Saltnuss hintern See

400 Jahre Hof- und Familiengeschichte


Fachbuch, 2013

150 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungen

Einleitung

I. Höher gehen - Welt im Hinterpasseier

II. Die frühen historischen Aufzeichnungen von Saltnuss im Spätmi elalter..

III. Saltnuss - Heimat der Familie Gu er.
1. Christoph Gu er 1627 -
2. Hanns und Paul Gu er 1654 - 1688/89.
3. Jakob und Nikolaus Gu er 1689 -
4. Thomas Gu er 1728 -
5. Ursula Gu er 1738 -
6. Maria Gu er 1752 -

IV. Übergang des Saltnuss Hofs auf die Familie Lanthaler in der 2. Häl e des 18. Jhs.
1. Johann Lanthaler 1772 - 1810
2. Joseph Lanthaler 1810 - 1839
3. Joseph Lanthaler 1839 - 1868
4. Josef Lanthaler 1872 - 1913
5. Michael Lanthaler 1913 - 1942

V. Übernahme des Saltnuss Hofs durch die Familie Gu er / Auer in der Mi e des 20. Jhs. .
1. Josef Gu er 1943 - 1967.
2. Maria Anna Gu er 1967 - 1998.
3. Mar n Auer ab

VI. Anhang..
1. Der Pachtvertrag von
2. Vormundscha srechnung von 1870/71.
3. Das Essgut
4. Die Weiderechte der Saltnusser Bauern

Literatur, Quellen, Bildnachweis.

Die Ini atorin des Buches

Dank..

Verö entlichungen des Autors

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Historischer Mappenauszug von Saltnuss

Franzisko-Josephinische Landvermessung 1858

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

„ Wir Menschen leben in der Gegenwart, in Dimensionen von Raum und Zeit - doch wir bleiben ihr nicht verha et, weil wir auf Zukun hin angelegt sind.

Auf dem Fundus von Kenntnissen und Erfahrungen aus der Vergangenheit werden Erwartungen und Zukun sperspek ven genährt, die dem Willen Antriebskra verleihen. “

Frei nach Go hard Niebert

Mit dieser Schri soll ein Zeichen gegen das Vergessen der eigenen geschichtlichen Wurzeln gesetzt und eine Lanze für den intergenera onellen Dialog gebrochen werden. Früher wurde das historische Bewusstsein der Menschen in jenen Familien geweckt, in denen die Kinder mit den Eltern und dem verwandtscha lichen Anhang aufwuch- sen. Es wurde über die ‚Welt von gestern‘ gesprochen, wie Groß- und Urgroßeltern gelebt haben, und es wurden Anekdoten erzählt, die auf die Einbildungskra der heran- wachsenden Kinder stark eingewirkt haben.

Die Erzählkultur sollte also auch heute wieder in unseren Familien verstärkt und intensiviert werden. Das Buch möchte auch dazu beitragen, das Gefühl von Heimat wach zu halten, es zu bewahren und zu stärken. Wenn wir uns darum bemühen, die bäuerliche Kulturlandscha genauer kennenzulernen, dann werden wir sie auch schätzen und erhalten wollen.

Die Bauern auf dem Saltnusser Hof, um die es sich in die- sem Buch hauptsächlich handelt, lebten an der Grenze der Lebensmöglichkeiten. In einem äußerst steilen Gelän- de, wo sie im Sommer durch Steinschlag und im Winter durch Lawinenabgänge ständigen Gefahren ausgesetzt waren, haben sie vor über 300 Jahren Wohn- und Wirt- scha sgebäude errichtet, die heute noch erhalten sind und von ihren Nachkommen bewohnt werden.

Im ersten Kapitel des Buches wird der Leser vom Autor dieses Beitrags, Dr. Helmuth Moser, in die Welt von Hin- terpasseier hineingeführt, wobei wich ge geographische und naturhistorische Kenntnisse vermi elt sowie lokalge- schichtliche Ereignisse über Rabenstein geschildert wer- den. Dabei wird auch der aus dieser Gegend stammende Wissenscha ler und Gelehrte Joseph Ennemoser kurz vorgestellt.

Im zweiten bis einschließlich fün en Kapitel geht es um die Hof- und Familiengeschichte der Saltnusser Bauern. Im Einzelnen werden die Namenserklärung und die erste historische Beurkundung von Saltnuss mit dem zumin- dest für das Passeiertal außergewöhnlichen Grundherrn sowie die in den Notariatsimbreviaturen dokumen erte erste Ho eilung behandelt. Anschließend werden die Fa- milien angeführt, die vom Jahre 1600 bis heute auf dem Hof lebten:

Familie Gu er von 1600 bis 1765

Familie Lanthaler von 1765 bis 1942

Familie Gu er von 1942 bis 1998

Familie Auer von 1998 bis heute

Im sechsten Kapitel (Anhang) werden kultur- und wirt- scha sgeschichtliche Probleme näher beleuchtet. Durch die Verknüpfung derselben mit sozialen Themen kann der Erkenntniswert der Geschichte noch weiter gesteigert werden.

Der erste Abschni demonstriert eindrucksvoll, welcher gewal gen Herausforderung sich eine Frau vor 300 Jah- ren zu stellen wagte und sich auch durchsetzte. Die Vormundscha srechnung von 1870/71 liefert im zweiten Abschni aufschlussreiche Kenntnisse über das Wirtscha sgebaren eines Bergbauernhofes vor 140 Jah- ren.

Weiters folgen noch Hinweise zum sog. Essgut, das spätestens seit dem 16. Jahrhundert in den Saltnuss Hof inkorporiert und bis zur Mi e des 20. Jhs. auf die damaligen drei Höfe in Saltnuss aufgeteilt war.

Im letzten Abschni geht es um die o mals umkämp en Weiderechte der Saltnusser Bauern auf der Schneeberger Alm.

I. Höher gehen - Welt im Hinterpasseier

Kra - Verbundenheit. In den Seebertal-Erinnerungen des Josef Ennemoser erwacht das tragende und erheben- de Gemüt der Berglandscha im hintersten Passeiertal. „... die in allen Linien durchziehenden Steige und Wege, die in den Talmündungen einschlängenden Bäche, von hohen Ufern des Urgebirges eingedämmt, von dem sie hier in den weiten Becken, dort durch enge Felsenschluch- ten in efe Abgründe herabströmen, um dann wieder im langsamen Lauf s ll weiter zu ießen, nachdem sie mit schäumendem Gezische und brausendem Toben sich ver- einigt haben; hier der blumenreiche mit aroma schen Dü en geschwängerte Vordergrund eines grünen Wie- senteppichs, der hier plötzlich zu einer Einsamkeit von Wald oder Felsenwänden, dort auf die Höhe anmu ger Hügel führt, ...“.

Das menschlich Wenige von Rabenstein, Saltnuss, Hü , Illmach, Bichl und Schönau rückt hier dichter aneinander und entlässt das Einzelne blitzblank und stolz, aber fast menschenscheu und geduckt. Das steile Bergrelief und die Schwerkra lassen die Hänge mäch g in die Tiefe wandern und das viele Wasser der Haupt- und Nebentä- ler kerbt sich krä ige V-Täler in die Landscha . Allgegen- wär ge, kniende und wandernde Scha en, Lawinenstri- che, die dünne Lu , die zufälligen Hangver achungen, Steinbuckel wie rastende Höckerschwäne und die mit Hangschu verfüllten Felsenstufen formen die Höfe- und Häusergemeinscha en des Talschlusses. Wäre nicht der Motorenlärm am Serpen nenasphalt der Timmelsjochstraße, würde meist die breite Ruhe und die Gelassenheit des Hochgebirges das Raumergreifende sein.

Tre und Ausgang - eine Hochgebirgslandscha . Die Ortscha Moos im Hinterpasseier liegt auf 1.007 Me- ter Meereshöhe. 1846 noch „ein Dorf von acht Häusern und 88 Einwohnern“ (J. J. Sta er), heute ansprechend und lebendig. In ihrem Gemeindewappen stehen drei weiße Berge auf blauem und grünem Hintergrund. Im alten chinesischen Zeichen „Shanshui“ stehen ebenfalls drei Bergrücken für den Begri „Landscha “. Die Dörfer Rabenstein, Pla , Pfelders und Stuls untergliedern das 19.458 Hektar große Gemeindegebiet Moos. Am Eingang der Rabensteiner Talschlucht sitzt das „Bunker Moose- um“. Es wurde am 7. April 2010 erö net und beschreibt in seinem Stollen-Innenleben eine Zeitreise „Von der Eiszeit in die Zukun “. Genauer beleuchtet werden die Entste- hung der Landscha , einige archäologische Fundstücke aus dem seit 10.000 Jahren begangenen Hinterpasseier und die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Eine Wendel- treppe im Museum führt zur Gefechtsebene. Italienische Truppen sollten eine Invasion des verbündeten Nazi- Deutschland über das Timmelsjoch verhindern.

Höher gehen - mit dem Auge. Im Blickfeld breiten sich das Eiszeitplateau von Ulfas im Süden und die Serpennen und Tunnels der Staatsstraße SS 44 mit den Granat- kuben des Architekten Werner Tscholl gegen Norden aus. Im Kolorit der Landscha begleiten die abstrakten aber informa ven Betonskulpturen die kurvenreiche Route ins Ötztal.

Die Landscha , hier eine Hochgebirgslandscha , ist im- mer ein Abbild von Natur und Kultur, sie ist geprägt von der Entwicklung und verbunden mit menschlichen Interpreta onen und Bewertungen. Mehr mit Gefühlen durchsetzt ist ein Land in den Herzen von Wanderern und Künstlern, stärker von Re exionen und Kogni vem geprägt bei Wis- senscha lern, pragma sch und entbehrungsreich prä- sent in den Seelen der Bewohner. Viele Ideen, Bilder und Metaphern bevölkern den Landscha sraum. Eine Umge- bung kann zur Landscha werden, wenn man sie bewusst wahrnimmt. Die Betrachtung eines Gebietes kann länger verweilen am Tal, am Fluss, an den Bergmassiven oder am Himmel, je nach dem Blickwinkel des Malers, Geografen oder Bauern.

Felszeichen - die Eiszei eilen. Wesentlich geformt und gezeichnet ist das Gebirgsbild des Hinterpasseier durch die Auswirkungen der Eiszeit und die wilden „Wasser“ der Passer und ihrer Seitenbäche. Über diesem Gebiet lag, mit Unterbrechungen, über einen Zeitraum von 1,5 Mil- lionen Jahren eine übermäch ge plas sche Eisdecke. Bis vor 10.000 Jahren ragten nur die Berggipfel über 2.500 Meter aus dem Eisstromnetz hervor. Diese wandernden Eisfelder hobelten Wannen- und Trogformen ins Haupt tal und in die Nebentäler von Pfelders, ins Seeber Tal so- wie in den Timmels- und Schneeberger-Raum. Die „Hin- terbliebenen“ der Eiszeit sind Findlinge, Bergseen, Kare, Gletscherschli e und Gletschermühlen, wie die im „Glet- schergarten“ bei Magfeld in Pla und in Moos. Im „Wirts Moos“, nahe der Mooser Pfarrkirche, misst ein Strudel- loch 10,50 m im Durchmesser mit einer Tiefe von 5 bis 6 Metern. Archäologisch untersucht wurde die kleine Glet- schermühle auf dem Felssporn am „Bunker Mooseum“. In einem Meter Tiefe kamen in ihrer Verfüllung die Über- reste einer Feuerstelle ans Tageslicht. Die C-14-Da erung der Holzkohle ergab ein jungsteinzeitliches Alter zwischen 4.470 und 4.320 Jahren v. Chr. Mehrere steinzeitliche Re- likte belegen die frühe Begegnung des Menschen mit dem Hinterpasseier. Die älteste Pfeilspitze stammt vom „Stul- ler Mut“ auf der 2.171 Meter hohen Sonnenseite. Das an der Basis konkave Geschoss aus Feuerstein rechnet sich der oberitalienischen „Vasi a Bocca Quadrata“- Kultur aus der ersten Häl e des 5. Jahrtausends v. Chr. zu. Eine gro- ße und breite Pfeilspitze vom Seebersee stammt aus dem späten Mesolithikum. Den jüngsten Pfeilspitzen-Fund aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. entdeckte man am „Un- teren Krumpwasser“ auf der Timmelsalm (2.226 Meter) wobei einige Da erungen eine mehrfache „Besiedelung“ des „Krumpwassers“ seit dem späten Mesolithikum (frü- hes 6. Jahrtausend v. Chr.) beweisen. Bedingt durch die Übersichtlichkeit des Geländes und durch die besonde- re Bodenbescha enheit überwiegen in Höhen zwischen 1.900 und 2.500 Metern mi elsteinzeitliche Fundstellen.

Die Grabungstä gkeiten in den Jahren 2003 bis 2006 im hinteren Passeiertal erbrachten 23 archäologische Area- le. Sie belegen eine Kon nuität in der Nutzung der Alm- regionen zwischen 1.800 und 2.500 Metern Meereshöhe in einer Zeitspanne, die sich vom Mesolithikum bis in die Neuzeit erstreckt. Aufgrund des güns geren Klimas lag die Waldgrenze einige hundert Meter höher als heute, sodass sich die meisten Rast- und Lagerplätze im ehema- ligen Hochwald befanden.

Tiefer gehen - Hinterpasseier. „Im Hinterpasseier n- det der Wanderer Großar ges und Liebliches in buntem Wechsel“ schreibt I. V. Zingerle im Jahr 1864. Das Was- ser der Passer hat ohrenbetäubend am Abhang des in die Paragneise getriebenen „Bunker Mooseums“ und am Steinbockgehege eine gewal ge Schlucht in die Steilstu- fe des Ötztal-Stubai-Altkristallin gesägt. „Gleich hinter Moos rücken auf dieser Bergfahrt die beiden Flügel des Thales enger zusammen mit steilfallenden Wänden“ be- merkt Beda Weber. Entstanden ist die Engstelle nach der letzten Eiszeit im Verlauf der Jahrtausende. Vom Bach mitgeführtes Geröll und Sand scheuern beständig am Un- tergrund und legen das Bachbe efer. Härtere Gesteine wie Gneise und Tiefengesteine werden weniger schnell abgetragen und bilden Schwellen während die weicheren Glimmerschiefer klammar g ausgespült werden können und durch Steilrinnen gekennzeichnet sind. Der Lauf der Passer überwindet laut und klä end, vom Austri aus der Gletscherzunge des Botzerferners auf ca. 3.000 Me- ter bis hin nach Moos, einen Höhenunterschied von mehr als 2.000 Metern. Der wässrige Aderlass aus dem Hinter- passeier misst 15 Kilometer. Etliche Brücken überquerten früher den Passerlauf von Moos nach Rabenstein, nur vier überlebten den Wildbach. Die Passer trennt im Passeier Tal nicht nur das Ötztal-Kristallin vom Stubai-Kristallin ab, sondern markierte einst auch die Diözesangrenze von Chur (nordwestlich) und Trient (südöstlich).

Mit Wassern gewaschen - E5. Die Namen Passeier, frü- her Passir, Passeyr, Passeyer oder Passer, leiten sich wahr- scheinlich von einer rätoromanischen Besiedelung ab. Die ladinische Ortsbezeichnung „pra de sura“ weist auf eine „oben gelegene Wiese“ hin. Grauerlenbestände säumen bachbegleitend den Europa-Wanderweg E5 nach Raben- stein. Vielfach gedeihen Grauerlenreihen als Zeigerp an- zen für labile Lockerschu massen und für erosionträch - ge Hänge und Murstriche. Großkrau ger Unterwuchs von Alpendost, Weidenröschen, Milchla ch, Farn und Meis- terwurz bescha en den feuchten und sandigen Boden. Sein weißes und silberglänzendes Bröselwerk deutet auf Kalkgestein und Hellglimmer-Mineralien hin.

Steingut - Kleine Alpengeologie. Geologisch dominiert wird das Passeier Tal südlich der Linie Lazins - Weißspit- ze - Hahnebaum - Hohe Kreuzspitze vom ostalpinen Alt- kristallin. Nordöstlich davon schließen sich nahtlos die marmorreiche Laaser Serie und die buntgemischten Ge- steine des Schneebergerzuges an. Gegen das Timmelsjoch hin, an der Linie Königskogel - Scheibkopf - Schönauer Alm - Ridnaun tauchen erneut die Massen des Altkristal- lin auf. Als Teil des ostalpinen Deckensystems wurde das Ötztal-Stubai-Altkristallin während der alpidischen Ge- birgsbildung über die geologischen Einheiten des ehema- ligen penninischen Ozeanbodens geschoben. Es stellt ein Grundgebirge dar, dessen Gestein mehrere Umwandlun- gen erfahren hat. Seine ältesten Gesteine ergaben, ge- messen an Zirkonen in Paragneisen, das hohe Bildungs- alter von mehr als 1,5 Milliarden Jahren. Als „zähe Bur- schen“ überleben Zirkon-Minerale selbst eine teilweise oder völlige Aufschmelzung eines Gesteins. Mindestens dreimal wurde das sandig-tonige Ausgangsmaterial me- tamorph gestresst. Eine prävarizische Umwandlung (Erd- altertum) ist noch in dem so genannten Winnebach-Mig- ma t des Ötztales nachzuweisen. Vor 430 bis 450 Millio- nen Jahren herrschten in diesem Gestein Temperaturen zwischen 660 bis 685 Grad Celsius und ein Druck von über 4 Kilobar. Während der variszischen Metamorphose, vor 330 bis 350 Millionen Jahren, erreichte der Druck in den Eklogit-Gesteinen 27 Kilobar und Temperaturen von 730 Grad Celsius. Schwächer war die Metamorphosephase während der Alpen-Bildung. Temperaturen von etwa 600 Grad Celsius und Druck von 5 bis 6 Kilobar herrschten in der Fazies des Schneeberger-Komplexes und führten zur Bildung von typischen Mineralgesellscha en wie Granat, Bio t, Muskowit, Plagioklas, Quarz, Paragonit, Staurolith und Disthen. Das Gebiet um den Granatkogel und um das Rauh Joch, am Ende des Seeber Tales, gilt als eines der reichsten Vorkommen des Granatminerals Almandin in den Ostalpen. Die eins ge Bergbautä gkeit der Kupfer-, Blei- und Zink-Erze wird von der äußeren Seeber Alm, am Nordosthang des Königskogels erwähnt. Aufgelassen wurde es „… größtentheils aus Holzmangel zur Verarbei- tung des Erzes, obgleich es noch im Jahre 1720 einen neu- en Aufschwung genommen ha e.“ weiß Beda Weber zu berichten.

Die Laaser Serie prunkt mit mäch gen weißen Marmor- zügen von zuckerkörniger Struktur. Der Schneeberger- zug, muldenha in das Altkristallin eingebe et, kleidet sich in lichten Marmorbändern, dunklen Amphiboliten, braunschwarzen Hornblendeschiefern und glitzernden Quarziten. In seinem Gesteinskörper nisten an die 70 ver- schiedene Mineralarten, angefangen vom Bergkristall, über Turmalin, Ru l, Disthen, Granat, Bergleder u. a.. Die Abkühlung der Ötztal-Stubai-Altkristallin-Masse startete zeitgleich mit der frühen Alpenbildung vor etwa 90 bis 100 Millionen Jahren und fand sein Ende vor ca. 30 Millionen Jahren. Und noch immer heben sich die Zentralbereiche der Ötztal-Masse in Dimensionen um 1 bis 2 Millimeter pro Jahr. Viel Erdenergie bedur e es, um Meeresablage- rungen, Schelfsockel und Kleinkon nente aus dem Äqua- torbereich bis in unseren 40. Breitengrad zu verlagern und zu dem heu gen Alpenbogen emporzuheben.

Farbe im Mineralreich - Granate. Wie Rosinen im Kuchen stecken in den Glimmerschiefern des Ötztal-Stubai-Kris- tallin unzählige Almandine. Grobschuppige Muskowit-Mi nerale (Hellglimmer) um ießen linsenförmig diese einge- lagerten Schwerminerale. Manche dieser Granatporphy- roblasten erreichen mehrere Zen meter Durchmesser. Im Gelände nden sich meist nur dunkel angewi erte Kris- tall ächen. Erst im frischen Bruch und geschli enönen sie ihre Erznatur im dunklen, rotbraunen Mantel. Es ist das Metallische, was uns als intensive Farbigkeit in die- sem Mineralkleid entgegentri . „Schwere“ Metalle sind an und für sich lichtundurchlässig, jedoch verdünnt mit „leichteren“ Elementen hellen sie sich auf. Der op sche Brechungsindex des Almandins liegt bei 1,83 der des Eises bei 1,31. Je höher der Wert des Brechungsindexes, desto stärker strahlen gla e Kristall ächen und desto dichter ist

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Silberfarbe gekleidet - Granatglimmerschiefer

sein Kristallkörper. Granat besitzt eine Dichte von 4,5, Eis nur von 0,9. Granat ist nicht gleich Granat und bezeichnet eine ganze Mineralgruppe. In der Geologie sind Granate brauchbare Geothermo- und Barometer und sind Indizes für eine mi elgradige Metamorphose ihrer Umgebung. Unter erschwerten Metamorphose-Bedingungen beweisen Granate ihre „Durchsetzungskra “ und können auch fremde Minerale in sich einschließen.

Gefährliche Schwerkra - Muren, Bergstürze und ef- gründige Massenbewegungen stellen und stellten ent- lang des hinteren Passeier Tales gefährliche Geschiebe- herde dar. Von den Bergsackungen sind besonders die Hahnebaum-Mure hinter Moos an der Staatsstraße und die Seehofer Bergsturzmasse vor Rabenstein die meist gefürchteten. In den Jahren 1951 und 1962 gab es Versa- ckungen der Straße bei Hahnebaum; im Jahr 2000 rutsch- te das Gelände in 18 Tagen sogar um 3 Meter ab, sodass die Straße gesperrt werden musste. Südlich von Raben- stein ha e sich im Stau einer Endmoräne der letzten Eis- zeit ein See gebildet. 1401 verriegelte einer der berüch gtsten Bergstürze in den Zentralalpen, vom Gspeller Berg kommend, das Tal und zerstörte die Höfe „Ahornach“ und „Wiselehen“. Die aufgestauten Wassermassen bildeten den Passeirer-See oder Passeirer-Wildsee, welcher von 1401 bis zu seiner endgül gen Entleerung (innerhalb von 12 Stunden) im Jahre 1774 bestand. Der ca. 2 Kilometer lange und 400 Meter breite See erreichte eine Tiefe von 40 Metern und eine Fläche von 60 Hektar. Schätzungswei- se fasste der später in Kummersee umgetau e Stausee 16 Millionen Kubikmeter Wasser. Etwas oberhalb des heute halb verfallenen Seehofes ließen sich noch um 1900 Pe- gelmarken nden und mehrere Pfähle mit Eisenringen, an

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einst in wässrigblau - Grund des Kummersees

denen die Kähne der Fischer befes gt waren. Verschiede- ne Chroniken verzeichnen acht verheerende Ausbrüche, bei denen das gesamte Tal und die Stadt Meran schwer mitgenommen wurden. Sie beschreiben auch die Bemü- hungen der Talbewohner Siedlungen zu schützen und weitere Ausbrüche zu verhindern. In den „Annales mai- enses“ von 1419 wird auch Posi ves von den Wasser uten berichtet: „MCCCCXIX: Unum infantem ferunt in cunis feli custodiente Bauzanum usque delatum salvatumque esse“, was frei übersetzt lautet: „Ein Kleinkind wird von Meran nach Bozen in einer Wiege, zusammen mit einer Katze, die das Kind bewachte, geschwemmt und dort ge- re et“.

Ein Rundweg um den ehemaligen Kummersee in Rabenstein verbindet heute mit acht Rast- und Informa onsstaonen das Wandererlebnis mit spannender Geschichte. Das eins ge Seebecken, auf 1.340 Meter Meereshöhe gelegen, lässt sich, bei ca. 150 Meter Höhenunterschied, in etwa zweieinhalb Stunden umrunden.

Hut ab - Einkehr in der neugo schen Kirche von Raben- stein. 1774 noch nicht auf dem heu gen Platz am Rund- höcker erbaut, wurde das Bauwerk bereits 1888 durch eine Lawine zerstört und 1889 wiedererrichtet. Die Lahn kam von den Rabensteiner Madern an der Ostseite des Tales. Aus Grabkreuzen, Sterbebüchern und den Erzählun- gen der Einwohner erhält man manchen Hinweis über die Gewalt der Natur in diesem Talabschni . Rabenstein ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine der Lawinen gefähr- detsten Siedlungen Tirols. Der Reiseschri steller H. Noë sprach von einem „Lanental“ und J. J. Sta er bemerkt 1846: „Im ganzen Hinterseetal hält man drei einzige Häu- ser für gefahrenfrei, und diese sind: der Hof Kaserbühel, das Weißhaus zu Illmach und die Wohnung des Seelsor- gers. Selbst das Go eshaus ist nicht ganz sicher gestellt. Schon einmal stürmte die Rabensteinlawine auf dasselbe los, sprengte die Tür ein und drang bis zum Hochaltar vor“. Eine große Lahn schoss am 10. April 1975 um 17 Uhr auf Unterrabenstein zu und riss den Stadel beim Fröhlichbau- er teilweise weg. Durch die wiederkehrende Bedrohung wurden in der Pfarre Rabenstein eigene Schneeämter mit der Bi e um Verschonung vor solcher Gefahr gelobt. Am Locherhof in Oberrabenstein, in einer Mulde, wurde eine geschützte Hü e, das sogenannte „Lahnhäusl“ errichtet, in das man sich bei Gefahr üchten kann. Zwischen 1916 und 1954 starben durch den „Weißen Tod“ in Rabenstein 18 Menschen.

An der nordöstlichen Einmündung des Schneebergerta- les weitet sich das anfänglich enge Tal und scha t Raum für die Ortsteile Rabenstein, Saltnuss (1.825 m) und Hü (1.594 m). Der Ort Rabenstein liegt auf 1.433 Meter See

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Menschenwurzeln am Talboden - Rabenstein

höhe. Der Name Rabenstein ist rela v jung. Noch vor ca. 120 Jahren war dafür die Bezeichnung „Hintersee“ ge- bräuchlich, benannt nach dem berüch gten Kummersee.

Wachsen in den Himmel - Hochgebirge. Als geomor- phologische Großform zeigt sich ein Hochgebirge häu g als Ke engebirge, wie die Alpen, mit großen Falten- und Deckenstrukturen. Wesentliche Merkmale dieses geogra- schen Raumes sind außer den Steilformen, eine hohe Re- liefenergie und eine ausgeprägte geoökologische Ver kal- gliederung. Die Physiognomie wird vom Nebeneinander der Hochgebirgsgruppen und der Talräume geprägt. Pass- übergänge, Beckenlandscha en und Gebirgskämme sind weitere Indizien für Hochgebirge. Von Menschen werden Gebirgssysteme mit Namen belehnt: Alpen, Appenin, Hi- malaya, Kaukasus oder Anden. Die Alpen sind das Ergebnis und die Nahtstelle einer Kollision der afrikanischen mit der europäischen Pla e, mit Beginn der Kollisionsbewegung vor ca. 100 Millionen Jahren. Im Verlaufe dieses Szenarios wurde der Meeresboden des dazwischen liegenden Te- thys-Meeres wie eine Eisscholle unter den Schel ereich der nordafrikanischen Apuliapla e geschoben, später in Falten gelegt, von Gesteinsdecken überfahren und auf den europäischen Kon nentalrand gedrängt. Dicker und wär- mer geworden, wuchs der Kollisionsgürtel in die Höhe. Wind, Wasser und Eis zerfurchten zugleich seine Ober ä- che und verfrachteten die Abtragung in das Vorland.

Die wirkliche Entdeckung der Alpen spielte sich erst wäh- rend des 18. Jahrhunderts ab, trotz einzelner Zeugnisse für deren Interesse im 14. und 16. Jahrhundert (Petrarca, Gesner, Simler). Es waren die europäischen Eliten, welche das Bild des Hochgebirges aus dem Dornröschenschlaf holten. In den Sa ren der Renaissance rangieren die Bergbewohner noch hinter den Bauern. Wirkliche Wen- depunkte brachten erst die Au lärung, eine roman sche Lebensbetrachtung, die Industrialisierung mit Schmutz und Lärm und die Ausweitung des Eisenbahnnetzes bis zu den Alpen. Das Hochgebirge mit seiner reinen Lu , sei- nem Frieden und seiner Ruhe wurde zu einer Stä e der Katharsis und der Sehnsucht.

Reich der Schönheit - Naturpark Texelgruppe. Mit seinen 33.430 Hektar ist dieser Naturpark der größte Süd rols, zu dem auch die Gemeinden Moos und St. Mar n in Passei- er, Ri an, Tirol, Algund, Partschins, Naturns und Schnals gehören. Den nördlichen Abschni des Naturparks bildet das Seeber Tal und das Timmelstal. Gesegnet mit Natur- schönheiten und Gegensätzlichkeiten, leben im Parkge- biet submediterrane Vegeta on (Flaumeiche, Manna- esche, Kastanie, Weißdorn) und hochalpine Flora in guter Nachbarscha zusammen. Im trockenen Westen sonnen sich Lärchenwälder, der niederschlagsreiche Osten und der Norden bergen dunkle Nadelwälder mit seinen ty- pischen Nadelwaldbewohnern: Dazu zählen die Tannen- meise, der Fichtenkreuzschnabel, das Goldhähnchen, die Haselhühner, der Schwarzspecht, das Birkwild und der Auerhahn. Während sich die Niederschlagsmengen im Vinschgau und im Schnalstal bei 500 bis 600 Millimeter bewegen, speisen die Südströmungen das Passeiertal mit Werten von 1.000 bis 1.400 Millimeter Niederschlag pro Jahr. Im Bereich des Lodners und der Hohen Weiße leuch- ten helle Kalke mit der Pracht einer reichen Blumenwelt. Ärmer hingegen erweist sich die Flora auf den sauren Böden der Schiefergesteine, der Gneise und Amphiboli- te. Im nordwestlichen Abschni der Texelgruppe zeigen mehr als ein Dutzend Dreitausender in den Himmel. Der Hoch rst, der Granatkogel und der Königskogel ankieren mit ihren hochkan gen Scha enrissen das Seeber Tal und tauchen es ins Überhelle. Nicht weniger als dreißig Seen schimmern im Naturpark und stauen wich ges Nass in ihren Mulden. Findlinge, Rundbuckel, Schli rücken und Kare spiegeln die Tä gkeiten des eins gen Eises. Die ge- genwär ge Vergletscherung beschränkt sich auf den Ötz- taler Hauptkamm, die Texel-Lodner-Gruppe und auf die Abdachung des Seeber Tales.

Grenzgänger - extromophile Organismen. Das Leben im Hochgebirge verlangt einen hohen Grad an Anpas- sungsvermögen: Anpassung an niedrige Temperaturen, an extreme Trockenheit, an häu gen Frostwechsel und an unterschiedliche Schneelagen, an hohe Ein- und Aus- strahlung und an große Windgeschwindigkeiten. An ei- nem Tag können im Hochgebirge alle Jahreszeiten auf- treten. Die hauptsächlich von Nordwest und vom Mi el- meer herangeführten feuchten Lu massen werden vom Alpenkamm gezwungen, aufzusteigen. Dabei kühlen sie sich ab und müssen Niederschläge entlassen. Spitzen reiter und Pioniere für Extremsitua onen sind Flechten, Moose, Pilze, Cyanobakterien und Algen. Sie besetzen auch die oberste nivale Stufe über 3.400 Meter Seehö- he. Die Entstehung der heu gen Hochgebirgs ora und -Fauna ist ein über Millionen Jahre dauernder Prozess der Anpassung. Erhöhte Stressbelastung bedeutet nicht notwendigerweise eine Katastrophe. Vielmehr stellt sie ein „Anpassungstraining“ für Auslese und Stabilisierung dar. In der subalpinen Stufe der Ostalpen (1.600 bis 2.400 Meter) setzten sich Lärchen-, Fichten- und Zirbenkiefer- Bestände durch. In der mi leren und oberen alpinen Stufe sind Weiderasen, Gämsheide-Spaliere, Alpenro- sen-Bärenheide-Fluren und Krummseggen-Flächen ver- breitet. Die nivale Stufe, ab 3.000 Meter Meereshöhe, nehmen Moosböden, Rasenfragmente, Polsterseggen und Steinbrech, Gletscherhahnenfuß, Polstermiere und Silberwurz ein.

Ein früher Goetheanist - Josef Ennemoser. Zwei Jah- re nach der französischen Revolu on und 13 Jahre nach dem letzten Ausbruch des Kummersees erblickte am 15. November 1787 Josef Ennemoser auf dem Egghof in Schönau das Licht der Welt. Der Egghof, von mi elalterli- cher Abstammung, ndet seine früheste Erwähnung 1349 zusammen mit dem Hof Hahnebaum: „... quarum una vo- catur Hainepaum et altera vacatur zu Ekke“ (A. Brandis). Der Name Schönau leitet sich nicht etwa von einer schö- nen Aue ab, sondern bezeichnet die „Au der Schenner“, also der Bewohner von Schenna bei Meran. Bei der Geburt Ennemosers lag der Egghof nicht weltabgeschieden im hintersten Passeier Tal. Vor seinem Elternhaus verlief der Saumpfad über das Timmelsjoch in das Ötztal. Weiter

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Seiner Größe eingedenk - Erinnerungsmal für Josef Ennemoser

hinten zweigte auch der Weg zum Schneeberger Berg- werk ab. Der Egghof wurde im Dezember 1916 von einer Lawine zerstört, jedoch etwas weiter südlich wieder auf- gebaut.

Als lernbegieriger und ausgezeichneter Schüler fand der arme Bauernbub Ennemoser immer wieder Förde- rer, sodass er das Gymnasium in Meran besuchen und ein Medizinstudium in Innsbruck frequen eren konnte. In den Tiroler Freiheitskriegen 1809 nahm Ennemoser als Geheimschreiber von Andreas Hofer und als O zier der Passeier Schützenkompanie teil. Nach den Freiheits- kämpfen studierte er in Berlin Medizin und Philosophie. Als Arzt machte er sich mi els Magne sierung (Mesmerismus) und Hypnose einen Namen. Er beschä igte sich mit landwirtscha lichen Fragen und mit der Herstellung von P anzenschutzmi eln. Ab 1819 lehrte er an der Uni- versität Bonn. Nach 1837 war er als Arzt in Innsbruck täg, zog aber bald nach München. Er starb 1854 auf sei- nem Landsitz am Tegernsee. Seine letzte Ruhe fand er im Ortsfriedhof von Ro ach-Egern. Sein kaum bekanntes Werk im deutschsprachigen Raum umfasst mehr als zwei Dutzend Bücher und Verö entlichungen, verfasst in deut- scher, italienischer und englischer Sprache. Zu seinem 200. Geburtstag enthüllte das Schützenbataillon Passeier in der Nähe seines Geburtshauses in Schönau einen Ge- denkstein. Eine Gasse in Wien und Straßen in München und Bonn sind nach ihm benannt.

Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, erwähnte Ennemoser mehrmals in seinen Vorträgen in Zusammenhang mit dem „verglimmenden alten mi eleuropäischen Geistesleben“. Für Steiner war er eine Art „Erleuchteter“, der den „esoterischen Wahrheitsstrom der Menschheit“ weiterleitete.

Ende einer Talfahrt - Timmelsjoch. Das Timmelsjoch stellt den efsten unvergletscherten Passübergang zwi- schen Reschen- und Brennerpass am Alpenhauptkamm dar. Urkundlich wurde das „Tymelsjoch“ erstmals 1241 in einem Brief der Grafen von Eschenlohe aus Oberbay- ern erwähnt. Die Bezeichnung „Timmel“ wird auf das rä- toromanische „tömbl“ zurückgeführt, was einen kleinen Hügel bezeichnet (lat. tumulus: Grabhügel). 1320 legte man einen Saumpfad an. Der vor allem für den hoch- und spätmi elalterlichen Warenaustausch (Wein, Salz, Vieh, Flachs, usw.) wich ge Übergang war auch von großer so- zialer, kultureller, poli scher und religiöser Bedeutung für das Passeier Tal und für das Ötztal. Mühevolle Märsche wurden in Kauf genommen. „Der Passeirer geht und trägt, aber er fährt nicht“ führt Beda Weber in seinem Werk „Das Thal Passeier und seine Bewohner“ an. Es ergeht aber auch 1813 eine Anfrage und Beschwerde an den „Hochlöblichen Curat zu Lengenfeld“, „Ob das Einbringen des Etschbrandweines nothwendig und mit welchen An- sichten allenfalls für die Bewohner des Oetzthales zuträg- lich sei, …“. Da die trockenen Weiden auf der Alpensüd- seite zu wenig Fu er abgaben, trieben seit jeher Hirten ihre Schafe über das Timmelsjoch in das wasserreichere hintere Ötztal. Die Schaf-Transhumanz überdauerte sogar zwei Weltkriege und die Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg. Mit Kraxen voller Waren machten sich auch Schmuggler auf den zehnstündigen, gefährlichen Nacht- marsch über das Joch, um ihr karges Brot aufzubessern. Der Bau einer Straße ließ lange auf sich warten. Am 30. Oktober 1955 erfolgte der Spatens ch für die tradi - onsreiche Nord-Süd-Verbindung, der Timmelsjoch-Hoch- alpenstraße. In mühevoller Handarbeit, mit Pickel, Schaufel und Schubkarre, errichteten Arbeiter den Grund- und Oberbau der Straße. Erst am 15. September 1968 wurde der Übergang für den Verkehr freigegeben.

Dr. Helmuth Moser

II. Die frühen historischen Aufzeichnungen von Saltnuss im Spätmi elalter

Die Siedlung Saltnuss im hintersten Passeiertal liegt rund 1 km hinter Rabenstein in der Gemeinde Moos auf 1.618 m Seehöhe rechter Seite des Schneebergbaches. Der Name Saltnuss,1 wie der Sprachwissenscha ler Cris- an Kollmann darlegt, ist sicher vorrömisch und hat ei- nen Ausgang - ussa gehabt, der mit Canossa < Canussa, Celadussae vergleichbar wäre sowie den vielen - ussa - Namen im heu gen griechischen Sprachraum. In vorrö- mischer Zeit könnte der Name Saltnuss „ Satanussa “ ge- lautet haben, woraus dann alpenromanisch „ Sadanossa “ und in der Folge „ Sadenusse “ geworden ist. Man kann ohne Weiteres annehmen, dass der Name sich auf ein Ge- wässer bezieht, wohl auf den ef ins Tal eingeschni enen Schneebergbach.

Im 13. Jh. hat es den Saltnusshof wohl noch nicht gegeben, ansonsten wäre er im Urbar Meinhards II. vom Jahre 1288 angeführt. Die Nennung der „curia in Sadnus“, also des Hofes in Sadnus (Saltnuss), erfolgte wenig später, nämlich i. J. 1327, als dem Kloster Maria Steinach in Algund die Grundherrscha über dieses Anwesen übertragen wurde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die zwei Saltnusshöfe: links Saltnusser, rechts verdeckt Veitngut

Es folgt nun die Wiedergabe des Textes der Privilegverleihung aus der Ferdinand. Zeitschri von 1899, übersetzt von Raimund Senoner.

König Heinrich von Böhmen verleiht dem Kloster Steinach drei Höfe ansta der von seinen Gemahlinnen Anna und Adelheid bes mmten Legate von 60 und 40 Mark. „ Zenoberg 1327 Juli 25. (Schenken wir den frommen Schwestern und dem St. Maria-Kloster der Dominikanerin- nen in Steinach bei Algund zwei Höfe in Latsch) ... ebenso den Hof in Sadnus, der jährlich 300 Käse zinst, ein halbes Schafschulterstück und ein Lamm, damit sie diese Höfe behalten und für immer friedlich und frei besitzen sollen, mit allen deren Zugehörigkeiten, mit Beanspruchtem und zu Beanspruchendem, so dass die genannten Höfe für diese Schwestern und das Kloster, wie sie von uns frei ge- schenkt worden sind, für immer von Steuern und anderen Diensten befreit seien, mit dem Vorbehalt jedoch für uns und unsere eigenen Erben und unsere Freien, die selbst auf dem Hof leben, die angehalten sein werden, uns alle Jahre aus dem Eigentum und der Freiheit ihrer Personen die geschuldete Willfährigkeit zu bieten. Zum Zeugnis da- für haben wir die vorliegende Urkunde, mit unserem hän- genden Siegel befes gt und bekräigt, ihnen ausfer gen lassen.

Verhandelt und gegeben auf Zenoberg im Jahr des Herrn 1327, am 25. Juli.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Teilansicht des Klosters Steinach in Algund

Im Jahre 1243 s ete die Grä n Adelheid von Tirol, Toch- ter des Grafen Albert, das Kloster Steinach und besetzte es 1258 mit Dominikanerinnen. Ihre Schwester Elisabeth, ihr Sohn Meinhard II. und Anna von Böhmen vermehr- ten die Schenkung. Das Kloster li sehr unter dem Bau- ernsturm von 1525 und wurde 1782 unter Josef II. aufge- hoben. Erst über ein halbes Jahrhundert später i. J. 1847 wurde es wieder mit Dominikanerinnen aus Lienz besetzt, die heute noch dort wirken.

Bis zum Jahre 1782 mussten die Saltnusser Bauern dem Kloster Steinach als ihrem ordentlichen Grundherrn Abgaben verrichten und Grundzins zahlen.

Weitere Zeugnisse über Saltnuss aus dem 14. Jh. be nden sich im Meraner Stadtarchiv, die sog. Notariatsimbreviaturen, welche von Raimund Senoner und Markus Gamper transkribiert und übersetzt worden sind.

a. Beim Notar Mar n von Sterzing (62): „ Konrad genannt Leiter, auf dem Hof genannt S chel am Fu ß e des Jau- fenpasses der Pfarre St. Leonhard, Passeier, ansässig, bekennt, von seinem Schwiegervater Alberto ex Sad- nuesse (Albert von Saltnuss) als Mitgi für seine Frau Maza 80 Mark Berner bekommen zu haben, die er für den Rückkauf seines als Erbe bes mmten Hofs vorge- sehen hat, und ihr zur Hochzeit 17 Mark Berner gege- ben zu haben. Mit diesen 97 Mark Berner soll sie, falls er sterben sollte, abgesichert sein. Meran, 1379 Juni 26. 2

Die meisten Zeugen stammen aus der Pfarre Schenna, wie Ulrich Roet, Johann Voltplatzer, Konrad Gaessler und Fritzo Schweinmuesser; sowie noch andere.

b. Beim Notar Heinrich Moser (22b): „ Freidank aus dem Aichach auf Simlan (Untertall) der Pfarre Schenna be- kennt, von Heinrich Brunner auf Prantach im Passeier 40 Pfund Denare erhalten zu haben, wofür er ihm eine Wiese genannt an der Hasenegge ... für 5 Jahre unterstellt. Meran, 1380 Februar 22. Mehrere Zeugen werden genannt ...

Im Monat danach gibt Katherina, die Frau des genannten Freidank, ihre volle Zus mmung zur genannten Unterstellung der Güter. Meran, 1380 März 10. Zeugen: Ulin, Schneider am Kornplatz, und Ruedegero de Saltnuss. ( Rüdiger von Saltnuss).

c. Beim Notar Johann von Schelklingen (176): Gesa, Ka-therina, Cristanus ( Chris an), Jana, Henslinus (Hens- lin), Kinder des verstorbenen Johannis von Sadnuzz (Johann von Saltnuss), bekennen, von den Brüdern Chris an und Jaeklin von Sadnus, Passeier, 9 Mark Ber- ner erhalten zu haben, wofür sie ihnen ein Dri el aus einem Hof ze Sadnusse, dessen Grundherrscha das Kloster in Steinach, Algund, ist, mit allen Rechten und Gerech gkeiten verkaufen. Meran, 1394 November 13. Es werden 4 Zeugen genannt.

Aus dieser Quelle geht eindeu g hervor, dass der Saltnusshof gegen Ende des 14. Jhs. bereits zum ersten Mal geteilt worden ist.

d. Beim selben Notar(87): Ulin von Hanebaum ... bekennt, von Heinrich Volquanter 11 eine halbe Mark Berner erhalten zu haben, wofür er ihm alle seine Rechte auf ein Viertel des Hofs am Schrembach in Langwiese zu Gomion in St. Leonhard ... verkau . Meran, 1396 Mai 15. Neben anderen Zeugen werden der Schneider Leonhard von Hü und Heinrich von Hü ex Sadnuz (aus Saltnuss) genannt.

Ab dem 16. Jh. scheint in allen Urkunden der heute verwendete Name Saltnuss auf. Im Urbar von 1562 steht Fabian von Saltnus.

Da die Verfachbücher des Gerichts Passeier aus der 2. Häl e des 16. bis einschließlich der ersten Häl e des 17. Jahrhunderts wegen Restaurierungsarbeiten für meh- rere Monate nicht eingesehen werden können, müssen wir uns dem 17. Jh. zuwenden, wo natürlich auch die Fa- miliengeschichte in die Darstellung wesentlich mit ein ie- ßen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ansicht vom Saltnuss Hof vor der Restaurierung in den 1950er Jahren. Auf dem ehem. Larchacker, im Bild vorne, steht heute der neue Stadel und Stall.

III. Saltnuss wird um 1600 Heimat der Familie Gu er

Das Anwesen auf Saltnuss mit den vielen Äckern, Wiesen, den ausgedehnten Weide ächen, Wäldern und Bergmäh- dern wurde gegen Ende des 14. Jhs. geteilt, bis es um 1600 in den Besitz der Familie Gu er gelangte und durch den Zuerwerb des sog. Essgutes bedeutend vergrößert wurde.

Aus mehreren Verfachbüchern des Gerichts Passeier geht hervor, dass auch im 17. Jh. Ho eilungen durchgeführt wurden, die aber nur innerhalb der Familie Gu er erfolg- ten und aufgrund des soliden Teilungskonzeptes sowie der einvernehmlichen Absprachen zwischen den Erblas- sern und den Erben über 300 Jahre bis in die 2. Häl e des 20. Jhs. schier unverändert blieben.

1. Christoph Gu er, Bauer 1627 - 1654

Die frühesten z. Z. zugänglichen Urkunden1 zur Hof- und Familiengeschichte von Saltnuss stammen aus dem Jahre 1654, in denen Christoph Gu er die Hofübergabe bis in alle Details festlegt, mit Anführung der Gebäudlichkeiten auf beiden Hofstellen, der liegenden Güter, der Schulden herein und der Schulden hinaus sowie der Namen der in die Erbsteilung miteinbezogenen Familienmitglieder.

[...]


1 Die Erklärung des Namens Saltnuss von E. Kühebacher und K. Finsterwalder sind nicht soüberzeugend, dass sie hier berücksich gt werden.

2 Das für diese Quelle bei Josef Tarneller angegebene Ausstellungsdatum von 1369 s mmt nicht.

1 Die erste vom 13. Mai 1654, die zweite vom 23. Mai d. J.

Ende der Leseprobe aus 150 Seiten

Details

Titel
Saltnuss hintern See
Untertitel
400 Jahre Hof- und Familiengeschichte
Autor
Jahr
2013
Seiten
150
Katalognummer
V265332
ISBN (eBook)
9783656549598
ISBN (Buch)
9783656548683
Dateigröße
10847 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
saltnuss, jahre, hof-, familiengeschichte
Arbeit zitieren
Dr. Veit Pamer (Autor:in), 2013, Saltnuss hintern See, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265332

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