Methodische Fehlerquellen bei Kooperationsexperimenten im Labor


Hausarbeit, 2013

14 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vorteile des Laborexperiments

3. Methodische Fehlerquellen des Laborexperiments
3.1 Selbstselektion
3.2. Hawthorne-Effekt & Reaktivität
3.2.1 Beobachtung durch den Experimentator
3.2.2 Beobachtung durch andere Versuchsteilnehmer
3.3 Entscheidungskontext
3.3.1 Monetärer Einsatz im Spiel
3.3.2 Windfall Profits
3.4 Generalisierbarkeit

4. Diskussion

Literatur

Internetquellen

1. Einleitung

Jahrzehnte fristete die Durchführung von Laborexperimenten in den Sozialwissenschaften ein Schattendasein. Erst in den vergangenen 20 Jahren erlangte diese Form des Forschungsdesigns - nicht zuletzt wegen der Vermehrten Rezeption spieltheoretischer Experimente in der Ökonomie - immer größere Bedeutung.

Bedingung für das Vorliegen experimenteller Designs ist, dass mindestens zwei Versuchs- gruppen gebildet werden, wobei die Versuchspersonen den Gruppen in einem randomisier- ten Verfahren zugeordnet werden (Diekmann 2008). Anschließend werden laut Definition von Zimmermann (1972, S. 37) wiederholt „Beobachtungen unter kontrollierten Bedingun- gen [angestellt], wobei eine (oder mehrere) unabhängige Variable(n) derartig manipuliert wird (werden), da[ss] eine Überprüfungsmöglichkeit der zugrunde liegenden Hypothese (Behauptung eines Kausalzusammenhangs) in unterschiedlichen Situationen gegeben ist.“ Mit anderen Worten, der Forscher bzw. die Forscherin überprüft die Auswirkung experi- menteller Stimuli auf die Entscheidungen der Versuchsteilnehmer. Oftmals werden zur Überprüfung sozialtheoretischer Hypothesen bezüglich des Verhaltens von Akteuren in so- zialen Dilemmatasituationen spieltheoretische Modelle herangezogen. So wird beispielswei- se mit Hilfe von Ultimatum- oder Diktatorspielen1 das Kooperationsverhalten der Akteure untersucht. Normen, Sanktionen, Reziprozität, Moral und Altruismus sind zentrale Themen der experimentellen Spieltheorie (Diekmann 2010). Zumeist wird diese Art des Forschungs- programms als „Behavioral Game Theory“ bezeichnet (Camerer 2003).

In Anlehnung an die Wirtschaftswissenschaften betrachtete man den Menschen lange Zeit als homo oeconomicus, der stets nutzenmaximierend handelt. Die unverhältnismäßig hohen Kooperationsraten der Versuchsteilnehmer weisen allerdings eher darauf hin, dass es sich bei der Entscheidungsfindung im Rahmen von Laborexperimenten um einen sozialen Pro- zess handelt, der von normativen Handlungsweisen beeinflusst wird (vgl. Berger 2010).

Vielmehr hat man es mit einem homo sociologicus zu tun, dessen Priorität bei der Auswahl der möglichen Handlungsalternativen die Beachtung dieser normativen Handlungsweisen ist. Die Gewinnmaximierung ist für ihn nur zweitrangig. In bisherigen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass Versuchsteilnehmer wider Prognosen der Standardspieltheorie auf eigenen Gewinn verzichten und oft eine nahezu gleichmäßige Aufteilung der ihnen zur Verfügung stehenden Ressource präferieren (vgl. List 2007). Dieses pro-soziale Verhalten ist in realen Märkten allerdings weitaus seltener vorzufinden als im Laborexperiment2. Daraus lässt sich schließen, dass in Laborexperimenten verzerrende Faktoren vorliegen, welche die Generalisierbarkeit der Forschungsergebnisse negativ beeinflussen.

Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick in die methodischen Schwächen von Laborexperimenten zu geben. Im Zuge dessen wird, anhand ausgewählter Quellen möglicher systematischer Verzerrungen, ein Diskussionsüberblick in der Literatur vermittelt. Schließlich sollen mögliche Herangehensweisen zur Problemlösung aufgezeigt werden.

Zunächst wird in aller Kürze eine Aufstellung der Vorteile laborexperimenteller Untersuchungen gegeben. Im folgenden Kapitel, welches den Kern der Arbeit bildet, wird diese Aufstellung um mögliche Fehlerquellen künstlicher Settings ergänzt, welche in Form verzerrender Faktoren in Erscheinung treten. Diese Auflistung von möglichen Fehlerquellen beansprucht keine Vollständigkeit, es handelt sich lediglich um ausgewählte Beispiele. Abschließend werden die Ergebnisse und mögliche Lösungsansätze diskutiert.

2. Vorteile des Laborexperiments

Laborexperimente gelten als akkurateste Form wissenschaftlicher Forschung (vgl. Fried- richs 1990, S. 334). Diese Form des Forschungsdesigns erfüllt in besonderem Maße sozial- wissenschaftliche Ansprüche: Effekte können ohne die in natürlichen Settings vorkommen- den Störvariablen beobachtet und gemessen werden. Was in den Wirtschaftswissenschaften ceteris paribus benannt ist, garantiert die maximale interne Validität der Messung. Mehr noch, es ist so nicht nur möglich, unerwünschte potentielle Faktoren, die zur Verzerrung der Messergebnisse führen könnten, zu eliminieren, sondern auch gezielt verschiedene Anreize in stets gleichen Settings zu setzen, um explizit deren Wirkung zu dokumentieren. Vermut- liche Stimuli werden also direkt im Experiment produziert und gehen der vermuteten Wir- kung zeitlich voraus (vgl. Diekmann 2008, S. 349). Dies ermöglicht, dass Effekte, welche im Feld beobachtet wurden, unter kontrollierten Bedingungen überprüft werden können. Eine unendliche Anzahl möglicher Spielarten ist hierbei denkbar. Es können positive sowie negative Anreize gegeben werden, deren Stärke beliebig variiert werden kann. Diese Mög- lichkeit ist einem weiteren Vorteil des Laborexperiments geschuldet: der Replizierbarkeit. Aufgrund standardisierter Settings ist es einfach möglich, ein Laborexperiment exakt zu wiederholen. Dadurch können publizierte Resultate anderer Forscher überprüft werden. Vor allem kann aber auch die Stabilität bisheriger Ergebnisse mit Hilfe geänderter Parameter im experimentellen Setting untersucht werden.

3. Methodische Fehlerquellen des Laborexperiments

Wie eingangs erwähnt, stellt die Entscheidungsfindung im Rahmen eines Laborexperiments einen sozialen Prozess dar. In Abgrenzung zu anderen Wissenschaften handelt es sich bei der Untersuchungseinheit in sozialwissenschaftlichem Kontext um Akteure, die antizipieren können und deren psychische Disposition und soziale Präferenzen von maßgeblichem Ein- fluss sind. Für sie zählen nicht nur der unmittelbare Nutzen ihrer Entscheidung, sondern auch der Aufbau von Reputation, Normen, Moral und Altruismus (Haley/Fessler 2005, List 2006, Levitt/List 2007, Diekmann 2010). Erwartungen von au ß erhalb des experimentellen Rahmens können so innerhalb des Experiments selbst handlungsrelevant sein (Berger 2010, S. 2). Dieser Einfluss wird im Folgenden methodologisch Untersucht.

3.1 Selbstselektion

Probleme des laborexperimentellen Forschungsdesigns stellen ein großes Maß an Selbstse- lektion sowie die hohe Ausfallquote der Probanden dar. Um an dieser Art wissenschaftlicher Untersuchungen teilnehmen zu können, bedarf es zunächst einer Anmeldung in einem Pro- bandenpool. Der Anspruch der Wissenschaft besteht hierbei darin, dass lediglich die Ver- dienstmöglichkeit als extrinsische Motivation der Probanden für die Teilnahme ausschlag gebend ist. Tatsächlich liegt jedoch zumeist ein intrinsischer Motivationsgrund vor. Rosent hal/Rosnow (1969) sprechen hier von scientific do-gooders, die aus Interesse am Experiment teilnehmen. Bei den Untersuchungsteilnehmern handelt es sich häufig um Hochschüler, die generell schon mit dem Experimentator zusammenarbeiten, so Rosenthal/Rosnow (1969). Die Motivation ihrer Teilnahme könnte also eher daher rühren, einen „guten Eindruck“ bei ihrem Professor zu hinterlassen.

Generell werden die meisten Versuchsteilnehmer weitestgehend innerhalb der Studenten- schaft rekrutiert. Dieser Umstand erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die angehenden Aka- demiker in „Klumpen“ rekrutiert werden. Viele der Probanden kennen sich also, da sie glei- che Kurse besuchen, sich deren Freundeskreise überschneiden, etc. (Berger 2010). Diek- mann (2008, S. 345) spricht sogar von der Substitution des „guinea pig“ durch Studenten in der Psychologie, da diese an vielen Universitäten eine Mindestanzahl an Versuchspersonen- stunden nachweisen müssen. Wenn sich die Untersuchungseinheit aus einer solch speziellen sozialen Gruppe formiert, kann der allgemeine Gültigkeitsanspruch nicht gewährt sein. Die Stichprobe ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zu homogen (Orne 1962). Folglich kommt es zu systematischen Verzerrungen. Doty und Silverstone (1975, S. 139) bemerkten hierzu, dass die Teilnehmer an sozialwissenschaftlichen Experimenten unter anderem einen höheren Bildungsabschluss haben und jünger sind als jene, die nicht freiwillig an Untersu- chungen teilnehmen.

Sowohl die Kontaktaufnahme als auch das tatsächlichen Erscheinen am Versuchstag stellen weitere Hürden für viele der Freiwilligen aus dem Probandenpool dar. Trotz großer Bemü- hungen seitens der Forschungsgruppe (u. a. mehrere Terminvorschläge, Terminerinnerung am Vortag, etc.) können oft nur Teilnehmerquoten von unter 30 Prozent erreicht werden (Berger 2010, S. 13f.). Hier besteht die Gefahr einer systematischen Verzerrung dahinge- hen, dass generell eher verlässliche, norm- und regeltreue Personen an Experimenten teil- nehmen. Tatsächlich erscheinen beispielsweise weibliche Probanden zuverlässiger zu den vereinbarten Terminen. Hinzu kommt, dass die Stichprobe durch die hohe Ausfallquote zu klein werden kann, was zur Folge hat, dass Konfidenzintervalle3 geschätzter statistischer Parameter zu groß sind.

[...]


1 Im Ultimatumspiel wird einem Akteur A ein Gut C (z.B. Geld) gegeben. Hiervon muss er einen Teil einem zweiten Akteur B anbieten. Lehnt dieser das Angebot ab, muss auch Akteur A auf seinen Anteil verzichten. Beide bekommen nichts. Akzeptiert B das Angebot, so erhält er die ihm angebotene Summe und Akteur A den Rest. Im Diktatorspiel kann ein Akteur A ebenfalls das erhaltene Gut C mit einem anderen Akteur B teilen, dieser kann das Angebot allerdings nicht ablehnen. Egal, wie viel Akteur A gibt, er darf den Rest behalten. Die rationale Entscheidung für Akteur A wäre hier nichts abzugeben, um so seinen eigenen Gewinn zu maximieren. Für eine übersichtliche Auflistung angewandter Kooperationsspiele zur Messung sozialer Präferenzen siehe Levitt/List 2007, S. 155 bzw. Diekmann 2010.

2 Man denke hier nur an den Börsen- und Finanzmarkt (vgl. Levitt/List 2007, S. 168)

3 Das Konfidenzintervall ist ein Begriff aus der Statistik, der Auskunft über die Präzision der Lageschätzung eines Parameters gibt (vgl. Diekmann 2008).

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Details

Titel
Methodische Fehlerquellen bei Kooperationsexperimenten im Labor
Hochschule
Universität Leipzig
Autor
Jahr
2013
Seiten
14
Katalognummer
V265305
ISBN (eBook)
9783656549741
ISBN (Buch)
9783656548256
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
methodische, fehlerquellen, kooperationsexperimenten, labor
Arbeit zitieren
Verena Betz (Autor:in), 2013, Methodische Fehlerquellen bei Kooperationsexperimenten im Labor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265305

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