Freundschaft und Liebe bei Aristoteles


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung in das Thema
1.1) Historische Definition und Wortherkunft des Begriffs Liebe

2) Verwendung der Begriffe Liebe und Freundschaft bei Aristoteles
2.1) Die 3 Arten der Freundschaft

3) Unterscheidung zwischen Liebe und Freundschaft
3.1) Aspekte der Liebe
3.2) Aspekte der Freundschaft
3.3) Schließt Liebe die Freundschaft oder Freundschaft die Liebe aus?

4) Zusammenfassung und persönliches Fazit

1) Einleitung in das Thema

Wir alle lieben und wollen geliebt werden. Es ist ein Gefühl des Guten, der Glückseligkeit, nach dem wir streben, das uns überkommt. Wir lieben das Gute und das Schöne und in der Regel können wir uns nicht aussuchen, wen oder was wir lieben. Warum aber lieben wir und können wir die Liebe und deren Gefühle beeinflussen? Können wir es überhaupt beeinflussen oder steuern, gibt es eine Theorie der Liebe - wobei ich das Wort Theorie im Kontext der Liebe sehr befremdlich und unpassend finde -, nach der wir handeln können? Es gibt eine Vielzahl an Erklärungen der Liebe, denke man zum Beispiel an die Kugelmenschen bei Platon. Menschen, die einst zusammen waren und aufgrund ihrer Mächtigkeit von Zeus der Mitte nach zerschnitten worden sind. Die starke Sehnsucht und das Verlangen der getrennten Hälften zur anderen nennen wir Liebe. Betrachtet man auch unseren heutigen Sprachgebrauch genauer, dann fällt auf, dass wir ein und das selbe Wort für sehr viele verschiedene Situationen verwenden. Wir sprechen von Liebe bei zwischenmenschlichen Beziehungen, seien sie auf sexueller Ebene oder nur auf den Geist bezogen, wir sprechen beim Begehren von nicht-menschlichen Wesen und Sachen auch von Liebe. Wer sich schon einmal intensiv über Liebe unterhalten hat, wird bemerkt haben, dass man oft von unterschiedlichen Dingen gesprochen hat. Das mag daran liegen, dass es keine einheitliche Definition von Liebe gibt und auf was sie sich alles bezieht und die Trennlinie zur Freundschaft schwer gesetzt werden kann. Es ist ein Gefühl, das sich mit Worten kaum beschreiben lässt und das jeder ganz individuell fühlt. Schwierig wird es auch, wenn man philosophische Texte liest, die den Begriff der Liebe beinhalten. Man muss die Definition des Autors genau kennen, um den Text richtig zu interpretieren. Die Verwendung der Begriffe Liebe und Freundschaft bei Aristoteles möchte ich in dieser Hausarbeit genauer erläutern und damit die Frage beantworten, ob sich Liebe und Freundschaft einander ausschließen. Beginnen möchte ich dabei mit der Wortherkunft und der historischen Definition des Begriffes Liebe aus philosophischer Sicht, die Verwendung bei Aristoteles aufzeigen und Aspekte der Liebe sowie der Freundschaft ermitteln.

1.1) Historische Definition und Wortherkunft des Begriffs Liebe

Der Liebesbegriff spielt seit Beginn der Philosophie eine wichtige Rolle und ist auch nicht mehr weg zu denken. Im historischen Wörterbuch der Philosophie ist er wie folgt definiert :

“Der Begriff der Liebe meint

a) die einheitsstiftenden Beziehungen zwischen beseelten oder als beseelt gedachten Wesen und ist daher verwandt mit Freundschaft;

b) die empfundene, auf solche Vereinigung hinwirkende Kraft und ist daher verwandt mit Begehren, Verlangen und Erstreben.“1

Diese Definition beinhaltet zwei weitere wichtige und ausschlaggebende Begriffe, die Freundschaft und das Begehren. Auf beide möchte ich zu einem späteren Zeitpunkt genauer eingehen. Die deutsche Wortherkunft hat nicht viel gemein mit der heutigen Bedeutung von Liebe. Diese besagt nämlich, dass das „Wort Liebe auf die indogermanische Wurzel leubh (gutheißen, loben) zurückgeht und mit dem lateinischen lubens (gern), dem althochdeutschen luba (Affekt), dem mittelhochdeutschen liebe Freude, Liebe aber auch mit Glaube stammverwandt ist.“

2) Verwendung der Begriffe Liebe und Freundschaft bei Aristoteles

Die Untersuchung der Freundschaft (Buch VIII und IX) bildet den Höhepunkt gegen Ende der Nikomachischen Ethikkonzeption, da hier Bedingungen und Konsequenzen des moralisch-glücklichen Lebens, das Zusammenleben in der Gemeinschaft, aufgezeigt werden. So wie wir es heute für wichtig empfinden, privates und öffentliches Leben, sowie wie politisches Leben zu trennen, war es zur Zeit des Aristoteles undenklich, ein glückliches und gelungenes Leben mit den politischen Aktivitäten eines Polis-Bürger zu trennen. Dabei spielt die Freundschaft (Philia) eine besondere Rolle, deren Bedeutung weit über privates, innerliches Glücksgefühl (oder die sinnliche Liebe - aphrodisia) hinausreicht.

Der Begriff der Freundschaft taucht bei Aristoteles in der Nikomachischen Ethik mit einer besonderen Wichtigkeit auf. Er ordnet sie den Tugenden zu. Er beginnt seine Untersuchungen damit, in dem er die Freundschaft (philia) als eine der Trefflichkeiten (Tugenden) des menschlichen Lebens, beziehungsweise als eine mit dieser eng verbundenen Erscheinung beschreibt.2 Das Grundprinzip eines Gemeinschaftsleben lautet dabei, dass niemand ohne Freunde leben möchte und kann. Zum einen, weil ihr Vorhandensein Möglichkeiten für die Wohlhabenden eröffnet, Gutes zu tun beziehungsweise den eigenen Wohlstand zu schützen, zum anderen um Zuflucht und Hilfe für die Bedürftigen und Armen zu gewähren. Die Philia beziehungsweise die allgemeine Menschenliebe sorgt für das Zusammengehörigkeitsgefühl und somit an sich auch für das Überleben der Menschheit. Deutlich wurde auch, dass die Philia die Polisgemeinde zusammenhält. Wir sehen auch, dass unsere heutigen Politiker sich mehr um Freundschaft als um Gerechtigkeit bemühen, denn die Philia ist die höchste Form der Gerechtigkeit.3

Gegenstand der freundschaftlichen Liebe ist das Liebenswerte - phileton. Dieses ist das für jeden individuell verschiedene Lustvolle, Nützliche oder Wertvolle: Liebe ist immer Liebe zu etwas Gutem oder Angenehmen, sofern es dem Liebenden als ein solches erscheint.4 Diese Haltung definiert Aristoteles als Wohlwollen, das am Anfang der Entwicklung jedes Freundschaftsverhältnisses steht und im Falle von Sichtbarkeit und Erwiderung durch den Partner zur Philia begehren kann. Anhand dieser einleitenden Worte zur Begriffsverwendung der Freundschaft, erkennen wir schon, dass gesellschaftliches Leben auf Freundschaft beruht. Aristoteles teilte die Freundschaft in drei Arten ein.

2.1) Die 3 Arten der Freundschaft

Drei Gründe gibt es also, weshalb die Menschen lieben und sich befreunden. Bei der Liebe zu leblosen Gegenständen spricht man aber nicht von Freundschaft. Bei der Liebe oder auch dem Begehren zu Gegenständen gibt es keine Gegenliebe. Auch ist der Wunsch nicht denkbar, der Andere habe etwas Gutes davon. Unterteilt wird die Philia in das Gute, das Nützliche und das Angenehme. Wenn jemand einem anderen das Gute wünscht, sprechen wir von Wohlwollen. Wenn der Andere nun dieses Wohlwollen erwidert, sprechen wir von Freundschaft. Zu bemerken ist hier aber, dass es um sichtbares Wohlwollen geht. „Freunde müssen also - so dass es nach außen hervortritt - Wohlwollen füreinander empfinden und sich gegenseitig das Gute aus einem der genannten Gründe wünschen.“5 „Die drei Motive, aus denen Freundschaft entsteht, unterscheiden sich voneinander der Art nach, folglich auch die Formen des Liebens und der Freundschaft. Es gibt nun also drei Arten von Freundschaft - sie entsprechen den drei Arten des Liebens-werten - , denn in dem Bereiche einer jeden ist Gegenliebe möglich, die nach außen hervortritt, und die einander freundschaftlich gesinnten wünschen sich gegenseitig das Gute entsprechend dem Motiv der Befreundung bildet, da lieben sich die Menschen nicht um ihres Willens sondern nur soweit sie etwas voneinander haben können, und ebenso ist es bei denen, die um der Lust willen befreundet sind.

Denn nicht wegen seiner Charaktereigenschaften lieben sie den in der Gesellschaft Gewandten, sondern weil sie ihn unterhaltsam finden.“6 Freundschaften, die auf das eigene Nutzen zielen, sind Freundschaften, bei denen die eigenen Vorteile im Vordergrund stehen. Freundschaften, bei denen die Lust das Motiv ist, lieben sich des Angenehmen wegen und werden akzidentelle Freundschaften genannt. Diese Art der Freundschaft vergeht schnell, denn sobald sie sich nicht mehr gleichen - wenn ein Partner nicht mehr angenehm oder nützlich ist - hört man auf, ihn zu lieben. Die Gast-Freundschaft beruht zum Beispiel auf so einem Nutzen. Die Liebe der Jugend lebt vor allem von der Lust und strebt nachdem, was sie unmittelbar reizt. „Daher verlieben sich die jungen Menschen und machen rasch wieder ein Ende: das ändert sich nicht selten am gleichen Tag, dagegen möchten sie den ganzen Tag beisammen sein und zusammen leben, denn so verwirklicht sich für sie der Sinn der Freundschaft.“ Im Alter spielt der Nutz-Faktor eine größere Rolle. Bei der vollkommenen Freundschaft wünschen sich die beteiligten einander das Gute, das ist die Trefflichste aller Charaktere, denn sie wünschen sich das Gute aus keinem anderen Grund, als weil sie eben trefflich sind. Die echtesten Freunde und die Freundschaft, die am längsten währt, besteht also zwischen den Menschen, die dem Freunde um des Freundes Willen das Gute wünschen. Sie sind sich zugleich nützlich als auch angenehm. Treffliche Menschen haben die gleiche Art zu handeln und somit auch die gleiche Quelle der Lust. Diese Freundschaft aber ist selten und braucht Zeit, denn „der Wunsch nach Freundschaft entsteht rasch, die Freundschaft aber nicht“, sie muss sich erst bewähren. Diese Art der Freundschaft ist vollkommen, denn hier erhält jeder das, was er gibt, in gleicher oder ähnlicher Weise zurück.

3) Unterscheidung zwischen Liebe und Freundschaft

Das bisher Geschriebene lässt schon erahnen, dass eine Unterscheidung zwischen Liebe und Freundschaft nicht leicht ist. Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen Freundschaft und Liebesbeziehungen? Zwischenmenschliche Beziehungen kennen keine Grenzen und ernsthafte Beziehungen können wir auch nicht wirklich kontrollieren. Die Gefühle überkommen uns einfach, seien sie positiv oder auch negativ, wir können sie in der Regel nicht steuern. Sowohl die Freundschaft als auch die Liebe sind beides sehr intensive Beziehungen, jedoch spielen sie sich auf eine Art und Weise auf einer anderen Ebene ab. Diese möchte ich versuchen, zu erklären und die Aspekte der Liebe und der Freundschaft finden.

3.1) Aspekte der Liebe

Liebe ist nicht einfach nur ein Wort oder eine Bezeichnung für einen Gegenstand oder für eine Sache. Liebe ist ein Gefühl, hinter dem so viel Kraft steckt und vor dem einige zurückweichen. Vielleicht weil sie wissen, was ein einziges Wort auslösen oder aber auch beenden kann. Liebe ist ein Gefühl, das uns zur Änderung unseres Verhalten führen kann. Liebe ist ein Gefühl, welches uns am stärksten glücklich machen, aber auch zu tiefst verletzen kann. In manchen Fällen kann Liebe auch die eigene Weltansicht ändern. Vor allem aber gibt Liebe uns auch in den schwierigsten Momenten im Leben Kraft. Die Aspekte der Liebe sind so zahlreich wie die Liebenden selbst und sie einheitlich zu definieren scheint unmöglich zu sein, denn jeder fühlt sie auf seine Weise anders. Dennoch gibt es Grundaspekte, die eine Liebe auszeichnen. Im Allgemeinen ist Liebe:

- das stärkste Gefühl der Glückseligkeit, welches uns widerfährt
- die stärkste Zuneigung, die wir fühlen können
- Begehren, Verlangen und Erstreben

[...]


1 Historisches Wörterbuch der Philosophie: Liebe

2 Vgl. Aristoteles: NE, S.213 (1155a 3-4)

3 Vgl. Aristoteles: NE Buch V

4 Helmut Kuhn: Liebe. Geschichte eines Begriffs, S. 60

5 Aristoteles, Buch VIII, S. 216 [1155b 34 - 1156a 20]

6 Aristoteles: NE, S.212

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Freundschaft und Liebe bei Aristoteles
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Philosophisches Institut)
Veranstaltung
Grundbegriffe der Philosophie
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
13
Katalognummer
V265835
ISBN (eBook)
9783656574606
ISBN (Buch)
9783656612339
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
freundschaft, liebe, aristoteles
Arbeit zitieren
Miriam Ben-Said (Autor:in), 2012, Freundschaft und Liebe bei Aristoteles, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265835

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