Die Rolle der Opposition in Marokko


Seminararbeit, 2004

21 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kurzer Historischer Einstieg

3. Das Vermächtnis Hassans II

4. Struktur des Staates unter Mohammed VI
4.1 Die Verfassung
4.2 Exekutive: Der König
4.3 Legislative: Das Parlament
4.4 Judikatur

5. Voraussetzungen für eine effektive Opposition
5.1 Bekämpfung des Analphabetismus; Bildung
5.2 Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit

6. Zivilgesellschaft in Marokko

7. Die politischen Parteien
7.1 Struktur der Parteienlandschaft in Marokko
7.2 Die Parteien und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung:

8. Wahlen

9. Das Parlament als Träger Oppositioneller Kräfte?
9.1 Parlamentarische Rechte in der Verfassung
9.2 Das Parlament in der politischen Praxis
9.3 Akzeptanz in der Bevölkerung?

10. Ist die echte Opposition in den islamistischen Bewegungen zu verorten?

11. Vergleichende Aspekte: Marokko und Ägypten

12. Konklusion: Ist Marokko eine partizipatorische konstitutionelle Monarchie oder
eine Monarchie konstituiert durch den Monarchen?

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Grundfrage, die ich klären möchte, ist ob sich das marokkanische politische System unter dem neuen König in Richtung einer partizipatorischen konstitutionellen Monarchie entwickelt hat.

Dazu werde ich die Rolle der Opposition aus verschiedenen Perspektiven betrachten.

Dabei werden immer wieder konstitutionelle Vorgaben der Realität bzw. der politischen Praxis gegenüberstehen.

Meine Thesen sind:

- Marokko ist zwar eine konstitutionelle Monarchie, das partizipatorische Element ist jedoch weiterhin schwach ausgeprägt.
- Der Einfluss der Opposition ist gering, es besteht auch wenig Aussicht auf Erweiterung desselben.
- Gewisse Eigenheiten des marokkanischen politischen Systems verhindern die Liberalisierung des Konzepts der konstitutionellen Monarchie in Marokko.

Nach einem kurzen historischen Einstieg werde ich auf die Konstitution sowie die Struktur des Staates unter Mohammed VI eingehen. Danach werde ich die Voraussetzungen für eine effektive Opposition sowie für ein demokratisches System generell betrachten: Bildung; Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Dann werde ich mich mit der Zivilgesellschaft beschäftigen, um schließlich zu den politischen Parteien überzuleiten, dem Wahlsystem und dem Parlament als Träger oppositioneller Kräfte. Fortfahren möchte ich mit einer kurzen Darstellung der islamistischen Bewegungen, wobei die Frage im Vordergrund steht, ob diese die eigentliche Opposition in Marokko repräsentieren. Vor der Konklusion werde ich noch ein paar vergleichende Aspekte in Bezug auf die Opposition zwischen Marokko und Ägypten bringen.

Neben dem grundsätzlichen Vergleich konstitutioneller Vorgaben und politischer Realität soll auch die Ansicht der Bevölkerung in Bezug auf die Opposition, bzw. wie das Kräfteverhältnis im Bezug auf den Monarchen eingeschätzt wird, immer wieder eine Rolle spielen. Dazu werde ich Umfragen aus der Literatur heranziehen, sowie mich auf Gespräche stützen, die ich im Februar 2004 in Fes mit Studenten der Université de Fez sowie Lehrern des Alif-Instituts geführt habe.

2. Kurzer Historischer Einstieg

Marokko existiert seit über 1000 Jahren als Staat. Nach der Eroberung durch die Araber 682 beherrschte die Dynastie der Idrissiden ab 789 das heutige Staatsgebiet. Ihre Herrschaft dauerte etwas weniger als 150 Jahre, dann wechselten sich verschiedene arabische und berberische Dynastien ab. Bedeutend waren unter anderen die Almohaden, unter denen Marokko von Mitte des 12ten bis Mitte des 13ten Jahrhunderts zum Großreich wurde. Es umfasste Algerien, Tunesien, und Libyen, sowie auch große Teile von Spanien und Portugal. In den darauf folgenden Jahrhunderten kehrten sich die Machtverhältnisse langsam um, bis Ende des 19 Jahrhunderts europäische Mächte im Rahmen des Kolonialismus auch Marokko in ihren Einflussbereich bringen wollten. Spanien konnte sich im Norden festsetzen, während Frankreich in einem Kuhhandel mit Großbritannien ganz Marokko zu seinem Einflussbereich erklärte - im Gegenzug für die Anerkennung Ägyptens als britisches Interessensgebiet. Noch im selben Jahr, 1904, teilten sich Spanien und Frankreich das nordafrikanische Land auf, wobei Frankreich der Löwenanteil zufiel. 1912 erkannte der Sultan Mohammed V das Protektorat an. Zu Revolten kam es schon bald, und zwar 1920, in Spanisch Marokko. Eine organisierte Unabhängigkeitsbewegung fand 1944 in der Gründung der nationalistischen Istqlal Bewegung ihren Ausdruck. Diese ist noch heute als politische Partei aktiv. Der Sultan wurde 1953 abgesetzt, konnte aber den Thron mit französischer Billigung 1955 wieder besteigen. Er war nun König, nicht mehr Sultan.[1]

Marokko wurde schließlich 1956 unabhängig, auch die Unabhängigkeit Spanisch Marokkos wurde von Spanien anerkannt. Eine Ausnahme bildeten einige Städte und Gebiete die im Laufe der zeit an Marokko fielen. Bis heute sind jedoch Ceuta und Melilla spanisches Staatsgebiet und beeinträchtigen die Beziehungen Spaniens und Marokkos.

3. Das Vermächtnis Hassans II

Nach dem Tod Mohammeds V im Jahr 1961 bestieg Hassan II den Thron. Er erließ eine Charta, die nach einem Referendum im Jahr 1962 Marokko zur konstitutionellen Monarchie machte. Die ersten allgemeinen Wahlen folgten im Jahr darauf. Seit den 70er Jahren spielt außenpolitisch sowie innenpolitisch die Westsahara Frage eine wichtige Rolle. Spanien zog sich 1976 aus dem Gebiet Spanisch Sahara zurück, die heutige Westsahara ging zu zwei Drittel an Marokko und der Rest an Mauretanien. Mauretanien gab das südliche Drittel 1979 auf, und es wurde von Marokko besetzt. Insbesondere in diesem südlichen Drittel operierte bereits die Polisario, eine Bewegung, die die Unabhängigkeit der Westsahara fordert. Die Lage befindet sich momentan in einer Pattsituation, da der König Marokkos bereits einem Referendum zugestimmt hat, in dem sich die Bevölkerung der Westsahara für oder gegen die Unabhängigkeit entscheiden soll. Der Streitpunkt ist nun, wer denn die Bevölkerung der Westsahara sei: Dürfen die später angesiedelten Marokkaner am Referendum teilnehmen, die mit Sicherheit für einen Verbleib mit Marokko stimmen würden? Die Folge ist ein ewiges Verschieben des Abstimmungstermins.

Die Westsaharafrage hatte unter Hassan II große Bedeutung. Diese territoriale Angelegenheit konnte von anderen innenpolitischen Problemen sowie dem repressiven Regime ablenken beziehungsweise nationalistische Emotionen kanalisieren. Marokko war unter seiner Herrschaft nur dem Papier nach eine konstitutionelle Monarchie. Bereiche, die nicht direkt dem Einfluss des Königs unterstanden, wurden indirekt kontrolliert. Wahlfälschung gehörte zur Tagesordnung, ebenso wie Einschüchterung und Verhaftung sowie Folter von Oppositionellen. Seit den 60er Jahren war das Innenministerium die wichtigste machtpolitische Stütze des Königs, er überstand durch dessen Hilfe zwei Militärputsche. Es wurde als Umm al-Wizarat bezeichnet, was soviel bedeutet wie „Mutter der Ministerien“, da es an Machtfülle alle anderen Ministerien zusammengenommen übertraf. Seit 1979 leitete Idris Basri dieses Ministerium, ihm unterstanden diverse Polizei-, Sicherheits- und Geheimdienste, die weder der Justiz noch dem Parlament, ja nicht einmal der Regierung gegenüber verantwortlich waren. Ebenfalls war er für die Beaufsichtigung der staatlichen Fernseh- und Radioanstalten zuständig. Seit 1975 verwaltete er alle Dossiers, die die Westsahara Frage betrafen.[2]

Basri wurde zum Symbol der polizeistaatlichen Methoden und der staatlichen Repression im Marokko Hassans II. Er und das ihm unterstehende Ministerium waren integraler Bestandteil des so genannten Makhzen Systems, dem „landesweiten Netz der informellen Interessensvermittlung, in dessen Zentrum der Monarch steht.“[3] Dieses System kann als marokkanische Ausprägung des neopatrimonialistisch-klientilistischen Konzepts gesehen werden.[4]

4. Struktur des Staates unter Mohammed VI

4.1 Die Verfassung

Wie oben erwähnt trat die Verfassung, die Marokko formell in eine konstitutionelle Monarchie verwandelte, 1962 in Kraft. Marokko ist weiterhin eine erbliche Monarchie und wird seit 1666 von der Dynastie der Alawiten regiert. Die Verfassung wurde 1970, 1972, 1980, 1992 und zum letzten Mal 1996 überarbeitet. 1992 wurden ein Konstitutionsrat und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss geschaffen, und die Volljährigkeit von 21 auf 20 Jahre geändert. 1996 wurde eine zweite Kammer im Parlament gebildet. Die bereits bestehende Kammer wird nun zur Gänze direkt gewählt, zuvor war ein Drittel indirekt gewählt worden.

Laut Verfassung geht die Souveränität vom Volk aus, ausgeübt wird sie durch Volksabstimmungen bzw. durch gewählte Vertreter. Marokko ist laut Konstitution ein Mehr-Parteien System. Ebenso besteht auf dem Papier ein System der Checks and Balances, jedoch geprägt durch ein starkes Übergewicht der Exekutive bzw. des Königs.

Alle Bürger gelten vor dem Gesetz als gleich, politische Rechte von Mann und Frau sind gleich. Die Verfassung gewährleistet außerdem allen Bürgern Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit sowie die Freiheit zur Bildung politischer Parteien oder Vereine.[5]

4.2 Exekutive: Der König

Der König ist nicht nur in Realität sondern auch der Verfassung nach die bedeutendste Person der Exekutive, Artikel 23 besagt dass die Person des Königs unverletzlich und heilig sei.[6] Laut Artikel 24 ernennt er den Premierminister sowie auf dessen Vorschlag die anderen Regierungsmitglieder. Derselbe Artikel bescheinigt ihm das Recht zur Entlassung der Regierungsmitglieder.[7] Laut Artikel 25 hat der König im Ministerrat den Vorsitz.[8] Artikel 29 ist die Basis für die Regierungstätigkeit des Königs per Verordnung oder königlichem Erlass, bezeichnet als Dahir.[9] Unter anderem ist er oberster Befehlshaber der Streitkräfte und oberstes außenpolitisches Organ – alle Staatsverträge müssen ihm vorgelegt werden.

Die Machtfülle des Königs ist mit den konstitutionellen Rechten allein nicht ausreichend beschrieben. Trotz der formellen Änderung in Richtung einer pluralistischen konstitutionellen Monarchie ist der König, gestützt auf das Makhzen System, weiterhin die dominierende politische Kraft.

4.3 Legislative: Das Parlament

1996 wurde das Parlament um eine Kammer erweitert. Zur bereits bestehenden Repräsentantenkammer (MaÅlis an-NuwwÀb) kam die Kammer der Berater (MaÅlis al-MustaÍÀrÂn). Erstere umfasst 325 Abgeordnete, die durch Direktwahl für fünf Jahre gewählt werden. Die Abgeordneten der Kammer der Berater werden indirekt durch lokale Körperschaften, Gewerkschaften und Berufsverbände gewählt. Ein Drittel dieser Kammer wird jeweils alle drei Jahre ausgetauscht.[10]

4.4 Judikatur

Laut Verfassung genießen Richter und Gerichte Unabhängigkeit. Verwaltet und administriert wird die Gerichtsbarkeit durch den Obersten Rat der Judikatur.

Die höchste Instanz ist der oberste Gerichtshof (La Cour suprême), unterteilt in fünf Kammern, zuständig für Zivilrecht, Personenrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht und Verwaltungsrecht.[11] Ihm folgen in der Hierarchie die Gerichtshöfe der zweiten Instanz (les Cours d’appel), dann die Gerichtshöfe der ersten Instanz (les Tribunaux de première instance) und schließlich die Gemeinde- oder Bezirksgerichte (les Juridictions communales et d’arrondissements).[12] Dieser Instanzenzug betrifft die so genannte gewöhnliche Jurisdiktion, daneben existiert die spezielle Jurisdiktion. Letzterer gehört das Höchstgericht (la Haute cour), der Sondergerichtshof der Justiz (La Cour spéciale de justice), das Militärgericht (Le tribunal militaire permanent des FAR) sowie der Rechnungshof und dessen regionale Ableger (La Cour des comptes et les cours régionales des comptes) an.[13]

[...]


[1] Informationen in diesem Kapitel aus: Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2004; Stichwort „Marokko“ http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761572952_4____33/Marokko.html#s33; 8.3.04

[2] Buchta 17.01.2000

[3] vgl. Willis 2002: S14-18; Santucci 2001: S91-92; Moore 1993: 42-43; zitiert nach: Axtmann 2003: S16

[4] vgl. Waterbury 1970

[5] http://www.undp-pogar.org/countries/morocco/constitution.html; 6.3.04

[6] Article 23 de la Constitution; Benyahya, Mohammed; 1997; S160

[7] Article 24; ebenda; S161

[8] Article 25; ebenda

[9] Article 29; ebenda

[10] http://www.undp-pogar.org/countries/morocco/legislature.html; 6.3.04

[11] Benyahya, Mohammed; 1997; S130

[12] ebenda; S127

[13] ebenda; S131

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Opposition in Marokko
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Politische Systeme in der arabischen und islamischen Region
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V26585
ISBN (eBook)
9783638288743
ISBN (Buch)
9783638806183
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Opposition, Marokko, Politische, Systeme, Region
Arbeit zitieren
Mag. Stefan Svec (Autor:in), 2004, Die Rolle der Opposition in Marokko, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26585

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