Die Entwicklung der deutschen Einzelhilfe in der Sozialen Arbeit unter dem Einfluss von Mary Richmond

Historischer Abriss inklusive der deutschen Armenhilfe und Alice Salomon


Hausarbeit, 2013

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Die Entwicklung der Einzelhilfe in Deutschland bis zum Ende des 19. Jh.
1.1 Das Elberfelder System
1.2 Das Straßburger System

2 Mary Richmond und ihr Einfluss auf Alice Salomon
2.1 Mary Richmonds “Social Diagnosis”
2.2 Alice Salomons Soziale Fürsorge

3 Bedeutung nordamerikanischer Einflüsse auf die weitere Entwicklung der Einzelhilfe in Deutschland

4 Resümee

Literaturverzeichnis

0 Einleitung

Die Einzelfallhilfe stellt in Deutschland einen wichtigen und elaborierten methodischen Zweig der Sozialen Arbeit dar. Diese Hausarbeit hat das Ziel, die Entwicklung der professionellen sozialen Einzelhilfe anhand wichtiger historischer Verläufe sowie den darin maßgeblichen Akteuren darzustellen. Dies wird in den folgenden Kapiteln anhand geschichtlicher und gesellschaftlicher Ereignisse und Entwicklungen vorgestellt, die dazu geführt haben, dass Personen wie Mary Richmond und Alice Salomon Wegbereiterinnen für ein professionelles heutiges Verständnis der Einzelhilfe wurden. Von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts führten zunehmende soziale Probleme in den damaligen Industriestaaten im Zuge der Industrialisierung dazu, dass der internationale Austausch über die Möglichkeiten einer Linderung der Massenarmut und Verelendung der Industriearbeiter und ihren Familien angeregt wurde. Die individuumsbezogene Soziale Arbeit entstand als professioneller Beruf aus diesen Industrialisierungsprozessen in dieser Zeit, im Zuge derer sich auch die Sozialpolitik in Deutschland auf kommunaler Ebene entwickelte und reformierte.1 Die historischen, teils parallel laufenden, teils sich ergänzenden und gegenseitig beeinflussenden Verläufe, die zu unserer heutigen professionellen sozialen Individualhilfe führen, sind schwer in eine stringente Systematik zu bringen. In dieser Hausarbeit wird dies versucht, indem chronologisch die Entwicklungsstufen dargestellt werden. Somit fängt das erste Kapitel mit dem deutschen Bewältigungsversuch der damaligen Armenwelle an, dem, in Anlehnung an Thomas Chalmers entwickeltem, Elberfelder System und dessen Weiterentwicklung, dem Straßburger System. Diese Systeme basierten auf der ehrenamtlichen Armenpflege, die in ihren Konzeptionen bereits erste professionelle Methodenansätze heutiger Sozialer Arbeit aufwiesen. Das Straßburger System, führte dann zu einer weiteren beruflichen Ausdifferenzierung der städtischen Wohlfahrtspflege.

Diese ersten professionellen Ansätze im Umgang mit notleidenden und verarmten Menschen beeinflussten und ergänzten wiederrum auch die Entwicklung der Einzelhilfe in der Sozialen Arbeit in den USA und in Großbritannien.

Dort entstanden durch das Wirken von Mary Richmond bald eigene und unabhängige Theorien der Individualhilfe, das Social Case Work. Der Einfluss den Mary Richmond auf die Theorie der sozialen Fürsorge von Alice Salomon in Deutschland hatte wird im zweiten Kapitel erläutert.

Schließlich wird im dritten Kapitel auf die Bedeutung und die Auswirkung des nordamerikanischen Social Case Work Konzepts auf die deutsche Einzelhilfe eingegangen. Anschließend folgt das Resümee im vierten Kapitel.

1 Die Entwicklung der Einzelhilfe in Deutschland bis zum Ende des 19. Jh.

Im Zuge der beginnenden Industrialisierung nahm die Massenverarmung Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts in der Bevölkerung immer weiter zu. Mit dem Wachstum der Industrie wuchs auch das Proletariat, die Industriearbeiter, die sich in den Städten konzentrierten. Ein neuer urbaner Lebensstil entstand, zusammen mit der sogenannten Arbeiterfrage.2 Für ihre Lösung mussten neue Konzepte der sozialen Absicherung geschaffen werden. Dazu wurden ab 1880 die ersten Sozialversicherungen gegen Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter durch den Reichskanzler Bismarck eingeführt. Parallel dazu entwickelten sich ab 1890 auch Formen ehrenamtlicher Armenfürsorge wie dem Elberfelder- und dem Straßburger System, die in den nachfolgenden Unterkapiteln erläutert werden.3 In dieser, für die Entwicklung der Sozialen Arbeit bis heute ereignisreichen Zeit, versuchten sich in Deutschland die öffentlich und beruflich marginalisierten Frauen, vor allem der bürgerlichen Mittelschicht, abzugrenzen und sich eigene Bereiche des sozialen Wirkens zu erschließen. Vor allem Alice Salomon nahm in dieser Emanzipationsbewegung in Deutschland eine Vorreiterrolle ein und etablierte die „sociale Fürsorge“ im kommunalen Gesundheits-, sowie Kinder- und Jugendbereich.4 Ihre Verdienste in der Entwicklung eines professionellen Verständnisses der Sozialen Arbeit als beratende und an der Person ausgerichtete Dienstleistung werden im zweiten Kapitel, unter Berücksichtigung der Einflussnahme durch Mary Richmond, näher beschrieben.

1.1 Das Elberfelder System

Um die Massenverelendung zu verringern wurde von Sozialreformern jener Zeit um 1853 das Elberfelder System konzipiert.5 Elberfeld war eine Industriestadt die rasant wuchs und bis 1885 bereits über 100.000 Einwohner hatte. Das Elberfelder System markierte den Übergang von der Verwahrung der Armen als Masse zu einer individualisierten Arbeit. Es fand schnell in ganz Deutschland und auch im Ausland Anklang und galt als ein effektives Mittel um der verbreite- ten Pauperisierung Herr zu werden.6 Die Entstehung des Elberfelder Systems prägte bereits ein erstes Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe des schottischen Presbyter Thomas Chalmers (1780-1847), welches er im Rahmen seiner freikirchlichen Arbeit entwickelte.7

Die Organisation und Ziele dieses Systems bauten auf ehrenamtliche Arbeit in der Wohlfahrtspflege auf. Die Städte waren in der Verantwortung freiwillige Männer und Frauen zu mobilisieren die bis zu vier Familien oder Alleinstehende Personen betreuten. Die Organisation und Durchführung übertrug die Stadt einer Armenbehörde die selbstständig handeln und dezentral in eigenen Versammlungen der Wohlfahrtspfleger8 nötige Schritte beschließen konnte. Die Aufgaben der ehrenamtlichen Helfer lagen im Aufsuchen und Kontrollieren der Bedürftigen, mit den Zielen der Arbeitsbeschaffung und der Arbeitszuweisung.9 Sie stellten fest ob sie arbeiten konnten und beantragten bei Arbeitsunfähigkeit materielle Unterstützung. Um Dauerbezüge von Leistungen zu vermeiden wurde diese nur maximal 14 Tage gewährt. Den Arbeitsfähigen wurde nach Möglichkeit Arbeit in ihrem Wohnumfeld gesucht oder Unternehmer mit der zur Verfügung Stellung von Arbeit beauftragt. In Zeiten großer Arbeitslosigkeit stellte die Gemeinde selbst Notarbeitsplätze zur Verfügung, meist zur Verbesserung der städtischen Infrastruktur, und agierte als Arbeitgeber.10

Jeder Armenpfleger hatte ein ihm zugewiesenes Quartier in Elberfeld, welches wiederrum Bestandteil eines Stadtbezirks war. Im Rahmen dieser Arbeit wurden auch Richtlinien verfasst, die als erste Sozialgesetze in Deutschland angesehen werden können.11

Die ehrenamtlichen Betreuer der Armen handelten in diesem System nach Grundsätzen, die auch heute noch Bestandteil der Sozialen Arbeit sind. So mussten sie nicht nur die finanziellen Vorgaben der Kommunen einhalten und ihre „Klienten“ hinsichtlich ihres materiellen Bedarfs und ihrer Arbeitsfähigkeit

Die Entwicklung der Einzelhilfe in Deutschland bis zum Ende des 19. Jh. einschätzen und kontrollieren, sondern sie auch im Rahmen der unterstützenden sozialen Dienstleistung personenbezogen beraten und betreuen.12

Das Elberfelder System war in Deutschland so erfolgreich, dass es auch international Anerkennung fand und zum Beispiel der amerikanischen Charity Organisation Society als Vorbild galt.13

1.2 Das Straßburger System

Das Elberfelder System hat sich in der Armenpflege und -versorgung 50 Jahre lang bewährt, stieß aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts an ihre Grenzen. Die Anzahl und die Möglichkeiten der freiwilligen Armenpfleger reichten, angesichts der weiter anwachsenden Städte und einen unaufhörlichen Strom an Landflüchtlingen, nicht mehr aus.14 Das Prinzip der kleinteiligen Betreuung von einigen Wenigen zugewiesenen Bedürftigen, war angesichts der stark vorherrschenden Urbanisierung, der sozialen Segregation und vermehrten sozialen Problemen schnell überfordert.15 Im Jahre 1905 wurde aus diesen Gründen in Straßburg ein verbessertes System der Armenpflege eingeführt, das sogenannte Straßburger System.16 Es brach mit dem Grundsatz der Dezentralisierung und richtete ein Armenamt ein, in dem hauptamtliche Beamte Akten anlegten und die Finanzen kontrollierten. Die ehrenamtlichen Helfer, die immer noch die Aufgaben der aufsuchenden Betreuung und Beratung wahrnahmen, wurden also von ihren Verwaltungsaufgaben entlastet. Nun wurden den ehrenamtlichen Armenpflegern größere Stadtbezirke zur Betreuung zugewiesen.17 Diese Zweiteilung, in ehrenamtliche Helfer in der direkten Betreuung und Beratung, die direkt mit den Klienten arbeiteten und in Sachbearbeiter in der Verwaltung, die über die Gewährleistung von materiellen Hilfen entscheiden, führte zum Beginn der Entwicklung der heutigen Sozialpolitik.18

[...]


1 vgl. Sachße (2001), 670

2 vgl. Sachße (2001), 670

3 vgl. Müller (2013), 52

4 vgl. Sachße (2001), 672f.

5 vgl. Sachße (2001), 671

6 vgl. Schilling/Zeller (2007), 35

7 vgl. Neuffer (1990), 23

8 männlich verwendete Formen beziehen sich in dieser Hausarbeit immer auf Männer und Frauen

9 vgl. Sachße/Tennstedt (1980), 215 f.

10 vgl. Sachße/Tennstedt (1980), 214 ff.

11 vgl. Schilling/Zeller (2007), 36

12 vgl. Sachße (2001), 671

13 vgl. Braches-Chyrek (2013), 171

14 vgl. Müller (2013), 20f.

15 vgl. Sachße (2001), 672

16 vgl. Müller (2013), 20f.

17 vgl. Sachße (2001), 672

18 vgl. Sachße/Tennstedt (1988), 26 sowie Hering/Münchmeier (2000), 32f. zit. n. Schilling (2005), 39

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung der deutschen Einzelhilfe in der Sozialen Arbeit unter dem Einfluss von Mary Richmond
Untertitel
Historischer Abriss inklusive der deutschen Armenhilfe und Alice Salomon
Hochschule
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
19
Katalognummer
V267141
ISBN (eBook)
9783656570165
ISBN (Buch)
9783656570097
Dateigröße
623 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Soziale Arbeit, Einzelfallhilfe, Alice Salomon, Mary Richmond, Elberfelder System, Straßburger System, Armenhilfe
Arbeit zitieren
Elena Hordt (Autor:in), 2013, Die Entwicklung der deutschen Einzelhilfe in der Sozialen Arbeit unter dem Einfluss von Mary Richmond, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267141

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