Absicht und Unabsicht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs


Seminararbeit, 2013

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsübersicht

1. Eingrenzung des Themas

2. Die Ermächtigung zum Schusswaffengebrauch

3. Die beabsichtigte Schussabgabe
3.1 Absicht
3.2 Der Gesinnungsethiker
3.3 Der Verantwortungsethiker

4. Die unbeabsichtigte Schussabgabe
4.1 Abgrenzung zum unrechtmäßigen Schusswaffengebrauch
4.2 Ethische Bewertung
4.3 Bedeutung des Themas

5. Anforderungen an die Ausbildung

6. Nach dem Schusswaffengebrauch

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

1. Eingrenzung des Themas

Das Thema dieser Hausarbeit ist der beabsichtigte bzw. unbeabsichtigte Schusswaffen-gebrauch in der Polizei.

Die hier thematisierte „Absicht“ bezieht sich auf das hinter dem Schuss stehende Motiv, also ob es sich um eine durch den Willen getragene Tat handelt oder nicht.

Dieses Thema gewinnt insbesondere dadurch an Bedeutung, dass es für keinen Polizeibeamten auszuschließen ist, irgendwann in eine Situation zu geraten, in der die Schusswaffe das einzige verbleibende adäquate Mittel ist, um den staatlichen Willen durchzusetzen.

In dieser Arbeit werden u.a. ein Erklärungsmodell zur unbeabsichtigten Schussabgabe, sowie ethische Ansätze zu der beabsichtigten als auch unbeabsichtigten Abgabe erläutert. Daran angelehnt werden verschiedene Möglichkeiten dargelegt, um die Gefahr eines unbeabsichtigten Schusses zu minimieren. Abschließend wird noch das weitere Verfahren nach der Abgabe eines Schusses erläutert.

Ziel dieser Arbeit ist es, unter ethischen Gesichtspunkten und der Anwendung von Bewertungsmodellen verschiedene Fragestellungen zum Thema der Schuld in den Fällen der absichtlichen und des unabsichtlichen Schusses zu erläutern und das darauf folgende Verfahren zu erläutern.

Zunächst werden jedoch die besondere Bedeutung des Themas und die gesetzlichen Voraussetzungen für den Einsatz der Schusswaffe erläutert.

2. Die Ermächtigung zum Schusswaffengebrauch

Mit dem Gebrauch der Schusswaffe wird primär in das Recht auf körperliche Unversehrtheit bzw. Recht auf Leben aus Art.2 Abs.2 GG eingegriffen. Dieses Recht schützt jedermanns psychische als physische Gesundheit.

Der Gebrauch der Schusswaffe ist durch eine sog. Ermächtigung bzw. Eingriffsnorm spezialgesetzlich im Polizeigesetz NRW (PolG) geregelt.

Eingriffsnormen sind nach ihrer Natur entweder repressiv (z.B. Maßnahmen der Strafprozessordnung) oder präventiv (Maßnahmen aus dem PolG) zu sortieren.

Die StPO enthält keine gesonderten Paragraphen zur Durchsetzung von Maßnahmen mit Zwang, jedoch ist jede Maßnahme der StPO mit Zwang entsprechend der Vorschriften aus dem PolG zum Zwang durchsetzbar.

Der Gebrauch der Schusswaffe stellt unmittelbaren Zwang gemäß §55 PolG dar. Unmittelbarer Zwang kann in verschiedenen Formen angewendet werden, u.a. als einfache körperliche Gewalt (Arm-Dreh-Hebel) nach §58 Abs.2 PolG, mit Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt entsprechend Abs.3 (Fesseln, Reiz-, Betäubungsstoffe) und mit Waffen wie Pistole, Revolver oder Maschinenpistole (Abs.4).

Im Folgenden wird von einem Schusswaffengebrauch gegen Personen ausgegangen. Dafür sind die §§ 63 i.V.m. 64 PolG einschlägig.

Der Schusswaffengebrauch gegen Personen ist danach u.a. zulässig, wenn

- eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren ist
- die unmittelbare Begehung oder Fortsetzung von Verbrechen oder Vergehens unter Anwendung oder Mitführen von Schusswaffen oder Explosivmitteln zu verhindern ist
- sich eine Person der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, weil sie eines Verbrechens dringend verdächtig ist, oder weil sie eines Vergehens dringend verdächtig ist, und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Schusswaffen oder Explosivmittel mit sich führt
- die gewaltsame Befreiung einer aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern ist.[1]

Prinzipiell gilt, dass die Schusswaffe und deren Einsatz nur angedroht werden darf, wenn auch der Einsatz selbiger rechtmäßig ist.[2] Gleiches gilt, für das Ziehen der Waffe. Grundsätzlich ist schon während des Ziehens der Waffe der Zeigefinger an den Abzug zu legen.

Hier wird bereits deutlich wie hoch die Schranken für einen Eingriff liegen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen müssen bei ungehindertem Verlauf einen immensen Schaden für die Sicherheitsgüter von anderen Menschen erwarten lassen.

3. Die beabsichtigte Schussabgabe

Es gibt zwei allg. akzeptierte und auch weit verbreitete Theorien zum Schusswaffengebrauch der Polizei. Diese sind sowohl für beabsichtigte als auch unbeabsichtigte Fälle anwendbar.

Zum einen sind hier die Befürworter der Theorie anzuführen, die jede Form der Gewalt, also auch den Gebrauch der Schusswaffe konsequent ablehnen (Gesinnungsethiker) und auf der anderen Seite jene, die ihn in jedem konkreten Fall kritisch hinterfragen (Verantwortungsethiker).

Doch bevor Theorien erörtert werden können, ist zunächst zu klären, was „Absicht“ ist.

3.1 Absicht

Absicht ist ein Begriff der in vielen Richtungen ausgelegt werden kann. Psychologisch gesehen versteht man unter Absicht den vom Bewusstsein in die wirkliche Welt getragene und dort in einer Handlung verwirklichten Willen eines Menschen.[3]

Diese Definition ist für das in dieser Arbeit bearbeitete Thema grundlegend. Angewendet auf den Fall einer Schussabgabe, ergibt sich dabei folgendes Bild.

Der Polizist muss, um einen Schuss abzugeben, den Abzug der Waffe betätigen. Dies setzt einen Befehl zum Krümmen von Fingergliedern ausgehend vom Gehirn des Polizisten voraus.

Dieses Krümmen ist eine Handlung, die vom Gehirn befohlen wird. Also ist hier zunächst Absicht zu unterstellen. Allerdings ist es auch möglich, dass diese Handlung nicht willentlich, also nicht vom Bewusstsein getragen wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich der Schütze erschreckt. Dabei tritt ein natürlicher Reflex ein, der die Hand als Abwehr zur Faust zu ballt. Als Konsequenz löst sich ein Schuss aus Waffe.

3.2 Der Gesinnungsethiker

Die Gesinnungsethiker lehnen jede Gewaltausübung ab. Zu dieser Gruppe zählen insbesondere Freikirchen, die sich in der Argumentationsstruktur auf die Bergpredigt aus dem Neuen Testament beziehen und so jeden Menschen in der Verantwortung sehen, das Leben zu respektieren und zu schützen.

Dabei beziehen sich die Befürworter dieser Auslegung auf Mat. 5,9: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Söhne Gottes heißen.“

Zweifellos einfach lassen sich diese Ansätze den deontologischen Richtungen zuordnen. Auf Grund des absoluten Gewaltverbotes erkennt man hier auch die absolutistische Moral. Im Kern der Deontologen steht moralisch richtiges und wertvolles Handeln. Die Konsequenzen des Handelns sind nicht Schwerpunkt dieser Theorien.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass diese Tugenden höchst ehrenwert und durchaus zu begrüßen sind für eine harmonische Gesellschaft, aber es zeigt sich auch, dass Probleme entstehen in Situationen, in denen Dritte die negativen Auswirkungen eines solchen Verhaltens tragen müssen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Unschuldige in einer Geiselnahme sterben, weil es für die Polizei nicht moralisch hinnehmbar ist, dass Verhalten der Täter durch die Erfüllung entsprechender Forderungen zu bestätigen, und so eventuell weitere Menschen zu gefährden. Ebenfalls anzumerken ist, dass, würde man dem Prinzip der Gewaltlosigkeit folgen, kein Polizist berechtigt wäre, Eigensicherung oder Selbstverteidigung umzusetzen.

Es zeigt sich, dass das Prinzip der Gewaltlosigkeit im Gegensatz zum gesetzlichen Auftrag der Polizei steht, die Bürger zu schützen und die rechtsstaatliche Ordnung zu garantieren. Die Polizei kann ohne Gewalt nicht verhindern, dass Kriminelle Verbrechen, oder in diesem Falle speziell Gewaltverbrechen begehen und so die Bevölkerung gefährden.

Insgesamt betrachtet ergibt sich als Konsequenz aus der Gewaltlosigkeit aber dennoch ein Problem, welches elementar für die Beantwortung der Frage der Geeignetheit ist. Da der Staat es sich als wesentliches Merkmal vorbehält, die einzige Autorität für die legitime, physische Gewaltanwendung zu sein, verliert der Staat, würde das Prinzip der Gewaltlosigkeit umgesetzt werden, sein existenzielles Wesen. Dies würde also einer Abschaffung des Staates gleichkommen, der Anarchie, und ist somit, für die praktische Anwendung völlig ungeeignet.[4]

Zusammengefasst lässt sich also festhalten, dass der Gesinnungsethiker jede Form der Gewalt, also auch oder gerade deswegen die beabsichtigte Gewalt ablehnt. Ein Schusswaffengebrauch zum Nachteil eines anderen Menschen ist für ihn nicht diskutabel sondern strikt abzulehnen.

3.3 Der Verantwortungsethiker

An der größten Schwachstelle der Gesinnungsethiker setzt der Verantwortungsethiker an und argumentiert, dass es eben zum Schutz des Staates notwendig sei, durch das Gewaltmonopol des Staates in die Grundrechte von Straftätern einzugreifen, um die Bevölkerung zu schützen. Dabei wird hier nicht zwischen dem Gebrauch der Schusswaffe und einem allgemeinen Einsatz von Gewalt unterschieden.[5]

Durch dieses starke Gewicht auf der Seite der Auslegung nach Sinn und Zweck einer Maßnahme, ist diese Theorie auch der teleologischen Philosophie zuzuordnen.

Natürlich legt der Verantwortungsethiker auch hier einen Maßstab an den jeweiligen Sachverhalt an (Verhältnismäßigkeit); so soll es keine Maßnahme geben, die besser geeignet ist, um das gleiche Ziel zu erreichen, und die negativen Folgen für den Straftäter dürfen die positiven Effekte für die Bevölkerung nicht überwiegen (Übermaßverbot).

[...]


[1] §§ 63 u. 64 PolG NRW

[2] Vgl. Kay, 2010, S.349

[3] S. Lorei, 2005, S. 24

[4] Vgl. dazu Franke, 2004, S. 138

[5] S. Beese, 2000, S.366

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Absicht und Unabsicht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs
Hochschule
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen; Gelsenkirchen
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
21
Katalognummer
V266463
ISBN (eBook)
9783656569480
ISBN (Buch)
9783656569336
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Thema dieser Seminararbeit ist der Schusswaffengrauch durch die Polizei. Schwerpunkt bildet hierbei die Frage, wie sich "unabsichtliche" Schussabgaben vermeiden lassen.
Schlagworte
Polizei, Schusswaffengebrauch, Pistole, Schießen, Ethik, Deontologie, Teleologie, Topic_Polizei
Arbeit zitieren
Pierre Malkowski (Autor:in), 2013, Absicht und Unabsicht des polizeilichen Schusswaffengebrauchs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266463

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