Kasuistik eines retardierten Kindes

Auswertungen, Beratungen und Therapiemöglichkeiten


Forschungsarbeit, 2012

19 Seiten, Note: 1

Olivia Bühlinger (Autor:in)


Leseprobe


Beobachtungen des Kindes

Beobachtung 1

K. kommt in den Kindergarten. Ich sagte ihr „Guten Morgen“. Dabei zeigt sie keinerlei Emotionen. Sie lächelt nicht und schaut die Erzieher auch nicht an. Als ich sie frage, wen sie mitgebracht hat, zeigt sie auf ihren Papagei und sagt „Papa“.

Sie räumt den Papagei selbstständig in die Tasche und läuft von ihrer Mutter weg. Diese sagt ihrem Kind sehr kühl „Tschüss“ und verlässt den Raum.

Als ich K. nach einer Weile frage, ob sie Puzzeln möchte, reagiert sie nicht. Auch beim Verweisen auf die Spielsachen zeigt sie weder Entscheidungsfreude noch eine sonstige emotionale Reaktion.

Sie geht selbständig zum Schrank und holt etwas heraus, schaut Spielsachen in der Puppenecke an und sieht anderen Kindern zu. Vorsichtig bleibt sie beim Pappkarton stehen und sieht hinein. K. sieht sich um.

Es ist kein anderes Kind in der Nähe und sie geht in den Karton hinein.

Als wir gemeinsam am Essenstisch sitzen frage ich „Wollt ihr was zu trinken?“ Die Kinder antworten „Ja“. K. sitzt am Tisch und antwortet nichts.

Ich frage „K., möchtest du was zu trinken?“. Sie antwortet nichts und streckt mir ihr Glas hin. Ich frage „Ja?“ und bekomme keinerlei Reaktion/Emotion zurück. Auch keine Antwort. Lediglich die Geste mit dem Glas. K. gibt keinen Laut von sich.

Da ich weiß, dass sie „Kiki“ sagen kann und sie damit sich selbst meint, frage ich sie: „Wer will was zu trinken?“. K. antwortet nichts und sieht mich nur mit großen Augen an.

Auswertung

Soziale Entwicklung

Es ist nicht klar ob K. versteht, was man sagt oder nicht. Manchmal reagiert sie auf die Aussagen des Erziehers, manchmal nicht. Als ich fragte, ob sie Puzzeln möchte, zeigt sie keine Reaktion. Es ist nicht klar, ob sie das Wort Puzzeln versteht, sie kann mir das Puzzle auch nicht zeigen. Wenn ich ihr Spielsachen anbiete, reagiert sie nicht darauf und sucht sich nichts aus.

K. sieht den Erziehern kaum in die Augen, wenn diese mit ihr sprechen. Auf die Aussagen der Erzieher ändert sich keinerlei Mimik oder Gestik.

Der Umgang zwischen Mutter und Tochter ist sehr kühl, was aber auf Gegenseitigkeit beruht. Die Art der Mutter ist sehr forsch und weniger herzlich. K. erhält vermutlich nicht sehr viel Zuneigung und Liebe.

K. kann nur einzelnen Handlungsanweisungen Folge leisten, es ist jedoch nicht klar, ob sie diese nur ausführt, weil die anderen Kinder dasselbe tun. Wenn alle Kinder aufstehen, steht sie auch auf. Wenn wir einen Morgenkreis machen, dann kommt sie auch dazu. Es ist also nicht klar, ob sie die Worte versteht oder nur den anderen Kindern „nachmacht“.

K. ist sehr zurückhaltend gegenüber den anderen Kindern. Sie geht nur in den Karton, wenn kein anderes Kind da ist und ist in der Gruppe eher unauffällig, da sie nichts spricht. Am meisten mag sie ihren Papagei und sucht kaum Kontakt zu den anderen Kindern.

Kognitive Entwicklung

K. zeigt trotz Emotionslosigkeit natürliche Neugierde. Sie sieht sich Spielsachen an, geht jedoch eher zurückhaltend an Spielgelegenheiten.

Außerdem schaut sie neugierig in den Karton hinein. Sie zeigt Interesse für Spielsachen jedoch nur für einen kurzen Zeitraum. Sie signalisiert auch nicht, ob sie mit Spielen fertig ist.

Sprachliche Entwicklung

K. spricht nichts. Sie Benennt lediglich ihr Stofftier-Papagai, den sie „Papa“ nennt.

Es ist auch nicht klar, ob sie „Ja“ und „Nein“ versteht. K. benutzt keines dieser Wörter, noch reagiert sie darauf. Beim Einschenken reagiert sie lediglich mit einer Geste. Sie kann sich aufgrund ihrer Gestiken ausdrücken, wie z.B. beim Einschenken.

K. hat begriffen, dass sie „Kiki“ heißt.

Wenn ich ihre Gegenstände in der Hand halte und frage: „Wem gehört diese Jacke (Mütze/etc.)?“ sagt sie ab und zu „Kiki“. Damit meint sie sich selbst. „K.“ kann sie nicht aussprechen. Sie spricht nur drei Wörter. Ihr Wortschatz beschränkt sich auf „Kiki“, „Papa“, „Mama“.

Motorische Entwicklung

K. ist körperlich normal entwickelt und läuft auch altersentsprechend. Obwohl sie erst spät (für ihr Alter) angefangen hat zu laufen, hat sie einen guten Stand und läuft gut und viel. Grobmotorisch hat sie keine Schwierigkeiten. Auch feinmotorisch ist K. für ihr Alter normal entwickelt, sie kann einen Stift halten und auch einzelne Perlen aus einer Box holen.

Emotionale Entwicklung

K. zeigt gegenüber den Erziehern und Kindern keinerlei Emotionen, was deutlich sichtbar beim Ankommen und Verabschieden ist. Auch gegenüber der Mutter ist sie sehr emotionslos, was aber auf Gegenseitigkeit beruht. K. weint sehr selten. Außerdem habe ich K. noch nie laut lachen gehört. Auch lächelt sie sehr selten.

Beobachtung 2

K. holt sich ein Tierpuzzle und setzt sich an den Tisch.

Bei dem Puzzle muss sie die Puzzleteile, auf dem einzelne Bilder sind, denselben. Tierbildern zuordnen. (Auf dem Puzzleteil und dem Bild sind jeweils die gleichen Tiere abgebildet.)

Das Puzzle hat 12 Teile.

K. verliert sehr schnell die Lust und braucht beim Puzzeln immer wieder die Motivation der Erzieherin. Ich sage „drehen“ oder „Wo gehört der Hund hin?“.

Das Zuordnen der einzelnen Tiere fällt K. nicht schwer.

Nachdem die Puzzleteile alle im Puzzle drin sind, holt sie einzelne Teile wieder heraus und beobachtet sie. Dann steckt sie die Teile wieder in das Puzzle.

A., eine Erzieherin, kommt zu ihr und sagt, sie soll das Puzzle aufräumen. K. zeigt keine Reaktion. A. zeigt ihr das Regal mit den Puzzeln. K. steht mit ihrem Tierpuzzle auf und stellt sich vor das Regal. Sie sieht dabei hilflos zu A., die noch einmal sagt, sie solle das Puzzle aufräumen. K. steht sehr lange vor dem Regal und sieht das Regal an. Als A. fragt: „Möchtest du ein neues Puzzle holen?“ räumt K. das Puzzle in das Regal. Sie steht weiterhin davor und sieht das Regal an. A. fragt nun, ob sie ein anderes Puzzle holen möchte und K. zieht ein anderes Puzzle aus dem Schrank.

Auch dieses 8-teilige Puzzle kann sie nur mit Hilfe und Motivation der Erzieherin lösen.

K. kommt an Tisch den Tisch, während ich mit den Kindern klebe. Ich frage sie, ob sie auch mit Kleister arbeiten möchte und helfe ihr sich an den Tisch zu setzen. Ich hole ihr ein weißes Blatt und erkläre K., dass wir Papierschnipsel mit Kleister auf das Blatt kleben. Dazu nehme ich einen Pinsel, mache Kleister auf das Papier und hole einen Schnipsel, den ich drauf klebe.

K. sieht mich an und nimmt den Pinsel. Sie geht mit dem Pinsel in den Kleisterbehälter und führt ihn anschließend auf ihr Blatt. K. zeigt sehr viel Motivation beim Kleistern. Sie macht das ganze Blatt voll Kleister. Als ich ihr erneut erkläre und zeige, dass wir auf den Kleister Papierschnipsel kleben, folgt sie dieser Handlungsanweisung nicht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Kasuistik eines retardierten Kindes
Untertitel
Auswertungen, Beratungen und Therapiemöglichkeiten
Note
1
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V266265
ISBN (eBook)
9783656563860
ISBN (Buch)
9783656563846
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anmerkung: Alle Namen und Initialen der Kasuistik sind von der Autorin geändert worden.
Schlagworte
kasuistik, kindes, auswertungen, beratungen, therapiemöglichkeiten
Arbeit zitieren
Olivia Bühlinger (Autor:in), 2012, Kasuistik eines retardierten Kindes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266265

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