Wahrheitskommissionen und ihre friedensstiftende Funktion

Analyse der Bedingungen und Wirkungen der Kommissionstätigkeit nach der Transition am Beispiel von El Salvador und Argentinien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

39 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die zunehmende Bedeutung von Wahrheitskommissionen bei der Konfliktbearbeitung im Politikfeld Transitional Justice
1.1. Transitional Justice und das Instrument der Wahrheitskommission
1.2. Wahrheitsfindung und Friedensstiftung
1.3. Neue Herausforderungen und Perspektiven für das Mandat von Wahrheitskommissionen

2. Analyse der Wahrheitskommissionen von El Salvador und Argentinien
2.1 Operationalisierung des Analyseinstruments
2.2 Anwendung des Kategorienrasters auf die Wahrheitskommission in El Salvador
2.3 Anwendung des Kategorienrasters auf die Wahrheitskommission in Argentinien
2.4. Die Wahrheitskommissionen von El Salvador und Argentinien im Vergleich

3. Analyse der friedensstiftenden Funktion der Kommissionsarbeit in Argentinien und El Salvador nach Hayner

4. Schlussbemerkungen

5. Literaturverzeichnis

1. Die zunehmende Bedeutung von Wahrheitskommissionen bei der Konfliktbearbeitung im Politikfeld Transitional Justice

1.1. Transitional Justice und das Instrument der Wahrheitskommission

In der politischen Wissenschaft und der sozial- und rechtswissenschaftlichen Forschung steht der Begriff Transitional Justice für eine Vielzahl von Ansätzen zur Transformation von Staaten und Gesellschaften nach Kriegssituationen und anderen extremen Gewaltsituationen, bei denen es um die Aufarbeitung von extremen Menschenrechtsverletzungen und Massengewalt geht. Das ICTJ International Center for Transitional Justice beschreibt mit Transitional Justice alle Maßnahmen und Instrumente, die dazu dienen, Hinterlassenschaften massiver Menschenrechtsverletzungen zu be- und zu verarbeiten. Dabei geht es nicht darum, eine besondere Art von Gerechtigkeit zu schaffen, sondern um einen Ansatz, um Gerechtigkeit in Zeiten des Übergangs zu entwickeln und um eine Gesellschaft aus einer konkreten Konfliktsituation oder aktueller staatlicher Repression zu begleiten (vgl. ICTJ 2009: 1f.). Die Handlungsansätze und Instrumente von Transitionsprozessen sind auf individueller, gesellschaftlicher und politischer Ebene darauf gerichtet, die Folgen von Unrecht und Gewalt nachhaltig zu verarbeiten und zu überwinden. Ziel ist es, ein neues, friedliches, gesellschaftliches Miteinander zu ermöglichen, zu entwickeln und zu gestalten. „Transitional justice, however, is not a contradiction of criminal justice. It is a convenient way of describing the search for a just society in the wake of undemocratic, often oppressive and even violent systems“ (Boraine 2006: 18). Transitional Justice steht dabei für den politischen Auftrag und eine Vielzahl konkreter Maßnahmen, die in einer zeitlich begrenzten Transitionsphase umgesetzt werden sollen. Dazu gehören z.B. die Strafverfolgung von Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen durch internationale, nationale oder gemischte Strafkammern, die Reform staatlicher Institutionen wie Justiz und Polizei, Opferentschädigungen, Amtsenthebung von Funktionsträgern, Dokumentation- und Trauerarbeit, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit und die Einrichtung und Funktion von Wahrheitskommissionen, die in der vorliegenden Arbeit näher analysiert werden sollen (vgl. Zupan 2011: 1f.).

Ein Schwerpunkt der Transitional Justice in der Forschung, der Anwendung und der Begleitung von konkreten Transitionsprozessen liegt auf dem Instrument der Wahrheitskommissionen. Als richtungsweisend für eine international anerkannte und effektive Transitional Justice gelten die ersten lateinamerikanischen Wahrheitskommissionen, insbesondere die argentinische CONADEP (Comisión Nacional sobre la Desaparición de Personas) und die chilenische Rettig-Kommission. Diese haben die Errichtung späterer Kommissionen, die Transitional-Justice-Forschung und die Definition von Einrichtung und Aufgaben einer Wahrheitskommission maßgeblich beeinflusst (vgl.: Anne 2013: 12). Gerade wenn Verbrechen wie Entführung, Folter, Mord und andere schwere Menschenrechtsverletzungen wie in den genannten lateinamerikanischen Ländern von Militärdiktaturen, also von staatlichen Institutionen begangen werden, ist die Aufarbeitung erst nach dem Übergang zur Demokratie möglich. Die Institutionen, Machtverhältnisse und das Justizwesen bleiben in der Übergangsphase aber oft noch erhalten und behindern eine Strafverfolgung und die Verurteilung der Verbrechen. Es besteht auch die Gefahr, dass die Aufarbeitung und Bestrafung durch Amnestiegesetze blockiert werden und sich Täter wieder in Position bringen können. In diesen Extremsituationen zwischen Aufklärung – Bestrafung und Verschweigen – Straffreiheit sollte das Instrument Wahrheitskommission zur Vergangenheitsbewältigung beitragen und Zeit gewinnen bis weitere notwendige Strukturen für einen umfassenden Transitionsprozess aufgebaut sind. So hat sich die Errichtung von Wahrheitskommissionen in den letzten Jahrzehnten zu einem weit verbreiteten Instrument der Vergangenheitspolitik etabliert. „Truth commissions, as I will call them generically, are bodies set up to investigate a past history of violations of human rights in a particular country – which can include violations by the military or other government forces or by armed opposition forces” (Hayner 1994: 600).

Die Erwartungen, die Opfer und Angehörige von Opfern an eine Wahrheitskommission haben, sind sehr hoch. Es wird mehr erwartet als Aufklärung, Erschließung und Dokumentation der begangenen Verbrechen. Der Kommission wird zugetraut, durch Ihre Tätigkeit auf staatliche Stellen Einfluss zu nehmen, den Demokratisierungsprozess zu fördern, den Opfern zu helfen, Täter zu ermitteln und zu bestrafen und gesellschaftliche Spannungen abzubauen. „A truth commission can play an important role in a transition, either by affirming a real change in the human rights practices of the government and a respect for the rule of law in the country, or by helping to legitimize or strengthen the authority and popularity of a new head of state, or both” (ebd.: 608).

Auch für die Täter erscheint die Arbeit von Wahrheitskommissionen auf den ersten Blick als relativ unverdächtig und neutral und so mancher Diktator und Menschenrechtsverletzer hegt vielleicht die Hoffnung, mithilfe bestehender Machtinstrumente innerhalb des Verarbeitungsprozesses noch Einfluss auszuüben, vielleicht auch ungeschoren davonzukommen oder am Ende noch als Retter der Nation oder Gesellschaft zu erscheinen. Diese ambivalente Sichtweise der Aufarbeitung und Wahrheitsfindung lässt sich nach Oettler bei fast allen lateinamerikanischen Gesellschaften finden, in denen wahrheitskommissionsähnliche Projekte Teil der politischen Geschichte sind (vgl. Oettler 2004: 95). Sie bezeichnet den Einsatz und die Arbeit von Wahrheitskommissionen nach der Erfahrung von mehr als zwei Jahrzehnten als „konventionelle[s] Mittel der Aufarbeitung blutiger Vergangenheiten” (ebd.) und betont die Bedeutung der gemachten Erfahrungen. So sind die oftmals repressiven und gewalttätigen Vergangenheiten durch einen Prozess der Verknüpfung von Erfahrungen und der Vereinheitlichung von Aufarbeitungspraktiken gegangen und die Wahrheitskommissionen konnten Instrumente herausbilden, die auch noch für gegenwärtige und zukünftige politische Projekte gelten. Jedes Projekt von Wahrheitskommissionen erfährt die Geschichte der Aufarbeitung jedoch als vielschichtigen und weitverzweigten Prozess und als Produkt von unterschiedlichen, spezifischen Konstellationen gesellschaftlicher Kräfte. Inwiefern es dabei auch zu friedensstiftenden Wirkungen kommen kann, soll im Weiteren am Beispiel der vergangenheitspolitischen Entwicklungen von Argentinien und El Salvador diskutiert werden.

1.2. Wahrheitsfindung und Friedensstiftung

Die Einsetzung von Wahrheitskommissionen wird unter dem Ansatz verfolgt, durch das Aufdecken der Menschenrechtsverletzungen, das Erzählen der schrecklichen Erlebnisse und die offizielle Bestätigung der Erfahrungen die psychischen Verletzungen der Opfer zu heilen und damit einen Prozess der Versöhnung einzuleiten. Die Herstellung einer großen Öffentlichkeit durch die Wahrheitskommission führt dazu, dass das Aufdecken der Wahrheit und das Wiedererleben der Ereignisse der Vergangenheit mit anschließender Vergebung durch die Opfer zur Grundlage einer Versöhnung werden. In diesem Sinne ist die Wirkung der Arbeit von Wahrheitskommissionen eher als friedensfördernd oder friedensstiftend zu beurteilen als die Einsetzung von Straftribunalen, bei denen die Aspekte Rache und Bestrafung im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zu strafrechtlichen Verfolgungen, Gerichtsverhandlungen oder Tribunalen auf nationaler oder internationaler Ebene haben Wahrheitskommissionen keine unmittelbare Entscheidungsgewalt über Strafverfolgung und Verurteilung. Bei Gerichtsverfahren wird im Einzelfall zwar auch die Wahrheit an die Öffentlichkeit gelangen, sie können jedoch nicht die gesellschaftlichen Ursachen und die politischen Vorgänge, die zu den Menschenrechtsverletzungen geführt haben, thematisieren und analysieren (vgl. Hayner 1999: 366).

Ein Prozess der Friedensstiftung und Versöhnung zwischen den Gegnern ist unbedingte Voraussetzung für einen funktionierenden Staat ohne bewaffnete Konflikte. Für Hayner kann ein solcher Prozess nur beim richtigen Umgang mit der Vergangenheit in Gang gesetzt werden. Die Wahrheitsfindung und das Erinnern führen dann eher zu Versöhnung und Vergebung als ein Vergessen und Verdrängen des Geschehens. Wenn die Wahrheit im Dunkeln bleibt und die Hinterbliebenen im Unklaren gelassen werden, kann dies zu neuen Konflikten mit den Tätern führen. „Where fundamentally different versions or continued denials about such important and painful events still exist, reconciliation may be only superficial” (ebd.: 373). Ob die Arbeit der Wahrheitskommission einen Prozess der Friedensstiftung in Gang bringen wird, kann nach Hayner – „What Does Reconciliation Look Like?” (ebd.: 371) – erst durch die folgenden Fragestellungen beurteilt werden:

1. Wie wird in der Öffentlichkeit mit der Vergangenheit umgegangen?
2. Wie sind die Beziehungen zu den ehemaligen Feinden?
3. Kann sich die Gesellschaft auf eine Version der Wahrheit einigen?

Als weitere Faktoren, die eine Versöhnung wahrscheinlicher werden lassen, nennt Hayner unter der Überschrift „What Factors Encourage Reconciliation?” (ebd.: 373) und umschreibt damit zugleich die Aufgaben, denen Wahrheitskommissionen nachzukommen haben, um friedensstiftend zu wirken:

1. Ein Ende der Gewalt und Bedrohung (bsp. politische Gewalt)
2. Anerkennung und materielle Wiedergutmachung (evtl. symbolische Reparationen)
3. Bindungskräfte (die Vereinigung der Kräfte auf ein solidarisches Ziel, z.B. Wiederaufbau)
4. Die Zeit – Auskunft über den Stand des Versöhnungsprozesses nach einem (festgelegten) Zeitraum (ebd.: 371-373).

Aus den vielen Erfahrungen mit der Arbeit von Wahrheitskommissionen stellt Hayner die Tätigkeit und das Wirken der Wahrheitskommission in Südafrika heraus, die als besonders prominentes Beispiel für eine erfolgreiche, friedensstiftende Wirkung gilt. In Lateinamerika hat es aufgrund besonderer politischer Konstellationen keine besonders gut ausgestatteten und starken Wahrheitskommissionen gegeben, woraus für die Zukunft die Forderung nach einem möglichst starken Mandat für Wahrheitskommissionen erwächst: „If a commission’s source of authority lies in a peace accord, it can be given powers that are not possible in a presidentially appointed commission and that might be difficult to impose even by a parliamentary-created commission” (ebd.: 380).

1.3. Neue Herausforderungen und Perspektiven für das Mandat von Wahrheitskommissionen

Die Herausforderungen an die politische Wissenschaft auf dem Gebiet der Transitionspolitik bleiben auch nach vielen erfolgreichen Bemühungen in Lateinamerika und Südafrika weiterhin aktuell und evident. So konnte mit dem Ansatz des Transitional Justice und den Aktivitäten von Wahrheitskommissionen in vielen Ländern ein Übergang zur Demokratie gelingen. Die meisten Länder konnten zwar wirtschaftlich stabilisiert werden, doch die sozialen Verhältnisse haben sich oft nicht wesentlich verbessert. Das internationale Zentrum für Recht in Umbruchsgesellschaften (ICTJ – International Centro International Center for Transitional Justice) listet aktuell unter der Rubrik Our Work eine Vielzahl von Tätigkeits-, Beratungs- und Betreuungsaktivitäten auf dem Gebiet der Transitional Justice in allen Kontinenten auf. Für die Errichtung und Durchführung von Wahrheitskommissionen bietet das ICTJ seit Juni 2013 unter der Rubrik Multimedia sogar ein best practices -Handbuch an, in dem erfolgreiche Instrumentarien aufgeführt werden. Unter News finden sich dann neben den Nachrichten zu aktuell laufenden Transitionsprozessen auch Überlegungen zu neuen Betätigungsfeldern von Truth Commissions. Thematisiert werden nahezu alle Länder, die aktuell im Spannungsfeld von politischen Bewegungen, Umbrüchen, Revolutionen und Bürgerkriegen stehen. So gibt es bereits Ansätze für die Konstituierung von Transitional-Justice-Instrumenten in Form von Wahrheitskommissionen in fast allen Ländern des sogenannten Arabischen Frühlings von Tunesien über Libyen bis Ägypten. Auch für das in den blutigen Bürgerkrieg verstrickte Syrien gibt es schon Überlegungen, wie man den Menschen, der Gesellschaft und dem Staat wieder Perspektiven geben könnte. „Recent proposals on using transitional justice as a means of stabilising Syria in the aftermath of the eventual fall of the Assad regime — including by providing incentives for loyalists to give up a possible ‘fight to the death’ in Damascus — are a significant development in the debate on Syria” (Tolbert 2013: 1f). Unter der Rubrik News finden sich auch, in der Hoffnung auf die friedensstiftenden Wirkungen von Wahrheitskommissionen, Überlegungen der syrischen Opposition zu einer Transitional Roadmap. „The Syrian opposition on Wednesday unveiled here a proposed ‘roadmap’ to achieve ‘national reconciliation and justice’ in the conflict-stricken country.” (ICTJ 2013a: 1f.) Ägypten kommt nach dem vom Volk erzwungenen Rücktritt des Dauerdiktators Mubarak ebenfalls nicht zur Ruhe und befindet sich wie andere Staaten des Arabischen Frühlings jetzt in einem Konflikt zwischen islamistischen und demokratischen Kräften unter dem Regime des Militärs. Auch dort haben lokale Akteure schon Kontakt mit dem Institut für Transitional Justice aufgenommen und wollen die Einsetzung von Wahrheitskommissionen vorbereiten, um auf diesem Weg einen Ausweg aus der verfahrenen politischen Situation zu erreichen. „ICTJ has visited Egypt to meet with local actors – including officials, judges, human rights activists, journalists, victims’ groups, women’s groups, and youth organizations – to identify how Egyptians understood their needs from a transitional justice viewpoint” (ITCJ 2013b: 1f).

Wahrheitskommissionen sind nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch ganz aktuell zum

festen Bestandteil der Konsolidierungsprozesse des Friedens in Kriegs- und Revolutionsgesellschaften geworden. Ihnen wird die Aufgabe zugewiesen, die Wahrheit über die Verbrechen während der jeweiligen Diktaturen und Bürgerkriege zu ergründen und einen innergesellschaftlichen Versöhnungsprozess zu initiieren. Ob es dabei immer gelingt, friedensstiftende Wirkungen zu entfalten und einen Demokratisierungsprozess einzuleiten, soll im Folgenden am Beispiel zweier bereits abgeschlossener Transitionsprozesse in Lateinamerika untersucht werden.

2. Analyse der Wahrheitskommissionen von El Salvador und Argentinien

2.1 Operationalisierung des Analyseinstruments

Zur Analyse der Wahrheitskommissionen wird das folgendermaßen strukturierte Raster herangezogen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dieses Analyseinstrument wurde im Rahmen des Seminars zur Erinnerungspolitik zum Thema „Wahrheitskommissionen im Vergleich“ eigenständig entwickelt und soll für diese Hausarbeit als Grundlage dienen. Die Sichtung von Literatur zu beispielhaften Wahrheitskommissionen unterschiedlicher Staaten zeigte Parallelen, Gemeinsamkeiten und ähnliche Strukturen auf, welche die Basis für das entwickelte Raster bildeten. Da das Raster in weit gefasste Kategorien unterteilt ist, hat es allgemeine Gültigkeit und lässt sich somit umfassend auf alle Wahrheitskommissionen anwenden. Neben den selbsterklärenden Kategorien wie beispielsweise Dauer gilt es zunächst, einige der Kategorien näher zu beleuchten:

Design beinhaltet in erster Linie die Zusammensetzung der Kommissionsmitglieder, etwa der Anteil an ausländischen, kirchlichen oder politischen Mitgliedern – oder auch der Anteil an Frauen oder bekannten Persönlichkeiten.

Die Kategorie der Vorgehensweise untergliedert sich in zwei Unterpunkte: Das Was bezieht sich auf den Untersuchungsauftrag eines Tatbestandes der Menschenrechtsverletzung, welche in der Regel vor dem Transitionsprozess begangen wurde. Das Wie auf der anderen Seite beschreibt die Mittel des Verfahrens der objektiven Wahrheitsfindung, beispielsweise die Verwendung von Interviews, Zeugenaussagen etc.

Grundsätzlich endet jede Kommissionstätigkeit mit dem Schlussbericht und somit stellt der Punkt des Abschussberichtes stark zusammengefasst die wichtigsten Inhalte des abschließenden Berichtes der Kommission zusammen.

Unter der Kategorie Initiatoren wird beschrieben, wer den Anstoß für die Wahrheitskommission gegeben hat. Zumeist nutzen die neuen Machthaber das Mittel der Wahrheitskommission, um mit dem alten Regime abzuschließen, aber oft wird die Kommission auch auf Ersuchen internationaler Institutionen oder der Nachbarstaaten gebildet.

Die Kategorie Folgen beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Kommissionstätigkeit auf die Bevölkerung, wobei vor allen Dingen der Aspekt der Versöhnung im Vordergrund steht. Die Wahrheitskommission beeinflusst die Wahrnehmung des Geschehenen: Die Wahrheit, die die Kommission ermittelt und im Schlussbericht festgehalten hat, ist zumeist auch die historische Wahrheit, das historische Narrativ. Beispielsweise werden entweder Schuldige den Gerichten übergeben oder es erfolgt ein Schulderlass und die Verbrechen werden amnestiert.

Ebendiese Wahrheit bildet die letzte Kategorie des Rasters: Die Art der Wahrheit kann beispielsweise narrativ, also erzählend oder Fakten abbildend sein. Zum anderen gibt es eine versöhnende Wahrheit, die gegebenenfalls auf eine strenge Rechtsprechung verzichtet, zugunsten einer möglichen Versöhnung in der Bevölkerung. Die hier verwendete Einteilung bezieht sich auf die vier verschiedenen Wahrheitstypen der südafrikanischen Wahrheitskommission. Die Kommission in Südafrika (TRC) gilt als die erste Wahrheitskommission, die den Begriff der Wahrheit näher beschrieben hat. Für die TRC ist der Wahrheitsbegriff nicht homogen, sondern subjektiv und unterteilt sich in vier verschiedene Arten oder Formen der Wahrheit. Da die Wahrheitsformen sehr weit gefasst sind und mehr beschrieben als exakt definiert werden, fußen die im Folgenden dargestellten Wahrheitstypen auch teils auf der eigenen Auslegung:

1. Die forensische Wahrheit ist eine auf Fakten basierende Wahrheit, die nach einem wissenschaftlichen Prozedere der minutiösen Informationssuche zu reliablen und objektiven Ergebnissen kommt. Die so erhaltenen Ergebnisse bilden das Fundament für die Feststellung von Schuld oder Unschuld vor Gericht.

2. Die narrative Wahrheit kann zum Teil als Gegenstück zur forensischen betrachtet werden, da es ihr um die subjektiven Schilderungen von Opfern oder Tätern geht. Die aus den Erzählungen erhaltenen Informationen werden nicht juristisch verwendet, sondern sind eine emotionale Darstellung und Einschätzung des Erlebten.

3. Die soziale Wahrheit beschreibt einen diskursartigen Prozess der Wahrheitsfindung mit großer Beteiligung der Öffentlichkeit. In Formen der zwischenmenschlichen Interaktion, wie Diskussionen oder Debatten, werden alle möglichen Sichtweisen der Wahrheit gegeneinander abgewogen. Es geht hierbei nicht um das Diskursergebnis, sondern der Prozess steht im Mittelpunkt der sozialen Wahrheit.

4. Die heilende Wahrheit ist wohl der unschärfste der vier Wahrheitsbegriffe. Es geht darum, dass die erlebten und stattgefundenen Gewalttaten von der Gesellschaft wahrgenommen und ins kollektive Gedächtnis überführt werden. Das geschehene Unrecht darf nicht verleugnet werden, sondern findet Beachtung und Anerkennung (vgl. Wendt 2009: 108ff.).

Im Folgenden wird das Analyseraster auf die Wahrheitskommissionen angewandt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Wahrheitskommissionen und ihre friedensstiftende Funktion
Untertitel
Analyse der Bedingungen und Wirkungen der Kommissionstätigkeit nach der Transition am Beispiel von El Salvador und Argentinien
Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Transitional Justice: Zum Umgang mit der Vergangenheit von Krieg, Repression und Gewalt
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
39
Katalognummer
V267225
ISBN (eBook)
9783656579571
ISBN (Buch)
9783656579564
Dateigröße
618 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wahrheitskommission, Argentinien, El Salvador, Peron, Alfonsin, Militärdiktatur, Bürgerkrieg, CONADEP, Lateinamerika, Demokratisierung, Menschenrechtsverletzung, Arabischer Frühling, FMLN, Videla, Guerilla
Arbeit zitieren
Lukas Köllner (Autor:in), 2013, Wahrheitskommissionen und ihre friedensstiftende Funktion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267225

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