Liveness zwischen Realität und Virtualität


Seminararbeit, 2012

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Macht der Wahrnehmung

2. Liveness im medialen Kontext
2.1 Das 4D-Kino
2.2 Der Mensch als Performer
2.3 Die erweiterte Realität – Augmented Reality
2.4 Das Videospiel – Vom Nischenmarkt zum Mainstream
2.5 Eine komplett virtuelle Realität
2.6 Kritik an der Technik

3. Parallelen von Theater und Augmented Reality

Literaturverzeichnis

1. Die Macht der Wahrnehmung

Paris, 6. Januar 1896. Die Gebrüder Lumière präsentieren der Welt ihren Film L'Arrivée d'un train en gare de La Ciotat. In dieser einen Minute passiert nicht viel: ein Zug fährt ein, hält an und die Fahrgäste steigen aus. Und doch sollen diese Bilder dazu geführt haben, dass die Zuschauer panisch von ihren Sitzen aufsprangen und aus dem Kinosaal flüchteten; für heutige Sehgewohnheiten völlig unverständlich. Auch wenn es sich bei dieser Darstellung möglicherweise eher um eine moderne Sage und weniger um einen Tatsachenbericht handelt, ist sie doch im regen Umlauf, aufgrund ihrer Plausibilität der Reaktionen bezüglich des damals neuen Mediums Film. Das Publikum hatte noch keine Erfahrung und damit Erwartungshaltung an das Kino, womit die Möglichkeit bestand, dass eine Aufzeichnung als live bzw. real wahrgenommen wurde.

Über ein Jahrhundert später bietet die heutige Technik immer weitere, raffiniertere Verfahren, dem Zuschauer eine Illusion der Wirklichkeit vorzugaukeln.

Der vorliegende Text wird aufzeigen, dass „die Linearität der beobachteten zeitlichen Prozesse sowie die Dreidimensionalität des wahrgenommenen Raumes und der Gegenstände in ihm“[1] bei weitem noch keine ausreichenden Kriterien für Liveness sind und wie sich der Liveness-Begriff zwischen Realität und Virtualität zu Beginn des 21. Jahrhunderts positioniert.

2. Liveness im medialen Kontext

2.1 Das 4D-Kino

Spätestens seit James Camerons Avatar hat Hollywood (wieder einmal) Gefallen daran gefunden, Zuschauer mit 3D-Filmen zurück ins Kino zu locken. „Es ist die revolutionäre Machart, die Avatar zu einem Filmereignis emporhebt, das die technischen Maßstäbe des Kinos neu definiert. Diesen Film sieht man nicht, man erlebt ihn“,[2] attestiert die Zeitschrift Cinema. Das Erleben scheint essentiell in den Fokus zu rücken.

Genau an diesem Punkt setzt das 4D-Kino an, das z.B. mit Wind-, Wasser-, Nebel- und Geruchseffekten, Beinkitzlern und Bewegungsmechanismen der Sitze und Reihen das Erleben auf eine neue Dimension hieven möchte und damit den Zuschauer noch mehr involvieren. All diese Effekte zielen darauf ab, die Differenz zwischen Leinwand und Zuschauerraum zu verringern und dem Zuschauer das Szenario des Films (körperlich) näher zu bringen.

Viele der sogenannten 4D-Filme sind tatsächlich bestehende 3D-Filme, die lediglich um Special Effects bereichert wurden und keine exklusiven 4D-Produktionen. Letztere finden sich eher als Kurzfilme in Freizeitparks oder Filmstudios, oftmals auch unter der Bezeichnung Simulator.

Diese Simulatoren zeigen häufig ungeschnittene (womit das Kriterium der zeitlichen Linearität abgedeckt wäre) Fahrten (aufgrund der hohen Kompatibilität mit den zuvor erwähnten Effekten) aus einer Point of View-Perspektive. Unter der Prämisse, dass die optischen Gegebenheiten tatsächlich einen dreidimensionalen Raum entstehen lassen, kann man hier trotz der Realisierung der zuvor erwähnten Weber'schen Kriterien nicht von Liveness sprechen. Zweifelsohne ist die Fähigkeit zur Immersion größer, das entscheidende Kriterium für Liveness aber ist die Interaktionsmöglichkeit.

2.2 Der Mensch als Performer

Wo eine Möglichkeit zur Interaktion vorhanden ist, muss es eine Ko-Präsenz geben und wenn es eine Ko-Präsenz gibt, existiert auch eine Feedback-Schleife. Dass der Mensch ein interaktives Wesen ist, lässt sich nicht bestreiten, doch meist ist der geneigte Theatergänger weitestgehend zum Zuschauen verdammt; „interactive plays“[3] sind eine Minderheit. Selbstverständlich kann man im Sinne von Ko-Präsenz und Feedback-Schleife nicht nicht Einfluss auf eine Aufführung haben und natürlich besteht die Möglichkeit sich unkonventionell zu verhalten und damit Aktiv-Handelnder zu werden, doch würde letzteres Verhalten nicht als Partizipation, sondern als Ablenkung oder Störung eines Normablaufs wahrgenommen werden.

Dass der Mensch des 21. Jahrhunderts den Drang hat, selber zu performen, liegt nahe, wenn man die abertausenden Videos in Betracht zieht, die täglich als User Generated Content bei YouTube und anderen Webseiten hochgeladen werden und von denen ein Großteil selbstdarstellenden Charakter hat. Diese „Internet liveness“[4] bietet jedoch nicht die Möglichkeit eines direkten Feedbacks.

Beide Konzepte, nämlich Interaktion im Sinne von intendiertem, aktiven Performing und direktes Feedback in Echtzeit (lässt man die Sekundenbruchteile zur Berechnung und Übertragung der Eingaben außen vor) zu vereinen, verwirklicht das Videospiel.

2.3 Die erweiterte Realität - Augmented Reality

Trotz alledem gab es bis vor ein paar Jahren die strikte Trennung zwischen Videospiel und Realität im heimischen Wohnzimmer. Die Videospiel-Historie des letzten Jahrhunderts fiele in ihrer Gesamtheit in den letzten Typ von Auslanders Liveness-Klassifizierungen, die sich durch „Feedback between technology and user“[5] auszeichnet.

Das änderte sich 2003 mit Sonys EyeToy-Peripherie für die PlayStation 2, mit der es möglich war „die Bewegungen der Spieler in Echtzeit zu registrieren und sie ohne zeitliche Verzögerung auf den Bildschirm und damit ins Spiel zu übertragen. So war erstmalig eine kabellose, vollkommen bewegungsbasierte Interaktion des Spielers mit der Videospielkonsole möglich“.[6] Folgendermaßen funktioniert das Zusatzgerät: „Eine an die Konsole angeschlossene Kamera erfasst den Spieler und projeziert [sic!] ihn mitten ins Spiel. Die Steuerung erfolgt durch Körperbewegungen, die in Echtzeit auf den Fernseher übertragen werden“.[7] Mit dem wirtschaftlichen Erfolg der EyeToy etablierte sich eine Nische für Augmented Reality-Anwendungen.

In der Augmented Reality (auch: Erweiterte Realität) wird „die den Benutzer umgebende tatsächliche Realität durch dreidimensionale virtuelle Elemente erweitert. Diese betten sich nahtlos in die Umgebung ein und stellen neue Gegenstände dar oder geben, im direkten räumlichen Bezug, weitere Informationen zu existierenden Objekten“.[8] „Die Überlagerung realer und virtueller Räume führt dabei nicht nur zu einer veränderten Erscheinungsform der Räume und Dinge, sondern auch zu einer Erweiterung unserer Realitätswahrnehmung“.[9]

[...]


[1] Franziska Weber. „Real Live? Die multimediale theatrale Performance im Spannungsverhältnis von Unmittelbarkeitserfahrung und Gegenwartssimulation“. In: Jürgen Schläder, Franziska Weber (Hrsg.): Performing InterMediality. Leipzig: Henschel, 2010. S.145

[2] <http: de.wikipedia.org/wiki/avatar_%e2%80%93_aufbruch_nach_pandora#pressekritiken="">, o.J. Zugriff am 11.08.12

[3] Philip Auslander. Liveness – Performance in a mediatized culture. London: Routledge, 1993. S.51

[4] Philip Auslander. S.61

[5] Philip Auslander. S.61

[6] <http: www.playstation-presse.de/download/pdf/bewegungssteuerung_playstation_informationen_25112010.pdf="">, o.J. Zugriff am 07.08.12

[7] <http: www.playstation-presse.de/download/pdf/bewegungssteuerung_playstation_informationen_25112010.pdf=""<, o.J. Zugriff am 07.08.12

[8] Marcus Tönnis. Augmented Reality – Einblicke in die Erweiterte Realität. Berlin: Springer-Verlag, 2010. Vorwort S.[5]

[9] Marco Hemmerling (Hrsg.). Augmented Reality – Mensch, Raum und Virtualität. München: Wilhelm Fink Verlag, 2011. S.9

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Liveness zwischen Realität und Virtualität
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Theaterwissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
13
Katalognummer
V266755
ISBN (eBook)
9783656570370
ISBN (Buch)
9783656570349
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Liveness, Realität, Virtualität
Arbeit zitieren
Thomas Vasniszky (Autor:in), 2012, Liveness zwischen Realität und Virtualität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266755

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