Reformfähigkeit und plebiszitäre Instrumente in politischen Systemen

Eine vergleichende Analyse anhand Deutschlands und der Schweiz


Referat (Ausarbeitung), 2013

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Einordnung der plebiszitären Instrumente ins Systemmodell

3 Erklärungsmodell

4 Wissenschaftlicher Vergleich der Nutzung plebiszitärer Instrumente und deren Auswirkung
4.1 Anzahl der durchgeführten Volksinitiativen und Referenden
4.2 Länderspezifische Historien plebiszitärer Instrumente
4.3 Arten politischer Systeme
4.4 Konkrete legislative Ausgestaltung
4.5 Politische Soziokultur
4.6 Grad der Organisation
4.7 Politische Deutungskultur
4.8 Antizipation von Seiten der Politik
4.9 Umwelteinflüsse
4.10 Reformfähigkeit

5 Fazit

1 Einleitung

„[…] in der Zeit der Mediendemokratie, mit Internet, Facebook, Blogs, einer Billion Webseiten und der Organisation von zehntausenden Menschen per Mausklick kann die Demokratie nicht mehr so funktionieren wie im letzten Jahrhundert. Die Zeit der Basta-Politik ist vorbei […]“

Diese Worte stammen nicht aus dem Munde des Vorsitzenden der Piratenpartei, sondern aus der Feder des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler und seinem Schlichterspruch zu Stuttgart 21. Geißler verweist weiter auf die aus den Problemen dieses Projekts abzuleiten- de Notwendigkeit einer Ausweitung „unmittelbarer Demokratie“ und spricht damit einen Themenkomplex an, für den es zwar keinen einheitlich genutzten Begriff gibt, der aber auf jeden Fall en vogue ist.

Im Folgenden soll deshalb in einem Vergleich der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz untersucht werden, inwieweit plebiszitäre Instrumente mit der Reformfähigkeit eines politischen Systems zusammenhängen. Um diese Frage zielsicher zu beantworten, muss zu- nächst der Begriff der „Reformfähigkeit“ geklärt werden: Unter diesem Begriff wollen wir die Fähigkeit eines politischen Systems auf Umwelteinflüsse zu reagieren, verstehen. Die dieser Definition immanente Relation in Bezug auf Umwelteinflüsse ist, wie sich noch zeigen wird, von entscheidender Bedeutung. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Existenz von plebiszitären Instrumenten und der Reformfähigkeit eines politischen Systems ist als Fra- ge danach zu verstehen, wie plebiszitäre Instrumente die Reformfähigkeit eines politischen Systems beeinflussen. Die Reformfähigkeit unter dem Einfluss plebiszitärer Instrumente ist folglich das Explanandum.

2 Einordnung der plebiszitären Instrumente ins Systemmodell

Um der komplexen Fragestellung gerecht zu werden, möchte ich meinem Erklärungsmodell eine Einbettung plebiszitärer Instrumente in das Systemmodell der Politik voranstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abbildung 1)

Stark vereinfacht besteht die Basis jeder Demokratie darin, dass das zentrale politische Entscheidungssystem die Forderungen der Gesellschaft aufnimmt und in allgemein gültigen Ent- scheidungen umsetzt. Dies begründet und sichert Legitimität. Im Wesentlichen geschieht dies via Wahlen, mit welchen die Bürger für einen begrenzten Zeitraum eine Partei und ihr Ge- samtkonzept wählen. Plebiszitäre Instrumente geben nun an dieser Stelle dem Bürger eine weitere formelle Möglichkeit, die es ermöglicht diesen Input zu differenzieren und vergrößern so auch die Resposivität des Systems. Ferner lösen sie die Arbeitsteilung der repräsentativen Demokratie auf, da hier das Volk nicht nur Entscheidungswünsche artikuliert, sondern auch Entscheidungen trifft. So wäre es möglich, die CDU wegen ihrer Wirtschaftspolitik zu wäh- len, sie jedoch mit Plebisziten zur Umsetzung umweltpolitischer Programmpunkte der Grünen zu zwingen. Dieses Modell erklärt im Prinzip bereits, weshalb plebiszitäre Instrumente in der Schweiz notwendig sind: Hier sind alle Parteien in der Regierung vertreten und oft sind Ple- biszite die einzige Möglichkeit eine wesentliche Sachfrage innerhalb der Regierung zu klären, da eben kein relativ einheitliches Gesamtkonzept einer Partei oder Koalition gegeben ist.

Es zeigt sich, dass auch die Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihrer Demokratie in Ländern mit großer Etablierung plebiszitärer Instrumente höher ist. Zufriedenheit mit dem politischen System steigert auch die Legitimität der Herrschaft. Ein politisches System, das als legitim gilt, sichert dadurch indirekt auch langfristig seine Reformfähigkeit. Allerdings zeigt eine vergleichende, innerschweizerische Untersuchung von Stutzer und Frey, dass plebiszitäre Instrumente nicht durch ihren häufigen Gebrauch zu mehr Zufriedenheit führen, sondern die Möglichkeit diese besonders einfach zu nutzen, zu Zufriedenheit führt. Ein Grund könnte in der lähmenden Wirkung plebiszitärer Instrumente auf die im Modell aufgeführten vom politi- schen System verabschiedeten Entscheidungen und Regeln liegen. Diese lähmende Wirkung ist dem prozessimmanenten Aufwand einer Abstimmung des Volkes geschuldet, wobei hauptsächlich fakultative und obligatorische Referenden für diese lähmende Wirkung verant- wortlich sind. Der Initiative hingegen kann man sogar eine entscheidungsbeschleunigende Wirkung attestieren. Ferner führen speziell Referenden zum Absickern politischer Verantwor- tung. Zu klären ist nun, wie sich innerhalb dieser systematischen Funktionslogiken unter ver- schiedenen Bedingungen plebiszitäre Instrumente auf die abhängige Variable auswirken.

3 Erklärungsmodell

In meiner Antwort will ich auf folgende drei der abhängigen Variable immanente Dimensio- nen eingehen: Erstens die Art und Weise, wie plebiszitäre Instrumente die Reformfähigkeit eines Systems beeinflussen, zweitens wie stark dieser Einfluss ausgeprägt ist und drittens in- wieweit sich dieser Einfluss positiv oder negativ auf die Reformfähigkeit eines Systems aus- wirkt. Mein nachfolgend graphisch abgebildetes Erklärungsmodell (Abbildung 2) soll durch seine unabhängigen Variablen, die intervenierenden Variablen und die Hintergrundvariable erklären, wie und weshalb sowie unter welchen Umständen sich die drei Dimensionen aus- prägen. Diese Variablen leiten sich aus den im nachfolgenden Systemvergleich angewandten Vergleichskategorien ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abbildung 2)

Hierzu sind noch einige Vorbemerkungen essentiell: Die abhängige Variable, welche als die Fähigkeit, auf Umwelteinflüsse zu reagieren, definiert wurde, kann weitergedacht werden als die Fähigkeit, aufgrund dieser Umwelteinflüsse Entscheidungen zu treffen. Plebiszitäre In- strumente sind eine Art, diese Entscheidungen zu treffen, wobei hier nicht die Regierung, sondern der Bürger die Entscheidung fällt. Die unabhängigen Variablen klären nun, wie diese Entscheidungsfindung stattfindet und somit, wie Entscheidungen getroffen werden, also auch wie auf Umwelteinflüsse reagiert wird. Alle verwendeten unabhängigen Variablen gewichten in irgendeiner Form, wie stark plebiszitäre Instrumente genutzt werden. Da diese eine Art Entscheidungen zu treffen sind, folgt daraus, dass in je größerem Umfang diese umgesetzt werden, auch ihr Einfluss auf die Reformfähigkeit des politischen Systems zunimmt. Die letzte Dimension der abhängigen Variable, ob dieser Einfluss positiv oder negativ ist, kann nur mit der bereits in der Einleitung erwähnten Relation bezüglich den Umwelteinflüssen beantwortet werden. Hierauf werde ich sowohl im Erklärungsmodell, als auch im wissenschaftlichen Vergleich genauer eingehen.

Als Hintergrundvariable habe ich die länderspezifische Historie plebiszitärer Instrumente gewählt. Obwohl es geradezu einfallslos anmutet „Geschichte“ in irgendeiner Form als Hintergrundvariable zu verwenden, habe ich mich bewusst dafür entschieden, da in den Vergleichsfällen die unterschiedliche Ausprägung eine ganz wesentliche Rolle spielt.

Als erste unabhängige Variable wählte ich die Art des demokratischen Systems, ergo ob es sich beispielsweise um ein präsidentielles Regierungssystem oder wie in den Untersuchungs- fällen um ein parlamentarisches Regierungssystem und eine Proporzdemokratie handelt. Die- se Variable ist von prägender Bedeutung dafür, wie groß der Einfluss plebiszitärer Instrumen- te auf die Reformfähigkeit des jeweiligen Systems ist, da das Proporzsystem, wie unter Glie- derungspunkt 2 erläutert, bereits eine große Ausprägung plebiszitärer Instrumente impliziert. Ferner ist durch den ebenfalls bereits oben beschriebenen Mechanismus der Blockadelösungs- funktion im Proporzsystem die Rolle von Plebisziten mehr als in anderen Systemen nicht nur lähmend, sondern auch reaktionsfördernd und wirkt sich so nicht nur negativ auf die Reakti- onsgeschwindigkeit aus. Dies ist in anderen Demokratien ebenfalls möglich, doch weit un- wahrscheinlicher als im Proporzsystem der Schweiz.

Unter der nächsten unabhängigen Variable konkrete legislative Ausgestaltung verstehe ich jene durch die Gesetzgebung gegebenen praktischen Möglichkeiten sowie Zwänge und Hür- den plebiszitäre Instrumente einzusetzen. Hier ist ausdrücklich auch der innerschweizerische Vergleich der einzelnen Kantone sehr aufschlussreich, wie sich im Fortgang zeigen wird. Ge- nerell lässt sich sagen, je größer die Möglichkeiten oder auch Zwänge Plebiszite einzusetzen und je niedriger die Hürden für eine Initiative sind, umso stärker werden plebiszitäre Instru- mente auch eingesetzt. Ferner legt diese Variable fest, wie der Einfluss formal stattfindet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Reformfähigkeit und plebiszitäre Instrumente in politischen Systemen
Untertitel
Eine vergleichende Analyse anhand Deutschlands und der Schweiz
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
14
Katalognummer
V265372
ISBN (eBook)
9783656549406
ISBN (Buch)
9783656549109
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Plebiszitäre Instrumente, direkte Demokratie, Deutschland, Schweiz
Arbeit zitieren
Andreas Sieber (Autor:in), 2013, Reformfähigkeit und plebiszitäre Instrumente in politischen Systemen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265372

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