Stylistique Comparée. Eine kritische Darstellung der Translationsschule

Mit deutsch-kroatischen Beispielen


Magisterarbeit, 2010

54 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1. Einleitung

2. Stylistique comparée als Translationstheorie

3. Äquivalenzbegriff der Stylistique comparée

4. Übersetzungsprozeduren
4.1. Prozeduren der Direktübersetzung (traduction directe
4.1.1. Entlehnung
4.1.2. Lehnübersetzung
4.1.3. Wortgetreue Übersetzung
4.2. Prozeduren der traduction oblique
4. 2.1. Transposition
4.2.1.1. Bauschs Transpositionstypen
4.2.1.1.1. Substitution
4.2.1.1.2. Chasse-croise
4.2.1.1.3. Dilution
4.2.1.1.4. Konzentration
4.2.2. Modulation
4.2.3. Äquivalenz
4.2.4. Adaptation

5. Regelsystem der Stylistique comparée

6. Kritik am Regelsystem

7. Schlussfolgerung

8. Quellenangaben

Zusammenfassung

Im Mittelpunkt dieser Diplomarbeit steht einerseits die französische Translationsschule Stylistique comparée, die sich der „deskriptiven Übersetzungswissenschaft“ verschrieben hat, mit dem Ziel, anhand des Vergleiches von ausgangssprachlichen Elementen und ihren Entsprechungen im Zieltext Übersetzungsprozeduren zu finden und anzubieten, die den Übersetzungsprozess steuern und erleichtern sollen, und andererseits die Kritik an dem Regelsystem der Stylistique comparée. Die zum didaktischen System bzw. Regelsystem der Stylistique comparée gehörenden Übersetzungsprozeduren werden mithilfe deutsch-kroatischer und kroatisch-deutscher Beispiele erläutert und danach kritisch betrachtet.

Schlüsselbegriffe: Stylistique comparée, Äquivalenzbegriff, Übersetzungsprozeduren, Regelsy-stem, Kritik

1. Einleitung

Das Ziel dieser Diplomarbeit ist es, die Translationsschule Stylistique comparée samt ihrer Übersetzungstechnik bzw. -theorie, ihren Übersetzungsprozeduren und ihrem didaktisch, normativ und deskriptiv ausgerichteten Regelsystem vorzustellen, die einzelnen Übersetzungsprozeduren zu erklären und mit Beispielen zu belegen sowie die Praxistauglichkeit des Regelsystems mit zahlreichen Argumenten zu widerlegen.

Die Aufgabe eines einleitenden Teils dieser Diplomarbeit übernimmt das Kapitel Stylistique comparée als Translationstheorie, welches sich mit der Darstellung der Entstehungsgeschichte der Stylistique comparée sowie mit der Darstellung ihrer Vertreter, ihrer „Technik des Übersetzens“ und ihrer Ähnlichkeit mit der sprachenpaarbezogenen Übersetzungswissenschaft, der kontrastiven Linguistik und dem Strukturalismus befasst.

Da die Äquivalenz sowie der Äquivalenzbegriff in der Übersetzungswissenschaft eine wichtige Rolle spielen, sind sie auch ein fester Bestandteil der Übersetzungstheorie der Stylistique comparée. Mit diesem Thema, dem Äquivalenzbegriff aus der Sicht der Vertreter der Stylistique comparée, beschäftigt sich das Kapitel Äquivalenzbegriff der Stylistique comparée.

Im Mittepunkt der Übersetzungstheorie der Stylistique comparée steht jedoch das Regelsystem mit seinen Übersetzungsprozeduren, auf die im Kapitel Übersetzungsprozeduren einzeln eingegangen wird. Die Theorie wird von deutsch-kroatischen und kroatisch-deutschen Belegen begleitet.

Einen genaueren Einblick in das Regelsystem der Stylistique comparée gewährt erst das Kapitel Regelsystem der Stylistique comparée, in dem die von den Vertretern der Stylistique comparée aufgestellten „Regeln” aufgezählt und erklärt werden.

Das beschriebene Regelsystem wird im letzten Kapitel Kritik am Regelsystem kritisch betrachtet, indem seine Praxistauglichkeit infrage gestellt wird und seine Schwächen hervorgehoben werden.

2. Stylistique comparée als Translationstheorie

Die Entstehungsgeschichte der Stylistique comparée geht in die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurück, als Alfred Malblanc 1944 sein Buch Stylistique comparée du franç ais et de I' allemand veröffentlicht hat, welches bis 1984 fünf Auflagen und 2002 den Nachdruck erfahren hat (Prunč 2007, 44). Die Translationsschule gewinnt nach dem Zweiten Weltkrieg weitere Sympathisanten, u.a. Jean-Paul Vinay und Jean Darbelnet, die 1958 mit der Veröffentlichung ihres Übersetzungshandbuches Stylistique comparée du franç ais et de I' anglais zu den wichtigsten Vertretern dieser Translationsschule werden (Prunč 2007, 44). Den Vertretern der Stylistique comparée dient als Grundlage für ihre Übersetzungstheorie bzw. -technik der kontrastive Vergleich der ausgangssprachlichen und zielsprachlichen Textelemente. Infolgedessen sind die Kategorien der kontrastiven Linguistik, die sich in den 1940er Jahren mit dem Vergleich zweier Sprachen auf der Systemebene befasst, die strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Sprachenpaar hervorhebt und sich dabei der Fehler- und kontrastiven Analyse bedient, die Basis der didaktisch ausgerichteten Stylistique comparée (Stolze 2008, 79f), die Jean-René Ladmiral zur „deskriptiven Übersetzungswissenschaft“ zählt (Stolze 2008, 217). Bei dieser kontrastiv-linguistischen Analyse der Stylistique comparée werden die Mikrostrukturen überbetont und dadurch der Blick auf das Textganze verstellt (Prunč 2007, 50). „Die isolierbaren Elemente des AT sind und bleiben in der Stylistique comparée der alleinige Maßstab für Translation” (Prunč 2007, 50). Als isolierbare Elemente gelten morphologische, lexikalische und syntaktische Einheiten, die verglichen werden können (Prunč 2007, 50). Nach Peter Newmark werden bei der Stylisti­ que comparée die Satzstruk­turen wie unter einem Vergrößerungsglas sehr genau betrachtet, um der Gefahr eines Verlustes von „lexical and grammatical meaning“[1] und von „overtranslation or undertranslation“[2] zu entgehen (Stolze 2008, 82).

Die übersetzungsdidaktische Feststellungen, ob ein Ausdruck aus dem Zieltext ein Fremdwort, eine Lehn­übersetzung, eine Umschreibung, ein Faux Ami (falscher Freund), ein idiomatischer Aus­druck, eine wörtliche Übersetzung ist oder nicht, stehen im Rahmen der sprachenpaarbezogenen Übersetzungswissenschaft (Stolze 2008, 81). Diese sprachenpaar-bezogene Übersetzungswissenschaft ist wie die Stylistique comparée selbst mikrostilistisch ausgerichtet und steht dem Sprachvergleich und der kontrastiven Grammatik sehr nahe (Stolze 2008, 82). Wie die Stylistique comparée klassifiziert sie deskriptiv das Übersetzerverhalten und den Übersetzungsprozess und verwendet die gewonnenen Kategorien bzw. die gewonnene Klassifikation präskriptiv für die Übersetzungsdidaktik. Das Klassifikationsschema von übersetzungsprozeduralen Verhaltensweisen der Stylistique comparée wurde auf empirischer Basis entwickelt (Wills 1977, 124). Die Stylistique comparée machte sich die Mühe mithilfe der Sprachenpaare Englisch-Französisch (Vinay/Darbelnet) und Deutsch-Französisch (Malblanc), das Verhalten beim Übersetzen von sprachlichen Elementen, die in einer konkreten Situation verwendet werden, zu beschreiben und die registrierten Übersetzungsvorgänge übersetzungsprozeduralen Kategorien und Subkategorien zuzuordnen, um so eine „übersetzungsunterrichtlich nutzbare Technik des Übersetzens“ zu entwickeln (Wills 1977, 225). Deshalb handelt es sich bei der Stylistique comparée um eine „Technik des Übersetzens", die erlernbare Prozeduren zur Herstellung einer inhaltlich genauen Übersetzung zur Verfügung stellt (Stolze 2008, 83).

Da sich die Stylistique comparée bei ihren Untersuchungen vor allem auf den Vergleich von vorhandenen Ausgangstexten und ihren Übersetzungen als Textmaterial stützt, soll sie nach Malblanc auf dieses Weise grundlegend zur Übersetzung beitragen:

Die vergleichende Stilistik operiert auf der Grundlage des Vergleichs von Texten gleicher Bedeutung und stützt sich dabei hauptsächlich auf Übersetzungen als Materialbasis. Als etablierte Disziplin wird sie dann ihrerseits zur Grundlage der Übersetzung und erhellt deren Wesen. (Jörn 2005, 162)

Somit kann zusammengefasst gesagt werden, dass im Mittelpunkt der Translationsschule Stylistique comparée Sprachenpaare und Herstellungsverfahren von Äquivalenzen in konkreten sprachlichen Transferprozessen stehen (Prunč 2007, 44). Um äquivalente Einheiten festzustellen, sucht man nach Ausdrucksmitteln, die im konkreten Sprachenpaar bzw. in beiden Sprachen in der gleichen kommunikativen Situation verwendet werden (Prunč 2007, 44). Ziel der Stylisti­ que comparée ist es, Verfeinerung, Formalisierung und Didaktisierung einzelner Übersetzungs-prozeduren zu erreichen, lacunae[3] in zielsprachlichen Systemen festzulegen und é quivalences bzw . kommunikativ funktionsgleiche Elemente eines konkreten Sprachenpaares zu finden, d. h. eine funktionsgleiche Übersetzung oder Dolmetschung zu schaffen (Prunč 2007, 49f). Nach Wolfram Wills ist das Ziel der Stylisti­ que comparée eine systematische Beschreibung und Klassifikation von sprachenpaargebundenen Übersetzungsprozeduren (1977, 225).

Nach Christian Weiß scheint die Translationsschule Stylistique comparée mit ihrem Vergleich der sprachlichen Strukturen des Ausgangstextes mit entsprechenden sprachlichen Strukturen im Zieltext im Strukturalismus verwurzelt zu sein, der die Sprache als System von Zeichen betrachtet, in dem Beziehungen zwischen den einzelnen sprachlichen Zeichen und Beziehungen von Bedeutungsteilen (Semen) innerhalb der sprachlichen Zeichen herrschen (2008, 22). Erich Prunč setzt die Stylistique comparée ebenfalls in Verbindung mit dem Strukturalismus, indem er die Vertreter der Stylistique comparée mit Strukturalisten vergleicht. Nach Prunč versuchten Jean-Paul Vinay, Jean Darbelnet, Louis Truffaut wie auch andere Vertreter der Stylistique comparée, durch Strukturvergleiche sprachenpaarspezifische Übersetzungsprobleme festzulegen und Verfahren zur Überwindung struktureller Unterschiede vorzuschlagen, die gelehrt und erlernt werden können (2007, 44). Dadurch sollten Übersetzungsprobleme bei konkreten Texten vorhergesehen und den Lernenden Anweisungen zur Lösung dieser Übersetzungsprobleme angeboten werden (Prunč 2007, 50). Somit ist der Zugang der Stylistique comparée zur Übersetzung auch weitgehend normativ bzw. die Übersetzungsprozeduren der Stylistique comparée dienen beim Übersetzungsprozess als Regeln.

Nach Stylistique comparée besteht der Übersetzungsprozess aus sieben Übersetzungs-prozeduren sog. proc é des techniques, von denen drei zur wörtlichen Übersetzung und vier zur nichtwörtlichen Übersetzung gezählt werden (s. Kapitel 4).

3. Äquivalenzbegriff der Stylistique comparée

Der Terminus Äquivalenz stammt ursprünglich aus der Mathematik und formalen Logik, bedeutet die „umkehrbar eindeutige Zuord­nung" von Elementen in einer Gleichung und wird im Sinne einer eindeutigen Zuordnung ge­normter Fachtermini in den Fachsprachen verwendet (Stolze 2008, 101).

In der Übersetzungswissenschaft hat dieser Terminus jedoch eine andere Bedeutung. Die é quivalence gilt in der Übersetzungswissenschaft als zielsprachliche Entsprechung eines ausgangssprachlichen Textsegments, welches in der Zielkultur in einer kommunikativ gleichen oder vergleichbaren Situation verwendet wird wie in der Ausgangskultur (Prunč 2007, 50). Da die Stylistique comparée kommunikativ funktionsgleiche Elemente – ohne Rücksicht auf ihre Struktur - als é quivalence bezeichnet, verlangt sie implizit Funktionsgleichheit und inhaltliche Unveränderlichkeit zwischen Ausgangs- und Zieltext (Prunč 2007, 45 u. 50). Diese inhaltliche Invarianz bzw. Unveränderlichkeit, welche als „tertium comparationis[4] von Ausgangs- und Zieltext“ das entscheidende Qualitätskriterium einer Übersetzung ist, ermöglichen Äquivalenzbeziehungen. Diese Äquivalenz-beziehungen sind von Sprachenpaar zu Sprachenpaar unter­schiedlich und beziehen sich auf die kleinsten Segmente des Aus­gangstextes, für die ein Zieltextsegment, eine sog. Übersetzungseinheit, gesucht wird (Kautz 2002, 34).

Im Französischen hat der Begriff é quivalence in der Übersetzungswissenschaft zwei verschiedene Bedeutungsschwerpunkte. Einerseits bezeich­net er in der Übersetzungs-prozedur der Stylistique compar ée eine bestimmte Art von semantischer Perspek­tivenverschiebung und ist damit als übersetzungsprozedural (prospektiv) anzusehen, andererseits ist er Ausdruck dessen, dass jeder Übersetzungsvorgang prinzipiell auf Äquivalenz abzielt, die mithilfe der jeweils gewählten Stra­tegie bzw. Übersetzungsprozedur mehr oder weniger erfolgreich erzielt werden will und somit ist er als übersetzungskritisch (retrospektiv) zu betrachten (Wills 1977, 160).

Sogar innerhalb der Translationstheorie der Stylistique comparée hat der Begriff Äquivalenz eine doppelte Bedeutung. Einerseits bedeutet er die Beziehung zwi­schen funktionsgleichen Elementen eines Sprachenpaars, andererseits die Übersetzungsprozedur zur Herstellung dieser Bezie­hung (Prunč 2007, 49).

Um Äquivalenz zu erreichen, werden von der Stylistique comparée verschiedene Übersetzungsprozeduren vorgeschlagen, die in zwei Hauptgruppen eingeteilt werden können: a) traduction directe, b) traduction oblique.

4. Übersetzungsprozeduren

Durch die systematische Analyse von umfangreichem Textmaterial gelangten die Vertreter der Stylistique comparée zu einem Stufenmodell der Übersetzung bzw. zum Regelsystem, welches verschiedene procédures beinhaltet. Diese Übersetzungsprozeduren entfernen sich stufenweise von der syntaktischen Struktur und von den entsprechenden lexikalischen Einheiten des Ausgangstextes (Weiß 2008, 11).

Die Übersetzungsprozeduren werden nach Malblanc in zwei Gruppen eingeteilt. Die Gruppe traduction directe (wörtliche Übersetzung) bilden Prozeduren, bei denen die Textoberfläche des Ausgangstextes mehr oder weniger linear in eine Zielsprache übertragen werden kann, während zur traduction oblique (nichtwörtliche Übersetzung) Prozeduren gezählt werden, bei denen aufgrund der Asymmetrie der Sprachen komplexere Verfahren notwendig sind (Prunč 2007, 45).

Zur traducti­ on directe bzw. Direktübersetzung gehören folgende Übersetzungsprozeduren: (Direkte) Entlehnung ( emprunt), Lehnübersetzung ( calque) und wortgetreue Übersetzung ( traduction litt é rale). Wenn signifikante strukturelle, konzeptuelle, stilistische und/oder kulturelle Unterschiede zwischen der Ausgangs- und Zielsprache vorliegen, muss der Übersetzer nach der Auffassung der Stylistique comparée zu komplexeren Übersetzungsverfahren greifen. Diese komplexeren Übersetzungsverfahren sind Transposition, Modulation, Herstellung von Äquivalenz (é quivalence) und Adaptation, die zur traduction oblique zu rechnen sind. Diese nichtwörtlichen Übersetzungsprozeduren werden auch als Ausdrucksverschiebungen bezeichnet.

Die Vertreter der Stylistique comparée unterscheiden zwischen obligatorischen und fakultativen Übersetzungsprozeduren bzw. Ausdrucksverschiebungen (Wills 1977, 122).

Obligatorische Übersetzungsprozeduren bzw. Ausdrucksverschiebungen treten auf syntaktisch-syntagmatischer oder lexikalisch-morphematischer Ebene auf, sind entweder durch oberflächengebundene Strukturdivergenzen oder durch semantisch-soziokulturelle Unterschiede zwischen Aus­gangs- und Zielsprache bedingt (Wills 1977, 122).

Zur obligatorischen syntaktischen Ausdrucksverschiebung, der sog. servitude (grammaticale), kommt es, wenn sich der Übersetzer bei der Wiedergabe eines ausgangssprach­lichen Textsegments (Satz, Gliedsatz oder Wortgruppe) für eine Ausdrucksweise entscheiden muss, die von der ausgangssprachlichen Formulierung strukturell mehr oder weniger abweicht und Tilgungs- (Eins-zu-Null-Entsprechungen) und/oder Insertionsverfahren (Null-zu-Eins-Entsprechungen) einschließen kann (Wills 1977, 122f) (s. Kapitel 4.2.1.).

Die lexikalisch-morphematische Ausdruckverschiebung, die sog. modulation figée, kann in Analogie zum Begriff servitude (grammaticale) als servitude lexicale bezeichnet werden (s. Kapitel 4.2.2.).

Im Gegensatz zu den obligatorischen Ausdrucksverschiebungen sind die fakultativen Ausdrucksverschiebungen, die sog. transpositions libres (4.2.1.) und modulations libres (4.2.2.) , stilistisch motiviert (Wills 1977, 124). Sie treten dort auf, wo der Übersetzer zwischen mehreren qualitativ ungefähr gleichwerti­gen Wiedergabemöglichkeiten auswählen kann (Wills 1977, 124). Für welche Ausdrucks­variante sich der Übersetzer entscheidet, hängt von folgenden Faktoren ab:

1. Texttyp, dem der Ausgangstext angehört,
2. Grad der stilistischen Markierung des Ausgangstextes,
3. Adressaten, für die die betreffende Übersetzung bestimmt ist,
4. Verständlichkeits- und Kongenialitätsgrad des Ausgangstextes,
5. individualstilistisches Variationsvermögen, Idiosynkratismen und Formulierungs-gewohnheiten des Übersetzers und sei­ne Fähigkeit zur Erkennung und Handhabung stilistischer Register (Wills 1977, 124).

Während die fakultativen Übersetzungsverfahren zur sprachlich einbürgernden Übersetzung[5] gehören, zählen die obligatorischen Übersetzungsverfahren zur wörtlichsten grammatischen Übersetzung, insoweit sie denotative Äquivalenz anstreben (Schreiber 1993, 214).

4.1. Prozeduren der Direktübersetzung (traduction directe)

Die Übersetzungsprozeduren bzw. –verfahren Entlehnung ( emprunt), Lehnübersetzung ( calque) und wortgetreue Übersetzung ( traduction litt é rale) gehören zur Direktübersetzung (traduction directe) bzw. wörtlichen Übersetzung. Im Folgenden werden die einzelnen Übersetzungsprozeduren näher erklärt und durch deutsch-kroatische und kroatisch-deutsche Beispiele verdeutlicht.

4.1.1. Entlehnung

Bei der Entlehnung ist der Grad der Nähe zum ausgangssprachlichen Segment am größten, weil ein oder mehrere zusammenhängende lexikalische Elemente unverändert aus dem Ausgangstext in den Zieltext übertragen werden (Weiß 2008, 12). Nach Erich Prunč dienen die Entlehnungen oder Direktentlehnungen dazu, lexikalische Lücken im Zieltext aufzufüllen (2007, 45). Dabei werden graphisch oder phonetisch ausgangssprachliche Elemente bzw. Lexeme oder Lexemkombinationen in die Zielsprache mehr oder weniger unverändert übernommen (Prunč 2007, 45). Nachdem diese Elemente graphemisch und inhaltlich unverändert übernommen worden sind, werden sie eingebürgert bzw. orthographisch und lautlich der zielsprachlichen Schreib- und Sprechweise angepasst und somit zu Lehnwörtern (Wills 1977, 114).

Um die Übersetzungsprozedur emprunt genauer vorzustellen, dienen folgende Belege für Entlehnungen von Substantiven (a), Adjektiven (b), Verben (c) und Adverbien (d).

a)

Deutsch (Der Vorleser) > Kroatisch (Žena kojoj sam čitao):

1) Linoleum (12) – linoleum (13)
2) Couch (13) – kauč (14)
3) Problem (58) – problem (51)
4) Skat (70) – skat (60)
5) Alkohol (74) – alkohol (63)
6) Student (84) – student (74)
7) Protokoll (87) – protokol (76)
8) Generation (87) – generacija (76)
9) Offizier (88) – oficir (76)
10) Kontext (105) - kontekst (90)
11) Bombe (117) – bomba (99)
12) Abstraktion (137) - asptrakcija (115)
13) Zigaretten (160) – cigarete (136)
14) Diagnose (160) – dijagnoza (136)
15) Kasetten (174) – kasete (147)
16) (...) zwischen den Baracken (...) (149) - (...) između baraka (...) (125)
17) (...) auf die (...) Plattform (...) (46) - (...) na (...) platformu (...) (41)
18) (...) bei einer Explosion (...) (101) - (...) uslijed eksplozije (...) (86)
19) (...) eine Art Testament (...) (195) - (...) neku vrstu testamenta (...) (166)

[...]


[1] Vgl. lexikalische und grammatische Bedeutung (Lyons 1995, 445-451)

[2] Bei der undertranslation befasst sich der Übersetzer mit dem Text nur oberflächlich, während er bei der overtranslation mehr in den Text interpretiert, als er beinhaltet ( http://www.univie.ac.at/ling-plattform/liwi/ images/0/07/Sprachwissenschaft_Fragenkatalog.pdf , 27.06.2010, 08:44).

Unter undertranslation versteht man den Informationsverlust beim Transfer wegen mangelnder Beschreibung oder fehlenden Erklärungen des ausgangssprachlichen Begriffs, was zu Unverständlichkeit oder zu Missverständnissen führen kann. Dieser Informationsverlust kann durch lexikalische Expansion oder durch Overtranslation (Überübersetzung) kompensiert werden. (http://othes.univie.ac.at/4350/1/2009-04-01_0208748. pdf, 27.06.2010, 09:11)

Durch overtranslation können möglicherweise falsche Assoziationen oder Konnotationen transportiert werden ( http://othes.univie.ac.at/6727/1/2009-09-22_0026725.pdf, 27.06.2010, 08:46).

[3] lacuna = lateinisch: „Vertiefung, Loch, Lücke“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Lacuna, 12.05.2010, 10:08)

[4] Das Gemeinsame zweier verschiedener, miteinander zu vergleichender Gegenstände oder Sachverhalte ( http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/bildung/index,page=1255744.html , 23.06.2010, 14:43)

[5] Die einbürgernde Übersetzung folgt der Forderung: „Eine Übersetzung soll sich lesen wie ein Original” (vgl. Schreiber 1993, 73)

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Details

Titel
Stylistique Comparée. Eine kritische Darstellung der Translationsschule
Untertitel
Mit deutsch-kroatischen Beispielen
Hochschule
Sveučilište Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku  (Philosophische Fakultät)
Note
1
Autor
Jahr
2010
Seiten
54
Katalognummer
V266607
ISBN (eBook)
9783656572947
ISBN (Buch)
9783656572893
Dateigröße
743 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Übersetzungsprozeduren, Stylistique comparée, Entlehnung, Lehnübersetzung, wortgetreue Übersetzung, Transposiiton, Modulation, Äquivalenz, Adaptation, Regelsystem
Arbeit zitieren
Magister der Germanisitk / Diplomübersetzerin für Deutsch Marta Hajsok (Autor:in), 2010, Stylistique Comparée. Eine kritische Darstellung der Translationsschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266607

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