Die goldene Madonna des Hildesheimer Doms

Ein Sinnbild ottonischen Glaubens


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Bischof Bernward und die ottonischen Stiftungen

2. Die „goldene Madonna“
2.1. Maria und Christus in ihrem formalen Aufbau
2.1.1. Die Gottesmutter
2.1.2. Der Sohn Marias
2.1.3. Die „goldene Madonna“ und die Plastiken Bernwards
2.2. Die Sitzmadonna in ihrem frühmittelalterlichen Umfeld
2.2.1. Marienbilder und Monumentalskulptur
2.2.1.1. Die goldene Madonna aus Essen
2.2.1.2. Die bemalte Madonna aus Paderborn
2.2.2. Die Entwicklung der plastischen Mariensitzstatuen
2.3. Die Figurengruppe in ihrer Wirkung
2.3.1. Material und Dualität
2.3.2. Madonnen und Reliquien

3. Zwischen Jenseits und Diesseits

1. Bischof Bernward und die ottonischen Stiftungen

Das Zeitalter der Liudolfinger war vor allem durch einen starken christlichen Glauben geprägt, der sich unter anderem in zahllosen kostbaren Kirchengeräten widerspiegelte, von denen heute jedoch nur noch relativ wenige Exemplare erhalten sind. Deren Stifter waren vor allem wohlhabende Mitglieder des Hochadels, wie der ‚Wanderkaiser’ Heinrich II, der zum Beispiel das berühmte Baseler Antependium anfertigen ließ, und Inhaber eines hohen Kirchenamtes. Dabei waren es besonders die Bischöfe wie Bischof Egbert, der 993 n. Chr. starb, oder Bischof Thietmar von Salzburg, der im Jahre 1041 a. D. verblich, die sich als Förderer der kostspieligen Goldschmiedekunst erwiesen1. In ihre Reihe tritt auch Bischof Bernward von Hildesheim, auf den ein nicht unerheblicher Teil der prunkvollen ottonischen Kirchenausstattung zurückgeht. Jener war von 993 n. Chr. bis 1022 n. Chr. in seinem Amt, stammte aus einem aristokratischen Haus, war Vertrauensmann des Königs und Mäzen dieser bedeutenden Diözese. Außerdem rühmte sein Biograph Thangmar ihn seines frommen Herzens, seines wachen Geistes und seines künstlerischen Verständnisses2. So zeigt sich die qualitätvolle Arbeit seiner Stiftungen noch heute zum Beispiel in der berühmten Bernwardsäule oder der bronzenen Bernwardstür Hildesheims. Wesentlich kleiner, dabei aber nicht minder bedeutsam ist daneben die große, wahrscheinlich ebenfalls von Bischof Bernward gestiftete „Goldene Madonna“ des Hildesheimer Doms3, der nun die folgenden Ausführungen gewidmet sind.

2. Die „Goldene Madonna“

Bei der ‚Goldenen Madonna’ aus Hildesheim handelt es sich um eine ottonische Vollplastik aus dem frühen elften Jahrhundert4. Der Entstehungszeitraum wird dabei meist zwischen 1010 n. Chr. und 1015 n. Chr. vermutet. Die Plastik ist im Ganzen stark fragmentiert: Vom Holzkern sind die ursprünglichen Köpfe beider Figuren verloren5. Die Arme des Kindes, die rechte Hand Mariens, Teile des Thrones und ein Teil der Plinthe fehlen ebenfalls.6 Die Sitzstatue ist deshalb heute bis zu den Schultern 56,6 cm hoch, in der weitesten Ausladung des Thrones 25,5 cm breit und von der tiefsten Stelle der Thronlehne bis zu den Knien des Kindes 25,2 cm tief. Sie besteht aus einem Weichholzkern7, auf den größtenteils Goldblech als Gewänder der Figuren aufgebracht war8. Es ist darüber hinaus damit zu rechnen, dass alle Inkarnatteile ursprünglich farbig gefasst waren9. Die Plastik befindet sich im Hildesheimer Dom- und Diözesanmuseum und hat dort die Inventar- Nummer DS 82. Nach einer Nachricht im Hildesheimer Domnekrolog stand das Gnadenbild ursprünglich auf dem Hochaltar des Doms. Das Kultbild stellt den ostchristlich- byzantinischen Typus der ‚Nikopoia’ dar, bei dem die thronende Marienfigur das Kind streng frontal vor sich auf dem Schoß hält und erscheint dadurch auch als ‚sedes sapientiae’- als Thron der Weisheit.10

2.1. Maria und Christus in ihrem formalen Aufbau

Der Rücken der Madonna ist hohl und wird von einem mobilen Verschlussbrett abgedichtet, das separat geschnitzt ist und sich nach oben herausziehen lässt.11 Auf der Vorderseite der Sitzstatue ist beiden, ursprünglich wahrscheinlich gekrönten12 Dargestellten eine gerade, aufrechte und zueinander synchrone Gestaltung und Haltung zu Eigen.

2.1.1. Die Gottesmutter

Maria zeigt sich dabei in direkter Frontalität13 zum Betrachter sitzend auf einem kastenförmigem Thron14, der sich seitlich bogenförmig öffnet. Der Gottesmutter ist ein Kopftuch (Palla) über Schultern und Rücken gelegt, welches im Faltencharakter des Tuches dem des übrigen Gewandes entspricht. Über dem Halsausschnitt wird der Betrachter eines kleinen gefältelten Untergewandrestes ansichtig. Der rechte Arm der Maria ist angewinkelt. Der Unterarm führt gerade nach vorne. Jener gipfelte wohl vormals in einer, ein Kreuz haltenden rechten Hand15. Der linke Arm ist gleichfalls angewinkelt und in einer, das Christuskind weiträumig umgreifenden Geste eingefroren. Die Ärmel über den Armen sind weit und tief herunterhängend. Die Ärmelseiten erscheinen durch eingeritzte, teils bogenförmige Fältchen belebt. Die Ärmelsäume, den Kopfdurchlass des Kleides und die Säume des Schultertuches der Maria sind mit plastischen Borten16 aus Filigran, Gemmen, Perlen und Edelsteinen besetzt. Die Einzelteile des Zierschmuckes nun, finden mannigfaltige Entsprechungen. Darunter gibt es auch manche Zierbeschläge mit zukunftsweisender Gestaltung. So sind die stilistisch ältesten Schmuckborten der Figurengruppe der Kopftuchbeschlag auf der rechten Seite Marias, ihr halbmondförmiger Schmuck und zwei Schmuckfassungen, die an der barocken Verkleidung des Throns montiert waren und ursprünglich wahrscheinlich an den Thronpfosten gesessen haben17. Diese Stücke stehen dem jüngeren Teil des „Giselaschmuckes“ nahe, der in das zweite Viertel des elften Jahrhunderts datiert wird und sich heute in den Staatlichen Museen Berlins - genauer dem Kunstgewerbemuseum- befindet. Die kapitellosen Filigranarkaden am Sockel der Filigrankuppeln am Halsgeschmeide der Maria und am Sockel der Fassungen an Besatzstücken des Throns und die Palmettenkränze aus Filigrandraht an den Steinfassungen der Besatzstücke am Thron kommen gleichsam auf dem Schaft der, unterhalb der Vierung montierten Schmuckplatte des „Bernwardkreuzes“18 vor. Zwischen dem steinhaltigen Lilienkranz aus Filigrandraht und den Sockelarkaden aus Filigrandraht ist zudem eine Spirale aus glattem Draht eingefügt, die am nächsten den jüngeren Fibelfassungen aus Norddeutschland (Alt-Lübeck), Südschweden (Lund/Schonen) und Finnland (Masku/Humikkala) ähneln, welche auf Grund der Fundumstände in die zweite Hälfte des elften Jahrhunderts und in das beginnende zwölfte Jahrhundert datiert werden können19. Doch nun zurück zur Marienfigur. Hier sind die Beine angewinkelt und stehen in einem kleinen Abstand nebeneinander fest auf der Erde. Über den Beinen der Madonna liegt das Gewand straff. Zwischen ihnen ist der Stoff steif, beinahe brettartig, in eine flache, plissiert wirkende dreiteilige Faltenbahn gelegt und bildet Hängefalten über den Unterschenkeln, die sich an den Kniekehlen fangen und Quetschfalten bilden. Das Gewand fällt daher seitlich leicht fächerförmig in großen straffen Zügen herunter und endet in bewegten Saumlinien20. Als unterer Abschluss biegt sich der Stoff lippenförmig über den Füßen auf21. Die typisch ottonische, sorgfältige Behandlung des Goldblechs in der Gewandfältelung lässt die klare Figürlichkeit unbeeinträchtigt und scheint eine Vorankündigung romanischen Realismus’ zu sein22 - die Sitzmadonna kann daher zusammen mit den Zierbeschlägen und Schmuckmotiven ihrer Gestaltung als durchaus zukunftsweisend erachtet werden.23

Die Beine Marias nun, sind leicht gespreizt, um dem wesentlich kleineren Christuskind, welches die Gestalt Marias in Verkleinerung darzustellen scheint, einen festen Sitz mittig auf ihrem Schoß zu verschaffen.

2.1.2. Der Sohn Marias

Das Christuskind thront dort ebenfalls in hieratischer frontaler Strenge. Dabei wird deutlich, dass der Sohn Mariens leicht in seiner Achse nach rechts verschoben ist. Er wendet sich dem Betrachter mit dem ganzen Körper zu und ist dadurch in keinem bildinternen Dialog mit der Mutter begriffen. Der Kopf der Christusfigur steckte vormals in einem Zapfloch, welches sehr tief ist und sich nach unten zu einem Hohlraum weitet - zusammen mit dem Verschlussbrett im Rücken Marias verweist das Zapfloch wahrscheinlich auf eine ursprüngliche Reliquienverwahrung24 im Inneren der beiden Figuren, obwohl der Befund dahingehend keine völlig eindeutigen Rückschlüsse erlaubt25. Der rechte Christusarm ist leicht erhoben. Der Arm endete ursprünglich in einer heute verlorenen Hand, welche vermutlich den Segensgestus vollzog. In seiner linken Hand soll Christus, wie schon Maria in ihrer Rechten, einst ein Kreuz gehalten haben. Das Gewand des Kindes besteht, wie das der Mutter, aus einem Unter- und einem Übergewand, wobei das Übergewand über die linke Schulter gelegt ist und sich in Gürtelhöhe rafft. Es bedeckt beide Knie und schwingt mit seinem Saum von unterhalb des linken Knies bis zum rechten Unterschenkel herunter. Der Charakter der Faltenbehandlung des Christusgewandes entspricht damit dem des Madonnengewandes. Die bereits konstatierte, strenge Frontalität beider Dargestellten wird durch die symmetrische Drapierung des eng anliegenden Mariengewandes und dessen Entsprechung im Christusgewand verstärkt. Das Kind bildet im Ganzen den Mittelpunkt der Plastik und wird von Kontur, Gewanddrapierung und Gestik umspielt. Christus ähnelt durch die Gestaltung seines Körpers und die, in gleicher Weise nach vorne gerichtete Sitzhaltung auch stark dem Körperaufbau der Maria. Dennoch handelt es sich bei den Dargestellten um klar gegen einander gesetzte, geschlossene Körpermassen. So ist das Kind ein selbstständiges plastisches Gebilde, das die Gestalt der Maria lediglich im Kleinen wiederholt, wodurch die kultbildhafte Wirkung der Statue verstärkt wird. Auch ist der Statue im Ganzen eine Spannung zu Eigen, die auch auf der, jeweils nur wenig von der Senkrechten und Waagerechten abweichenden Kontur beruht. Dies wird besonders an der Vorderseite deutlich. So haben zum Beispiel die Beine eine, von unten nach oben leicht aufschwingende Kontur. Jene tritt mit dem gegensätzlichen Verlauf des, leicht über die Schultern zum Hals einbiegenden Oberkörperumrisses in einen Dialog. So verrät die Seitenansicht der Maria eine feste innere Verspannung fern jeder Blockhaftigkeit. Zudem erscheinen die Figuren sehr räumlich gefasst und rücken durch ihre Plastizität in die Realität des Betrachters: Die Kontur verläuft vom Halsansatz zum Schoß schräg nach vorn. Die Oberschenkel stoßen in den Raum und wölben sich leicht nach unten. Die Füße sind so weit rückwärts gestellt, dass die Unterschenkel steil nach hinten gerichtet sind.

[...]


1 Vgl. Braun, S. J.: Meisterwerke der deutschen Goldschmiedekunst der vorgotischen Zeit. 9.- 12. Jahrhundert, Bd. 1, München 1922, S.6.

2 Vgl. Vita Thangmarus, Vita Bernwardi. Das Leben des Bischofs Bernward von Hildesheim, Hildesheim 1993, S. 275- 380.

3 Vgl. Brandt, M.: „…und geziehret mit Edelgesteinen“. Zur großen Madonna imHildesheimer Domschatz, in: Gosebruch, M.(Hrsg.), Bernwardinische Kunst, Göttingen 1988, S. 195.

4 Obwohl keine Quellen über die Entstehungszeit der Madonna bestehen, bezweifelt die Literatur die Datierbarkeit der Hildesheimer Madonna in die Zeit Bernwards nicht. Vgl. Brandt (1988), S. 195.

5 Im Jahre 1664 ist belegt, dass unter anderem die originalen Köpfe beider Dargestellten durch moderne Köpfe mit natürlichen Haaren ersetzt wurden. Diese „gutgemeinte Verschönerung“ der Barockzeit erfolgte durch den Hildesheimer Kanonikus Franz Anton von Wissoque, der sich laut dem gelehrten Hildesheimer Jesuiten Elbers an dem „monströsen Anblick des Mariengesichtes“ störte. Wahrscheinlich wurden 1890 die barocken Köpfe dann gegen neu geschnitzte und vergoldete ausgewechselt. 1954/55 wurden alle nicht-originalen geschnitzten Teile und Metallhülle abgenommen. Vgl. Brandt (1988), S. 195.

6 Vgl. Elbern, V. H./ Reuther, H.: Der Hildesheimer Domschatz, Hildesheim1969, S. 73.

7 Er besteht möglicherweise aus Weide oder Pappel andere haben das Holz als Linde zu erkennen geglaubt. Vgl. Wesenberg, R.: Bernwardinische Plastik. Zur ottonischen Kunst unter Bischof Bernward von Hildesheim, Berlin 1955, S. 59.

8 Neben dem Goldblech und dem Holzkern besteht die monumentale Vollplastik aus Silberblechen, Vergoldung, Nägeln, die aus Gold- und Silberblech gedreht sind, Filigran, Edelsteinen, Gemmen, Wachs, Leimgrundierung, Kreidegrund, Ölfarbe, Lüster und Firnis. Vgl. Brandt, M.(Hrsg.): Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen, Hildesheim1993, S. 502.

9 Von der farbigen Fassung der Gesichter, der Hände und Füße Christi in rosa Inkarnat, den roten Schuhen Marias und der grünen Bodenfläche sind nur noch Spuren existent. Vgl. Brandt (1993), S. 503, Wesenberg (1955), S. 58.

10 Vgl. Brandt (1993), S. 500, Wesenberg (1955), S. 59.

11 Vgl. Wesenberg (1955), S. 171.

12 1645 n. Chr. erhielt die Maria eine (vermutlich neue) Krone. Vgl. Brandt (1993), S. 503.

13 Aus dieser frontalen Haltung der Dargestellten ergäbe sich ein gerade nach vorne gerichteter Blick der beiden Figuren, der in eine imaginäre Ferne gerichtet gewesen sein dürfte. Da die Köpfe der Dargestellten allerdings verloren sind, entzieht sich die einstige Wirkung des Figurenblickes dem Rezipienten.

14 Der Thron war ursprünglich mit vergoldeten Silberblechen verkleidet, die fast gänzlich verloren sind. Darüber hinaus ist dessen Holzkern beschädigt. Dies erklärt sich durch die Vermorschung, die Anbringung einer neuen barocken Thronummantelung im Jahre 1664 und die Herstellungsweise des Holzkernes, bei der Teile, wie der rechte Tunikaärmel Marias und die Arme des Kindes bloß mechanisch am Hauptteil angebracht wurden - möglicherweise, um das Verkleiden der Figurengruppe mit Goldblech zu erleichtern. Im Jahre 1664 wurde der ursprüngliche Hocker, auf dem die Marienfigur thronte in einen Cherubimthron umgewandelt wurde, auf den allerdings die alten Steinfassungen aufgebracht wurden. Vgl. Brandt (1993), S. 503.

15 1645 erhielt Maria eine neue rechte Hand, mit der sie ein Zepter hielt. Vgl. Brandt (1993), S. 503.

16 Die Gewandverzierungen waren wahrscheinlich bereits zu der Entstehungszeit der Plastik geplant, da die Borten bereits am Holzkern angelegt waren. Einige der Zierstreifen des elften Jahrhunderts fielen offenbar einem Kirchenraub zu Opfer: Ein Eintrag im Gedenkbuch des Hildesheimer Domkapitels aus dem zweiten Jahrzehnt des dreizehnten Jahrhunderts spricht von einem Einbruch in den Hildesheimer Dom, bei dem Diebe unter anderem Teile die Verkleidung der goldenen Madonna heruntergerissen hätten. Der stilistische Befund der Madonna stimmt damit überein, denn die Filigranstreifen an den Ärmeln der Tunika Marias und die linke Kopftuchborte Mariens werden um 1220/30 datiert. Dabei orientiert sich die linke Kopftuchborte aber motivisch an der rechten Kopftuchborte und dem Halsschmuck des elften Jahrhunderts. Vgl. Brandt (1993), S. 500-503.

17 Vgl. Wesenberg (1955), S.59

18 Durch die stilistischen Beziehungen zum großen Bernwardkruzifix und zur Mainzer Madonna wird die Datierung in die Zeit vor 1015 als glaubhaft angenommen. Vgl. Brandt (1993), S. 502.

19 Vgl. Brandt (1993), S. 502- 503.

20 Besonders am unteren Gewandsaum der Maria sind geringe Beschädigungen feststellbar, die vor allem durch das mehrfache Aufnageln des Goldbleches entstanden sein mögen. Vgl. Brandt (1993), S. 502.

21 Vgl. Brandt (1988), S. 195

22 Vgl. Vegas, L.: Bernward und Hildesheim, in: Europas Kunst um 1000, 950- 1050, Regensburg 2001, S. 129.

23 Vgl. Wesenberg (1955), S. 59- 62.

24 Reliquien sind als so genannte Primärreliquien Partikel von Heiligengebeinen, Knochen und Knochensplitter, Blut, Zähne, Haare und als Sekundärreliquien Gegenstände, die mit den Heiligen in Berührung gekommen sind (Kleidung, Holz vom Bett Mariens, Glieder der Kette, mit denen Petrus im Gefängnis angekettet war u.ä.). vgl. Reudenbach, B.: Gold ist Schlamm. Anmerkungen zur Materialbewertung im Mittelalter, in: Wagner, M./ Rübel, D.(Hrsg.): Material in Kunst und Alltag, Berlin 2002, S. 7-8.

25 Vgl. Fehrenbach, F.: Die Goldene Madonna im Essener Münster. Der Körper der Königin, Ostfildern 1996, S.57. Auf eine weitere, mögliche Reliquie verweist ein Papier mit einer Inschrift, das im Inneren des Thrones angebracht war. Es berichtet von einer Wiederherstellung im Jahre 1664 n.Chr. Darin wird die Madonna als „de ligno Roseti“ bezeichnet. Bezeichnend ist hierbei, dass tatsächlich kleine Pfropfen von Rosenholz - möglicherweise als Reliquie- in den Holzkern der Monumentalplastik eingefügt sind, die vielleicht vom berühmten „1000-jährigen“ Rosenstock an der Apsis des Domes stammen könnten. Vgl. Wesenberg (1955), S.171. Dies würde eine enge Beziehung der „Goldenen Madonna“ und ihres Stifters zum Hildesheimer Marienkult unterstreichen. Das Maria in der Geschichte Hildesheims dabei schon immer eine große Rolle gespielt hatte, lässt den Bearbeiter folgende Legende erahnen: Ludwig der Fromme erbaute Hildesheims ältesten Dom. Die Chroniken erzählen, Ludwig sei bei einer Jagd zuvor an den Ort gekommen, wo später Hildesheim stand. Damals hätten dort aber weite Sümpfe im Urwald einen steil aufsteigenden Hügel umspannt. Der Fürst hätte bei einem frischen Quell nun die Zelte aufschlagen lassen. Sein Kaplan hängte eine, mit Reliquien der Gottesmutter gefüllte, silberne Kapsel in einen Rosenstrauch, errichtete einen Altar und feierte die heilige Messe. Bei der Abreise soll er aber vergessen haben, das Reliquiar mitzunehmen. Als er sein Versehen bemerkte, konnte er den Ort nur nach langem Suchen wieder finden. Er eilte den Hügel hinauf und sah staunend, wie um „das Heiligtum Unserer Lieben Frau“ ein Kranz frischer Rosen erblüht war. Er eilte zum Kaiser und erzählte es ihm. Da entschloss sich Ludwig, hier eine Marienkirche und ein Bistum zu errichten. Vgl. Beissel, S.: Geschichte der Verehrung Marias in Deutschland während des Mittelalters, Freiburg im Breisgau 1909, S. 36. Die Reliquien Mariens bewogen die Stifter also, an den jeweiligen Orten Gotteshäuser, mit Maria als Patronin, zu errichten. Nun wurde Maria, der zu Ehren der Dom erbaut worden war, auch eine kostbare Sitzstatue geweiht, die die Bedeutung und Assoziation der Gottesmutter für Hildesheim dem Rezipienten noch deutlicher vor Augen führte. Eine Verbindung dieser Statue zu einem Rosenstock, wie er in der Legende angesprochen wurde, findet sich in einer Inschrift unter dem Sitze der Jungfrau, die besagte: „Dies Bild der seligen Jungfrau Maria soll geschnitzt sein aus dem Holze des wunderbaren Rosenstockes, dem die (Hildesheimer) Kirche ihre Stiftung (unter Ludwig dem Frommen) verdankt. Es wurde erneuert und in diese schönere Form gebracht unter unserem Bischof Maximilian, Herzog von Bayern, unter dem Propst Arnold von Hoensbroech und dem Dekan Matthias Korff gen. Schmising im Jahre des Heiles 1664.“ Vgl. Brandt (1993), S. 502.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die goldene Madonna des Hildesheimer Doms
Untertitel
Ein Sinnbild ottonischen Glaubens
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Kunsthistorisches Seminar und Kustodie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
28
Katalognummer
V266623
ISBN (eBook)
9783656568988
ISBN (Buch)
9783656568957
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
madonna, hildesheimer, doms, sinnbild, glaubens
Arbeit zitieren
M.A. Luise Schendel (Autor:in), 2008, Die goldene Madonna des Hildesheimer Doms, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266623

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