Fanprojekte und Fankultur im Fußball. Überblick und aktuelle Problematik


Bachelorarbeit, 2013

84 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Fanprojekte
2.1 Entstehung
2.2 Ziele
2.3 Methoden, Tätigkeitsbereiche und Adressaten
2.4 Organisation und Finanzierung
2.5 Kooperation / Vernetzung
2.6 Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte
2.7 Koordinationsstelle Fanprojekte
2.7.1 Aufgaben
2.7.2 Regionalverbände
2.8 Erwartungen an die Fanprojekte
2.8.1 Erwartungen der Polizei
2.8.2 Erwartungen der Vereine

3. Fans
3.1. Definition
3.1.1 Sozialwissenschaftliche Kategorisierung der Fanszene
3.2 Entwicklung der Fankultur in Deutschland
3.3 Fangruppen
3.3.1 Die Kutten
3.3.2 Hooligans
3.3.3 Ultras
3.3.3.1 Entstehung der Ultras in Italien
3.3.3.2 Ultras in Deutschland
3.3.3.3 Ultras und die Kommerzialisierung
3.3.3.4 Selbstverständnis der Ultras
3.3.3.5 Die Ultras als Jugendbewegung im Sozialraum

4. aktuelle Situation
4.1 aktuelle Diskussionen
4.2 Gewalt in deutschen Stadien
4.3 DFL- Sicherheitspapier "Sicheres Stadionerlebnis"

5. Resumee und Ausblick

6. Anhangsverzeichnis
6.1 Quellen- und Literaturverzeichnis
6.2 Bildquellen

1. Einleitung

Immer wieder berichten in den letzten Jahren die Medien über gewalttätige Ausschreitungen oder Gewaltkrawallen innerhalb und außerhalb von Fußballstadien.

Diese werden oftmals als "Chaoten" , "Hooligans" oder "Ultras" beschrieben. Wobei zwischen "Hooligans und "Ultras" zumeist kein Unterschied gemacht wird und auch andere Instanzen nur noch von "Problemfans" reden.

Der Deutsche Fußballbund, die Deutsche Fußballliga, sowie die Polizei, Verbände und Vereine sprechen oft von einer "neuen Form der Gewalt" und versuchen mit verschiedenen Maßnahmen der Gewalt entgegenzuwirken.

Doch bereits in den 1980er Jahren gab es in den Stadien Englands einige Katastrophen.

Als Reaktion darauf wurden auch in Deutschland Sanktionen, sowie baulichen Maßnahmen an Stadien und deren Umfeld, getätigt.

Auch das Polizeiaufkommen wurde hierauf vervielfacht, so- wie mehrfach Stadionverbote ausgesprochen. So erhoffte man sich, die Gewalttäter aus den Stadien verbannen zu kön- nen.

Weiter wurde 1991 das "Nationale Konzept Sport und Sicherheit" (NKSS) beschlossen und 1992 verabschiedet.

Hierin wird auch die Arbeit der sich in Deutschland immer mehr verbreitenden sozialpädagogischen Fanprojekte als In- stitution im Rahmen der Sozialarbeit mit Fußballfans etabliert.

Diese Arbeit soll im Wesentlichen drei Punkte beschreiben.

Zum einen will ich die Arbeit von sozialpädagogischen Fanprojekten mit den verschiedenen Instanzen und Fans, besonders den "Ultras" , verdeutlichen.

Zum anderen soll es in dieser Ausarbeitung um die unter- schiedlichen Arten der Fans, besonders der Ultras und ihrer Entwicklung, sowie deren Selbstverständnis und Probleme gehen.

Dazu gehören sicher u.a. die Veränderungen der Arbeit mit Fußballfans.

Zum Ende hin wird sich diese Abhandlung mit dem aktuellen "Sicherheitsproblem" in Deutschland auseinandersetzen. Im Zuge dessen werde ich mich explizit mit dem neuen DFL- Si- cherheitspapier und weiteren Instanzen, die der Gewalt im deutschen Fußball entgegenwirken sollen, beschäftigen.

2. Fanprojekte

Bereits 1981 wurde das erste deutsche Fanprojekt in Bremen gestartet. Auch heute wird noch nach den Standards, die Bre- men einführte und die auch im "Nationalen Konzept Sport und Sicherheit" (NKSS) wiederzufinden sind, gearbeitet. Dabei verstehen sich die Fanprojekte in Deutschland als "Dreh- punkteinrichtungen" zwischen den verschiedenen Institutionen und den Fans sowie den jugendlichen und erwachsenen Erfahrungsebenen und den verschiedenen Lebenswelten (vgl. Klose/ Schneider, 1995).

Anfangs wurden die Probleme der Jugendlichen im Umfeld des Fußballs sowie die Arbeit mit diesen in keinster Weise von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das änderte sich erst nach einigen schwerwiegenden Ereignissen wie dem Europacup- spiel zwischen Juventus Turin und Liverpool, bei dem im Brüs- seler Heysel Stadion 1985 nach gewalttätigen Differenzen 39 Personen starben. Danach war das mediale Interesse an die- ser Arbeit mit Fans geweckt.

Als weitere Folge neben den Fanprojekten wurde eine Klassifikation von Fußballfans nach Heitmeyer und Peter erstellt. Diese Festlegung ist auch durch die Polizei übernommen worden und wird noch heute genutzt.

Fans werden hiernach in drei Kategorien klassifiziert:

In die Kategorie A fallen nach Ansicht der Polizei Anhänger des Vereins, die nicht als besonders gewaltbereit gelten, aber den Hang zum Alkohol und zu lauter Unterstützung des Teams haben.

In die Kategorie B werden von der Polizei Fans eingeordnet, die unter Alkohol und in Extremsituationen aggressiv werden können. Es sind gewaltbereite Fans, die zwar nicht mit der Ab- sicht ins Stadion gehen, Gewalt auszuüben, aber ein gewisses Aggressionspotential in sich tragen.

Gewaltbereite Fußballanhänger, die auch ohne Alkohol und ohne provoziert zu werden, auf Gewalt aus sind, werden in der Kategorie C einsortiert. Diese Gruppe wird allgemein auch als "Hooligans" betitelt. Sie sind an Fußballspielen wenig in- teressiert und treffen sich eher, um Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans und der Polizei zu suchen.

Ein Beispiel, wie einige dieser Kategorie C Fans sich selbst sehen, bietet ein Lied der gleichnamigen Band, in der diese Textstellen auftauchen:

"Warst Du schon einmal selber dabei?

oooohhhhoooo

In der dritten Halbzeit, Der Fußballkeilerei oooohhhhoooo

Refrain:

Die Hände schwitzen, die Augen werden groß. Wir haken uns ein, und dann geht es los...

So sind wir und das ist unser Leben, so wird es immer weiter gehen! Für immer Kategorie C!

Wir sind Hools und wir werden uns ewig jagen, gegenseitig auf die Schnauze schlagen. Für Immer Kategorie C!

So sind wir!"

(Kategorie C, 2001)

2.1 Entstehung

Schon im Jahr 1979 wurde vom deutschen Bundesministeri- um des Innern ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sich mit dem Thema "Sport und Gewalt" auseinandersetzte. Dieses Gutachten forderte bereits einen zielgruppenorientierten Ein- satz von Sozialarbeitern in den Fanszenen des deutschen Fußballs.

So ist ein Punkt eben dieses Gutachtens " Fans- und Fanclubs". Hier heißt es unter anderem:

"Wenn die Lösung der vielfältigen Probleme der Fans auch zur Re- duktion von Gewalthandlungen führt, dann ist ein zielgruppenorien- tierter Einsatz von Sozialarbeitern und - pädagogen erforderlich. Dieser Einsatz könnte dazu beitragen, dass die Jugendlichen in ih- rer Freizeit insbesondere das Bedürfnis nach Erlebnis, Aktivität, Spannung, eigener Wirksamkeitsozial angemessen (gegebenenfalls auch in anderen Feldern) realisieren, alternative Interessen aufbau- en, Vorurteile abbauen u.a." (Pilz,1982).

Daraus ergab sich wie oben beschrieben, 1981 das erste deutsche Fanprojekt das allerdings nicht von Sozialpädago- gen oder ähnlichen Berufsgruppen, sondern von Bremer Stu- denten ins Leben gerufen wurde. Diese Studentengruppe un- ter der Führung von Professor Göbbel versuchte sich schon seit Ende der 70er Jahre in der Erkundung des Fanphäno- mens in der deutschen Bundesliga. Nachdem der "Weserkuri- er" auf gewalttätige Fußballfans aufmerksam machte, bean- tragte diese Gruppe die "Eröffnung" des Bremer Fanprojek- tes.

In der anschließenden Zeit folgten Reisen nach England zwecks Subkulturforschung und das Zuschauerverhalten im Weserstadion wurde beobachtet. Dadurch traf man auf eine Gruppe von Werderfans, die als jugendkulturelle Teilöffentlichkeit beschrieben und untersucht wurde.

Durch ihre stetige Beobachtung und auch spätere Teilnahme an Auswärtsfahrten etc. wurde ihr Bekanntheitsgrad in der Fanszene und dem Verein größer. Dem SV Werder diente sie zudem als Berater.

Im Laufe der Zeit versuchte die Gruppe, auch andere beteilig- te Institutionen im Umfeld des Vereins zu verstehen. Sie nahm Kontakt zu Polizei und Ordnern auf. Hier wurde festgestellt, dass es nötig war, eine sozialpädagogische Intervention zu verankern, die in alle Richtungen arbeitet. Das Ziel der Grup- pe war es, die Übernahme von Verantwortung für die Jugend- lichen, insbesondere durch den Verein und die Zuschauer zu gewährleisten.

Zur Rückrunde 1982 wurden dann zwei Sozialarbeiter fest im Projekt installiert und mussten aufgrund der Vorarbeit der Pro- jektgruppe nicht von vorne beginnen, sondern wurden schnell als Teil des Fanprojektes akzeptiert und in der Fanszene inte- griert (Fanprojekt Bremen).

Nach dem Erfolg in Bremen wurden kurz darauf weitere Fan- projekte in Hamburg (1983), Mannheim/ Ludwigshafen (1983/1986), Bielefeld (1984), Frankfurt am Main (1984), Han- nover (1985), Karlsruhe (1986) und Dortmund (1988) eröffnet.

Allerdings war zu Beginn der Fanprojektarbeit das mediale In- teresse verschwindend gering. Das änderte sich erst, als es zu größeren Dramen in und um Fußballstadien wie beim Eu- ropacupfinale zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool im Brüsseler Heysel-Stadion kam, bei dem es nach Auseinan- dersetzungen zwischen den Fangruppen 39 Tote gab.

Erst hieraus entstand die Medienaufmerksamkeit, die es noch heute gibt.

Auch wurde eine Diskussion um adäquate Maßnahmen und Vermeidungstaktiken angestoßen (vgl. Pilz 2010).

Die Fanprojekte, die diese Aufgabe übernehmen wollten, wur- den jedoch von den Vereinen, der Öffentlichkeit und dem DFB eher ablehnend, wenn nicht gar feindselig betrachtet. Dies hatte sicherlich mit der Meinung zu tun, dass diese Pro- jekte, die mit den Fans arbeiteten, für diese Partei ergreifen würden.

Dazu passt auch die von Pilz ausgesprochene These, die zu Anfang dem Tenor der breiten Öffentlichkeit, der Presse, den Vereinen und dem DFB entsprach:

"Fans, die Randale machen, gehören nicht zum Fußball, das seien Chaoten, die auf dem Fußballplatz nichts zu suchen hätten; es handele sich hier nicht um ein Problem des Fußballs, sondern um ein Problem der Gesellschaft, dessen sich deshalb auch die Gesellschaft anzuneh- men habe" (Pilz, 2010).

Aufgrund dieser Meinung waren die Erwartungen der leiten- den Institutionen der Fanprojekte die, dass es nicht vorder- gründig darum ging, den Jugendlichen tatsächlich zu helfen, sondern diese aus dem medialen Interesse herauszuhalten.

Laut Pilz ist es nur der Deutschen Sportjugend zu verdanken, dass sich diese Meinung geändert, wenn nicht sogar gedreht hat. So nahm diese Organisation die Fanprojekte unter ihre Schirmherrschaft und zeigte auf, welch große Bedeutung und Möglichkeiten sich aus der Arbeit der Fanprojektarbeit und de- ren sozialpädagogischem Einsatz für die Fanproblematik er- geben könnte (vgl. ebd.).

2.2 Ziele

1991 wurde das NKSS aufgrund einer Arbeitsgemeinschaft aus dem DFB, DSB, Deutschen Städtetag, der Innenminis- ter-, Jugendminister-, Sportministerkonferenz, dem Bundesmi- nisterium des Innern und dem Bundesministerium für Frauen und Jugend entwickelt. 1992 trat es dann in Aktion und be- stimmt, dass möglichst in allen Bundesligastädten Fanprojekte zu eröffnen seien. Außerdem sollte es in Städten und Regio- nen mit Vereinen in niedrigeren Ligen Projekte geben, wenn regelmäßig gewaltbereite oder aggressive Fans des örtlichen Vereins auffällig werden.

Hierbei legt das "Nationale Konzept Sport- und Sicherheit" Handlungsfelder in den Themen der :

-Fanbetreuung im Rahmen von Sozialarbeit
-Stadionordnung, bezüglich einer einheitlichen Lösung
-Stadionverbote -Ordnerdienste -Stadionsicherheit
-Zusammenarbeit aller Beteiligten

fest, da es hier noch Verbesserungspotenziale gibt.

Weiter schreibt das "NKSS" die Ziele der Fanprojekte vor, die sich sehr an §1 KJHG, Abs. 1, 3 orientieren.

Diese sollten sein:

-Eindämmung von Gewalt; Arbeit im Präventivbereich, z.B. Hinführung zu gewaltfreier Konfliktlösung im Rahmen von Selbstregulierungsmechanismen mit der Perspektive Gewalt- verhinderung;
-Abbau extremistischer Orientierungen (Vorurteile; Feindbilder, Ausländerfeindlichkeit) sowie delinquenter oder Delinquenz begünstigender Verhaltensweisen;
-Steigerung von Selbstwertgefühl und Verhaltenssicherheit bei jugendlichen Fußballanhängern; Stabilisierung von Gleichaltrigengruppen;
-Schaffung eines Klimas, in dem gesellschaftliche Institutio- nen zu mehr Engagement für Jugendliche bewegt werden können;
-Rückbindung jugendlicher Fußballfans an ihre Vereine

Zu vernachlässigen sind allerdings auch nicht, die Grundsät- ze, die sich aus dem o.g. NKSS und SGB VIII ergeben. Diese sind:

-Parteilichkeit für jugendliche Fans und ihre Interessen von vereinsbezogenen, kommerziellen und sicherheitsbezogenen Interessen
-Vermeidung von Ausgrenzung einzelner Fans und Fangrup- pen
-Schutz bzw. Erhaltung der jugendlichen (Subkultur) "Fanszene" als wichtiger erhaltenswürdiger Bestandteil jugendlicher Sozialisation (vgl. BAG, 2006)

2.3 Methoden, Tätigkeitsbereiche und Adressaten

Die oben genannten Ziele, die das NKSS den Fanprojekten aufträgt, werden durch ganz unterschiedliche Art und Weise von den Fanprojekten umgesetzt. Hierbei gilt jedoch, dass Fanprojekte vor allem Projekte der aufsuchenden Jugendar- beit sind, die in der Lebenswelt der Jugendlichen interagieren und wirken. So unterliegen sie auch dem Konzept der aufsu- chenden und zielgruppenorientierten Jugendsozialarbeit.

Aufsuchende Jugendarbeit in der Lebenswelt der Jugendli- chen wird mit dem Ziel eingesetzt, dass "auffällige" Klienten in ihrer eigenen Umgebung aufgesucht werden (vgl. Krafeld, 2004). Dies sind im Kontext der Fußballsozialarbeit vor allem die Kurven in den Stadien, Treffpunkte vor dem Stadion, aber auch die Fanprojekte, Plätze in der Stadt, an dem sich die Ju- gendlichen Fans versammeln. Diese Betreuung findet selbst- verständlich nicht nur an Spieltagen statt, sondern die ganze Woche über (vgl. Friedmann, 2009). Dies ist ein weiterer Be- standteil der aufsuchenden Jugendarbeit von Fanprojekten. Sie wird dadurch charakterisiert, dass der entsprechenden Zielgruppe, hier Fußballfans, soziale Räume angeboten wer- den. Darunter fällt zudem Beziehungsarbeit und Hilfe bei der Entwicklung einer lebensweltorientierten infrastrukturellen Ar- beit. Dies alles geschieht unter der Berücksichtigung, dass das Aufsuchen der Fans an ihren ihnen gewohnten Aufent- haltsorten essentiell ist. Nur so können die Mitarbeiter der Fanprojekte die Heim- und Auswärtsspiele als primäre Aus- gangssituation der Kontaktaufnahme und Kontaktintensivie- rung anbieten (vgl. Klose/Schneider, 1995). Wichtig ist es hier- bei, nicht starr an die Sache heranzugehen, sondern auch ein- mal Kompromisse zur Konfliktbewältigung zuzulassen, (vgl. Krafeld, 2004).

Gerade die Konfliktbewältigung ist in der unvorhersehbaren "Gewaltbegleitung" unumstößlich.

Diese Methode hat das wesentliche Merkmal, dass sie die produktive Aneignung der Umwelt als entscheidenden Faktor in der Entwicklung junger Menschen sieht und diesen, aus ih- rem Selbstverständnis heraus, entsprechend fördert (vgl. ebd.).

"Der aufsuchende Ansatz reagiert letztendlich auf veränderte Bedingun- gen des Aufwachsens [...] auf den Bedeutungsverlust sozialer Milieus, auf die Pluralisierung von Lebensstilen und den Bedeutungszuwachs ju- gendkultureller Entfaltung - und nicht zuletzt auf die Monofunktionalisie- rung von Territorien und Räumen, die [...] Jugendliche heuteüberall zu Störfaktoren abstempeln lässt, wo deren Anwesenheit nicht ausdrück-

lich gewollt ist. " (ebd.).

Hierbei geht es nicht darum, was vor der aktuellen Situation war oder dass Jugendliche irgendetwas leisten müssen, um Leistungen der Streetworker zu erhalten, sondern nur um die aktuelle Lage und die momentane Hilfsbedürftigkeit (vgl. Bodenmüller/Piepel, 2003)

Wichtig für Fanprojekte ist es sicherlich auch, dass sie ständig an gruppendynamischen Prozessen teilnehmen, so nimmt de- ren Akzeptanz in erheblichem Maße zu. Weiter wird durch die- se Präsenz den Jugendlichen signalisiert, dass jemand da ist, der Hilfestellung, wie Einzelgespräche oder Hilfe in Notsitua- tionen, leistet und anbietet und in von Fans gegründeten In- itiativen mitwirkt. Dies alles erhöht die Akzeptanz der Pädago- gen in der Gruppe enorm (vgl. Klose/Schneider,1995).

Nach dem NKSS sind es allerdings nicht nur Beratungen und Hilfestellungen, die die Fanprojekte durchzuführen haben. Auch Angebote und Organisation von Bildungsarbeit, kulturpädagogische Arbeit, Unterstützung von Selbstorganisation (Fanclubs, etc.), Öffentlichkeitsarbeit und Dokumentation regionaler und lokaler Entwicklungen der unterschiedlichen Jugendkulturen (vgl. DSJ, NKSS, 2010).

Die sogenannten Adressaten sind bei der Fanprojektarbeit selbstverständlich die Fans, besonders aber die Ultras und in gewissen Fällen auch Hooligans, wobei letztere sich mittlerweile in zunehmendem Maße zurückziehen. Dazu allerdings später mehr. Außerdem handelt es sich bei Fanprojektarbeit um aufsuchende Jugendarbeit, die im Normalfall Jugendliche im Alter von 13 bis 21 Jahre betreut.

Allerdings dürfen selbstverständlich auch Ältere oder sogar Jüngere die Fanhäuser und Angebote nutzen.

2.4 Organisation und Finanzierung

Im NKSS findet sich die " Konzeption zur Errichtung von Fanprojekten auf örtlicher Ebene...". Hier werden ausdrücklich drei Organisationsformen als Möglichkeit der Anbindung von Fanprojekten genannt. Diese geben zudem auch die bisher einzigen Trägerkonstellationen wieder.

Zudem sind die Projekte in Deutschland alle recht heterogen strukturiert.

Einerseits gibt es die freien Träger der Jugendhilfe, die nur zu dem Zweck der Errichtung eines Fanprojektes gegründet wurden (Verein Jugend und Sport e.V./Hamburg, Fan-Projekt Dortmund e.V., Fan-Projekt Nürnberg e.V.)

Eine andere Möglichkeit sind Fanprojekte, die bei bestehenden, großen Sozial- oder Jugendhilfeträgern/Verbänden sind (Sportjugend Berlin, etc.).

Die letzte Möglichkeit ist die, dass Fanprojekte bei kommunalen Stellen, oftmals mit Sonderstatus, sind. Diesen Sonderstatus benötigen sie, um beispielsweise den flexiblen Arbeitszeiten gerecht zu werden (vgl. Schneider, 1997).

Die meisten Projekte sind allerdings bei freien Trägern unter- gebracht.

Ein weiterer Punkt der Organisationsstruktur, die das NKSS festschreibt, ist die Einrichtung eines Beirates, um gestalte- risch mitzugestalten sowie zur Begleitung. Dieser besteht bei- spielsweise aus Vertretern des Vereins, der Kommune, der Polizei, der Justiz, weiterer Institutionen und Angehörigen der Fanszene sowie gegebenenfalls aus Medienvertretern, Vertre- tern der Ordnungsdiensten, der Stadionbetreibergesellschaft, der Bahn/ÖPNV und der Wissenschaft (vgl. DSJ, NKSS, 2010).

Die Geschäftsführung liegt natürlich in den Händen der Projekte, allerdings sind diese Beiräte im Zuge des Qualitätsmanagements wichtig.

Wichtig und mittlerweile etwas umstritten ist zudem die Frage der Finanzierung.

Bis 1992 das Nationale Konzept Sport- und Sicherheit eingeführt wurde, sahen die Finanzierungsgrundlagen der Fanprojekte sehr unterschiedlich aus.

Damals waren die Projekte allerdings auch nur auf einen bestimmten Zeitrahmen festgelegt, sogenannte Kurzzeitfinanzierungen, wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, und wurden danach oftmals wieder geschlossen.

Durch die Einführung des NKSS wurden dann allerdings Fanprojekte als Langzeiteinrichtungen geplant und eröffnet. Nichtsdestotrotz kommt es vor, dass sie geschlossen oder Stellen gekürzt werden müssen, wenn das Geld der Träger nicht vorhanden ist (Trier, etc.).

Heute ist es im Allgemeinen so, dass nach dem im NKSS vor- gegebenen Schlüssel, eine Drittelfinanzierung vorherrschend ist.

Bei dieser Drittelfinanzierung beteiligen sich die örtliche Kommune, das Bundesland und die DFL, bzw. bei Vereinen ab der Regionalliga der DFB zu jeweils einem Drittel.

Im Hinblick darauf, dass Kommunen und öffentliche Einrichtungen jährlich rote Zahlen schreiben, ist die solide Finanzierung, die hierdurch beabsichtigt wird, alles andere als gegeben und keinesfalls perspektivisch.

Einige Fanprojekte suchen daher nach eigenen Sponsoren, auch "Social-Sponsoring" genannt. Aber auch das ist nicht einfach, denn nur allzu oft schrecken Sponsoren angesichts neuer Negativschlagzeilen über gewaltbereite Fußballfans vor einer Finanzierung zurück (vgl. Schneider, 1997).

Ob dies allerdings weiterhin so bleibt, ist offen, denn im Zuge des neuen "DFL- Sicherheitspapieres" wurde eine Dreierfinanzierung angedacht, welche die Vereine zu weiteren Geldgebern machen würde. Dies stößt allerdings auf rege Kritik, "da ein dementsprechender Rückzug deröffentlichen Hand unbedingt vermieden werden muss, denn Fansozialarbeit ist eine gesamtgesell- schaftliche Aufgabe und nicht nur eine des Fußballs. Forderungen nach einer 100%igen Kostenübernahme durch die DFL (bzw. den DFB) ste- hen hoffentlich nicht ernsthaft zur Debatte, da damit die Grundlagen des

NKSS insgesamt in Frage gestellt werden würden." (BAG, 2012).

2.5 Kooperationen / Vernetzung

Nach Errichtung der ersten Fanprojekte in Deutschland, war es selbstverständlich ein Anliegen ebendieser, miteinander zu kommunizieren. So entstand die erste Vernetzung, die aller- dings zwangsläufig noch recht rudimentär war. Nachdem aller- dings, besonders im Norden, weitere Fanprojekte hinzuka- men, trafen sich Mitte 1984 die Vertreter der beiden norddeut- schen Projekte Bremen und Hamburg und initiierten somit einen (informellen) Verbund (vgl. Schneider, 1997).

Später kamen noch Hannover, sowie zwecks Austausch Frankfurt hinzu.

Daraufhin wurde durch das Fanprojekt Frankfurt, die Deutsche Sportjugend kontaktiert, welche dann ab 1985 in Kooperation mit den Fanprojekten, zweimal jährlich sogenannte FanProjekt-Verbundtreffen ausrichtete.

Eine weitere Neuerung gab es vom 11. bis 13. August 1988 in Bremen. Hier wurde der 1. Internationale Fan- Kongress, wie- der als Kooperation zwischen den Fanprojekten und dem

DSJ, durchgeführt.

Hier wurde erstmals unter den Blicken der breiten Öffentlichkeit, die aus den Medien, Politikern, Bundesligavereinen etc. bestand, die ganze Palette der sozialpädagogischen Fanprojektarbeit vorgestellt.

Als Ergebnis wurde die sogenannte "Verlautbarung der Fanprojekte" geführt.

Hierbei handelt es sich um ganz ähnliche Handlungsaufforderungen, wie sie 3 Jahre später ins NKSS aufgenommen wurden (vgl. Schneider, 2010).

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Etablierung einer Organi- sationsstruktur, die so bis heute aufrechterhalten wurde. Hier wurde eine Struktur gewählt, bei der die zu eröffnende Bun- desarbeitsgemeinschaft die Projekte nach außen vertreten sollte. Hierzu wurden in Bremen Verbandssprecher gewählt, die zuallererst die Aufgabe hatten, eine Rahmenkonzeption für diese Gemeinschaft zu erstellen (vgl. ebd.).

2.6 Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte

Am 8. Mai 1989 wurde aufgrund der Ergebnisse der Bremer Konferenz ein Jahr zuvor die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) gegründet.

Die Hauptaufgaben liegen vor allem in der Außendarstellung der Fanprojekte, der Koordination von überregionalen Aktivitä- ten, wie bei der WM 2006 in Deutschland, sowie die Vertre- tung gegenüberliegender Institutionen (DFB, etc.). Besonders wichtig sind hierbei die regelmäßig stattfindenden Bundesta- gungen, die den regelmäßigen Austausch zwischen den Fan- projekten sowie die Reflexion und Neuausrichtung ermögli- chen.

Erfolge hat die BAG genügend aufzuweisen. So ist sie mit er- heblichem Maße daran beteiligt, dass die Zahl der Fanprojek- te kontinuierlich steigt und mittlerweile als durchaus flächen- deckend bezeichnet werden kann. Auch die im weiteren Ver- lauf vorgestellte Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) fußt auf der entscheidenden Mitarbeit der BAG, sowie der DSJ, die die Trägerschaft übernimmt.

Diese Entwicklungsperspektiven wurden auch im NKSS fest- gehalten.

1995 wurde von der BAG festgelegt, welche Kriterien Fanprojekte innehaben müssen, die der Bundesarbeitsgemeinschaft anhängig sein wollen.

Diese wären, dass 1. sie eine sozialpädagogische Ausrichtung haben müssen, 2. müssen diese Fanprojekte hauptamtlich und professionell arbeiten und 3. dürfen die MitarbeiterInnen des Projektes nicht gleichzeitig Aufgaben im ortsansässigen Verein innehaben bzw. müssen unabhängig vom Verein sein.

Sofern dies alles vorliegt, werden die Fanprojekte von der BAG professionell vertreten, indem die Bundesarbeitsgemein- schaft deren Interessen auch nach außen wahrt (vgl. Schnei- der, 2010).

2.7 Koordinationsstelle Fanprojekte

Zum 1. August 1993 wurde die KOS mit Trägerschaft von der DSJ eingerichtet. Diese soll die professionelle Vernetzung der Projekte weiter forcieren und es somit ermöglichen, weitere neue Fanprojekte zu erschließen. Eine weitere wichtige Auf- gabe der Koordinationsstelle ist die Sicherung der Qualitäts- standards sowie die Sicherstellung der Qualifizierung von Mit- arbeiterInnen der Fanprojekte durch etwaige Maßnahmen.

Diese sind wiederum im NKSS festgehalten, in dem es wie folgt heißt:

"Zur überregionalen Unterstützung und Koordinierung wird eine Koordinationsstelle Fanprojekte eingerichtet. Sie soll u.a. die bisher von der "Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte" wahrgenommenen Aufgaben übernehmen und fortführen." (DSJ, NKSS, 2010).

2.7.1 Aufgaben

Aufgaben der KOS sind dabei:

-Erarbeitung von Konzepten für die anlassbezogene Jugendund Sozialarbeit (bspw. Streetworker-Modelle);
-Erarbeitung von Curricula für die Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern in Fanprojekten;
-Koordinierung des Informationsaustausches zwischen den örtlichen Fanprojekten und mit dem Ausland
-Mitarbeit in und Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen, Gremi- en und Institutionen auf überregionaler Ebene, insbesondere Teilnahme an der Arbeit des " Nationalen Ausschusses Sport und Sicherheit";
-Institutionenberatung beim Aufbau neuer Fanprojekte
-Vorbereitung und Ausrichtung von sowie Teilnahme an nationalen und internationalen Tagungen und Symposien;
-Anlassbezogene Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Informationen an Medien)
-Zusammenarbeit mit dem DFB, insbesondere in Bezug auf Länderspiele, das Pokalendspiel und ähnliche Veranstaltun- gen

(DSJ, NKSS, 2010)

Organisatorisch ist die KOS wie beschrieben bei der DSJ un- tergebracht, die somit auch die Fach- und Dienstaufsicht be- sitzt.

Weiterhin ist auch hier ein Beirat aus Vertretern des DFB, dem Deutschen Städtetag, dem Bundesministerium für Frauen und Jugend, der Sportminister- und Innenminister-Konferenz sowie anderen Institutionen, vorgeschrieben.

Auch muss die Koordinationsstelle professionell, also mit geeigneten Vollzeitkräften und entsprechenden Räumlichkeiten, ausgestattet sein.

Finanziert wird sie zu 50% durch das Bundesministerium Frauen und Jugend, zu 25% vom DFB und weitere 25% werden von der deutschen Sportjugend gegeben, so dass mit dem im NKSS festgehaltenen Budget von ca. 204.500€ gehaushaltet werden kann (DSJ, NKSS, 2010).

2.7.2 Regionalverbände

Um zwischen den Fanprojekten und der KOS einen stetigen Dialog zu ermöglichen, wurden drei verschiedene Regionalverbände gegründet. Dies hatte zur Folge, dass die Kommunikation vereinfacht und optimiert wurde.

[...]

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Fanprojekte und Fankultur im Fußball. Überblick und aktuelle Problematik
Hochschule
Hochschule Fulda
Note
1,8
Autor
Jahr
2013
Seiten
84
Katalognummer
V265935
ISBN (eBook)
9783656556541
ISBN (Buch)
9783656556749
Dateigröße
1587 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fanprojekte, Fußball, Ultras, Hooligans, Hools, Fans, Stadion, Stadionverbot, Sozialarbeit, aufsuchende Arbeit, Kutten
Arbeit zitieren
Sebastian Schmitt (Autor:in), 2013, Fanprojekte und Fankultur im Fußball. Überblick und aktuelle Problematik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265935

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