweisen, wie etwa die der stofflichen oder nichtstofflichen Abhängigkeit.

Es erscheint also sinnvoll, diese acht Faktoren weniger als Diagnoseindikatoren eines eigenständigen Suchtpersönlichkeitstypus im Rahmen einer psychologisch-diagnostischen Anamnese, sondern vielmehr als grundlegende Bestandteile einer jeden Suchtentwicklung zu begreifen. Bezug nehmend auf LOVISCACHs Frage nach den weiteren Entstehungsbedingungen ist es ein Kernpunkte der heutigen Ursachenforschung, die Multikausalität in der Entstehungsdynamik zu berücksichtigen und das Wechselspiel der beteiligten Faktoren näher zu beleuchten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.3.2.a. Modell der Einflussbereiche bei der Suchtentstehung (frei nach DIETER LADEWIG)

Die Trias der Suchtentstehungsursachen

Zur Veranschaulichung der Entstehungsdynamik und der Wechselwirkung zwischen den beteiligten Systemen gibt es eine Vielzahl an Erklärungsmodellen, die sich meist nur durch partielle Abweichungen voneinander unterscheiden. Eines der bis heute bedeutsamsten und in der Fachwelt anerkannten Konzepte ist die Trias der Entstehungsursachen der Drogenabhängigkeit nach DIETER LADEWIG[72] (vgl. Abb. 2.3.2.a). Es umfasst die diesbezüglich relevanten drei Instanzen bzw. Einflussbereiche:

Individuum, Sozialfeld und Suchtmedium. Die Schnittmenge dieser Bereiche entspricht den Entstehungsbedingungen einer Abhängigkeitssymptomatik, also anteilsmäßig den suchtbegünstigenden Faktoren der jeweils zugehörigen Instanzen. Im Zentrum dieser Schnittmenge steht folglich die Suchtdynamik selbst (siehe Abschnitt „Die Phasen der Abhängigkeitsentwicklung“).

Anhand dieses Modells seien im Folgenden zunächst die Charakteristika der einzelnen Instanzen bzw. Bereiche erläutert.

Individuum

Seit Anbeginn der Menschheit neigen wir dazu, unsere Befindlichkeit und vor allem unsere Leistungsfähigkeit zu beeinflussen. In erster Linie sehnen wir die Verstärkung angenehmer euphorisierender Zustände herbei, wozu wir seit jeher auch psychotrope, also die Psyche des Menschen beeinflussende, Substanzen gebrauchen. Das sinnliche Gefühl der Harmonie mit uns und unserer sozialen wie gegenständlichen Umwelt sowie die Einheit von Gedanken und Handlungen haben zur Folge, dass wir in diesen Zuständen auch besonders stressresistent und damit, zumindest subjektiv, leistungsfähiger sind.

Noch heute dienen uns, abhängig von Milieu und Kulturkreis, verschiedenste ‚Alltagsdrogen’ für diese Zwecke: der belebend-anregende Kaffee, die stimmungsaufhellende Schokolade, der beruhigende Hopfen, der enthemmende Alkohol.

In welcher Art und Weise jeder von uns auf derartige Stoffe reagiert, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die Ladewig in der Instanz des Individuums zusammenfasst. Dieser Einflussbereich beschreibt den Menschen, also in unserem Fall etwa den Computerspieler, inklusive seiner Persönlichkeits-eigenschaften und Erbanlagen, seiner Lebensgeschichte und aller sonstigen individuellen psychologischen, psychogenetischen und somatischen Gegebenheiten.

Einer der entscheidendsten Bestandteile dieses Ursachenbereichs sind die Sozialisation des Individuums und hierbei insbesondere Erfahrungen aus dem sozialen Milieu in der frühen Kindheitsphase und der sexuellen sowie kognitiven Entwicklung[73]. Dabei beeinflussen vor allem die Entwicklungs-bedingungen in der eigenen Familiengeschichte – wie etwa der Umgang mit Konflikten (z.B. konstruktiv-offene Lösung, Umgehen, Totschweigen), aber auch Erfahrungen wie Frustration (z.B. bei Leistungsversagen) oder Uneindeutigkeit (z.B. unterschiedliche Bewertung der selben Handlung durch ein Elternteil) – das Repertoire der Problemlösungsstrategien im Jugend- und Erwachsenenalter. Darüber hinaus spielen der Erwerb individueller Fähigkeiten zum Aufbau und Erhalt von Freundschaften und (Liebes-)Beziehungen sowie die Entwicklung einer kreativen und zufriedenstellenden Lebensgestaltung eine wichtige Rolle.

Die aus nachteiligen Sozialisationsbedingungen resultierende geringe Ausprägung des Selbstwertgefühls ist daher – neben der damit verbundenen (und zumeist lediglich subjektiv empfundenen) sozialen Handlungsinkompetenz – eine der einflussstärksten Ursachen bezüglich der Anfälligkeit zur Entwicklung einer Abhängigkeitssymptomatik.

[...]


[1] Vgl. Fritz, Jürgen: Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele? Macht, Herrschaft und Kontrolle faszinieren und motivieren. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, S. 10 – 24, S. 15.

[2] Fritz, Jürgen: Computerspiele – logisch einfach, technisch verwirrend, sozial komplex. Was unter Computerspielen verstanden und wie mit ihnen umgegangen wird. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM, S. 3.

[3] Fritz (Anm.1), S. 24.

[4] Vgl. Cypra, Olgierd: Warum spielen Menschen in virtuellen Welten? Eine empirische Untersuchung zu Online-Rollenspielen und ihren Nutzern. Mainz 2005. http://www.staff.uni-mainz.de/cyprao/arbeit.html (Kurzfassung der empirischen Untersuchungsergebnisse: http://www.staff.uni-mainz.de/cyprao/kurz.html) (Stand 13.04.2008).

[5] Vgl. te Wildt, Bert Theodor: Pathololigical Internet Use: Abhängigkeit, Realitätsflucht und Identitätsverlust im Cyberspace. In: Andreas Lober (Hrsg.): Virtuelle Welten werden real. Second Life, World of Warcraft & Co: Faszination, Gefahren, Business. Hannover 2007, S. 68-77, S. 69-71.

[6] Höschen, Dirk: „In jedem steckt ein Held“ oder MMORPGs. In: Winfred Kaminski / Martin Lorber (Hrsg.): Clash of Realities. Computerspiele und soziale Wirklichkeit. München 2006, S. 133-145, S. 144.

[7] Fritz, Jürgen: Im Sog der Computerspiele. Vorurteile und Erkenntnisse über Vielspieler. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM.

[8] Jacob, Thomas & Markus, Hartmann: Eine Frage des Charakters –Rollenspiele am PC. In: MERZ 2 (2003), S.177 -179.

[9] Kaminski, Winfred: Stoffe aus denen Computerspiele sind. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM, S. 1-2.

[10] Vgl. Wages, Richard u. a.: Benutzerführung und Strukturen nichtlinearer Geschichten. In: Britta Neitzel / Rolf Nohr / Matthias Bopp (Hrsg.): “See? I´m real” Multidisziplinare Zugänge zum Computerspiel am Beispiel Von Silent Hill. München 2005, S. 41-59, S. 44-48.

[11] Vgl. Neitzel, Britta.: Wer bin ich? Thesen zur Avatar-Spieler Bindung. In: Britta Neitzel / Rolf Nohr / Matthias Bopp (Hrsg.): “See? I´m real” Multidisziplinare Zugänge zum Computerspiel am Beispiel Von Silent Hill. München 2005, S. 193-212, S. 205.

[12] Vgl. Höschen (Anm. 7), S. 142-143.

[13] Vgl. Blizzard Entertainment, www.warcraft.de (Stand 12. April 2008).

[14] Vgl. Schmitz, Tobias: MMORPGs heute und morgen: World of Warcraft forever?. In: Andreas Lober (Hrsg.): Virtuelle Welten werden real. Second Life, World of Warcraft & Co: Faszination, Gefahren, Business. Hannover 2007, S. 21-32.

[15] Vgl. Ibrahim, Shahieda: ig ist anders als RL. Spieler des MMORPGs „Ultima Online“ über das Leben im Spiel und außerhalb. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM, S. 3.

[16] Vgl. Wages (Anm. 12), S. 47-48.

[17] Vgl. Ibrahim (Anm. 18), S. 8 – 9.

[18] Vgl. Höschen (Anm. 7), S. 143.

[19] Vgl. Höschen (Anm. 7), S. 139.

[20] Vgl. Ebd., S. 141.

[21] Vgl. Schmitz, Tobias: Faszination Rollenspiel. In: Andreas Lober (Hrsg.): Virtuelle Welten werden real. Second Life, World of Warcraft & Co: Faszination, Gefahren, Business. Hannover 2007, S. 47-50.

[22] Vgl. Ibrahim (Anm. 18), S. 6-7.

[23] Vgl. Fritz, Jürgen: Ich chatte, also bin ich. In: Jürgen Fritz / Wolfgang Fehr (Hrsg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, CD-ROM, S. 12.

[24] Vgl. Ibrahim (Anm. 18), S. 10.

[25] Vgl. Fritz, (Anm. 26), S. 11.

[26] Vgl. te Wildt (Anm. 6), S. 72.

[27] Höschen (Anm. 7), S. 143.

[28] Dieses vielschichtige und komplexe Thema an dieser Stelle nicht hinreichend bearbeitet werden. Erste vertiefende Hinweise findet sich aber in: Fromme, Johannes: Zwischen Immersion und Distanz Lern- und Bildungspotenzial von Computerspielen. In: Winfred Kaminski / Martin Lorber (Hrsg.): Clash of Realities. Computerspiele und soziale Wirklichkeit. München 2006, S. 177- 209.

[29] Huizinga,J.: „Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel“, Rowohlt Verlag, 1939/1994

[30] vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens#Potential_des_Spiels

[31] Cypra,O.: „Warum spielen Menschen in virtuellen Welten? – Eine empirische Untersuchung zu Online-Rollenspielen und ihren Nutzern“, Mainz, 2005; abgerufen am 07.04.2009 unter: http://www.staff.uni-mainz.de/cyprao/diplom-arbeit.pdf

[32] Fritz,J.: „Ich chatte, also bin ich. Virtuelle Spielgemeinschaften zwischen Identitätsarbeit und Internetsucht“, 2OO3a; ln: Fritz,J.,Fehr,W.(Hrsg.): „Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten.“, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 2003; abgerufen am 21.03.2009 unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/14FRITZ.PDF

[33] Kübler,H.D.: „Leben mit der Hydra. Die Medienwelten von Kindern und Jugendlichen“, abgerufen am 21.03.2009 unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/ 04KUEBL.PDF

[34] Süss,D.: „Mediensozialisation von Heranwachsenden. Dimensionen – Konstanten – Wandel“, Verlag für Sozialwissenschaften, Zürich, 2004

[35] Kraus,W.: „Vom Identitätspanzer zur Patchwork-Identität“, Berlin 2003; abgerufen am 22.03.2009 unter: http://www.ipp-muenchen.de/texte/tops.pdf

[36] Adamowsky,N.: „Spielfiguren in virtuellen Welten“, S.13, Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2000

[37] Fromme,J.: „Zwischen lmmersion und Distanz: Lern- und Bildungspotenziale von Computerspielen.“, 2006; ln: Kaminski,W., Lorber,M.: „Clash of Realities. Computerspiele und soziale Wirklichkeit.“, Kopead Verlag, München, 2006, S. 177-211

[38] Sleegers,H., Pohlmann,J.: „Der Computer als Lehrer. Was Edutainmentsoftware verspricht und was sie halten kann.“; abgerufen am 13.04.2009 unter: http://www.bpb.de/themen/ J2QMAW,0,0,Der_Computer_als_Lehrer.html

[39] Fritz,J.: „Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele?“, 2003b, S.18, abgerufen am 02.03.2009 unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/17fritz.pdf

[40] Fritz,J.: „Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele?“, 2003b, S.2, abgerufen am 02.03.2009 unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/17fritz.pdf

[41] Dominanz bezeichnet die Vorherrschaft eines Machtträgers in einer sozialen Beziehung, und zwar in der Art, dass andere Beteiligte von ihm unfreiwillig abhängig oder ihm unterworfen sind.

[42] Fritz,J.: „Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele?“, 2003b, S.7, abgerufen am 02.03.2009unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/17fritz.pdf

[43] Schlüsselqualifikationen bezeichnen überfachliche, zur Handlung – beziehungsweise hier zur Kontrollübernahme – befähigende, Qualifikationen auf kognitiver wie affektiver Ebene. Wichtige Bestandteile sind Methoden-, Handlungs- und Regelkompetenz, aber auch die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion. Schlüsselqualifikationen sind demnach nicht als Fachwissen, sondern als „Befähiger“ zum kompetenten Umgang mit diesem zu verstehen.

[44] Unter dem Begriff des Avatars ist eine künstliche Person oder ein grafischer Stellvertreter einer echten Person in einem virtuellen Szenario zu verstehen. Der Spieler lenkt ihn stellvertretend für sich durch die virtuelle Welt des Computerspiels.

[45] Fritz,J.: „Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele?“, 2003b, S.11, abgerufen am 02.03.2009 unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/17fritz.pdf

[46] Der Pragmatismus ist eine philosophische Grundhaltung, die sich neben der Erkenntnis und der Wahrheitsbildung besonders mit in einer Lebenswelt ausgeführten Handlungen auseinandersetzt. Die Trennung zwischen der körperlich-realen Welt und der geistig-abstrakten Welt wird abgelehnt. Befürwortet wird hingegen die Einstellung, die geistigen Fähigkeiten des Menschen als Möglichkeit zur Erfassung und nutzbringenden Gestaltung der Welt zu verwenden.

[47] Der Begriff der Semantik bezeichnet allgemeinhin die Lehre von der Bedeutung von Zeichen in einem System, hier also beispielsweise die Bedeutung und Funktion von Objekten in einem Spiel.

[48] Fritz,J.: „Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele?“, 2003b, S.12, abgerufen am 02.03.2009 unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/17fritz.pdf

[49] Der Begriff des Syntax beschreibt eine formale Ordnung oder auch einen formalen beziehungsmäßigen Zusammenhang zwischen den Bestandteilen (z.B. Zeichen oder Symbole) eines Systems.

[50] Fritz,J.: „Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele?“, 2003b, S.12, abgerufen am 02.03.2009 unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/17fritz.pdf

[51] Als Level wird gemeinhin ein Teilabschnitt eines Spiels genannt, das einen in sich abgeschlossenen Handlungsrahmen enthält, also beispielsweise eine Mission mit bestimmten Zielsetzungen an den Spieler.

[52] Fritz,J.: „Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele?“, 2003b, S.14, abgerufen am 02.03.2009 unter: http://www.staff.uni-marburg.de/~feldbusc/page12/files/17fritz.pdf

[53] Dynamik, beschreibt in diesem Zusammenhang das Zusammenspiel von inneren Konflikten und strukturellen Bedingungen wie etwa Selbstwahrnehmung oder Selbststeuerung.

[54] Young,K.S.: „Caught in the Net – Suchtgefahr Internet“, 1999, Kösel Verlag, München

[55] Der Begriff der Neuen Medien beschreibt seit der Mitte der 1990er Jahre eine Vielzahl elektronischer, digitaler und interaktiver Medientechniken. Heute werden damit vor allem Medien bezeichnet, die zur Übermittlung digitaler Daten dienen und vorwiegend interaktiven Charakter haben. Häufig wird der Begriff im Zusammenhang von Unterhaltungs- und Telekommunikationsmedien wie dem Internet, DVDs oder Mobiltelefonen verwendet.

[56] Kulturpessimismus bezeichnet eine Geisteshaltung, die gegenwärtigen Tendenzen und Entwicklungen skeptisch bis ablehnend gegenüber steht. Kulturpessimisten legen bestimmte Zeiterscheinungen (oder Trends) als Zeichen des Niedergangs von Zivilisation, Kultur oder einer bestimmten Ordnung aus. Im Zusammenhang mit Neuen Medien bedeutet Kultur-pessimismus meist eine Ablehnung dieser Technologien unter Verweis auf deren negative Auswirkungen, so z. B. auf Bildung, Kultur oder Gesellschaft.

[57] Das bedeutsamste international anerkannte Klassifikationssystem ist das ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation WHO. Zusätzlich existiert in den Vereinigten Staaten (USA) das DSM-IV.

[58] Man unterscheidet stoffgebundene und nicht-stoffgebundene bzw. stoffungebundene Abhängigkeit. Die Spezifizierung bezieht sich auf das Vorhandensein und Wirken eines in den Organismus des Betroffenen eingreifenden Suchtmittels bzw. Suchtstoffs (z. B. Heroin). Nicht-stoffgebundene Abhängigkeit basiert zwar ebenso auf einem, das abhängige Verhalten verursachenden, Auslöser; da dieser jedoch nicht in Form eines chemischen Stoffes in die Wirkweise des Organismus eindringt, ist die offizielle Einstufung der Verhaltenssucht als eigenständige Form des Abhängigkeitssyndroms umstritten.

[59] Der Begriff des Affekts beschreibt in der Psychologie eine heftige Gemütserregung. Man unterscheidet positive von negativen Affekten. Positive Affekte sind etwa Sympathie oder Annäherungsverhalten; Missbilligungs- oder Vermeidungsverhalten seien hingegen als negative Affekte genannt. Im Kontext der Toleranzentwicklung bei nicht-stoffgebundener Abhängigkeit bezeichnen negative Affekte beispielsweise Verhaltensweisen zur Stressvermeidung. Der Spieler ist also verhindert, Stresssymptome seines Körpers selbst wahrzunehmen bzw. zu erleben.

[60] Flow bezeichnet in der Psychologie das Gefühl völligen Einsseins mit einer ausgeführten Handlung, vergleichbar einem Schaffensrausch. Der Spieler empfindet dieses Flow-Gefühl in Situationen idealen Gefordertseins, also dem Zustand zwischen Unter- und Überforderung. Der Begriff Kick beschreibt eine rauschhafte euphorische Erregung. Im Kontext stoffgebundenen Drogenkonsums steht der Begriff für das Gefühl des Konsumenten während des Einsetzens der Rauschwirkung.

[61] Craving ist ein aus dem Englischen übernommener medizinischer Fachbegriff (engl.: Begierde, Verlangen). Er beschreibt das kontinuierliche und nahezu unbezwingbare Verlangen eines Suchtkranken nach dem Suchtmedium, also bei stoffgebundener Abhängigkeit nach dem Wirkstoff oder adäquat bei stoffungebundene Abhängigkeit nach der spezifischen Tätigkeit. Das Craving stellt die entscheidende Phase in der Abhängigkeitsdynamik dar und findet auf gefühlsmäßiger, körperlicher und/oder gedanklicher Ebene statt. Auslöser sind vielfach Schlüsselreize. Die Befriedigung dieses Dranges sollte nach dem Empfinden des Abhängigen möglichst umgehend erfolgen, da sonst stark unangenehme körperliche Begleiterscheinungen auftreten (können).

[62] Eine derartige Beschränkung von Sozialkontakten weist deutliche Parallelen zum Verhalten stoffgebundener Abhängiger, beispielsweise einem Heroinabhängigen, auf. So entspricht eine Person, die die Spielleidenschaft des Betroffenen toleriert, funktional einem Co-Abhängigen. Der Spieler selbst und die Personen, die ebenso exzessiv spielen, kommen in ihrer Funktion einem Junkie nahe. Personen, die dem Spieler bei der Fortsetzung seines Verhaltens dienlich sein kann, repräsentiert die Funktion eines Drogen-Dealers, mit dem Unterschied, dass in diesem Fall selbstverständlich legale autorisierte Softwarehändler gemeint sind. Der Abbruch von Beziehungen zu Personen, die nicht mit der Sucht bzw. ihrem Umfeld in Verbindung stehen, ist ebenfalls typisch für Abhängigkeitserkrankungen.

[63] Albrecht,U., Grüsser,S.M., Thalemann,C.: „Exzessive Computernutzung im Kindesalter: Ergebnisse einer psychometrischen Erhebung“ in: Wiener Klinische Wochenschrift 117, S.188-195, Springer, Wien, 2005

[64] Rehbein,F., Kleimann,M., Mößle,T.: „Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter“, Forschungsbericht Nr.108 des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen e.V., Hannover, 2009; abgerufen am 19.3.2009 unter: http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fb108.pdf

[65] Fisher,S.: „Identifying video game addiction in children and adolescents“ in: Addictive Behaviors, Vol.19-5, S.545-553, Elsevier, Oxford, 1994

[66] Whang,L., Lee,S., Chang,G.: „Internet Over-Users’ Psychological Profiles: A Behavior Sampling Analysis on Internet Addiction“, in: CyberPsychology & Behavior 6, S.143-150, 2003

[67] Loviscach,P.: „Genese der Sucht“ in: Stimmer,F.: „Suchtlexikon“, 1999

[68] Auszug aus einem Interview der Zeitschrift "Psychologie heute" mit Prof. Dr. Karl Mann, abgerufen am 25.03.2009 unter: http://zima04.zi-mannheim.de/zi_info_1-20/1_20_3.htm

[69] Gross,W.: „Sucht ohne Drogen“, S.257, Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2003

[70] Im Kontext der Suchtentstehung ist vor allem der Nucleus accumbens, eine der bedeutsamsten Gehinregionen des so genannten „Belohnungssystems“, von Bedeutung. Dort befinden sich die Dopaminrezeptoren (Typ D2), die durch Stimulation die Ausschüttung körpereigener Morphine (Enkephaline) bewirken, was sich im subjektiven Erleben zum Beispiel als Glücksgefühl äußert.

[71] "Suchtverhalten ist eine Überlebensstrategie wie jede andere Folgeerscheinung sexuellen Missbrauchs. Das Suchtmittel wird genommen, um sich zu betäuben, zu entspannen und abzulenken. Es dient dazu, das Erlebte und die damit verbundenen unerträglichen Gefühle zu verdrängen" (Claudia Bommert, 1993, 94). Die durch den Sexuellen Missbrauch verursachte Traumatisierung führt zur Verletzung oder Zerstörung der Integrität in körperlichen, geistigen oder seelischen Bereichen und drückt sich häufig in Verhaltensauffälligkeiten und psychosomatischen Erkrankungen aus. Aufgrund des Schweigegebotes durch den Täter, haben Opfer häufig nicht die Möglichkeit über die Traumatisierung zu sprechen und wollen mit Hilfe von Symptomen und versteckten Signalen zu verstehen geben, dass sie Hilfe brauchen. Diese Reaktionen sind wichtige Überlebensstrategien, werden aber von Außenstehenden häufig nicht erkannt oder als destruktiv und störend erlebt (Britta Woltareck, 1994, 69f.).“ [= Auszug aus einem Text von Angela May, abgerufen am 01.04.2009 unter: http://www.praevention.org/suchtentwicklung.htm ]

[72] Ladewig,D. u.a.: „Drogen unter uns. Medizinische, psychologische und juristische Aspekte des Drogenproblems unter Berücksichtigung des Alkohol- und Tabakkonsums“, München, 1979

[73] Der sozialwissenschaftliche Begriff der Sozialisation umfasst die Persönlichkeits-entwicklung des Menschen durch seine Interaktion mit der sozialen und materiellen Umgebung, was die Annahme oder Ablehnung der erlebten gesellschaftlichen Werte und Normen zur Folge hat. Sozialisationsprozesse bewirken, dass das Individuum seinen Platz in der Gesellschaft findet sowie seine eigene soziale Identität ausbildet. Eine „erfolgreiche Sozialisation“ ist daher immer von den Norm- und Wertvorstellungen der jeweiligen Umgebung (soziales Milieu) abhängig und ist somit kein objektives Kriterium.

Ende der Leseprobe aus 245 Seiten

Details

Titel
Zocken bis der Arzt kommt - Ursachen und Symptome der Computerspielsucht
Autoren
Jahr
2014
Seiten
245
Katalognummer
V267231
ISBN (eBook)
9783656585206
ISBN (Buch)
9783956871160
Dateigröße
1817 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zocken, arzt, ursachen, symptome, computerspielsucht
Arbeit zitieren
Stephan Happel (Autor:in)Patrick Hentschke (Autor:in)Kristina Striegl (Autor:in)Lena Worobiewa (Autor:in), 2014, Zocken bis der Arzt kommt - Ursachen und Symptome der Computerspielsucht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267231

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