Im Sog der Politik: Die Boxkämpfe von Joe Louis und Max Schmeling in den Jahren 1936 und 1938


Magisterarbeit, 2004

123 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Aufbau der Arbeit und wissenschaftliche Vorgehensweise
1.2 Klärung von Schlüsselbegriffen

2 Biografischer Hintergrund: Max Schmeling
2.1 Entdeckung einer Leidenschaft
2.2 Beginn einer Erfolgsstory
2.2.1 Als erster Europäer Meister aller Klassen

3 Zeitenwende in Deutschland
3.1 Max Schmeling: Leben zwischen zwei Welten
3.1.1 In der Gunst des Führers
3.1.2 Die Schattenseiten des Rampenlichts

4 Biografischer Hintergrund: Joe Louis
4.1 Entdeckung einer Leidenschaft
4.2 Die ersten Schritte im Ring
4.3 Beginn einer Erfolgsstory

5 Die USA und ihr ethnisches Konfliktpotenzial
5.1 Einer für alle
5.2 Das Goldene Jahrzehnt des Sports – Jack Johnson

6 Joe Louis: Die „Neue Schwarze Hoffnung“
6.1 Die schwere Last der Verantwortung
6.2 Joe Louis: Leben zwischen zwei Welten

7 Der erste Louis - Schmeling Kampf: Die Politik wirft ihre Schatten
7.1 Max Schmeling
7.1.1 Erste Anzeichen von Pogromen
7.1.2 In diplomatischer Mission
7.1.3 Jenseits der Linientreue
7.1.4 Politischer Repräsentant wider Willen
7.2 Joe Louis
7.2.1 Die vermeintliche Pflicht vor der Kür
7.2.2 Mehr als ein Knockout
7.3 Die Konsequenzen aus dem ersten Louis-Schmeling Kampf
7.3.1 Joe Louis
7.3.2 Max Schmeling

8 Der zweite Louis-Schmeling-Kampf: Im Schatten der Politik
8.1 Boykott und Betrug im Kampf um den Titel
8.1.1 Das Prestige des WM-Titels im Schwergewicht
8.1.2 Die massiven Boykottbestrebungen der Anti-Nazi League
8.1.3 Der Betrug an Max Schmeling im Kampf um die WM-Krone
8.2 Max Schmeling – Die Personifikation des Bösen
8.2.1 Ein feindseliger Empfang in New York
8.2.2 Der Euphemismus in der deutschen Presse
8.3 Joe Louis – vom „Black Hero“ zum „American Hero“
8.3.1 „Brauner Bomber“ gegen „Schwarzen Ulan“
8.3.2 „Good old U.S.A. versus Germany“
8.4 Max Schmeling – ein gefallener Held
8.4.1 Foul oder faule Ausrede?
8.4.2 Der ernüchternde Empfang in der Heimat
8.5 Joe Louis – ein gefeierter Held
8.6 Joe Louis und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung
8.6.1 Ein Kampf ohne Fäuste: Joe Louis vs. Jim Crow
8.6.2 Joe Louis – kein „Uncle Tom”

9 Schlussfolgerung: „even-steven“

10 Literaturverzeichnis

Lebenslauf

1 Einleitung

Fifty years ago this Wednesday, those themes of sport, race and international politics mixed in an explosive 124 seconds that formed the pinnacle of Louis's career and one of the major sports events of the 20th century.[1]

So erinnerte sich Joe Lapointe von der New York Times am fünfzigsten Jahrestag des zweiten Kampfes zwischen Joe Louis und Max Schmeling der damaligen Ereignisse, eines Weltmeisterschaftskampfes, dessen Breitenwirkung weit über das Boxen hinausging. Der Titel von Lapointes Artikel „The championship fight that went far beyond boxing“ beschreibt nachhaltig, was den Boxkampf zwischen Schwergewichtsweltmeister Joe Louis und seinem Herausforderer Max Schmeling an diesem Juniabend des Jahres 1938 im New Yorker Yankee Stadium charakterisierte. Das Sportliche, das eigentliche Boxen, war bereits im Vorfeld des Kampfes in den Hintergrund gerückt, wie der amerikanische Schriftsteller Budd Schuldberg dokumentiert:

Nobody on either side of the Atlantic viewed Louis and Schmeling II as anything less than the personification of Good vs. Evil.[2]

Ähnlich wie bei den Olympischen Spielen von Berlin im Jahre 1936, als der afroamerikanische Leichtathlet Jesse Owens mit seinen herausragenden Leistungen den nationalsozialistischen Wahn einer „arischen Überrasse“ und Reichskanzler Hitler höchstselbst im Stadion kompromittierte, wurde das Wiedersehen im Ring zwischen Louis und Schmeling zum internationalen Politikum. Im Präludium des Zweiten Weltkrieges mag es eine „Notwendigkeit“ gewesen sein, bei internationalen sportlichen Wettkämpfen zu polarisieren und zu polemisieren. Bei Louis' Kampf 1935 gegen den Italiener Primo Carnera hatten sich bereits große Teile der afroamerikanischen Bevölkerung von New York mobilisiert, um im Umfeld des sportlichen Ereignisses auf Mussolinis Aggression gegen die damalige italienische Kolonie Eritrea aufmerksam zu machen. Doch während bei dieser Begegnung die „ideologischen Fronten“ noch übersichtlich erschienen und sich Proteste in einem sowohl überschaubaren wie „überhörbaren“ Rahmen bewegten, gestalteten sich die Geschehnisse um den zweiten Kampf gegen Max Schmeling offensichtlich komplexer. Bei allgemeiner, oberflächlicher Betrachtung scheinen die eigentlichen Protagonisten, Joe Louis und Max Schmeling, lediglich zu Schachfiguren im deutsch-amerikanischen Ränkespiel degradiert. Der politische Konnex schwebte wie ein Damoklesschwert vor allem über dem Kampf von 1938 und sollte dessen Klassifikation dementsprechend auch auf Jahrzehnte prägen.

In dieser Arbeit sollen, vor der politischen Kulisse, die Charaktere der beiden Boxer und damit deren Umgang mit den brisanten Geschehnissen der damaligen Zeit beleuchtet werden. Dabei wird die Interaktion der entscheidenden Faktoren analysiert die 1938 schließlich in einer sportlichen Farce kulminieren.

Es wird verdeutlicht werden, dass sich weder Joe Louis noch Max Schmeling bei der leidenschaftlichen Ausführung ihres Sports freiwillig als Zugpferde für Lobbyisten oder irgendeine Art von Propaganda einspannen lassen wollten und sich dennoch einer jeweiligen Parteinahme nicht völlig entziehen konnten.

Die Begegnungen zwischen Joe Louis und Max Schmeling in den Jahren 1936 und 1938 haben zweifelsohne ihren Platz in der Sporthistorie gefunden. Diese Arbeit zeigt die Gründe dafür auf, warum Joe Louis bis zum heutigen Tage von vielen als der beste Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten gehandelt wird, zuweilen noch vor der Lichtgestalt Muhammad Ali und warum der an ihn gerichtete Vorwurf eines Uncle Tom nicht haltbar ist.

Aber es hat auch seine Berechtigung, warum Max Schmeling, nach fast sieben Jahrzehnten, die seit seinen Kämpfen gegen Louis vergangen sind, im stolzen Alter von 99 Jahren immer noch als fester Bestandteil, als ein Meilenstein deutscher Sportgeschichte gilt und auch in den USA immer noch eine große Fangemeinde mobilisieren kann.

Die Gründe für die Popularität dieser Sportler erscheinen nicht allein im Fokus der damaligen populistischen Symbolik. Es bedarf vielmehr einer eingehenden Betrachtung der Nebenschauplätze und der Art und Weise, wie Joe Louis und Max Schmeling mit der politischen Brisanz umgingen, um festzustellen, dass ihre Begegnungen mehr zu bieten hatten als den immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse und dass es aus der Sicht beider eben diesen Kampf zwischen ihnen letztendlich nie gegeben hatte.

1.1 Aufbau der Arbeit, wissenschaftliche Vorgehensweise und Literatur

Auch wenn diese Arbeit in erster Linie den zweiten Louis-Schmeling-Kampf beleuchtet, macht es die Komplexität der Ereignisse von 1938 unerlässlich, zum besseren Verständnis vorab die biografischen Hintergründe der beiden Boxer herauszuarbeiten. Dabei wird auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Amerika und Deutschland Bezug genommen.

Die ersten Anzeichen einer Verstrickung von Sport und internationaler Politik werden bei Louis’ Kampf gegen Primo Carnera und vor allem im Rahmen des ersten Louis-Schmeling-Kampfes erkennbar gemacht. Auf der Grundlage dieser Prämissen beschäftigt sich der Kern der Arbeit mit dem zweiten Louis-Schmeling-Kampf im Juni 1938 und den daraus resultierenden Konsequenzen.

Bei der dialektischen Herausarbeitung der jeweiligen Rollen der beiden Sportler und ihrer Bedeutung im sozialen und politischen Kontext, wird vor allem auf die Autobiografien zurückgegriffen. Zusätzlich sind die Werke von Chris Mead, Richard Bak und Thomas R. Hietala, die sich speziell mit der Thematik befassen, von besonderer Bedeutung. Zeitungsberichte, unter anderem aus der New York Times, dem Völkischen Beobachter und dem Reichssportblatt, waren als zeithistorische Dokumente für die Verdeutlichung zahlreicher Sachverhalte unerlässlich. Sekundärliteratur über das Dritte Reich, die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, die Geschichte des afroamerikanischen Sports sowie zwei Dokumentarfilme komplettieren die Grundlage für meine Recherchen.

1.2 Klärung von Schlüsselbegriffen

Als Schwarze werden im Verlauf der Arbeit US-Bürger afroamerikanischer Abstammung bezeichnet. Schwarzes Amerika dient als Synonym für die afroamerikanische Gesellschaft des Landes, speziell aber in New York City.

Mit Weißen werden gebürtige Amerikaner mit europäischen Wurzeln umschrieben, mit weißem Amerika wird das Kollektiv bezeichnet.

Mit Uncle Tom ist der hauptsächlich von Afroamerikanern an Afroamerikaner gerichtete Vorwurf gemeint, sich allzu bereitwillig zu assimilieren und zu einem gewissen Grad bei den Weißen anzubiedern.

2 Biografischer Hintergrund: Max Schmeling

Max Schmeling wird am 28. September 1905 in dem uckermärkischen Dorf Klein-Luckow geboren. Sein Vater ist als Seemann bei der HAPAG beschäftigt, seine Mutter, während des Krieges noch bei der Post angestellt, Hausfrau. Schmeling hat zwei Geschwister, einen Bruder und eine Schwester, die jedoch später bei einem Motorradunfall tödlich verunglückt. Der Vater hatte die Familie aus der Uckermark nach Hamburg geholt, dem Anlaufhafen nach wochenlangen Seereisen über die Weltmeere. Die Versorgungslage während und nach dem Ersten Weltkrieg ist im Allgemeinen äußerst schlecht. Als die Entente -Staaten ihre Seeblockade gegen Deutschland durchsetzen, verschlechtert sich die Situation der Bevölkerung bereits drastisch. Der dramatische Höhepunkt wird im „Kohlrübenwinter“ von 1916/1917 erreicht. Als Folge einer mageren Kartoffelernte werden als Grundnahrungsmittel rationierte Kohl- bzw. Steckrüben ausgegeben, um eine Hungerkatastrophe zu vermeiden.[3] Schmelings Mutter gelingt es dennoch immer wieder, für ihre Familie zusätzliche Nahrungsmittel herbeizuschaffen. Im Alter von vierzehn Jahren beginnt Schmeling als Lehrling in einer Annoncen-Agentur. Zu diesem Zeitpunk hat ihn bereits das Boxfieber gepackt, obgleich sich dieser Sport in Deutschland nicht gerade einer großen Popularität erfreut. Im Kaiserreich ist der Faustkampf sogar noch verboten gewesen, in der Nachkriegszeit zählt man lediglich eine Handvoll Boxer. Einige von ihnen hatten den Sport in englischer Kriegsgefangenschaft von ihren Bewachern erlernt und nach Deutschland importiert.[4]

2.1 Entdeckung einer Leidenschaft

Als in einem nahe gelegenen Kino die Aufzeichnung des Weltmeisterschaftskampfes von 1921 zwischen Jack Dempsey und Georges Carpentier vorgeführt wird, ist der junge Schmeling so begeistert, dass er nahezu seinen gesamten Lehrlingslohn in die allabendlichen Vorführungen investiert. Er kann auch zu Hause seine Begeisterung nicht verbergen und überredet seinen Vater schließlich ihn ins Kino zu begleiten. Obwohl dieser eigentlich einen soliden Beruf für seinen Sohn vorgesehen hat, erkennt er doch schnell Max` Begeisterung für das Boxen. „Ich habe nichts dagegen, wenn du Boxunterricht nehmen willst“, gibt ihm sein Vater dann auch grünes Licht für das sportliche Vorhaben.[5] Schmeling beschreibt in seiner Autobiografie Erinnerungen wie er seine ersten Boxhandschuhe im Trödelladen erworben und sie fortan wie eine Reliquie über das Bett gehängt habe. Zu diesem Zeitpunkt scheint für Schmeling festzustehen, dass ihn der Boxsport ernähren soll: „Die Magie der Welt der großen Kämpfer hatte mich eingefangen, ein für allemal, wie sich zeigen sollte“.[6] Ermutigt durch einen Arbeitskollegen, verlässt Schmeling im Alter von siebzehn Jahren Hamburg und das Elternhaus und zieht ins Rheinland, da unter den englischen Besatzern mehr Boxsportvereine entstanden sind.[7] Nach einigen Anlaufschwierigkeiten kommt Schmeling in der fremden Stadt bald gut zurecht, findet Arbeit in einer Brunnenbaufirma und tritt einem Kraftsportverein bei. Bald wird er von seiner Firma jedoch nach Köln-Mühlheim versetzt - Ein Glücksfall für Schmeling, denn das bloße Gewichtestemmen mit Bodybuildern ist nicht gerade die beste Trainingsgrundlage für einen angehenden Boxer. Im Bezirk Mülheim schreibt er sich in dem Boxclub Schäl Sick ein und verbringt dort ausnahmslos seine freien Abende. Adolf Dübbers, der ältere Bruder des späteren Box-Europameisters Franz Dübbers, erteilte dem lerneifrigen Schmeling die ersten Lektionen im Boxen. Bisher hat er sich autodidaktisch mit Filmen über sein großes Vorbild Jack Dempsey und einem Lehrbuch von Georges Carpentier über diesen Sport informiert. Seinen ersten wichtigen Kampf bestreitet Schmeling gleich um die westdeutsche Amateurmeisterschaft, ausgerechnet gegen einen jungen Mann mit dem Namen Louis. Schmeling verliert den Kampf gegen Willy Louis nur knapp, lässt sich durch den Rückschlag jedoch keineswegs entmutigen, zumal ihn der westdeutsche Amateurverband 1924 auch zu den deutschen Meisterschaften nach Chemnitz in den Kader holt.

2.2 Beginn einer Erfolgsstory

Im Halbschwergewicht gewinnt Schmeling alle Vorkämpfe und steht im Finale dem bis dato bereits arrivierten Otto Nispel gegenüber. Erst in der Verlängerungsrunde wird Nispel schließlich zum Punktsieger erklärt. Doch der mittlerweile neunzehnjährige Schmeling hat sich an diesem Abend hervorragend geschlagen und man wird auf ihn aufmerksam. Hugo Abel, ein Manager aus Köln, bietet ihm seine Unterstützung an. Der Weg zum Profiboxer scheint geebnet. Dieses Ziel vor Augen, gewöhnt sich Schmeling schnell an die neuen Lebensumstände. Sein Tagesablauf wird nun vom Training diktiert und eiserne Selbstdisziplin im Umgang mit Alkohol, Zigaretten und Ernährung sind der Preis für den Erfolg. Dieser stellt sich gleich in seinem ersten Profi-Kampf ein. Am 2. August 1924 bezwingt Schmeling den Düsseldorfer Lokalmatador Jean Czapp in der sechsten von insgesamt acht festgesetzten Runden. Der Sieg beschert ihm zum ersten Mal einen umfangreicheren Bericht in der Lokalpresse. Bis zum Ende des Jahres hat Schmeling insgesamt zehn Profikämpfe bestritten. Mit zwei Amerikanern, einem Belgier und einem Franzosen werden seine Gegner zudem international. Doch die einzige Niederlage muss er ausgerechnet im Berliner Sportpalast gegen seinen Landsmann Max Diekmann einstecken. Die Fachpresse ist mittlerweile auf Schmeling aufmerksam geworden und auch verschiedene Manager umwerben ihn mit lukrativen Angeboten. Schmeling hat bisher für seine Kämpfe zwischen 100 und 200 Mark erhalten. Nun winken unter anderem Offerten über 800 Mark von Walter Rothenburg, dem größten deutschen Boxpromoter der Nachkriegszeit. Zur selben Zeit kommt der Weltmeister aller Klassen, der Amerikaner Jack Dempsey, auf seiner Hochzeitsreise nach Europa. Schmeling wird als einer von drei Boxern für einen Show-Kampf im Kölner Lunapark ausgewählt. Obwohl eine ganze Gewichtsklasse leichter, ist es eine große Ehre für Schmeling für zwei Runden gegen sein Vorbild in den Ring zu steigen.

1925 ist ebenfalls ein äußerst erfolgreiches Jahr für den kommenden Weltmeister. Von zehn Kämpfen verliert er nur zwei. Dennoch macht sich der nun Fünfundzwanzigjährige Gedanken über sein Leben, falls sich der Traum von einer Boxkarriere nicht erfüllen lassen sollte. Dabei kommt ihm sein kaufmännisches Talent zupass. An einem heißen Sommertag hat er bemerkt, dass Eiswaffeln reißenden Absatz finden. Sogleich überzeugt er seinen Manager Hugo Abel, in dessen Keller eine Eismaschine zu installieren. Schmeling investiert seine gesamten Ersparnisse der vergangenen zwei Jahre, insgesamt 600 Mark, in das Vorhaben. Das Risiko zahlt sich aus: „Wir hatten zwei Männer angestellt die einen Eiswagen mit bunten Sonnenschirmen durch die Straßen zogen, und bald hatten wir auch ganz ordentliche Umsätze. Ich sah mich als Unternehmer“.[8]

Sein erster Abstecher in die unternehmerische Selbstständigkeit hat zwar einen guten Anfang, findet jedoch ein schlechtes Ende. Bis zu seinem nächsten Kampf hat Schmeling noch einen guten Monat Zeit. Deshalb nimmt er das Angebot eines Zirkusdirektors, dessen Sohn Boxunterricht zu erteilen, dankend an. So kann er den Trainingsalltag ein wenig hinter sich lassen, ohne jedoch seine Fitness zu verlieren. Bei seiner Rückkehr nach Köln muss er jedoch feststellen, dass Abel sein kleines Eisimperium mitsamt der Maschine verkauft hat um seine Schulden zu begleichen. Seitdem ist die Beziehung Schmelings zu seinem Manager gestört. Als sich Abel kurze Zeit später nach dem Tod seiner Frau aus dem Boxgeschäft zurückzieht, trennen sich ihre Wege endgültig. Schmeling bleibt jedoch nicht lange ohne Manager. Auf einer Boxveranstaltung in Köln tritt Max Machon an ihn heran und bietet ihm seine Dienste für den bevorstehenden Kampf an. Schmeling siegt durch K.o. und Machon erkennt das Talent des jungen Nachwuchsboxers. Es ist Schmelings erstes Aufeinandertreffen mit seinem späteren Trainer, Chefsekundanten und engsten Freund.

Für Schmeling ist es mittlerweile wieder Zeit für einen Tapetenwechsel. In dem Kölner Boxstall von Willi Fuchs fühlt er sich im Training vernachlässigt. 1926, zwei Jahre nachdem er in Köln zum Profiboxer aufgestiegen ist, kehrt er deshalb dem Rheinland den Rücken und zieht nach Berlin. Nachdem er sein gesamtes Vermögen mit der Eismaschine verloren hat, besitzt Schmeling nichts mehr als einen Pappkarton, welcher einige Kleidungsstücke und seine wertvollen Boxhandschuhe enthält. Beinahe mittellos findet er sich nun in der Hauptstadt wieder, erneut in einer unbekannten Umgebung. Zwar hat Schmeling bereits bei seinem Kampf gegen Max Diekmann im Sportpalast einen kurzen Eindruck von der Stadt erhalten und schon damals festgestellt, „dass eine Karriere nur über diese Stadt möglich war. Kein Erfolg in Hamburg, Köln oder Düsseldorf konnte einen jungen Mann aus dem zweiten Glied nach vorne bringen“.[9] Doch von der Hektik, und Lebendigkeit fühlt er sich anfangs noch ziemlich eingeschüchtert. Er fasst den Entschluss, Arthur Bülow, den Chefredakteur des Boxsport, aufzusuchen. Bülow hat ihn bereits nach seiner knappen Niederlage gegen Otto Nispel mit lobenden Worten bedacht. In den Redaktionsräumen trifft er auch erneut mit Max Machon zusammen. Dieser hat erst kürzlich nahe Berlin, in den Märkischen Wäldern, ein Trainingsquartier eröffnet. Bülow bezahlt monatlich fünfzig Mark aus eigener Tasche, damit Schmeling in Machons Trainingscamp aufgenommen werden kann. Dort erzielt er deutliche Verbesserungen seiner Technik, feilt an seiner gefährlichen Rechten und verbessert seine Linke. Nach einem erfolgreichen Testkampf im Juli 1926 setzt die Boxsport-Behörde am 24. August Max Diekmann als Gegner Schmelings im Kampf um die deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht an. Nach seiner Niederlage zwei Jahre zuvor hat Schmeling bereits ein weiteres Mal gegen Diekmann geboxt. Der Kampf ist unentschieden gewertet worden und so erwartet das Publikum im Berliner Lunapark einen spannenden Schlagabtausch. Doch Dank seiner verbesserten Technik schlägt Schmeling Diekmann nach dreißig Sekunden der ersten Runde K.o., ohne dass dieser auch nur einen einzigen Schlag hätte anbringen können.

Der fulminante Sieg über Diekmann soll eine erste Zäsur in der noch jungen Boxkarriere des Max Schmeling darstellen. Der Boxsport titelt in der darauf folgenden Ausgabe:

Diekmann unterlag einem Größeren, einem Großen. Der deutsche Boxsport hat einen neuen Meister, auf den er wieder bauen kann, vielleicht einen Stern am Boxhimmel, der die Kräfte besitzt, alle Einstigen und Vorhandenen zu übertreffen.[10]

Der Sieg hat auch finanzielle Konsequenzen. Schmeling erhält 1500 Mark, für den jungen Sportler eine horrende Summe. Er zahlt Bülow das Trainingsstipendium zurück, macht sich dadurch wieder unabhängig und schickte einen Großteil des Geldes seiner Mutter.

Die Aufmerksamkeit der Presse ist ihm nun sicher, auch wenn Stimmen laut werden, die seinen kometenhaften Aufstieg auf Glück und Zufall zurückführen. Schmeling sollte seine Kritiker Lügen strafen, indem er alle neun Folgekämpfe gewinnt, acht davon durch K.o.. Vor dem nächsten Kampf muss Schmeling an seinem Gewicht arbeiten, da er sich schon nahe an der Grenze zum Schwergewicht bewegt. Für Schmelings steile Karriere nicht untypisch, geht es in diesem Kampf bereits um den Titel des Europameisters. Um dessen überschüssige Pfunde zu bekämpfen, hat Machon mit seinem Schützling hart trainiert. Schmeling hat zwar dadurch etwas an Kraft verloren, dennoch zwingt er den Belgier Fernand Delarge in der Dortmunder Westfalenhalle in der 13. Runde nach harten Schlägen zur Aufgabe. Schmeling hat als erster deutscher Boxer einen Europameisterschaftstitel errungen. Nach diesem Erfolg fühlt er sich bereit für den Aufstieg in die Schwergewichtsklasse. Der Titel des Deutschen Meisters beim Sieg über Franz Diener 1928 dient dabei lediglich als Standortbestimmung. Von nun an sucht Schmeling sein sportliches Heil jenseits des Atlantik, in Amerika.

2.2.1 Als erster Europäer Meister aller Klassen

Es folgen sechs Kämpfe in seinem „neuen Wohnzimmer“ New York, die er alle gewinnt. In Deutschland wird New York mit einem „Schloss des Boxsports“ verglichen. Ein Titelkampf kommt einer Audienz gleich. Im Juni 1930 erfüllt sich Schmeling seinen Traum von einem Weltmeisterschaftskampf gegen Jack Sharkey.[11] Der Amerikaner wird jedoch in der vierten Runde wegen eines Tiefschlages disqualifiziert und verliert den Gürtel an Schmeling. Zwar bestätigen alle Boxexperten dieses Urteil, doch handelt es sich dabei um ein Novum der Schwergewichtsweltmeisterschaft: Noch nie ist der Titel auf diese Weise vergeben worden, ein Makel der an Schmelings Sieg haftet: „Nun war ich zwar nicht nur im Schloss gewesen, sondern sogar König geworden“, meint der neue Weltmeister in Anspielung auf die Metapher. „Aber meine Krone war ohne Glanz“.[12] Er muss ein Jahr warten, um gegen Young Stribling diesen Titel endlich auch sportlich bestätigen zu können. Erst nach diesem Sieg wird Schmeling auch in die New Yorker Hall of Fame der Schwergewichtsweltmeister aufgenommen. Der prestigeträchtige Titel, abgewandert auf einen anderen Kontinent - diese Erfahrung ist den Amerikanern von jeher ein Dorn im Auge.[13] Jedenfalls verliert Schmeling seinen Titel ein Jahr später in einem vehement umstrittenen Kampf wieder an Jack Sharkey.[14]

„Nicht noch einmal würde Amerika sich der Gefahr aussetzen, den Titel nach Europa entführen zu lassen“, erklärt sich Schmeling seine zweifelhafte Niederlage.[15] Seine Chancen auf eine Revanche sollen im Zuge einer politischen Neuorientierung in seiner Heimat noch weiter schwinden.

3 Zeitenwende in Deutschland

Als Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler ernennt, ahnen Schmeling und viele andere noch nichts von dem, was Deutschland noch bevorstehen soll. Natürlich sind schon seit längerem Anzeichen eines Umbruchs zu erkennen gewesen. Gerade in der Hauptstadt herrschen zu Beginn der Dreißigerjahre bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Regierung um Reichskanzler Heinrich Brüning scheint weitgehend handlungsunfähig, während sich die verfeindeten Parteien KPD und NSDAP nach den Reichstagswahlen im September 1930 zusehends radikalisieren. Die Harzburger Front sowie die Eiserne Front liefern sich blutige Straßenschlachten.[16] Doch Schmeling hat zwischen 1930 und 1933 insgesamt fünf Kämpfe in den USA bestritten, drei davon waren Entscheidungen um den Titel des Schwergewichtsweltmeisters. Unter Anrechnung seiner intensiven Wettkampfvorbereitungen, die er ausschließlich in amerikanischen Trainingslagern absolviert, bleibt ihm letztlich nicht sehr viel Zeit, die er in der Heimat verbringen kann. Zwar erzählen ihm Freunde ab 1933 nun häufiger von Massenhysterie und nächtlichen Fackelzügen durch das Brandenburger Tor, doch davon scheint er in seiner Wohnung im Berliner Westend kaum etwas mitzubekommen. Heutigen Zeitgenossen scheint dies schwer nachvollziehbar zu sein, zumal die pompösen Auftritte der Hitler-Getreuen in der Wochenschau für die Nachwelt dokumentiert worden sind. Es stimmt zwar, dass diese Bilder den Aufbruch eines ganzen Volkes suggerieren, doch müssen sich die Ereignisse tatsächlich zuerst nur auf die Innenstadt sowie auf wenige von den Nazis kontrollierte Stadtgebiete beschränkt haben.[17]

Schmeling scheint von den ständig marschierenden SA-Einheiten eher verschreckt denn begeistert. Seine Abneigung gegenüber derart militanten Volksaufständen ist wohl auch in seiner Erziehung begründet. Als Mitte der Zwanzigerjahre die Spartakisten[18] in der Hamburger Innenstadt für Aufruhr sorgen, wird er sich an die elterliche Order halten und einen weiten Bogen um derartige Ereignisse machen. „Für meinen Vater war die Beteiligung an einem Volksaufstand wider allen Ordnungssinn“.[19] Und bei der bloßen Beobachtung eines solchen, drohte väterliche Prügel.

3.1 Max Schmeling: Leben zwischen zwei Welten

Schmelings Darstellung zufolge haben er und viele andere die Situation nach der Machtergreifung schlichtweg unterschätzt beziehungsweise, durch die Wirren der Weimarer Republik, ihr nicht die später bekannte Tragweite beigemessen:

Man war so viele Regierungswechsel gewohnt, allein die letzten anderthalb Jahre hatten drei verschiedene Reichskanzler gesehen, daß niemand mit der Ernennung Hitlers die Vorstellung einer endgültigen Weichenstellung verband.[20]

Im Gegenteil. In Schmelings Freundeskreis, der in der Berliner Avantgarde beheimatet ist, gibt es wohl einige besorgte und pessimistische Stimmen. Doch ebenso viele meinen: „Das geht vorbei, der ganze Spuk ist in sechs Monaten vorüber, die wirtschaften schnell ab“.[21]

Aber Schmeling kann sich den heraufziehenden Veränderungen nicht lange entziehen. Seine Aufnahme in den illustren intellektuellen Zirkel Berlins hat Schmeling in erster Linie seinem Sport zu verdanken, der sich Ende der Zwanzigerjahre einer plötzlichen Popularität erfreut. Künstler wie Renée Sintenis, Kurt Edzard und George Grosz machen zum ersten Mal seit der Antike wieder Menschen im sportlichen Wettstreit zum Thema ihrer Arbeiten. In so genannten „Volksboxsportkursen“ vermittelt man den Teilnehmern, dass man durch das harte Boxtraining den Anforderungen des wirklichen Lebens besser gewachsen sei.[22] Schmeling selbst erkennt im Boxsport „die Bereitschaft und Notwendigkeit, in jedem Kampf alles immer wieder aufs Spiel zu setzen“.[23] Der Boxsport und seine gesellschaftliche Interpretation öffnen ihm jedoch nicht nur die Tür zu einer Welt der Dichter und Denker, der Schauspieler, Maler, Schriftsteller und Bildhauer, sondern rücken ihn - eine Ironie der Geschichte - in den Fokus derer, die seinen Freundeskreis wenig später mit aller Härte verfolgen werden. Denn der mit dem archaischen Sport einhergehende Körperkult spielt Hitler und seiner Rassenideologie zu und macht Schmeling auf unfreiwillige Art und Weise zur Speerspitze und zum „Repräsentanten“[24] der nationalsozialistischen Hybris.

3.1.1 In der Gunst des Führers

Hitler zufolge hätte der Boxsport als Breitensport sogar auf die Novemberrevolution[25] Einfluss nehmen können:

Würde unsere gesamte geistige Oberschicht einst nicht so ausschließlich in vornehmen Anstandslehren erzogen worden sein, hätte sie an Stelle dessen durchgehends Boxen gelernt, so wäre die deutsche Revolution von Zuhältern, Deserteuren und ähnlichem Gesindel niemals möglich gewesen; denn was dieser den Erfolg schenkte, war nicht die kühne mutige Tatkraft der Revolutionsmacher, sondern die feige, jämmerliche Entschlußlosigkeit derjenigen, die den Staat leiteten und für ihn verantwortlich waren.[26]

Während somit zahlreiche seiner Freunde als Zuflucht das Exil wählen müssen, weil sie jüdischer Abstammung sind oder ihre künstlerische Freiheit zusehends eingeengt sehen, erfährt Schmeling ob seines Berufes zwangsläufig die für ihn ungewohnte Aufmerksamkeit der politischen Führung. Noch im Frühjahr 1933 erhält er eine Einladung Hitlers zu einem gemeinsamen Essen in der Reichskanzlei. Die Intension der Begegnung, der auch Göring, Goebbels und von Papen beiwohnen, wird Schmeling bei der Verabschiedung offenbar. Von Hitler persönlich erhält er seinen ersten von insgesamt vier „Führeraufträgen“.[27]

„Vielleicht fragt man Sie drüben, wie es in Deutschland aussieht“, spricht ihn Hitler auf seine bevorstehende Reise in die USA zur Vorbereitung auf den Kampf gegen Max Bear an. „Dann können sie ja die Schwarzseher beruhigen, wie friedlich hier alles ist und dass alles vorangeht“.[28] Schmeling ahnte nach diesem Appell bereits, dass ihn Hitler nur deswegen eingeladen hat. Der Diktator weiß wohl, dass der deutsche Ex-Weltmeister in den Staaten ein begehrter Interviewgast sein werde, dessen Äußerungen in hunderten von US-Zeitungen publik gemacht werden würden. Hitler selbst wird ja im Laufe der Zeit die Macht der öffentlichen Meinungen bis zur perfiden Perfektion ausreizen. Obgleich Schmeling erkennt, dass Hitler Gefühle mit kalter Berechnung zu verbinden scheint, fühlt er sich geschmeichelt. Obwohl er Deutscher Meister und Europameister ist und sich als erster Europäer den Gürtel des Schwergewichtsweltmeisters umschnallen darf, ist er weder von einem Politiker oder Minister empfangen worden noch hat er von solchen je ein Glückwunschschreiben erhalten.[29] Er hat sich immer eine Einladung von Reichspräsident Hindenburg gewünscht, doch dieser hat stets nur adlige Sportler empfangen. Es wäre nur eine symbolische Geste, die Schmeling jedoch viel bedeutet hätte. Umso mehr hat er sich über den Überraschungsbesuch von Präsidentschaftskandidat Franklin Delano Roosevelt in seinem amerikanischen Trainingscamp gefreut. Und nun erfüllt ihn ein gewisser Stolz, auch von der neuen politischen Führung in seiner Heimat Beachtung zu erfahren. Dieses Erlebnis geht mit der Feststellung einher, dass es hier und da doch auch positive Züge am neuen Regime gibt. Aber Schmeling ist aufmerksam genug um zu erkennen, dass die Wahlversprechen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und auf den Straßen wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen zu einem sehr hohen Preis eingelöst werden: „Die Übergriffe und Gewalttaten der neuen Herren aber wurden zugedeckt von einer marktschreierischen Feststimmung“.[30]

An diesen pompösen Inszenierungen nehmen Schmeling und sein kulturelles Umfeld anfangs noch keinen Anstoß. Man zieht sogar Parallelen zur eigenen Welt des Showgeschäfts und witzelt über eine mögliche Karriere Hitlers als Entertainer in den USA, sollte er in Deutschland scheitern.[31] Doch die Ernüchterung folgt prompt: Der Berliner Freundeskreis schrumpft zusehends. Fritz Kortner, Ernst Deutsch, Ernst Josef Aufricht - sie alle haben Deutschland bereits den Rücken gekehrt.[32] Bertold Brecht und Kurt Weill und viele andere werden bald folgen. Zurück in New York trifft Schmeling den deutschen Generalkonsul Paul Schwarz, welcher ihm zur Lage in der Heimat seine Sicht der Dinge schildert: „Das alles geht schief. Wissen Sie, Herr Schmeling, es wird in Deutschland ein Blutbad geben. Es endet alles im Krieg“.[33]

Bei Schmeling überwiegt noch die Skepsis. Aber die Dinge nehmen unweigerlich ihren Lauf und als Schmeling im Sommer 1933 mit seiner frisch angetrauten Frau Anny Ondra aus den Flitterwochen kommt, werden sie mit der Nachricht empfangen, dass Ondras Filmunternehmen geschlossen werde. Vier von sechs Teilhabern sind Juden, die nun gezwungen werden, ihre Arbeit aufzugeben.

3.1.2 Die Schattenseiten des Rampenlichts

Die immer aggressiver zu Tage tretende Politik der Nationalsozialisten hält nun aber auch im Boxsport Einzug. Vor seinem Kampf gegen Walter Neusel, im Sommer 1934 in Hamburg, erhält Schmeling die Absage seines langjährigen Freundes Paul Damski, dessen Besuch er eigentlich erwartet hat. Dieser hat es jedoch vorgezogen, aus Angst vor einem Zugriff der Gestapo, in Paris zu bleiben.

Am Vorabend des Kampfes gegen Walter Neusel reflektieren Schmeling und sein Trainer Max Machon über die Ereignisse der vergangenen Monate. Langsam scheint ihnen nun doch die Tragweite der Ereignisse bewusst zu werden:

Einen Augeblick lang war uns plötzlich deutlich geworden, was hier vor sich ging. Der Freundeskreis der Künstler und Schauspieler war längst in alle Winde zerstoben; jetzt griff die Wirklichkeit auch nach dem Sport und zerbrach alte Herzlichkeiten, die sich nie um Grenzen, Hautfarben oder Rassen gekümmert hatten.[34]

Sofort muss Schmeling an seinen amerikanischen Manager Joe Jacobs denken, der ihn Ende des Jahres ebenfalls besuchen will. Jacobs ist Jude und Schmeling zweifelt, „ob er in dieses Deutschland noch kommen werde“.[35] Joe Jacobs kommt. Er folgt 1935 einer Einladung Schmelings zu dessen Revanche-Kampf gegen Steve Hamas nach Berlin. Doch Schmelings Bedenken sollen sich als begründet herausstellen. Kurz vor dem Kampf bekommt er einen Anruf des Chefportiers aus dem Bristol, es gäbe Probleme mit einer Reservierung. Das Hotel verweigert Jacobs den Check-in. Erst nach Schmelings eindringlicher Intervention, „wenn das in einer New Yorker Zeitung steht, haben Sie ihren letzten amerikanischen Gast gesehen“, und der Androhung, nie wieder Gäste in diesem Hotel unterzubringen, überreicht der Chefportier Jacobs das Anmeldeformular.[36]

Der Kampf gegen Hamas bereitet Schmeling weniger Probleme. In der neunten Runde schlägt er den jungen Amerikaner K.o.. Typisch für die Entwicklungen der letzten Zeit, geht der Jubel der fünfundzwanzigtausend Zuschauer in der Hamburger Hanseaten-Halle in das Singen des Deutschlandliedes über, die Hand zum Hitlergruß erhoben. Die amerikanischen Medienvertreter kennen Schmeling nun schon so gut, dass sie wissen, dass er sich mit jener Art der kollektiven, politischen Hysterie nicht identifiziert. Albion Ross von der New York Times bemerkte dazu in seinem Kampfbericht:

It was clearly not Schmeling's idea that his victory should be made the signal for a political demonstration. He disappeared from the ring as soon as possible, while his admireres were still standing at attention with their hands raised in the Hitler salute.[37]

Joe Jacobs jedoch, von dieser Symbolik überrascht, reckt ebenfalls seine rechte Hand mit der unvermeidlichen Havanna-Zigarre in die Höhe. Ein Vorfall, der noch Konsequenzen nach sich ziehen wird.[38]

Gut zwei Jahre nach der Machtergreifung gibt es für Max Schmeling keinen Grund mehr, auf eine Entspannung der innenpolitischen Situation zu hoffen. Trotz der häufigen Zusammenkünfte mit Adolf Hitler in ungezwungener Atmosphäre, erkennt er das wahre Wesen hinter der Fassade des Diktators:

Es war kaum zu fassen, dass dieser Mann, der so freundlich […] plauderte, durch seine skrupellose Politik die ganze Welt in Atem hielt. Mich konnte er durch den bewusst zur Schau getragenen Charme nicht blenden.[39]

Während in Deutschland die Diskriminierung und Verfolgung von Juden immer radikalere Züge annimmt, boxte sich in den Staaten ein junger Mann empor, der auf seine Art im Ring mit rassistischen Vorurteilen aufräumt und verblendete Demagogen auf beiden Seiten des Atlantiks Lügen strafen wird.

4 Biografischer Hintergrund: Joe Louis

Joe Louis Barrow wird am 13. Mai 1914 in Buckalew Mountain/Alabama geboren. Da sein Vater, Munrow Barrow, früh in die psychiatrische Klinik von Mt. Vernon eingeliefert worden ist, muss sich Mutter Lily alleine um die Erziehung der acht Kinder kümmern.[40] Lily Barrow, strenggläubige Baptistin, erzieht ihre Kinder bestimmt, aber gerecht und vermittelt ihnen stets Ideale, welche Louis später als Richtlinien für sein eigenes Leben dienen werden. So wird er fortwährend von seiner Mutter daran erinnert, Stolz in sich zu tragen und niemals zu vergessen, dass ein guter Name besser sei als Geld.[41] Wie zu dieser Zeit und in dieser Region üblich, hält sich die Familie als Sharecroppers mit der Bewirtschaftung eines kleinen gepachteten Stückchens Ackerland finanziell über Wasser. Aussaat und Ernte bestimmen somit auch das Leben in Buckalew Mountain; die schulische Ausbildung tritt in den Hintergrund. Die anderen Familienmitglieder, die von Früh bis Spät auf dem Feld arbeiten, finden wenig Zeit, sich um Joe zu kümmern.[42] Dies hat wohl auch zur Folge, dass er stammelt und stottert und die anderen Kinder ihn deswegen aufziehen.[43] Seine Schweigsamkeit soll später eines seiner Markenzeichen werden, wenn auch äußerst berüchtigt bei der Presse, die sich oftmals vergeblich um interessante Aussagen bemüht. So stellt Meyer Berger bereits 1936 in seinem Artikel Portrait of a strong and silent man fest:

Writers who try to interview Joe Louis are lucky if they' re answered by the echo of their own voices. If they evoke a grunt, it' s worth a column. A full sentence is a miracle […].[44]

Der Haushalt wächst bald auf achtzehn Personen an, als Lily Barrow den verwitweten Patrick Brooks heiratet und dieser seine acht Kinder in die neue Familie integriert. Pat Brooks ist es schließlich, der aufgrund der schwierigen Lebensumstände in Alabama einen Umzug nach Detroit arrangiert.

4.1 Entdeckung einer Leidenschaft

Der industrielle Norden boomt und der Arbeitsplatzgarant Ford stellt mit seinen für damalige Zeiten attraktiven Löhnen, auch für Afroamerikaner, eine Verbesserung der Lebensqualität in Aussicht.[45]

Im Jahr 1926 wagen die Barrows schließlich den Ortswechsel. Für den erst zwölfjährigen Joe sind die anfänglichen Eindrücke überwältigend. Parkanlagen, Büchereien, Kinos, Elektrizität, Wasserspülung und das Modebewusstsein der Großstädter begeistern ihn. Es dauert nicht lange, bis er sich in der neuen Umgebung zurecht findet.[46]

In Detroit soll die eigentliche Geburtsstunde des Boxers Joe Louis schlagen. In der Motorstadt besucht er zunächst die Duffield School, wo er jedoch Probleme hat, im Unterricht Anschluss zu finden.[47] Er wird deshalb an die Bronson School überwiesen, eine Art handwerkliche Sonderschule, an der ihm sein Geschick mit den Händen zu arbeiten sehr entgegen kommt. Natürlich hat Lily Barrow ihre Kinder gleich nach der Ankunft in Detroit an der Calvary Baptist Church angemeldet und der sonntägliche Besuch ist obligatorisch. Dort lernt Louis auch Thurston McKinney und Freddie Guinyard kennen. Guinyard fungiert später als engster Vertrauter von Louis, war sein persönlicher Sekretär und bis zu Louis' Tod im Jahr 1981 dessen engster Freund.[48] Vor und nach dem Schulunterricht verdienen sich Louis und Guinyard einige Cents bei diversen Aushilfsjobs. Thurston McKinney, der 1932 selbst schon den regionalen Amateurtitel, die Golden Gloves, gewonnen hat, ermuntert Louis diese Ersparnisse umgehend in das Boxtraining im Brewster Recreation Center zu investieren. Um sich jedoch das dortige Workout unter Anleitung von Atler Allis überhaupt leisten zu können, muss er die fünfzig Cent, welche ihm seine Mutter wöchentlichen für Geigenunterricht zusteckt, zweckentfremden. Dies bleibt nur so lange unbemerkt, bis eines Tages der Musiklehrer den Barrows einen Besuch abstattet. Als Lily Barrows jedoch erkennt, wie entschlossen ihr Sohn ist, den Boxunterricht fortzuführen gibt sie schließlich nach. Sie ist der Meinung, dass man ein Ziel leichter erreichen könne, wenn man sich nur hartnäckig dafür einsetzte. Diese Maxime gibt sie als Bedingung ihrem Sohn mit auf seine beispiellose Laufbahn als Profiboxer: „Very well, if you're going to be a fighter, be the best you can“.[49]

Mit diesem mütterlichen Segen kann sich Joe Louis nun befreit und bestärkt dem Boxtraining und den Anfängen seiner Karriere widmen.

4.2 Die ersten Schritte im Ring

Louis' Stiefvater, Pat Brooks, ist anfangs weniger begeistert von den Boxambitionen des Adoptivsohnes. Für ihn ist der Sport brotlose Kunst. Und trotz des Umzuges nach Detroit ficht die Familie täglich einen Existenzkampf und jede Hand wird benötigt, um die Großfamilie zu ernähren. Erst die Aussicht auf Warengutscheine, ausbezahlt bei Sieg wie auch bei Niederlage, stimmt Brooks schließlich um.[50]

Louis' Trainer Atler Ellis setzt die erste Bewährungsprobe gegen Johnny Miler an. Miler ist Mitglied der Olympiamannschaft von 1932. Louis wird mit sieben Niederschlägen in zwei Runden(!) regelrecht von Miler verprügelt. Doch anstatt aufzugeben, schöpft Louis neue Motivation aus der Niederlage und trainiert fortan noch härter als zuvor.[51] In den folgenden Kämpfen gelingen ihm vierzehn Knockouts hintereinander. Er entwickelt eine gefürchtete Schlagkombination, die später als „DOA“ – dead on your ass – in die Geschichte eingehen wird.[52]

Im Jahr 1933 tritt Louis den Golden Gloves bei, ein wichtiger und entscheidender Schritt in Richtung Profilager. Auf dieser Bühne zieht er immer mehr Aufmerksamkeit auf sich, darunter die von John Roxborough, einem der bekanntesten und wohlhabendsten Afroamerikaner der Stadt. Er erkennt schnell das unglaubliche Potenzial des jungen Boxers und erklärte sich bereit ihn zu managen. Unter seiner Regie entwickelt sich Louis schnell weiter. 1934 gerät Roxborough nach einer teuren Scheidung in einen Liquiditätsengpass und holt deshalb mit dem Nachtclubbesitzer Julian Black frisches Kapital und zusätzliche kaufmännische Kompetenz ins Boot. Diese Roxborough-Black-Kooperation wird bis zum Zweiten Weltkrieg erfolgreich Bestand haben.[53] 1934 zieht das Gespann von Detroit in eine vorteilhaftere Trainingsumgebung nach Chicago. Roxborough und Black schaffen es, den erfahrenen afroamerikanischen Boxtrainer Jack Blackburn für Louis zu gewinnen. Blackburn, von Louis nur freundschaftlich „Chappy“ genannt, wird großen Anteil an den späteren Erfolgen seines Schützlings haben, obwohl er diesen zunächst gar nicht coachen will. Ein finanzieller Erfolg mit einem farbigen Boxer scheint Blackburn zur damaligen Zeit nahezu aussichtslos: „Not for me. You can`t make no good money with a colored boy. He won`t have no chance. You can count me right out“.[54]

Die Bedenken sind begründet. Das Geschäft um den Titel des Schwergewichtsweltmeisters im Boxen ist fest in den Händen weißer Promoter und Manager. Die negativen Erfahrungen mit dem ersten afroamerikanischen Boxweltmeister im Schwergewicht, Jack Johnson, wirken immer noch nach. Johnson gewann den Titel 1908. Sein Lebensstil polarisierte sowohl bei Weißen als auch bei Schwarzen.[55] Das erste Treffen mit Louis überzeugt Blackburn jedoch. Er erkennt schnell, dass Louis die physischen Voraussetzungen mitbringt, um eine erfolgreiche Profikarriere einzuschlagen, falls er sich an gewisse Spielregeln hält.

4.3 Beginn einer Erfolgsstory

Man kann sagen, dass Louis durch Blackburns Angst, er könne ein zweiter Jack Johnson werden, moralisch erzogen wird. Er legt ein professionelles Verhaltensmuster an den Tag, welches auch seinen Umgang mit den Geschehnissen um die Schmeling-Kämpfe beeinflusst. Mit den guten Ratschlägen im Kopf, geht Louis auch im Ring konsequent seinen Erfolgsweg. In den ersten beiden Jahren seiner Profikarriere bleibt seine weiße Weste unbefleckt. Er gewinnt alle seine siebenundzwanzig Kämpfe, davon dreiundzwanzig durch K.o. Zur selben Zeit arbeitet der Deutsche Ex-Weltmeister Max Schmeling an seinem Comeback. Nach einer ansehnlichen Siegesserie auf europäischer Bühne, darf er berechtigten Anspruch auf einen Kampf gegen den amtierenden Schwergewichtsweltmeister Max Bear erheben. Nachdem Bear jedoch seinen Gürtel 1935 gegen James Braddock verloren hat, muss ein Titelkampf neu ausgehandelt werden. Braddock gehört dem Boxstall von Jimmy Johnston an, welcher wiederum die Geschicke des Madison Square Garden leitet. Die Rechte an einem Schwergewichtstitelkampf auf amerikanischem Boden liegen alleine beim Garden. Die New York Boxing Commission hat jedoch das Recht auf einen Titelkampf Joe Louis zugesprochen - Eine Zwickmühle, da Louis bei Mike Jacobs unabhängigen Twentieth Century Sporting Club unter Vertrag steht und somit in direkter Konkurrenz zum Madison Square Garden. Johnston fordert von Jacobs, der seine Kämpfe im New Yorker Yankee Stadium veranstaltet, als Gegenleistung für einen Titelkampf den Verzicht auf seine Unabhängigkeit. Die Verhandlungen führen in eine Sackgasse und Jacobs entscheidet sich für eine lukrative Alternative: einen Ausscheidungskampf im Juni 1936 zwischen Joe Louis und Max Schmeling. Der Gewinner des Kampfes im Yankee Stadium soll rechtmäßiger Herausforderer von Weltmeister James Braddock sein.[56]

5 Die USA und ihr ethnisches Konfliktpotenzial

Der Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert wird in der amerikanischen Geschichte als The Progressive Era bezeichnet.[57] Doch die stark vom gesellschaftlichen Leben ausgegrenzte afroamerikanische Bevölkerung blieb auch von dieser „Ära der Fortschrittlichkeit“ weitgehend unberührt.

Bereits 1903 hatte der afroamerikanische Bürgerrechtler W.E.B. Du Bois in seinem Essay The Souls of Black Folk angedeutet, was das gesellschaftliche Leben in den USA zu dieser Zeit negativ prägte: Die rassische Trennung sei eines der Hauptprobleme des 20. Jahrhunderts.[58] Weiße Vertreter dieser Politik, legitimiert durch die Jim-Crow-Gesetze[59], rechtfertigten die evidenten Diskriminierungen in Bussen, Wartehallen, städtischen Parkanlagen, Restaurants, Toiletten, Zügen oder auch Schulen mit der angeblich natürlich begründeten „Minderwertigkeit“ der afroamerikanischen Rasse.[60] Es gab kaum einen Bereich ihres Alltagslebens, der nicht von restriktiven Maßnahmen beeinträchtigt wurde. Doch die Zeit des stoischen Ertragens permanenter rassistischer Demütigungen schien im Zuge der Progressive Era einem neuen afroamerikanischen Selbstwertgefühl zu weichen. W.E.B. Du Bois und Booker T. Washington waren intellektuelle Vertreter einer Bewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, eine Verbesserung der Lebensstandards für Schwarze zu erreichen. Aus der Hoffnung und dem Optimismus heraus, durch Eigeninitiative Veränderungen herbeizuführen, entstand 1909 die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), die erste große Lobby für afroamerikanische Belange.[61] Ein Schwachpunkt dieser Bewegung war jedoch stets ihre Uneinigkeit. Strittig waren dabei weniger die Ziele als die unterschiedlichen Wege dorthin.[62] Vor dem Ersten Weltkrieg gab es innerhalb der Bewegung zwei Tendenzen: Die eine stand für die Akzeptanz des Status quo als Basis für eine progressive Besserstellung durch harte Arbeit, die andere forderte ausnahmslose und sofortige Gleichstellung.[63] Die eine Gruppe ging also von grundlegenden und garantierten Menschenrechten aus, die andere glaubte sich diese durch Arbeit erst verdienen zu müssen. Zwar hatte die NAACP im November 1917 beim Supreme Court einen Gerichtsbeschluss erwirkt, wonach die Rassentrennung unter Berufung auf den 14. Verfassungszusatz[64] als verfassungswidrig erklärt wurde. Doch entpuppte sich dieser Beschluss in der Praxis schnell als Papiertiger.[65] Es sollte fast vierzig Jahre dauern, bis die Rassentrennung in Bussen durch den Supreme Court aufgehoben wurde. Vorausgegangen war ein einjähriger Busboykott in Montgomery(AL), der von Dr. Martin Luther King ins Leben gerufen wurde. Dies war jedoch nur der Auftakt einer landesweiten Bürgerrechtsbewegung, die, angeführt und unterstützt von Persönlichkeiten wie Martin Luther King, Malcolm X[66] und Robert Kennedy, die Rassenproblematik auf die politische Agenda und somit auch in den öffentlichen Fokus rückte.

[...]


[1] Lapointe, Joe. „The Championship Fight That Went Far Beyond Boxing”. The New York Times (19. Juni 1988): S1.

[2] Bak, Richard. Joe Louis. The Great Black Hope. Dallas: Taylor Publishing Company, 1996: S. 151.

[3] „1914-18: Kohlrübenwinter“, unter: http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/kriegsverlauf/steckrue/ (5.Januar 2004).

[4] Schmeling, Max. Erinnerungen. Frankfurt a.M.: Ullstein, 1977: S. 21.

[5] Ebd., S. 23.

[6] Ebd., S. 23.

[7] Ebd., S. 29.

[8] Ebd., S. 41.

[9] Ebd., S. 50.

[10] Ebd., S. 57.

[11] Der aktuelle Titelhalter Gene Tunney ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere abgetreten, wodurch der Schwergewichtstitel vakant geworden ist.

[12] Schmeling, Erinnerungen, S. 195.

[13] Das ideologische Tauziehen um den Titel muss Schmeling Mitte der Dreißigerjahre erneut erleben, als er regelrecht um einen Titelkampf gegen James Braddock betrogen wird und Joe Louis den Vorzug erhält. Vgl. Kapitel 8.1.3.

[14] Der Oberbürgermeister von New York, Jimmy Walker, sprach von einem „glatten Fehlurteil“, Gene Tunney von einem „Skandal“. Und auch die amerikanische Presse bezeichnete die Entscheidung für Sharkey als eines der skandalösesten Urteile in der Geschichte des Boxsports.

Vgl. Schmeling, Erinnerungen, S. 253.

[15] Schmeling, Erinnerungen, S. 253.

[16] Beide gewaltbereiten Gruppierungen wurden 1931 gegründet. Die Harzburger Front setzte sich aus Vertretern des radikal-rechten Lagers zusammen: NSDAP, DNVP und dem Stahlhelm. Ihr gegenüber stand die Eiserne Front, welche sich aus Mitgliedern der SPD, den Gewerkschaften sowie einer Schutzformation gegen die Gewalttaten der SA, dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, rekrutierte.

[17] Schmeling, Erinnerungen, S. 259.

[18] 1916 wurde der Spartakusbund in Deutschland gegründet. Dabei handelte es sich um eine radikal-marxistische Gruppierung um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. 1919 ging der Bund in der KPD auf.

[19] Schmeling, Erinnerungen, S. 20.

[20] Ebd., S. 261.

[21] Ebd., S. 261.

[22] Ebd., S. 87.

[23] Ebd., S. 23.

[24] Vgl. Kapitel 7.1.4.

[25] Die deutsche Revolution im November 1918 wurde durch die Meuterei der Marine in Kiel ausgelöst. Sie führte letztendlich zur Abdankung Wilhelms II., der übrigen deutschen Fürsten und zur Ausrufung der Republik im Reich und in den deutschen Einzelstaaten.

[26] „Sport des NS-Staates“, unter: http://www.fhlueneburg.de/u1/gym03/expo/jonatur/geistesw/

zwischen/ entartet/geschich/nssport.htm (16. Januar 2004).

Hitler spricht dem Boxsport ohnehin einen speziellen „pädagogische Wert“ zu. In Mein Kampf schreibt er: „[…]Hierbei darf besonders ein Sport nicht vergessen werden, der in den Augen von gerade sehr vielen „Völkischen“ als roh und unwürdig gilt: das Boxen. Es ist unglaublich, was für falsche Meinungen darüber in den „Gebildetet“-Kreisen verbreitet sind. Daß der junge Mensch fechten lernt und sich dann herumpaukt, gilt als selbstverständlich und ehrenwert, daß er aber boxt, das soll roh sein! Warum? Es gibt keinen Sport, der wie dieser den Angriffsgeist in gleichem Maße fördert, blitzschnelle Entschlußkraft verlangt, den Körper zu stählerner Geschmeidigkeit erzieht. Es ist nicht roher, wenn zwei junge Menschen eine Meinungsverschiedenheit mit den Fäusten ausfechten, als mit einem geschliffenen Stück Eisen. Es ist auch nicht unedler, wenn ein Angegriffener sich seines Angreifers mit der Faust erwehrt, statt davonzulaufen und nach einem Schutzmann zu schreien. Vor allem aber, der junge gesunde Knabe soll auch Schläge ertragen lernen. Das mag in den Augen unserer heutigen Geisteskämpfer natürlich als wild erscheinen. Doch hat der völkische Staat eben nicht die Aufgabe, eine Kolonie friedsamer Athleten und körperlicher Degeneraten aufzuzüchten. Nicht im ehrbaren Spießbürgertum oder der tugendsamen alten Jungfer sieht er sein Menschheitsideal, sondern in der trotzigen Verkörperung männlicher Kraft und in Weibern, die wieder Männer zur Welt zu bringen vermögen.“ Vgl. Hitler, Adolf. Mein Kampf. München: Zentralverlag der NSDAP, 1940. S. 454f.

[27] 1) Er soll also zum einen in den USA Überzeugungsarbeit leisten, dass von der neuen deutschen Führung keine Gefahr ausgehe.

2) Er soll das amerikanische olympische Komitee von der Fairness der deutschen Ausrichtung der Spiele 1936 in Berlin überzeugen und somit einen möglichen amerikanischen Boykott der Veranstaltung vermeiden.

3) Er soll das Gerücht der Alliierten widerlegen, nachdem deutsche Truppen nach einem Gefecht den ehemaligen italienischen Boxer und Schmeling-Gegner Primo Carnera standrechtlich erschossen hätten.

4) Er soll um eine Audienz beim Papst bitten und im Vatikan die diplomatischen Wogen glätten, welche zuvor SS-Soldaten mit ihrem ordinären Auftreten dort hinterlassen haben.

[28] Schmeling, Erinnerungen, S. 263.

[29] Ebd., S. 264.

[30] Ebd., S. 264.

[31] Ebd., S. 265.

[32] In den 30er Jahren sieht sich Kortner direkten Angriffen der Nationalsozialisten ausgesetzt. In Goebbels’ Propagandablatt Der Angriff wurde geschrieben: „Man hat sich für die Rolle in „Gott, Kaiser und Bauer“ den Juden Kortner-Kohn engagiert, der im Berliner Theaterleben eigentlich längst ausgespielt haben sollte. Er ist so ziemlich der schmierigste und übelste Typ, der je auf einer deutschen Bühne gestanden hat“. Kortner musste die Konsequenzen ziehen und ging ins Exil. „Fritz Kortner“, unter: http://www.cyranos.ch/smkort-d.htm (17. Januar 2004).

- Ernst Josef Aufricht: Schauspieler und Theaterleiter, eröffnete 1928 das Theater am Schiffbauerdamm in Berlin mit der Uraufführung der Dreigroschenoper. 1933 musste er zunächst nach Frankreich und später in die USA emigrieren. „Ernst Josef Aufricht“, unter: http://www.alexanderverlag.com/

Neuer/autoren1/

aufricht.htm (17. Januar 2004).

- Ernst Deutsch: Expressionistischer Schauspieler (Nathan der Weise). 1933 Emigration in die USA.

[33] Schmeling, Erinnerungen, S. 265.

[34] Ebd., S. 288.

[35] Ebd., S. 288.

[36] Ebd., S. 292.

[37] „Crushing Attack by Schmeling Knocks Out Hamas in Ninth Round at Hamburg“. The New York Times (1937): S. 21.

[38] Vgl. Kapitel 7.1.1.

[39] Schmeling, Max. ...8-9-aus! Meine großen Kämpfe!. München: Copress-Verlag Hoffman & Hess, 1954: S. 139.

[40] Louis, Joe und Edna und Art Rust, Jr. Joe Louis: My Life. New York: Harcourt Brace Jovanovich, 1978.

[41] Ebd., S. 5.

[42] Barrow, Joe Louis, Jr., und Barbara Munder . Joe Louis: Fifty Years an American Hero. New York: McGraw-Hill, 1988: S. 20.

[43] Louis, S. 7.

[44] Berger, Meyer. „Portrait of a strong and silent man“. The New York Times (14. Juni 1936): SM10.

[45] Vgl. Barrow, Jr.: a.a.O., S. 28; Louis: a.a.O., S. 11.

[46] Louis, S. 13.

[47] Ebd., S. 14.

[48] Barrow, Jr. S. 29.

[49] Ebd., S. 31.

[50] Diese sogenannten „merchandise checks“ divergieren im Wert zwischen sieben und fünfundzwanzig Dollar.

[51] Barrow, Jr. S. 34.

[52] Ebd., S. 34.

[53] An Louis' ständigem Geldmangel trägt das Gespann keine Schuld. Seine chronische unkontrollierte Großzügigkeit wird eines seiner größten Laster werden.

[54] Barrow, Jr. S. 40.

[55] Vgl. Kapitel 5.2.

[56] Vgl. Barrow, Jr.: a.a.O., S.63; Bak: a.a.O., S. 114.

[57] In den knapp drei Jahrzehnten zwischen 1895 und 1920 entwickelt sich ein neues gesellschaftspolitisches Verständnis. Die Nation geht aus einem gerade gewonnenen militärischen Konflikt (Spanisch-Amerikanisch- Kubanisch- Philippinischer Krieg) gestärkt hervor und die wirtschaftliche Depression scheint überstanden. Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson verkörpern die neuen dynamischen politischen Führer einer Zeit, in der zwar noch nicht alle Ängste vor sozialen und politischen Problemen beseitigt sind, doch eine neue Hoffnung geboren wird, eben diese Probleme zu meistern und Begriffe wie Demokratie und Kapitalismus miteinander in Einklang zu bringen. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich eine breite Reformbewegung, deren Anhänger sich Progressives nennen und 1912 sogar eine eigene Partei gründen. Das Ziel dieser Bewegung ist, grob umrissen, eine Erneuerung der amerikanischen Gesellschaft, ihrer Werte und Institutionen.

[58] Du Bois, W.E.B. The Souls of Black Fol k, unter: http://www.toptags.com/aama/books/book13.htm (20. Januar 2004).

[59] Schwarze mussten in den so genannten „Jim Crow-Cars“ auf gesonderten Plätzen sitzen. Tennessee hatte dies als erster Staat 1881 für Zugabteile durchgesetzt. Vgl. Van Deusen, John G. The Black Man in White America. Washington, D.C.: Associated Publishers, INC., 1944: S. 2.

[60] Neben den drastischen Maßnahmen bei öffentlichen Verkehrmitteln und Einrichtungen gehen die Sanktionen sogar so weit, dass schwer verletzten Unfallopfern die Versorgung verwehrt wird und das Amerikanische Rote Kreuz Blutspenden von Afroamerikanern ablehnt. Vgl. Van Deusen, S. 6f.

[61] Hietala, Thomas R. The Fight Of The Century. Jack Johnson, Joe Louis and the Struggle for Racial Equality. New York: M.E. Sharpe, 2002: S. 6.

[62] In folgenden Punkten herrschte Einigkeit:

Sofortiger Stopp von rassistischen Übergriffen, v.a. dem Lynchen

Gerechtigkeit vor Gericht

Bessere Bildungseinrichtungen

Wirtschaftliche Chancengleichheit

Verbesserung der Lebensumstände in den Städten, v.a. bei Beleuchtung, Verkehrsanbindung, sanitären Einrichtungen und Polizeischutz in Schwarzenvierteln. Vgl. van Deusen, S. 319.

[63] Erstgenannte Sichtweise fand vor allem im Süden, bei Lehrern, Predigern und Geschäftsleuten Zuspruch. Ein Vertreter war Booker T. Washington.

Die Vertreter der zweiten Tendenz rekrutierten sich vornehmlich aus Afroamerikanern aus den nördlichen Bundesstaaten sowie Mulatten. Sie untermauerten ihre Forderungen lautstark, oftmals auch unter Anwendung von Gewalt, und fanden in der NAACP ihre Lobby. W.E.B. Du Bois war einer ihrer Wortführer.

[64] Der Verfassungszusatz von 1868 sicherte (theoretisch) die amerikanische Staatsbürgerschaft und die Bürgerrechte der ehemaligen Sklaven.

[65] Van Deusen, S.5f.

[66] Malcolm X vertrat den gewalttätigen Widerstand und sollte deshalb wohl nicht in einem Atemzug mit King und Kennedy genannt werden.

Ende der Leseprobe aus 123 Seiten

Details

Titel
Im Sog der Politik: Die Boxkämpfe von Joe Louis und Max Schmeling in den Jahren 1936 und 1938
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Amerika-Institut)
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
123
Katalognummer
V26507
ISBN (eBook)
9783638288170
Dateigröße
1325 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Gut gegen Böse", "Schwarz gegen Weiß" oder "Diktatur gegen Demokratie" - Joe Louis und Max Schmeling schienen lediglich zu Schachfiguren im deutsch-amerikanischen Ränkespiel degradiert. Der sportliche Gedanke, zerrieben zwischen den Mühlsteinen von Politik und Lobbyismus.
Schlagworte
Politik, Boxkämpfe, Louis, Schmeling, Jahren
Arbeit zitieren
Michael Wollny (Autor:in), 2004, Im Sog der Politik: Die Boxkämpfe von Joe Louis und Max Schmeling in den Jahren 1936 und 1938, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26507

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