Geschlechtsspezifische Raumaneignung bei Jugendlichen


Hausarbeit, 2013

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1.Einleitung

2.Begrifflichkeiten und Definitionen
2.1 Der Raum in der Architektur / der Raum im Kontext der Humanwissenschaften
2.2. Konstitution und Aneignung von Räumen

3. Raumaneignung von Jugendlichen im öffentlichem Stadtteil
3.1 Geschlechtsspezifische Raumaneignung
3.2 Geschlechtsspezifische Aneignung von virtuellen Räumen

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Die Gesellschaft hat ein Interesse an ihrer Jugend. Dies ist dadurch begründet, dass die vorherrschenden Lebensmuster und -interessen zuerst durch sie angekündigt werden. Sie sind somit "Trendsetter" der unterschiedlichen Lebensbereiche und Lebensformen. Für den Beginn der Jugendphase gelten allgemein die psychophysischen Veränderungen zur Zeit der Pubertät, für ihr Ende werden gewöhnlich soziokulturelle Kriterien wie Autonomie und Eigenverantwortlichkeit herangezogen. (vgl. Herlyn, Hille von Seggern; Heinzelmann, Karow, 2003, S. 23)

In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit der geschlechtsspezifischen Raumkonstitution sowie dem Raumaneignungsverhalten von Kindern und Jugendlichen. Es wird davon ausgegangen, dass die Konstitution von Räumen von zwei Prozessen abhängig ist. Zum einen vom „Spacing“1, zum anderen von der Syntheseleistung. In dieser Arbeit beziehe ich mich auf die territoriale Sicht der Stadt bzw. des Stadtteils.

Es werden zuerst die zentralen Begriffe der Arbeit festgestellt und dargelegt. Weiterhin wird untersucht, in welcher Art und Weise Raumaneignung von Kindern und Jugendlichen stattfindet. Außerdem geht es um Frage gehen, welche geschlechtsspezifischen Unterschiede sich im jeweiligen Raumaneignungsverhalten finden und wie sie begründet werden können. Zudem wird die Aneignung von virtuellen Räumen untersucht und es wird aufgezeigt, in welcher Form sich das geschlechtsspezifische Aneignungsverhalten in diesem Kontext gestaltet.

Der Bildungsprozess, der bei der Raumaneignung implizit ist, wird aus Platzgründen nicht weiter diskutiert. Zur weiteren Komplexitätsreduktion des Themas beziehe ich mich in der folgenden Arbeit auf die Raumkonstitution im Alltag und klammere bewusst die Konstitution von Räumen am Computer beziehungsweise am Reißbrett aus. (vgl. Löw, 2001, S. 160)

Das Raumbeispiel, welches dieser Arbeit zu Grunde liegt, ist der öffentliche Stadtteil. Dieser kann sich sowohl in der Straße, in der jemand wohnt, in den Geschäften der Wohnumgebung, als auch in der angrenzenden Natur materialisieren. (vgl. Löw, 2001, S. 199)

2.Begrifflichkeiten und Definitionen

Im Folgenden werden die zentralen Begriffe in dieser Arbeit umrissen. Der Begriff des „Raumes“ wird von zwei Seiten betrachtet. Zum einen aus der Sicht der Architektur und zum andern aus der Perspektive der Humanwissenschaft. Dadurch wird sowohl der räumliche Bezug als auch eine Brücke zum Stadtteil deutlich werden. Überdies wird beschrieben, wie die Raumkonstitution als Syntheseleistung in dieser Hausarbeit verstanden wird.

2.1 Der Raum in der Architektur / der Raum im Kontext der Humanwissenschaften

Der architekturtheoretische Begriff des Raumes bzw. der Baustruktur lässt sich nach Kilb (2012) wie folgt abbilden: Aus der Sicht der Architektur steht der gebaute Raum für eine Ansammlung der epochentypischen technischen und ästhetischen, in Bauten und Bauwerken umgesetzten Standardisierungsmuster. Diese erfüllen jeweils einen spezifischen Aspekt, wie beispielsweise Wohnen, Arbeiten, Kommunikation, Soziales Leben, Konsum und Spiritualität. Weiterhin erfüllen diese Räume sowohl Aufgaben wie Versorgung, Bildung, Erziehung und Administration, als auch eine symbolische Präsenz, die im Verlauf ihres Daseins nach jeweils geeigneter aktueller Nutzung variieren kann. Der letzte Punkt bekommt immer dann besondere Relevanz, wenn der Raum, beziehungsweise die Bebauung, ihren ursprünglichen Zweck verliert. (vgl. Kilb, in Eckardt, 2012, S. 615)

Aus dem Blickwinkel der Humanwissenschaften wird der gebaute und bebaute Raum individualpsychologisch betrachtet. Durch den Raum entstehen Ausgangspunkt und Rahmenbedingungen für die jeweilige biografische sowie sozial-kommunikative Entwicklung des Individuums. In diesem Kontext besitzt der Raum zudem einen transhistorischen Charakter. Auf der einen Seite werden historisch relevante Aspekte des individuellen und sozialen Alltagslebens vermittelt. Auf der anderen Seite bilden sie ein physisches Fundament, Eckpunkte und räumliche Rahmenbedingungen der aktuellen und auch der zukünftigen individuellen Entwicklungen. (vgl. Kilb, in Eckardt, 2012, S. 615)

Ein weiterer Aspekt besteht in der entwicklungsbedingten Erschließung des Raumes. Während sich der in erster Linie wahrnehmbare Raum eines Kleinkindes meistens auf das Haus der eigenen Familie und die engere Nachbarschaft beschränkt, erweitert sich dieser im Verlauf seines Lebens. Erst werden neue Orte aufgesucht, wie etwa „Omas Haus“ oder die Kindertagesstätte. Parallel wird auch das Umfeld der bekannten Räume wahrgenommen, wie beispielsweise die Strecke vom Haus der Familie zu "Omas Haus", es werden verschiedene Dinge wahrgenommen, die auf dem Weg zwischen den beiden Orten liegen. So erweitert sich nach und nach der soziale Raum durch Entdeckung und Wahrnehmung der Umwelt. Überdies ermöglichen die neuen Errungenschaften in der Telekommunikation das Erschließen neuer sozialer Raume auch virtuell, beispielsweise in Form von E-Mails und sozialen Netzwerken. Somit entsteht eine Vorstellung von Gesellschaft, möglicherweise auch der Welt im Ganzen, welche unvermeidlich multiperspektivisch ist. (vgl. Zippert, In Weber, Mueller-Alten, Höhmann, Höhmann, Dieckbreder, Zitt, 2013, S.183f.)

Die Sichtweise von Räumen ist als Prozess zu verstehen, "Raumbedeutung, Raumnutzungen und ästhetische Raumwahrnehmungen ändern sich in den verschiedenen Lebensaltersphasen: Räume entwickeln sich vom bespielbaren Raum im Kindesalter über den besetzbaren, veränderbaren und gestaltbaren Raum im Jugendalter, zum funktional nutzbaren Raum im Erwachsenenalter und letztendlich zum Erinnerungsraum im Alter" (vgl. Kilb, in Eckardt, 2012, S. 617). Pierre Bourdieu (1991) definiert den „Sozialen Raum“ als „semantischen Assoziationsraum“ und keineswegs nur als physischen Raum. Dieser präge sich aus der Verbindung von bestimmten sozialen Lebensstilen und von sozialen Positionen, die wiederum durch eine Hierarchie von ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen gebildet werden. (vgl. Kilb, 2009, S. 110)

Der Sozialraum besteht folglich aus physikalischen, sowie technischen, nicht realen Elementen, welche im Entwicklungsprozess eines Menschen immer mehr verflochten und verändert werden können. Diese Verbindung von binären Räumen mit geografisch bestimmbaren Orten setzt einen Zugang des Individuums zu der entsprechenden Technik voraus.

Weiterhin verändert sich der soziale Raum mit zunehmendem Alter. Während er sich in der Kindheit ausdehnt und erweitert wird, sich konzentrisch oder durch räumliche Inseln zu einer Netzstruktur im Jugend und Erwachsenenalter entwickelt, beschränkt er sich im Alter möglicherweise wieder auf einen eher begrenzten privaten Raum. Die Raumwahrnehmung ändert sich folglich in den verschiedenen Lebensphasen erheblich. (Kilb 2009 S.71f.)

2.2. Konstitution und Aneignung von Räumen

Die Konstitution von Räumen ist grundsätzlich von zwei verschiedenen Prozessen abhängig, vom Spacing2 und der damit einhergehenden Syntheseleistung. Der zweite Aspekt der Raumkonstitution, die Syntheseleistung, bedarf der Wahrnehmung des Vorstellungs- bzw. Erinnerungsprozesses, in denen Menschen und Güter zusammengefasst werden. Folglich entsteht im alltäglichen Handeln eine Parallelität von Syntheseleistung und „Spacing“, da Handeln prozesshaft ist. Somit entsteht ein Raum durch die wahrnehmende bzw. analytische Synthese der Gebäude (vgl. Löw, 2001, S. 158f.).

Die Konstitution von „Raum“ wird in einer Wechselwirkung von Handeln und Strukturieren ermöglicht. Somit sind Räume nicht beliebig geschaffen, sondern die Anordnung ist sozial vorstrukturiert. Folglich können Räume nur mit dem geschaffen werden, was zur Synthese bzw. zum „Spacing“ bereitsteht. Das gilt ebenso für die Natur und die Umgebung. Wo zum Beispiel kein Fluss ist, kann dieser nicht in die Konstitution von Raum mit einbezogen werden. Folglich ist die Möglichkeit, Räume zu konstituieren, immer abhängig von der vorgefundenen Handlungssituation sowie den symbolischen und materiellen Faktoren. Handlungssituationen setzen sich immer aus einer materiellen und einer symbolischen Komponente zusammen, demzufolge hat eine Handlung immer zwei Aspekte, einen materiellen und einen symbolischen. Der symbolische Aspekt orientiert sich an Werten & Normen und ist durch Sprache strukturiert. Der materielle Aspekt bezieht sich auf die Wechselbeziehung zwischen einer Handlung und der materieller Umwelt.

Daraus lassen sich Grenzen der Raumkonstitution ableiten. Diese sind immer abhängig von den materiellen Bedingungen, die sich in der Handlungssituation zur Synthese bzw. Platzierung anbieten und von den symbolischen Komponenten wie auch der symbolischen Wirkung von Menschen und Gütern. Die materielle Komponente ist im Regelfall die Voraussetzung für die symbolische Komponente. (vgl. Löw, 2001, S. 191ff.)

Der Raum wird bestimmt durch eine konkrete geografische Verortung sowie einen physisch-materiellen, funktional und ästhetisch gestalteten Aufenthaltsort. Weiterhin ist räumliches Verhalten bestimmt durch Körperlichkeit und die Bewegung des Körpers im Raum. Der Raum ist somit eine Art 'persönliches Wirkungsfeld' des Individuums, eine Strukturdimension der alltäglichen Lebensführung und des situationsspezifischen biographischen Handelns. Weiterhin ist ein sozialer Raum ein Abbild der sozialräumlichen Gesellschaftsstruktur, innerhalb der die Subjekte ihren individuellen Standort einnehmen. (vgl. Nissen, 1998, S. 155)

3. Raumaneignung von Jugendlichen im öffentlichem Stadtteil

Das klassische Konzept der Aneignung geht auf die sog. „Kulturhistorische Schule“ der sowjetischen Psychologie zurück. Der Grundgedanke dieses Ansatzes besteht darin, die Entwicklung eines Menschen als tätige Auseinandersetzung mit seiner Umwelt, als Aneignung der gegenständlichen sowie symbolischen Kultur zu verstehen. Die Umwelt präsentiert sich allerdings als ein Produkt menschlichen Schaffens. Somit bezieht sich das Aneignungsverhalten nicht auf „wertfreie“ Räume, denn diese sind besetzt und durch die Gesellschaft funktionalisiert. (vgl. Deinet, 2004, S. 178)

Der öffentliche Stadtraum ist als „eine Art“ Bühne der Selbstdarstellung zu verstehen. Man muss die unterschiedlichen Symbole und Zeichen kennen, die man auf der Bühne verwenden will (vgl. Schneider, 2005, S. 21). Die zweckentfremdete Nutzung von Räumen durch Jugendliche ist Ausdruck von Raumaneignung, welche eine zentrale Entwicklungsaufgabe der Jugendlichen darstellt. Über die alters-, geschlechts- und lebenslagenspezifischen Auseinandersetzungen mit der räumlich vermittelten Umwelt beschäftigen sich Menschen in der Adoleszenz mit gesellschaftlich suggerierten Werten und Normen.

[...]


1 Siehe zur Begrifflichkeit Kapitel 2.2

2 „Spacing“ bezeichnet in diesem Zusammenhang „Bauen, Errichten bzw. Positionieren“ bspw. das Aufstellen von Waren im Supermarkt, sowie das „Sich Positionieren“ von Menschen gegenüber anderen Menschen oder auch Bauen im Sinne von Häuser bauen oder das vermessen von Landesgrenzen Martina Löw nutzt das engl. Wort „Spacing“, da das deutsche Wort „räumen“ entweder „leer machen“ bedeutet, was dem hier gemeinten Sinn zuwiderläuft, oder „etwas an eine andere Stelle bringen, heißt, was nur eine Substanz betrifft und nicht den komplexen Formierungsprozess erfasst. S.158 (vgl. Löw, 2001, S.158)

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Geschlechtsspezifische Raumaneignung bei Jugendlichen
Hochschule
Fachhochschule der Diakonie GmbH
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
16
Katalognummer
V265495
ISBN (eBook)
9783656551645
ISBN (Buch)
9783656551720
Dateigröße
603 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
geschlechtsspezifische, raumaneignung, jugendlichen
Arbeit zitieren
Jonas Meine (Autor:in), 2013, Geschlechtsspezifische Raumaneignung bei Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265495

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