Traceability – Qualitätssicherung durch Rückverfolgbarkeit


Studienarbeit, 2010

155 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Bedeutung von Traceability
1.2 Ausführliche Darstellung einer Rückrufaktion
1.2.1 Entwicklung der Anzahl der Rückrufaktionen in Deutschland
1.2.2 Darstellung der aktuellen Rückrufaktionen von Toyota
1.2.3 Finanzielle Auswirkungen der Rückrufaktionen von Toyota

2 Traceability – Qualitätssicherung durch Rückverfolgbarkeit
2.1 Definitionen und Begriffsabgrenzung
2.1.1 Traceability
2.1.2 Tracking (Verfolgbarkeit)
2.1.3 Tracing (Rückverfolgbarkeit)
2.1.4 Traceability im Rahmen der Liefer- und Wertschöpfungskette
2.1.5 Qualitätssicherung
2.2 Kernelemente von Traceability-Systemen
2.2.1 Identifikation wesentlicher Einheiten
2.2.2 Automatische Datenerfassung und -aufzeichnung
2.2.3 Verknüpfung der Traceability-Daten
2.2.4 Durchgehende Kommunikation
2.3 Gründe für die Einführung von Traceability
2.3.1 Gesetzliche Vorgaben
2.3.2 Nutzenaspekte und Druck zur Optimierung
2.3.3 Anforderungen der Kunden
2.3.4 Technologische Entwicklungen
2.4 Nutzen der Traceability für die Qualitätssicherung
2.5 Bestehende Technologien zur Realisierung von Traceability
2.5.1 Barcode-Systeme
2.5.1.1 Klassifizierung
2.5.1.2 Charakterisierung und Anwendungsgebiete
2.5.1.3 Darstellung ausgewählter Barcodearten
2.5.2 RFID-Systeme
2.5.2.1 Abgrenzung und Anwendungsgebiete
2.5.2.2 Geschichtliche Entwicklung und Standardisierung
2.5.2.3 Bestandteile und Funktionsweise
2.5.2.4 Komponenten eines RFID-Schreib-/Lesegerätes
2.5.2.5 Komponenten eines Transponders
2.5.2.6 Frequenzbänder und deren Eigenschaften
2.5.3 Indoor-GPS
2.5.3.1 Überblick über Positionierungssysteme und Abgrenzung
2.5.3.2 Funktionsweise und Systembeschreibung
2.6 Vergleich der Barcode- und RFID-Technologien
2.7 Beschreibung möglicher Realisierungsszenarien
2.7.1 Beispiel aus der Automobilbranche
2.7.2 Beispiel aus der Elektronikfertigung
2.8 Kosten-Nutzen-Betrachtungen
2.8.1 Kostenaspekte
2.8.2 Kosten-Nutzen-Analyse

3 Zusammenfassung und Ausblick

Abbildungsverzeichnis

Bild 1-1: Entwicklung der Rückrufaktionen von 1998 bis 2009

Bild 1-2: Schlagzeilen im Zusammenhang mit den Rückrufaktionen von Toyota

Bild 1-3: Gaspedal ohne und mit Distanzstück

Bild 1-4: Von der Rückrufaktion betroffene Modelle mit Produktionszeiträumen

Bild 2-1: Traceability beinhaltet Tracking und Tracing

Bild 2-2: Ausschnitt aus einem Tracking-Prozess

Bild 2-3: Ausschnitt aus einem Tracing-Prozess

Bild 2-4: Externe und interne Traceability

Bild 2-5: Recyclingkreislauf mit Unterstützung von Traceability

Bild 2-6: Bestandteile des QM

Bild 2-7:Vier Kernelemente eines Traceability-Systems

Bild 2-8: Eindeutige Identifikation einer Produktionscharge und eines Serienproduktes

Bild 2-9: Verknüpfung zwischen Warenstrom und Informationsfluss

Bild 2-10: Ablauf des Punkt-zu-Punkt-Informationsflusses

Bild 2-11: Ablauf bei zentraler Datenhaltung

Bild 2-12: Gründe für die Einführung von Traceability

Bild 2-13: Globale Trends

Bild 2-14: Lieferanten- und Wertschöpfungskette

Bild 2-15: Magisches Dreieck

Bild 2-16: Liefer- und Wertschöpfungskette eines Bio-Brotes

Bild 2-17: Vorteile von Traceability-Systemen und deren Beitrag zur Qualitätssicherung

Bild 2-18: Gliederung der Auto-ID-Systeme

Bild 2-19: Technologien zur Realisierung von Traceability

Bild 2-20: Gliederung der optischen Codierungen

Bild 2-21: Varianten des Barcodes

Bild 2-22: Aufbau eines 2D-Matrixcodes

Bild 2-23: Die wichtigsten Varianten des 1D-Barcodes

Bild 2-24: Aufschlüsselung eines Barcodes in EAN 13-Codierung

Bild 2-25: Verschiedene Barcodearten und ihre Anwendungsgebiete

Bild 2-26: Vor- und Nachteile des 2/5 Interleaved-Codes

Bild 2-27: Bild eines 2/5 Interleaved-Codes

Bild 2-28: Vor- und Nachteile des Code 128

Bild 2-29: Bild eines Code 128

Bild 2-30: Vor- und Nachteile des PDF417-Codes

Bild 2-31: Bild eines PDF417-Codes

Bild 2-32: Vor- und Nachteile des Data Matrix-Codes

Bild 2-33: Bild eines Data Matrix-Codes

Bild 2-34: Anwendungsfelder, Trägerobjekte und Nutzen von RFID-Systemen

Bild 2-35: Allgmeiner Aufbau des EPC

Bild 2-36: Geschichtliche Entwicklung der RFID-Technologie

Bild 2-37: Grundbestandteile eines RFID-Systems

Bild 2-38: Aufbau und Funktionsweise eines RFID-Lesegerätes

Bild 2-39: Master-Slave-Prinzip

Bild 2-40: Klassifizierung der RFID-Schreib-/Lesegeräte

Bild 2-41: Aufgaben des RFID-Schreib-/Lesegerätes

Bild 2-42: Grundbestandteile eines Transponders

Bild 2-43: Aufbau eines Transponders

Bild 2-44: Stark vereinfachte Gegenüberstellung der Arten von Transpondern

Bild 2-45: Frequenzbänder mit ihren Eigenschaften und Anwendungsgebieten

Bild 2-46: Klassifizierung von Positionierungssystemen

Bild 2-47: Vereinfachter Aufbau eines iGPS-Systems

Bild 2-48: Transmitter

Bild 2-49: Verschiedene iGPS-Sensoren

Bild 2-50: Grundbestandteile und generelle Funktionsweise des iGPS

Bild 2-51: Vorteile von Indoor-GPS-Systemen

Bild 2-52: Einsatzgebiete von iGPS

Bild 2-53: Vor- und Nachteile der Barcode-Systeme

Bild 2-54: Vor- und Nachteile der RFID-Systeme

Bild 2-55: Vergleich der beiden Systeme mit Hilfe ausgewählter Parameter

Bild 2-56: Vereinfachter Ablauf einer Rückrufaktion

Bild 2-57: Vorteile der RFID- gegenüber den Barcode-Systemen

Bild 2-58: Notwendige Daten auf RFID-Transpondern der Trays

Bild 2-59: Vorteile des Prinzips „Data on Tag“

Bild 2-60: Technik-Kosten von RFID-basierten Traceability-Systemen

Bild 2-61: Personalkosten von RFID-basierten Traceability-Systemen

Bild 2-62: Sonstige Kosten von RFID-basierten Traceability-Systemen

Bild 2-63: Entwicklung des weltweiten RFID-Umsatzes

Bild 2-64: Nutzen von Traceability-Systemen in bestimmten Einsatzgebieten

Bild 2-65: Übersicht zum qualitativ-operativen Nutzen

Bild 2-66: Übersicht zum qualitativ-strategischen Nutzen

Bild 2-67: Übersicht wesentlicher Bewertungsverfahren

Bild 2-68: Geschätzter Nutzen beim Wareneingang

Bild 2-69: Geschätzter Nutzen beim Warenausgang

Bild 2-70: Ermittlung des Kapitalwertes

Bild 2-71: Vorteile der FMEA

Bild 2-72: Vereinfachter Ablauf einer FMEA

Bild 2-73: Vereinfachtes FMEA-Arbeitsblatt

Bild 2-74: Berechnung der Risikoprioritätszahl

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Bedeutung von Traceability

Schlagzeilen wie „Unabsichtliche Beschleunigung“, „Unfälle mit Todesfolge aufgrund technischer Mängel“ und „Sammelklagen in Millionenhöhe“ stellen nur eine Auswahl von Schlagzeilen dar, die für eine lange Zeit auf den Titelseiten vieler Zeitungen und Zeitschriften in aller Welt zu lesen waren. Eine breite Öffentlichkeit wird sich noch an die vielen Berichte in den Medien zur beispiellosen Rückrufaktion von Toyota erinnern können. Doch diese Headlines beziehen sich nicht auf Toyota sondern auf eine andere der größten Rückrufaktionen der vergangenen Jahrzehnte: dem deutschen Premium-Automobilhersteller Audi

Im Jahre 1978 sollte der Audi 5.000 (eine baugleiche Variante des Audis 100 für den amerikanischen Markt [Welt 2010]) in den Vereinigten Staaten eingeführt werden. Dieser konnte am US-Markt gut abgesetzt werden und wurde daher schnell auch jenseits des Atlantiks zum Erfolgsmodell. Nach einiger Zeit wurde der Audi 5.000 immer wieder mit Unfällen – teils mit Todesfolge – in Verbindung gebracht. Der deutsche Autobauer wies zunächst die ihm daraufhin entgegengebrachte Kritik zurück. Ähnlich wie bei Toyota soll eine ungewollte Beschleunigung der Grund für die zahlreichen Verkehrsunfälle gewesen sein. [Kilimann 2010]

Obwohl dem Ingolstädter Autobauer keine Konstruktionsfehler nachgewiesen werden konnten [Welt 2010], musste Audi den Audi 5.000 aufgrund des immer größer werdenden Druckes der Öffentlichkeit und der US-Behörden insgesamt viermal zurück in die Werkstätten holen. [Focus 2010a] Der daraus resultierende Vertrauens- und Imageverlust seit der ersten Rückrufaktion 1982 führte dazu, dass der Pkw-Absatz von Audi in den folgenden fünf Jahren um über die Hälfte eingebrochen ist [Focus 2010a]. Vor dem ersten Rückruf konnte der Ingolstädter Autobauer noch 74.000 Autos jährlich absetzen. Nach etwa einem Jahrzehnt ist der Absatz auf 12.000 verkaufte Autos pro Jahr eingebrochen. [Kilimann 2010] [Welt 2010] Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, erklärt dazu, dass sich die VW-Tochter bis in die Gegenwart nicht von diesem Vorfall erholt hat. [Focus 2010] Dies zeigt sich auch in den aktuellen Verkaufszahlen der drei deutschen Premium-Autobauer. Sowohl der Münchner Autobauer BMW als auch Mercedes verkaufen in den Staaten deutlich mehr Autos als Audi. [Welt 2010]

Bis in die heutige Zeit hinein kommt es immer noch zu ähnlichen oder - wie im aktuellen Toyota-Fall – zu immer größeren Rückrufaktionen. Daher stellt sich natürlich die Frage, wie sich solche Rückrufaktionen vermeiden lassen oder wie sich zumindest ihr Umfang stark einschränken lässt – und zwar ohne die Sicherheit nur im Geringsten zu beeinträchtigen.

Das Thema dieser Studienarbeit „Traceability – Qualitätssicherung durch Rückverfolgbarkeit“ versucht genau auf diese Frage eine Antwort zu geben. Das Ziel der Studienarbeit ist es, die Bedeutung, Auswirkungen sowie die Einflüsse von Traceability im Rahmen der Qualitätssicherung in der industriellen Fertigung herauszuarbeiten und dabei auf die Einsatzmöglichkeiten näher einzugehen.

Durch eine eindeutige Identifizierung der Fehlerquelle können gezielt die Produkte zurückgerufen werden, die Mängel aufweisen. Dazu sind eine eindeutige Kennzeichnung aller Einzelteile, eine umfassende Datenquelle (z. B. Datenbanken) sowie ein standardisierter Zugriff erforderlich. Nur dadurch ist es möglich, den Fehler entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette bis zu seinem Entstehungsort zurück zu verfolgen und diesen entsprechend zu beheben.

Zunächst werden die rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Produkthaftung) und unternehmensinterne Ziele, die zum Betreiben von Traceability führen, systematisch dargelegt. Technische Lösungen (z. B. Barcode, RFID, Indoor-GPS) sowie die jeweils benötigte technische Infrastruktur zur Realisierung von Traceability werden im folgenden Kapitel ausführlich beschrieben und einem detaillierten Vergleich unterzogen. Anhand zweier Beispiele aus der Automobilwirtschaft und der Elektronikfertigung werden im darauffolgenden Kapitel mögliche Realisierungsszenarien ausgeführt. Im letzten Kapitel wird die Einführung von Traceability einer Kosten-Nutzen-Betrachtung unterzogen, um die Wirtschaftlichkeit dieser Methode zu beleuchten.

1.2 Ausführliche Darstellung einer Rückrufaktion

1.2.1 Entwicklung der Anzahl der Rückrufaktionen in Deutschland

Die Bedeutung von Traceability steigt unter anderem auch aufgrund der zunehmenden Anzahl von Rückrufaktionen in Folge der zunehmenden Produkt- und Systemkomplexität, der Funktionsintegration sowie der steigenden Anzahl an Zulieferern (z. B. aufgrund der geringen Wertschöpfungstiefe der Automobilhersteller). Obwohl das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im vergangenen Jahr keine Rückrufaktionen explizit anordnen musste, wurden dennoch 140 Rückrufaktionen von Automobilherstellern unter dessen Beteiligung realisiert. Nach Angaben des KBA wurden den Automobilproduzenten etwa 617.000 Anschriften von Fahrzeughaltern zur Verfügung gestellt. Die bei einer einzigen Rückrufaktion betroffenen Kraftfahrzeuge (entspricht in etwa den Anschriften) variierte im Jahr 2009 zwischen 48.732 Fahrzeugen und nur einem einzigen Fahrzeug. [Immen 2009: 52]

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Rückrufaktionen (einschließlich der überwachten Rückrufaktionen, die erst ab 2004 eingeführt worden sind) sowie Nachfassaktionen fast kontinuierlich gestiegen und erst in den letzten drei Jahren hat sich zumindest deren Anzahl etwas stabilisiert. Das folgende Diagramm veranschaulicht die Entwicklung der Rückrufaktionen. (Bild 1-1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 1-1: Entwicklung der Rückrufaktionen von 1998 bis 2009

(in Anlehnung an [IMMEN 2009: 52] )

2009 wurden 86 der 140 Rückrufaktionen aufgrund der besonderen Gefährlichkeit (d. h. im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheit von Menschen) durch das Kraftfahrt-Bundesamt überwacht. [Immen 2009: 51-52] Diese 86 überwachten Rückrufaktionen führten dazu, dass etwa 262.000 Personenkraftwagen in die Werkstätten zurückgerufen worden sind. Dies entspricht 42,5 Prozent aller zurückgerufenen Fahrzeuge. [Immen 2009: 52] [Koyuncu 2009: 87-92]

Das KBA überwacht bei den besonders gefährlichen Mängeln die Rückrufaktionen so lange, bis alle Mängel in den Werkstätten behoben oder alle Fahrzeughalter über den Mangel informiert worden sind. Dieses Ziel wird erreicht, indem im Verlauf einer Rückrufaktion so genannte Nachfassaktionen durchgeführt werden. Falls das betroffene Fahrzeug bis zu einem gewissen Zeitpunkt noch nicht in den entsprechenden Werkstätten vorgeführt worden ist, um den Mangel zu beheben, wird der Halter des Fahrzeuges wieder vom KBA angeschrieben. Im Jahr 2009 wurden bei Fahrzeugen mit besonders gefährlichen Mängeln 132 Nachfassaktionen gestartet. Insgesamt beträgt die Anzahl der Nachfassaktionen 154. Für diese Nachfassaktionen wurden 234.330 (Jahr 2008: 183.000) Halteranschriften vom KBA zur Verfügung gestellt. [Immen 2009: 52-53] [Koyuncu 2009: 87-92]

In einigen Jahren wurden mehr Nachfassaktionen als Rückrufe durchgeführt. Dies lässt sich dadurch erklären, dass es zu einer Rückrufaktion mehr als eine Nachfassaktion geben kann. Die Anzahl der möglichen Nachfassaktionen sowie die Fristen für Rückrufe (i. d. R. 12 bis 18 Monate, in dringenden Fällen nur ein halbes Jahr) werden individuell mit den betroffenen Herstellern vereinbart. [Elsner 2010]

1.2.2 Darstellung der aktuellen Rückrufaktionen von Toyota

Die Anzahl der betroffenen Fahrzeuge in Deutschland allein im Jahr 2009 ist nicht nur sehr hoch sondern auch durch Traceability zum Teil vermeidbar. Anhand eines aktuellen Falles soll zunächst konkret dargelegt werden, zu welchen negativen Auswirkungen Rückrufaktionen als Folge einer schlechten Qualitätssicherung führen können. Einer der spektakulärsten Rückrufaktionen der jüngsten Vergangenheit ist sicherlich der Fall Toyota. (Bild 1-2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 1-2: Schlagzeilen im Zusammenhang mit den Rückrufaktionen von Toyota

[ Automotorblog 2010, Focus 2010a, Spiegel 2010c, Süddeutsche 2010, Wiwo 2010 und ZeitOnline 2010]

Der Grund ist für diese in Europa durchgeführte Rückrufaktion ist demjenigen für die Rückrufaktion des Audi 5.000 in den USA sehr ähnlich. In beiden Fällen handelt es sich jeweils um ein fehlerhaftes Gaspedal. Auf den deutschen Internetseiten des weltweit größten Automobilherstellers wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass das Gaspedal in seltenen Fällen nicht in vertrauter Art und Weise in die ursprüngliche Lage zurückkehren könne. Mit weitaus geringerer Wahrscheinlichkeit könne es sogar sein, dass das Gaspedal in durchgetretener Position verbleibt. [Toyota 2010]

Nach Angaben des Autobauers sei die Ursache hierfür die erhöhte Reibung im Bauteil. Diese wird unter anderem durch Kondenswasser verursacht, das unter anderem beim Heizen des Autos bei niedrigen Tempertaturen entstehen kann. [Toyota 2010]

Mehrere Tage nach dieser Rückrufaktion hatten Toyota und sein amerikanischer Zulieferer CTS, von dem unter anderem auch Chrysler Gaspedale bezieht, eine Lösung gefunden. Die Reibung könne durch das Einsetzen eines präzise gefertigten Distanzstückes minimiert werden, da dadurch der Anpressdruck zwischen den beiden Oberflächen signifikant verringert werde. Zudem verstärkt das Distanzstück die Druckkraft der Feder, die das betätigte Gaspedal in seine ursprüngliche Position zurückbringt. Diese Metallstücke seien bereits in die Werkstätten verschickt. Nach Angaben von Burkard Weller, Inhaber der Wellergruppe und zugleich einer der größten Toyota-Händler in Deutschland, beanspruche der Einbau des Distanzstückes nur 30 Minuten. Ein ganz neues Gaspedal kostet nach bisherigen Schätzungen etwa 50 Euro. (Bild 1-3) [Haake 2010] [Lamparter 2010] [Toyota 2010] [Visser 2010]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 1-3: Gaspedal ohne und mit Distanzstück

(in Anlehnung an [Auto-motor-und-sport 2010])

Zu der Frage, ob der Fahrer ein fehlerhaftes Gaspedal im Voraus bemerken könne, meint Toyota auf seiner deutschen Internetseite, dass dies durch ein schwergängiges oder nur langsam zurückkommendes Gaspedal möglich sei. Falls dies von einem Toyota-Fahrer bemerkt werde, so empfiehlt Toyota umgehend den nächsten Händler aufzusuchen. [Toyota 2010]

Diese Meinung vertritt auch der TÜV Rheinland nach einem umfassenden TÜV-Test der betroffenen Toyota-Modelle. In allen Testreihen wurden die gesetzlichen Mindestforderungen bezüglich Bremsweg und Fahrzeugverzögerung erfüllt. [Focus 2010b]

Nach Angaben des weltweit größten Automobilherstellers gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Rückrufaktion in den USA und der in Europa. Ein Pressesprecher des japanischen Unternehmens konnte zunächst keine Auskunft über die Anzahl der betroffenen Fahrzeuge in Deutschland geben. Erst nach einer umfangreichen und längeren Prüfung kann herausgefunden werden, ob es sich nur um mangelhafte Zuliefererteile von CTS handelt beziehungsweise welche Fahrzeugmodelle zurückgerufen werden müssen; vor allem die Identifikation der Fahrzeuge, in denen die fehlerhaften Komponenten eingebaut wurden, gestaltet sich als schwierig und langwierig. Durch die stetig wachsende Globalisierung der Produktion des japanischen Unternehmens ist das Zuliefermanagement mit den zahlreichen Lieferanten sowie das Informationsmanagement gegenüber den Stakeholdern in den letzten Jahren vernachlässigt worden. [Focus 2010c] [Lamparter 2010]

„Wir können nicht einfach hergehen und sagen, in allen XY-Modellen ist das CTS-Pedal verbaut“, erklärte Pressesprecher Dirk Breuer (Techniksprecher von Toyota Deutschland) auf Anfrage von FOCUS Online. [Focus 2010c]

Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung der letzten Jahre stammen viele Gaspedale aus der kanadischen Fabrik des amerikanischen Zulieferers CTS. Da es sich bei diesem Unternehmen nicht um den einzigen Gaspedal-Zulieferer von Toyota handelt, ist es für den weltweit größten Automobilhersteller sehr aufwendig, herauszufinden, in welchen Fahrzeugen beziehungsweise welchen Fahrzeugchargen welche Komponenten in welchem Werk eingebaut worden sind. [Focus 2010c] [Lamparter 2010]

Rückverfolgbarkeitssysteme und die damit einhergehende Qualitätssicherung sind beim weltgrößten Automobilproduzenten nicht optimal implementiert – obwohl gerade Toyota in Bezug auf Qualität einen hervorragenden Ruf genießt. [Autobild 2008] [Vda 2009: 165-166] Aufgrund mangelhafter Rückverfolgbarkeit eventuell fehlerbehafteter Modelle zögerte das Unternehme lange, bis es die Öffentlichkeit über die notwendigen Rückrufe informierte. Inzwischen sind auf den deutschen Internetseiten von Toyota alle von den Rückrufaktionen betroffenen Modelle mit ihrem entsprechenden Produktionszeitraum aufgeführt. Dadurch können alle Toyota-Besitzer in Erfahrung bringen, welche PKWs in die Werkstätten zurückgebracht werden müssen. (Bild 1-4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 1-4: Von der Rückrufaktion betroffene Modelle mit Produktionszeiträumen

(in Anlehnung an [ Toyota 2010])

Nach Angaben von Toyota Deutschland werden 215.796 Fahrzeuge von der Rückrufaktion betroffen sein. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Rückrufaktion des japanischen Unternehmens. In den Autowerkstätten sollen die betroffenen Fahrzeuge hinsichtlich der Funktionsweise des Gaspedals untersucht und gegebenenfalls repariert werden. Dazu haben die entsprechenden Fahrzeughalter eine schriftliche Aufforderung vom Kraftfahrt-Bundesamt erhalten. Für weitere Informationen wurde eine Kunden-Hotline eingerichtet. Betroffenen Toyota-Besitzern wird empfohlen der Aufforderung nachzukommen, da in Nachfassaktionen durch das Kraftfahrt-Bundesamt überprüft werden wird, ob die betroffenen Fahrzeuge auch tatsächlich in einer Werkstatt kontrolliert worden sind. Falls dies nicht der Fall sein sollte, kann die Behörde den betroffenen Toyota abmelden. [Berger 2010] [Lamparter 2010] [Toyota 2010]

Allein in Europa wurden etwa 1,8 Millionen Toyotas in die Werkstätten zurück beordert. Seit November 2009 wurden insgesamt über neun Millionen Toyotas weltweit zurück gerufen – dies entspricht in etwa dem bislang besten Verkaufsjahr 2007 des japanischen Unternehmens. [Focus 2010c] [Lamparter 2010]

Das amerikanische Zulieferunternehmen CTS geht von insgesamt zwölf defekten Pedalen aufgrund von Verschleiß aus. Im Gegensatz dazu will die US-Verbraucherorganisation rund 2.000 beschädigte Gaspedale festgestellt haben. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, ob es sich wirklich um einen Konstruktionsfehler gehandelt hat, da dann jedes Pedal in der entsprechenden Charge betroffen sein müsste oder ob eventuell ein anderer Fehler aufgetreten ist. Die genaue Anzahl wird erst nach Abschluss aller Ermittlungen bekannt gegeben werden können. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass von den rund neun Millionen Fahrzeugen höchstens jedes zehntausendste Mängel aufgewiesen hat. Daher wurden wahrscheinlich bei über 99,9 Prozent der zurückgerufenen Toyotas keine Mängel festgestellt. [Adac 2010] [Autoscout24 2010] [Riedel 2010]

1.2.3 Finanzielle Auswirkungen der Rückrufaktionen von Toyota

Insgesamt beläuft sich der Schaden um die möglicherweise neun Millionen defekten Gaspedale nach Berechnungen von Analysten auf mindestens sechs bis sieben Milliarden Euro allein in diesem Jahr. Als Ursachen können das negative öffentliche Image und die damit verbunden Absatzeinbrüche sowie kostenintensive Verkaufskampagnen (z. B. Rabatte, zinslose Finanzierung, längere Garantielaufzeiten) und vor allem in den USA bevorstehende teure Rechtsstreitigkeiten angeführt werden. [Sanchanta 2010]

Der Markanteil von Toyota in den USA ist als Folge der Rückrufaktionen im Februar von 14,0 Prozent auf 12,7 Prozent gesunken. Dieser nur relativ geringe Rückgang der Verkaufszahlen lässt sich mit der aggressiven Absatzpolitik in den Vereinigten Staaten begründen. [Spiegel 2010a]

Allein die Kosten für die notwendigen Reparaturarbeiten und Verkaufseinbußen beziffert der japanische Autobauer auf mindestens 1,4 Milliarden Euro. Darin sind zwar die voraussichtlichen Kosten für Ersatzteile in Höhe von deutlich über 100 Millionen Euro enthalten, allerdings konnten noch keine genauen Vorhersagen über die entstandenen Arbeitskosten ermittelt werden. [Focus 2010c] [Spiegel 2010b]

Der Autoökonom Ferdinand Dudenhöffer geht davon aus, dass die Pannenserie von Toyota – ähnlich wie vor einigen Jahrzehnten die von Audi – sowohl den Marktanteil als auch den Gewinn im weltweit größten Automarkt (USA) und in Europa nachhaltig schwächen wird. Medienberichten zufolge ist der Absatz des japanischen Autobauers um über 20 Prozent eingebrochen. [Kaiser 2010]

Darüber hinaus verliert Toyota nicht nur Vertrauen in der breiten Öffentlichkeit sondern auch Marktanteile an die Konkurrenz. Während der deutsche Volkswagenkonzern zusammen mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und dem VW-Betriebsratschef Osterloh darauf achtet, in Zukunft kein ähnliches Debakel erleiden zu müssen, versuchen die amerikanischen Konkurrenten Ford und GM dem japanischen Unternehmen aggressiv Marktanteile abzunehmen. Beide US-Autobauer bieten Toyota-Besitzern beim Kauf eines Fords oder GMs eine Wechselprämie in Höhe von 1.000 US-Dollar an. [Focus 2010c] [Manager-Magazin 2010a]

Zusätzlich sind die juristischen Strafzahlungen zu berücksichtigen. Nur für das schleppende Anlaufen der Rückrufaktionen hat das japanische Unternehmen eine Zahlung in Höhe von ungefähr zwölf Millionen Euro akzeptiert. Für die weit über 200 bevorstehenden Prozesse in den USA hat Toyota etwa eine Milliarde Euro Rückstellungen gebildet, um unter anderem Zahlungen an Aktionäre, Unfallopfer und Angehörige (etwa 52 Menschen kamen möglicherweise durch Unfälle aufgrund defekter Gaspedale ums Leben) bedienen zu können. [Doll 2010]

Einige Sammelklagen von Toyota-Besitzern, die Schadensersatz für den Wertverlust ihrer Toyotas im Zusammenhang mit den Rückrufaktionen fordern, sind bereits eingereicht worden. Der dadurch entstandene Wertverlust lässt sich einfach abschätzen: Multipliziert man die weltweit acht bis neun Millionen Toyotas mit einem durchschnittlichen Wertverlust von 400 Euro pro Fahrzeug (durchschnittlicher Preisverfall bei gebrauchten Toyotas nach der Pannenserie) so ergibt sich ein gesamter Wertverlust von 3,5 Milliarden Euro. [Spiegel 2010a]

Ein amerikanischer Jura-Professor und Anwalt, der mit den strafrechtlichen Auseinandersetzungen in den USA betraut ist, schätzt die Strafzahlungen auf rund 20 Milliarden Euro. Toyota geht dagegen nur von knapp 1,5 Milliarden Euro aus. [Welt 2010a]

Doch nicht nur Strafzahlungen und juristische Auseinandersetzungen belasten den weltweit größten Autobauer. Darüber hinaus leidet auch das Image des Unternehmens, das bis vor diesem Debakel nicht nur von einer breiten Öffentlichkeit sondern auch von der Konkurrenz als besonders qualitätsbewusst wahrgenommen worden ist.

Das Vertrauen der Kunden in Deutschland ist so zum Beispiel massiv gesunken. Etwa 25 Prozent der von einem Rückruf betroffenen Toyota-Fahrer geben an, diese Autos nun mit geringerer Qualität in Verbindung zu bringen – selbst wenn keine technischen Mängel festgestellt werden konnten. Über 75 Prozent geben an, dass sie von einem internationalen Imageschaden der Marke Toyota ausgehen. [Welt 2010b]

Die Probleme mit den Gas- und Bremspedalen können möglicherweise auch auf verrutschte Fußmatten zurückgeführt werden. Gerade in den USA verwenden viele Autofahrer diverse zusätzliche Fußmatten, die sie auf die schon vorhandenen Fußmatten legen, um diese zu schützen. Diese Schutzmatten sind oft mangelhaft oder überhaupt nicht befestigt und können daher unter Umständen das Gas- oder Bremspedal blockieren.

Außerdem stellt sich nach umfassenden Untersuchungen von Unfällen, in die Toyotas verwickelt waren, immer wieder heraus, dass es sich um keinen technischen Defekt gehandelt haben kann sondern um einen individuellen Fehler des Fahrzeugführers. [Welt 2010a]

Dennoch hat sich Toyota für eine breit angelegte Rückrufaktion entschieden, weil dadurch die drohenden juristischen Auseinandersetzungen um die Produkthaftung zumindest größtenteils vermieden werden können. Ein Jurist des ADAC weist darauf hin, dass die Strafzahlungen im Zusammenhang mit Produkthaftung in amerikanischen Prozessen auf einem ganz anderen Niveau stattfinden als in Deutschland. Von dem damit einhergehenden medialen Druck erholen sich viele Unternehmen erst nach vielen Jahren, wie auch die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat. [Engel 2010]

So ist der Absatz von Audi nach den Rückrufaktionen um etwa 60 Prozent gefallen und obwohl selbst nach intensiven Untersuchungen keine technischen Mängel festgestellt werden konnten, setzt der Ingolstädter Autobauer auch heute noch weniger Autos in den USA ab als die direkten Konkurrenten aus Deutschland. Durch diese Pannenserie wird daher auch der japanische Autobauer für die nächsten Jahre seine Preise senken müssen, um einen weiteren Absatzeinbruch zu vermeiden. [Focus 2010a]

2 Traceability – Qualitätssicherung durch Rückverfolgbarkeit

Durch die einleitende Darstellung der aktuellen Rückrufaktionen von Toyota wurde die hohe und stetig steigende Bedeutung von Qualität, insbesondere der Sicherung von Qualität, herausgearbeitet. Im Rahmen des Qualitätsmanagements ist es die Hauptaufgabe der Qualitätssicherung, die Qualität von Produkten (z. B. Gaspedale) sowie von Prozessen (z. B. Produktionsprozess) sicher zu stellen. Dafür können verschiedene Maßnahmen und Methoden angewendet werden. So ist ein wesentlicher Bestandteil der Qualitätssicherung Traceability.

In der vorliegenden Studienarbeit werden im ersten Kapitel die wichtigsten Begriffe definiert und voneinander abgegrenzt. Im zweiten Kapitel werden die Kernelemente von Traceability-Systemen erläutert. Die wichtigsten Gründe für die Einführung von Traceability (z. B. rechtliche Rahmenbedingungen, unternehmensinterne Ziele) werden im dritten Kapitel beschrieben. Im Anschluss wird der Beitrag der Traceability zur Qualitätssicherung zusammengefasst. Im fünften Kapitel werden die beiden am weitesten verbreiteten Technologien (Barcode- und RFID-Systeme) sowie die jeweils benötigte technische Infrastruktur zur Realisierung von Traceability vorgestellt. Darüber hinaus wird auf eine noch relativ neuartige Technologie – dem Indoor-GPS – kurz eingegangen. In Kapitel sechs werden die Barcodesysteme den RFID-Systemen gegenübergestellt. Daran anschließend werden im siebten Kapitel zwei mögliche Realisierungsszenarien ausführlich beschrieben. In Kapitel acht werden die Kosten und der Nutzen bei der Einführung von Traceability-Systemen analysiert.

2.1 Definitionen und Begriffsabgrenzung

Zu Beginn des Haupteils werden zuerst einige wesentliche Definitionen aufgeführt und Begriffsabgrenzungen vorgenommen. Diese sollen zum besseren Verständnis der folgenden Ausführungen beitragen.

2.1.1 Traceability

Der Anglizismus „Traceability“ kann mit den Worten „Nachvollziehbarkeit“, „Nachweisbarkeit“ oder „Rückverfolgbarkeit“ ins Deutsche übersetzt werden. Zur genaueren Definition des Begriffs „Rückverfolgbarkeit“ ist es sinnvoll, auf vorhandene Richtlinien und Normen zurückzugreifen.

Die Normenreihe DIN EN ISO 9000:2005ff. beschreibt viele Richtlinien und Begriffsbestimmungen im Bereich des Qualitätsmanagements und ermöglicht so einen ersten Zugang zu dieser Thematik. Die DIN EN ISO 9000:2005 mit dem Titel „Qualitätsmanagementsysteme - Grundlagen und Begriffe“ wurde im Dezember 2005 veröffentlicht und definiert Rückverfolgbarkeit (engl. Traceability) folgendermaßen:

„Rückverfolgbarkeit ist die Möglichkeit den Werdegang, die Verwendung oder den Ort des Betrachteten zu verfolgen.“ [Din En Iso 9000:2005: 26]

Dabei kann sich die Rückverfolgbarkeit eines Produkts vor allem auf die folgenden Punkte beziehen:

- die Herkunft von Materialien, (Einzel-)Teilen und Einsatzfaktoren
- die Entstehungs- und Verarbeitungsgeschichte bzw. die Wertschöpfungskette des Produktes
- die Distribution und der Verbleib des Produktes nach dem Verkauf beziehungsweise der Auslieferung

[Gebhardt 2009] [Din En Iso 9000:2005: 26]

Der Arbeitskreis Traceability des ZVEI definiert diesen Begriff in seinem Leitfaden folgendermaßen:

„Traceability ermöglicht die Rückverfolgbarkeit von Materialien und Produkten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und beinhaltet die Zustände ‚Tracking‘ und ‚Tracing‘.“ [Zvei 2009: 7]

Traceability umfasst also sowohl die Verfolgung (Tracking) als auch die Rückverfolgung (Tracing) von Produkten entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette. Die Der Begriff Traceability bezieht sich daher nicht nur auf die Rückverfolgbarkeit sondern auch auf die Verfolgbarkeit. (Bild 2-1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-1: Traceability beinhaltet Tracking und Tracing

(in Anlehnung an [ Kikidis 2009: 19-20 und Wegner-Hambloch 2004: 59-60])

2.1.2 Tracking (Verfolgbarkeit)

Unter Tracking beziehungsweise Vorwärtsverfolgbarkeit versteht man die lückenlose Verfolgung aller Elemente und aller Behandlungsparameter bis zum fertigen Endprodukt und zwar entlang der logistischen Kette vom Lieferanten über den Hersteller bis zum Kunden. (Bild 2-2) [Kikidis 2009: 20-21] [Reusch 2008: 40-45] [Wegner-Hambloch 2004: 59-60] [Zvei 2009: 77]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-2: Ausschnitt aus einem Tracking-Prozess (stark vereinfacht)

(in Anlehnung an [ Arburg 2007, Brose 2010, Kersting 2009 und Müller 1975])

Gründe, die für die Einführung der Vorwärtsverfolgbarkeit sprechen, sind in erster Linie die Dokumentation (z. B. der Fertigungsschritte), die Statusinformationen (z. B. hinsichtlich des Produktionsstandes), die Fertigungssteuerung (z. B. zur optimalen Auslastung der verfügbaren Kapazitäten). Die Optimierung von Prozessen und von logistischen Warenflüssen (z. B. um die im Umlauf befindlichen Bestände zu reduzieren) können als weitere Motive angeführt werden. Dabei ist die verfolgte Produktionseinheit meist ein Los (Merkmal: gemeinsame Losnummer) oder auch ein bestimmtes Einzelstück des Produktes (Merkmal: eindeutige Seriennummer). [Reusch 2008: 41-43]

2.1.3 Tracing (Rückverfolgbarkeit)

Im Gegensatz zum Tracking wird unter Tracing die Rückwärtsverfolgung vom Endprodukt (Fertigprodukt) zu seinen einzelnen Elementen und Behandlungsparametern verstanden. Hier wird also beispielsweise ein Fahrzeug vom Kunden über den Händler, den Automobilhersteller, seinen Lieferanten bis hin zum letzten Unterlieferanten zurückverfolgt. Dazu sind Daten, die entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette aufgezeichnet worden sind, unbedingt erforderlich (vgl. Vorwärtsverfolgbarkeit aus Kapitel 2.1.2). (Bild 2-3) [Kikidis 2009: 20-21] [Reusch 2008: 40-45] [Wegner-Hambloch 2004: 59-60] [Zvei 2009: 77]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-3: Ausschnitt aus einem Tracing-Prozess (stark vereinfacht)

(in Anlehnung an [ Arburg 2007, Brose 2010, Kersting 2009 und Müller 1975])

Die Gründe für die Rückwärtsverfolgbarkeit sind neben den Statusinformationen und der Fertigungssteuerung (vgl. Kapitel 2.1.2) hauptsächlich im Qualitätsmanagement und vor allem im Rahmen der Qualitätssicherung (vgl. Kapitel 2.1.5) zu suchen. Ein weiterer wichtiger Anlass zur Einführung der Rückwärtsverfolgbarkeit ist, dass durch die bessere und genauere Problemeingrenzung Rückrufaktionen effektiver und effizienter durchgeführt werden können. Falls der Kunde einen Defekt am Auto bemerkt, so wird zunächst mit Hilfe des Traceability-Systems die Ursache des Problems und durch die nach verfolgbaren Lieferbeziehungen der Verursacher ermittelt. [Reusch 2008: 41-43]

2.1.4 Traceability im Rahmen der Liefer- und Wertschöpfungskette

Interne Traceability

Unter interner Traceability ist die Produkt- und Prozessrückverfolgbarkeit des Auftragnehmers innerhalb seiner Wertschöpfungskette zu verstehen. Umfang, Parameter und Dokumentation dieser Rückverfolgbarkeit unterliegen gesetzlichen und internen Regularien und werden im Allgemeinen nicht nach außen kommuniziert. Es soll dadurch eine Risikobewertung ermöglicht werden, aber kein Know-how-Transfer stattfinden. [Kikidis 2009: 21-22][Zvei 2009: 7]

Externe Traceability

Unter externer Traceability ist die Rückverfolgbarkeit von Informationen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (z. B. Kunde) zu verstehen. Diese ist mittels einer eindeutigen Kennzeichnung auf dem Produkt (wenn möglich), der kleinsten Verpackungseinheit und/oder der Begleitdokumentation einer Lieferposition zu gewährleisten. [Kikidis 2009: 21-22] [Zvei 2009: 7]

Die interne Traceability bezieht sich somit auf lückenlose Verfolgbarkeit im Unternehmen selbst, während sich die externe Traceability auf die Beziehung zwischen zwei Unternehmen oder zwischen Unternehmen und Kunden bezieht. Der Zusammenhang zwischen interner und externer Traceability im Rahmen der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette wird mit Hilfe der folgenden Darstellung verdeutlicht. (Bild 2-4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-4: Externe und interne Traceability

Anhand dieser Darstellung wird ersichtlich, dass die interne Wertschöpfungs- beziehungsweise Prozesskette des Zulieferers prinzipiell sehr ähnlich sowohl zu der des Unternehmens als auch zu der des Kunden ist (z. B. Beschaffung, Produktion/Konsum, Vertrieb/Entsorgung). Entlang dieser Kette, die grundsätzlich aus Beschaffung, Produktion und Vertrieb besteht, können der Lieferant, das Unternehmen sowie der Kunde eine interne Traceability implementieren und durchführen. Aber erst durch die Integration dieser einzelnen und zunächst isolierten internen Traceability-Systeme in ein alles umfassendes Traceability-System kann eine Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette erreicht werden. Diese erstreckt sich somit idealerweise von der Entwicklung des allerersten Zulieferteils (unter Umständen sogar von der Gewinnung der Rohstoffe) über die unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen und dem anschließenden Produktlebenszyklus bis hin zum Recycling und gegeben falls zur Wiederverwertung der Produkte.

In diesem Zusammenhang und aufgrund weiterer Argumente (z. B. steigende Rohstoffpreise, zunehmende Bedeutung des Umweltschutzes, gesetzliche Vorgaben) ist ein möglichst geschlossener Kreislauf anzustreben. Dies soll die folgende Darstellung schematisch veranschaulichen. (Bild 2-5) [Berninger 2010] [Mäurer 2010] [Stettmayer 2010] [Winter 2010]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-5: Recyclingkreislauf mit Unterstützung von Traceability

2.1.5 Qualitätssicherung

Eine mögliche Definition des Begriffes Qualitätssicherung ist in der DIN ISO 9000:2005 zu finden. Qualitätssicherung ist ein

„Teil des Qualitätsmanagements, der auf das Erzeugen von Vertrauen darauf gerichtet ist, dass Qualitätsforderungen erfüllt werden.“ [Din En Iso 9000:2005: 21]

Qualitätssicherung umfasst also alle planmäßigen und systematischen Aktivitäten, um ein angemessenes Vertrauen herzustellen, so dass bestimmte Anforderungen und Erfordernisse erfüllt werden. Eine weitere gute Begriffsbestimmung kann in Gablers Wirtschaftslexikon nachgeschlagen werden:

„Die Qualitätssicherung umfasst als Bestandteil des Qualitätsmanagements alle organisatorischen und technischen Maßnahmen, die vorbereitend, begleitend und prüfend der Schaffung und Erhaltung einer definierten Qualität eines Produkts oder einer Dienstleistung dienen.“ [Voigt 2010]

VOIGT 2010 nennt die Qualitätssicherung als einen Bestandteil des Qualitätsmanagements. Die folgende Darstellung soll alle möglichen Bestandteile beziehungsweise Ziele des Qualitätsmanagements (QM) verdeutlichen (Bild 2-6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-6: Bestandteile des QM

(in Anlehung an [ Din En Iso 9000:2005])

In der Literatur lassen sich unterschiedliche Bestandteile des Qualitätsmanagements finden. So führt [Wiendahl 2008: 362] nur Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätssicherung sowie Qualitätsverbesserung als Bestandteile und Ziele des Qualitätsmanagements an. Unter Qualitätsmanagement versteht man nach der ISO 9000:2005:

„Aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zur Leitung und Lenkung einer Organisation bezüglich Qualität.“ [Din En Iso 9000:2005: 21]

Um die Qualität in einem Unternehmen kontinuierlich zu erhöhen, werden von zahlreichen Unternehmen Qualiätsmanagementsysteme eingeführt. In dieser Studienarbeit wird im weiteren Verlauf unter anderem untersucht, warum ein Unternehmen in diesem Zusammenhang auch Traceability in ein modernes und nachhaltiges Qualiätsmanagementsystem integrieren muss. Der Begriff des Qualiätsmanagementsystem ist in der ISO 9000:2005 definiert als ein

„System zum Festlegen von Politik und Zielen sowie zum Erreichen dieser Ziele.“ [Din En Iso 9000:2005: 20]

2.2 Kernelemente von Traceability-Systemen

Systemlösungen für Traceability müssen zahlreiche und komplexe Prozesse sowohl in als auch zwischen den jeweiligen Unternehmen entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette erfassen und verfolgen können. Daher ist eine Anpassung eines jeden Traceability-Systems an die unternehmensspezifischen Gegebenheiten und Anforderungen notwendig. Infolgedessen ist jedes dieser Systeme einzigartig. Jedoch bestehen alle Traceability-Systeme aus den folgenden vier Kernelementen. (Bild 2-7) [Kikidis 2009: 56-57] [Wegner-Hambloch 2004: 61]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-7:Vier Kernelemente eines Traceability-Systems

(in Anlehnung an [ Kikidis 2009: 56-57 und Wegner-Hambloch 2004: 61])

Diese vier ineinandergreifenden Kernelemente sind die Grundlage eines jeden Traceability-Systems und die Voraussetzung für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit von Produkten und Dienstleistungen. Dabei ist die Festlegung von einheitlichen Richtlinien und Regelungen erforderlich, die in allen Unternehmen weltweit eingehalten werden. Nur dadurch kann die Kontinuität und Verlässlichkeit eines lückenlosen Traceability-Systems entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette sichergestellt werden. Das Global Standards One-System (GS1-System) stellt hierfür entsprechende Lösungen bereit. Mit Hilfe dieser Standards wird eine durchgängige Nutzung der vier Kernelemente (Identifikation, Datenerfassung und -aufzeichnung, Verknüpfung, Kommunikation) von Traceability-Systemen gewährleistet. Dabei wird eine automatisierte Verarbeitung von Daten durch eine enge Verzahnung der GS1-Nummernsysteme (vgl. Kapitel 2.5.1.2) mit der automatisierten Datenerfassung, der elektronischen Datenverarbeitung sowie den Anwendungen im elektronischen Datenaustausch ermöglicht. Um jede Einheit entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette verfolgen zu können, sind geeignete Auto-ID-Systeme (z. B. Barcode- und RFID-Systeme) notwendig. [Kikidis 2009: 56-57] [Wegner-Hambloch 2004: 61]

2.2.1 Identifikation wesentlicher Einheiten

Die Identifikation von Einheiten sowie aller an der Liefer- und Wertschöpfungskette Beteiligten muss weltweit eindeutig und überschneidungsfrei möglich sein. Diese Anforderungen werden ausschließlich durch das GS1-Nummernsystem erfüllt und daher wird im folgenden Abschnitt erläutert, wie die einzelnen Einheiten durch dieses Nummernsystem identifiziert werden können. [Kikidis 2009: 27 und 57-58] [Wegner-Hambloch 2004: 61-62]

Dabei ist grundsätzlich zwischen der Identifikation von Einheiten (z. B. Chargen, Serien, Produkten, Verpackungen, Versandeinheiten) und aller an der Liefer- und Wertschöpfungskette Beteiligten mit ihren physischen und elektronischen Adressen (z. B. von Unternehmen, Niederlassungen, relevanten Betriebsteilen) zu differenzieren. Zur eindeutigen Identifikation von Lokationen wird die Globale Lokationsnummer (Global Location Number (GLN)) verwendet. Dadurch sind alle beteiligten Unternehmen und Orte (z. B. Bearbeitungsstationen, Lagerplätze) innerhalb des Traceability-Systems identifizierbar. [Kikidis 2009: 28-29 und 57-58] [Wegner-Hambloch 2004: 61-62]

Bei der eindeutigen Identifikation von Einheiten werden vordefinierte Zugriffsschlüssel (z. B. Artikelnummer mit Chargenidentifikation/Seriennummer, Packstückidentifikation) genutzt. Damit ist der Zugriff auf entsprechende Daten möglich und deswegen können Produkte entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette verfolgt werden. Gewöhnlich besteht eine Einheit aus Produkten, die den gleichen Transformationsprozess durchlaufen haben (z. B. Chargen). Sobald diese transformiert wird (z. B. durch einen Produktionsprozess), muss ihr ein neuer Zugriffsschlüssel zugeordnet werden. [Kikidis 2009: 29 und 57-58] [Wegner-Hambloch 2004: 61-62]

Für die Identifikation von Artikeln und den reibungslosen Austausch von Artikeldaten zwischen allen beteiligten Unternehmen ist eine eindeutige und weltweit überschneidungsfreie Kennzeichnung (z. B. der Verkaufs- und Handelseinheiten) erforderlich. Hierfür wird die Globale Artikelnummer (Global Trade Item Number (GTIN)) eingesetzt. Für die Rückverfolgung von Warengruppen oder einzelnen Produkten wird die GTIN mit einer Chargen- oder Seriennummer verknüpft. [Kikidis 2009: 30 und 57-58] [Wegner-Hambloch 2004: 62]

Die Identifikation von Chargen dient vor allem der Kennzeichnung von Produkten aus Großproduktionen (z. B. Autoreifen, Verpackungen). Dabei legt der Hersteller die Chargennummer fest und kombiniert diese mit der GTIN des Produktes. Somit wird zur eindeutigen Identifikation einer Produktcharge sowohl die Chargennummer als auch die GTIN benötigt. Dies wird in der nachfolgenden Abbildung (Bild 2-8) dargestellt. Die Eindeutigkeit und Überschneidungsfreiheit der Chargennummern gleicher Produkte (d. h. mit gleicher GTIN) muss auch bei mehreren Produktionsstandorten sichergestellt werden. [Kikidis 2009: 31 und 57-58]

Ein individueller Artikel kann mit Hilfe der Seriennummer einer bestimmen Serienproduktion (z. B. von elektronischen Geräten, Autoersatzteilen) zugeordnet werden. Für diesen Zweck ist es unbedingt erforderlich, dass die Seriennummer einzigartig pro Artikel (GTIN) ist. Eine Seriennummer ist also eine Art Chargennummer, bei der die Charge lediglich eine Einheit umfasst. Die Seriennummer wird vom jeweiligen Hersteller bestimmt und mit der GTIN des Produktes kombiniert. Außerdem muss auch bei der Seriennummer sichergestellt werden, dass diese weltweit eindeutig und überschneidungsfrei ist, sowie nicht mehrfach vergeben wird. Nur dadurch ist die Identifikation eines individuellen Produktes mit Hilfe der Kombination aus GTIN und Seriennummer möglich, wie der folgenden Abbildung zu entnehmen ist. (Bild 2-8) [Kikidis 2009: 32-33 und 57-58]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-8: Eindeutige Identifikation einer Produktionscharge und eines Serienproduktes

( in Anlehnung an [Kikidis 2009: 31-32])

Der Aufbau der Chargennummer und der Seriennummer ist identisch. Dabei sind die folgenden Aspekte zu beachten:

- Gemäß GS1-Richtlinien bestehen Chargennummern aus maximal 20 numerischen oder alphanumerischen Zeichen.
- Die Zeichen des ASCII-Zeichensatzes können komplett verwendet werden.
- Systemseitig werden keine Vorgaben über den tatsächlichen Aufbau gemacht. Allerdings sollten Chargennummern für eine effiziente automatische Datenerfassung (z. B. mit Barcode- und RFID-Systemen) möglichst wenige Stellen haben.

[Kikidis 2009: 31-33 und 57-58]

Für die Identifikation von logistischen Einheiten wird die weltweit standardisierte Nummer der Versandeinheit (NVE) beziehungsweise der Serial Shipping Container Code (SSCC) genutzt. Zur eindeutigen Identifikation einer Transporteinheit wird die NVE einmalig vom jeweiligen Versender vergeben und kann von allen Beteiligten der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette verwendet werden. Somit können mit der NVE alle logistischen Einheiten auf ihrem Weg vom Absender über entsprechende Logistikunternehmen bis zum Empfänger verfolgt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Versandeinheit gleiche oder unterschiedliche Produkte enthält. Durch das Zusammenfassen von verschiedenen Versandeinheiten entsteht eine neue Versandeinheit, die ihre eigene NVE erhält. Im Gegensatz zu den zusammengefassten NVEs ist nur noch diese übergeordnete NVE für den weiteren Weg entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette von Bedeutung. Erst nach Auflösen der übergeordneten NVE sind die ursprünglichen NVEs wieder sichtbar. Die NVEs werden vor allem im Rahmen der Produktverfolgung sowie für Rückrufaktionen benötigt. Die Identifikation von logistischen Einheiten ist unabdingbare Voraussetzung für die lückenlose Dokumentation aller Einlagerungs-, Auslagerungs-, Kommissionierungs-, Übergabe- und Übernahmefunktionen bei möglichst geringem personellen Aufwand und hoher Verlässlichkeit der automatisch aufgezeichneten Daten. [Kikidis 2009: 33-34 und 57-58] [Wegner-Hambloch 2004: 62]

2.2.2 Automatische Datenerfassung und -aufzeichnung

Durch Barcodes und RFID-Transponder können die eindeutigen Identifikationsnummern repräsentiert werden. Diese maschinenlesbaren Datenträger ermöglichen es, die Daten jederzeit und an jedem relevanten Ort entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette automatisch zu erfassen und aufzuzeichnen. Dadurch werden nicht nur Fehler sondern auch Kosten reduziert. Außerdem lassen sich vor allem mit RFID-Transpondern zusätzliche Daten (z. B. aus der Produktion) durch Qualitätskontrollen gewinnen. Eine effiziente und einfache Handhabung muss dabei nicht nur bei den unternehmensinternen Prozessen, sondern auch bei allen Prozessen (z. B. im Warenein- und -ausgang sowie der Kommissionierung) der beteiligten Unternehmen gewährleistet werden. Nach der Erfassung aller relevanten Daten müssen diese sicher aufgezeichnet und archiviert werden (z. B. in Datenbanken), um sie mit Hilfe der entsprechenden Zugriffsschlüssel schnell und fehlerfrei abrufen zu können. Die Zugriffsschlüssel können durch weitere Informationen (z. B. Produktionsort und -datum, Auftragsnummern) ergänzt werden. An bestimmten Punkten der Liefer- und Wertschöpfungskette (z. B. Wareneingang, Kommissionierung, Inventur) werden die verschlüsselten Informationen von einem Scanner (bei Barcodes) oder einem Schreib-/Lesegerät (bei RFID-Transpondern) automatisch erfasst, um beispielsweise die Qualität der Produkte sicherstellen zu können. [Kikidis 2009: 58-59] [Wegner-Hambloch 2004: 63-65]

Grundsätzlich ist es für jede einzelne Phase des Transformationsprozesses wichtig, die durch das Traceability-System zu erfassenden und aufzuzeichnenden Daten festzulegen. Die Erfassung, Dokumentation und Archivierung der folgenden Daten im Warenausgang des liefernden Unternehmens beziehungsweise Wareneingang des empfangenden Unternehmens sind unbedingt notwendig, um die Rückverfolgbarkeit von Produkten sicherstellen zu können:

- NVE aller logistischen Einheiten
- GTIN des Produktes
- GLN des Versenders und Empfängers
- Zeit der Versendung sowie des Empfangs
- Chargennummer des Produktes (optional, aber nachdrücklich empfohlen)
- Seriennummer der Produkte (optional, aber nachdrücklich empfohlen)

[Kikidis 2009: 58-59] [Wegner-Hambloch 2004: 63-65]

Jede dieser aufgezeichneten Daten stellt auch ein Suchkriterium dar. Somit ist eine Durchsuchung der archivierten Daten beispielsweise nach folgenden Kriterien möglich:

- Der Historie einer empfangenen Palette über die NVE (z. B. Lagertemperatur-, -zeit und -ort)
- Dem Mindesthaltbarkeitsdatum bestimmter Produkte (z. B. verderblicher Waren wie Lebensmittel)
- Den Prozessen eines bestimmten Datums
- Den Analyseergebnissen einer bestimmten Produktion

[Kikidis 2009: 58]

Die Archivierungsdauer der Daten kann unter anderem durch gesetzliche Auflagen, vertragliche Vereinbarungen und branchenspezifische Empfehlungen bestimmt werden. Für die allermeisten Produkte ist eine minimale Datenaufbewahrungsdauer von sechs bis zwölf Monaten nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums zu empfehlen. Grundsätzlich gilt es, die folgenden Aspekte bezüglich der Dauer der Datenarchivierung zu beachten:

- Produktlebenszyklus beziehungsweise Lebensdauer der Ware
- Zeit, in der mögliche Reklamationen auftreten können und infolgedessen Garantieleistungen erbracht werden müssen
- Datennutzung und -auswertung
- Spezifikationen der Geschäftspartner
- Branchenspezifische Empfehlungen
- Gesetzliche Verordnungen
- Kontrollen durch Behörden und weitere Institutionen

[Kikidis 2009: 59]

2.2.3 Verknüpfung der Traceability-Daten

Die mit Hilfe eines Traceability-Systems erfassten und aufgezeichneten Daten können einen direkten Bezug zur Identifikation einer Serie oder Charge haben oder mit der entsprechenden Auftragsnummer, Zeit oder anderen relevanten Informationen verknüpft sein. Die Verknüpfung der Traceability-Daten untereinander ist für ein durchgängiges und lückenloses Traceability-System entscheidend, da die schwächste Verknüpfung in der Kette die Güte der Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette bestimmt. Grundsätzlich werden die folgenden beiden Arten der Datenverknüpfung voneinander unterschieden:

- Zwischen physischem Fluss der Ware und Informationsfluss (Bild 2-9)
- Zwischen physischen Einheiten (z. B. zwischen Rohmaterialien und Chargen, Chargen und logistischen Einheiten und logistischen Einheiten untereinander)

[Kikidis 2009: 60-65] [Wegner-Hambloch 2004: 65-67]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-9: Verknüpfung zwischen Warenstrom und Informationsfluss

(in Anlehnung an [ Brose 2010, Cliparts 2010, Kikidis 2009: 60 und Wegner-Hambloch 2004: 67])

Wie der Darstellung (Bild 2-9) zu entnehmen ist, wird der Warenstrom beziehungsweise die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette mit dem Informationsfluss, welcher aus den entsprechenden Traceability-Daten besteht, verknüpft. [Kikidis 2009: 60-61] [Wegner-Hambloch 2004: 65-67]

Die Verknüpfungen zwischen physischen Einheiten werden vorgenommen, um Produkte entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette überwachen und lückenlos verfolgen zu können. Dazu muss die Beantwortung der folgenden drei Fragen durch ein Traceability-System sichergestellt werden:

- Welche Rohstoffchargen wurden in welchen Endproduktchargen verarbeitet? Dafür ist eine Verknüpfung zwischen Herstellungschargen erforderlich.
- Welche Chargen wurden auf welche Paletten gestellt? Dafür ist eine Verknüpfung zwischen Chargen und logistischen Einheiten erforderlich.
- Welche Palette wurde für den Transport mit welchen weiteren Transporteinheiten zusammengefasst? Dafür ist eine Verknüpfung zwischen logistischen Einheiten erforderlich.

Für eine ausführlichere Beantwortung dieser Fragen sei auf die Broschüre „Von Tracking & Tracing profitieren“ verwiesen. Dieses Heft wurde von der GS1 Germany GmbH mit Sitz in Köln 2009 herausgegeben. [Kikidis 2009: 61-65] [Wegner-Hambloch 2004: 65]

2.2.4 Durchgehende Kommunikation

Die eindeutig identifizierten, erfassten, aufgezeichneten und anschließend verknüpften Daten müssen nun auch an den jeweils nachfolgenden Liefer- und Wertschöpfungspartner kommuniziert werden. Der Austausch der Informationen zwischen allen Beteiligten ist für ein Traceability-System entscheidend. Dabei wird durch Referenz auf die jeweiligen Zugriffsschlüssel der Waren sowie durch die Verwendung einheitlicher Datenübertragungsstandards die Verknüpfung zwischen Warenstrom und Informationsfluss deutlich vereinfacht. Infolgedessen kann unternehmensintern jederzeit festgestellt werden, welche Produkte schon angeliefert, (weiter-)verarbeitet und verschickt wurden. Darüber hinaus wird durch eine durchgehende Kommunikation in der Liefer- und Wertschöpfungskette die Verknüpfung der Daten mit dem Informationsfluss sichergestellt. Nur dadurch ist die Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit der Einheiten möglich. [Kikidis 2009: 41 und 66] [Wegner-Hambloch 2004: 69-70]

Grundsätzlich sind zwei unterschiedliche Formen der Kommunikation zwischen den Liefer- und Wertschöpfungspartnern möglich. Nachfolgend werden vor allem die Unterschiede sowie die charakteristischen Merkmale der beiden Arten der Datenhaltung und Kommunikation herausgearbeitet:

- Des Punkt-zu-Punkt-Informationsflusses
- Der zentralen Datenhaltung

[Kikidis 2009: 66] [Wegner-Hambloch 2004: 69-70]

Zunächst wird der Punkt-zu-Punkt-Informationsfluss näher beleuchtet. Hierbei werden die Daten zwischen den Liefer- und Wertschöpfungspartnern ausschließlich in elektronischer Form ausgetauscht (Electronic Data Interchange (EDI)). Der grundsätzliche Ablauf des Punkt-zu-Punkt-Informationsflusses wird mit Hilfe der folgenden Darstellung verdeutlicht. (Bild 2-10) [Kikidis 2009: 66-67] [Wegner-Hambloch 2004: 69]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-10: Ablauf des Punkt-zu-Punkt-Informationsflusses

(in Anlehnung an [ Brose 2010, Cliparts 2010, Kikidis 2009: 66 und Wegner-Hambloch 2004: 69])

Bei dieser Kommunikationsform archiviert jeder Liefer- und Wertschöpfungspartner alle Traceability-Daten bezüglich seiner jeweiligen Prozesse (z. B. Produktions- und Montageprozesse) in einer eigenen internen Datenbank. Dabei werden mindestens die Artikelnummer in Kombination mit einer Chargen- oder Seriennummer und/oder der Identifikation der logistischen Einheit, die er erhalten hat und weitergeben muss, gespeichert. Falls von einem Liefer- oder Wertschöpfungspartner Informationen zu einer bestimmten Charge, einer Produktserie oder einer logistischen Einheit nachgefragt werden, muss der vorhergehende Partner um Auskunft gebeten werden. Gegebenenfalls ist es erforderlich, dass dieser wiederum Informationen von seinem direkten Partner benötigt. Daraus folgt, dass die Rückverfolgbarkeit der schwächsten Stelle in der Liefer- und Wertschöpfungskette die Durchgängigkeit, Lückenlosigkeit, Effizienz und Qualität des gesamten Traceability-Systems beeinflusst. [Kikidis 2009: 66-67] [Wegner-Hambloch 2004: 69]

Die zweite, alternative Kommunikationsform von Tracking- und Tracing-Systemen ist die zentrale Datenhaltung. Dafür ist eine zentrale Datenbank erforderlich. Diese kann entweder von einem Dienstleister oder von einem Liefer- und Wertschöpfungspartner betrieben werden. Im Gegensatz zur bereits erläuterten Kommunikationsform werden bei der zentralen Datenhaltung alle relevanten Daten von allen Beteiligten in eine gemeinsame Datenbank geschickt und dort gespeichert. Diese Daten können von Befugten gemäß getroffener Vereinbarungen um weitere Informationen ergänzt werden. Der prinzipielle Ablauf bei zentraler Datenhaltung wird mit Hilfe der folgenden Darstellung veranschaulicht. (Bild 2-11) [Kikidis 2009: 67]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-11: Ablauf bei zentraler Datenhaltung

(in Anlehnung an [ Brose 2010, Cliparts 2010 und Kikidis 2009: 67])

Mit Hilfe dieser gemeinsamen Plattform werden beispielsweise statistische Daten abgerufen, um Prozesse überwachen und die Qualität von Produkten sicherstellen zu können. Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine gemeinsame Datenbank zwar alle Traceability-Daten speichert, aber keineswegs die nötige unternehmensinterne Organisation der Prozessabläufe bezüglich einer eindeutigen und überschneidungsfreien Identifikation, Datenerfassung und -verknüpfung sowie Kommunikation zur gemeinsamen Plattform ersetzen kann. Mit einer zentralen Datenbank wird ein Traceability-System nur erweitert. Die drei wesentlichen Aufgaben einer gemeinsamen Datenbank in Bezug auf die relevanten Traceability-Daten entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette sind deren

- Archivierung
- Verwaltung
- Bereitstellung

[Kikidis 2009: 67] [Wegner-Hambloch 2004: 69-70]

2.3 Gründe für die Einführung von Traceability

Für Traceability gibt es viele verschiedene Argumente und Anlässe. Diese können nach BÖSE/UCKELMANN einer der folgenden vier Kategorien zugeordnet werden. [Böse 2006] Im nachstehenden Schaubild werden diese vier Traceability-Treiber beziehungsweise Traceability-Triebkräfte veranschaulicht. (Bild 2-12)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2-12: Gründe für die Einführung von Traceability (in Anlehnung an [ Böse 2006])

2.3.1 Gesetzliche Vorgaben

Zu Traceability lassen sich viele gesetzliche Vorgaben und rechtliche Grundlagen finden. Daher gibt es beispielsweise auch vielfältige Richtlinien, Verordnungen und Normen, die auf europäischer Ebene hinsichtlich der Rückverfolgbarkeit in den letzten beiden Jahrzehnten erlassen worden sind. Da diese EU-Richtlinien in der jeweiligen nationalen Gesetzgebung berücksichtigt werden müssen, sind auch viele Vorgaben zu Traceability im deutschen Recht enthalten. So lassen sich aus dem allgemeinen Produkthaftungsrecht grundsätzliche Anforderungen hinsichtlich der Rückverfolgbarkeit ableiten. Dabei ist zu beachten, dass im Rahmen der Haftung für ein Produkt zwischen der Produzentenhaftung (verschuldensabhängige Haftung) gemäß §§ 823ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und der Produkthaftung (verschuldensunabhängige Haftung oder Gefährdungshaftung) nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) zu unterscheiden ist. [Reusch 2008] [Franke 2006]

Im § 823 Abs. 1 BGB sind die erforderlichen Voraussetzungen für die Produzentenhaftung angegeben. Demzufolge ist jeder, der entweder vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, gesetzlich verpflichtet, dem anderen den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Im Gegensatz zur Produkthaftung ist bei der Produzentenhaftung ein Verschulden notwendig. Somit haftet ein Unternehmen für die Inverkehrgabe (das heißt, dass ein Produkt zum gewerblichen Vertrieb ein Unternehmen verlässt) von für die Konsumenten unsicheren beziehungsweise gefährlichen Produkten im Rahmen der Produzentenhaftung. In der Regel ist die Beweisverteilung so geregelt, dass der Kläger die Erfüllung der Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB beweisen muss. Das heißt der Anspruchsteller müsste die Tatbestände darlegen, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen, um seinen Schadensersatzanspruch durchsetzen zu können. Dafür müsste der Geschädigte nämlich beweisen, dass das Unternehmen das entsprechende Produkt nicht den Sicherheitsrichtlinien entsprechend hergestellt hat. Dies kann der Anspruchssteller jedoch nur dann nachweisen, wenn dieser Einblicke in die Entwicklung und Produktion des Produktherstellers bekommen kann. Da dies in der Realität – wenn überhaupt – nur sehr schwer möglich ist, kann der Beweis des Verschuldens nicht erbracht werden. Aus diesem Grund hat vor allem der Bundesgerichtshof (BGH) im Rahmen des Verschuldens eine Beweislastumkehr im Gesetz verankert. Dadurch muss nicht der Geschädigte sondern der Hersteller des Produktes nachvollziehbar darlegen, dass seine Produkte sicher sind.[Reusch 2008]

Das Unternehmen muss für den Entlastungsnachweis nicht nur aufzeigen, dass sowohl die Entwicklung und Konstruktion als auch die Fertigung organisiert und überwacht wurden, sondern auch, dass im tatsächlichen Produktionsgang individuelle Fehler von Mitarbeitern ausgeschlossen werden können. Somit muss der Hersteller nach REUSCH sicherstellen, dass alle Organisationspflichten (Konstruktionspflicht, Fabrikationspflicht, Instruktionspflicht und Produkt-beobachtungspflicht) eingehalten werden:

- Die Konstruktionspflicht zielt vor allem auf die Planung und technische Produktion eines Produktes ab. Gegen die Konstruktionspflicht wird genau dann verstoßen, wenn ein Produkt durch eine fehlerhafte technische Konzeption im Unternehmen eine Gefährdung für den Nutzer verursachen kann.
- Die Fabrikationspflicht bezieht sich auf den Produktionsprozess eines fehlerfrei konstruierten Produktes. Der Hersteller haftet nur dann, wenn in der Produktion fehlerhaft produziert wird. Allerdings ist dem Unternehmen für sogenannte „Ausreißer“ (hierbei handelt es sich um Produkte, die trotz Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen fehlerhaft sind) kein Verschulden vorzuwerfen.
- Die Instruktionspflicht verpflichtet den Hersteller nicht nur über die korrekte Handhabung sondern auch über potentielle Gefahren bei der Nutzung des Produkts zu informieren. Ein Verstoß des Unternehmens liegt vor, wenn nicht hinreichend vor gefahrbringenden Eigenschaften gewarnt worden ist.
- Die Produktbeobachtungspflicht erstreckt sich nicht nur auf die eigenen Produkte sondern auch auf fremde Produkte, die mit den eigenen in Verbindung gebracht oder kombiniert werden können (z. B. die Verwendung von selbst erstellten Fußmatten in Autos). Falls dadurch potentielle Gefahren entstehen können, müssen diese von den Herstellern ebenfalls im Rahmen der Produktbeobachtung erfasst werden. Daher müssen alle Produkte auch nach dem Verkauf auf dem Markt beobachtet werden.

[Reusch 2008: 9-10]

Eine bedeutende Anforderung in diesem Zusammenhang ist auch die Sicherstellung eines reibungslos funktionierenden Reklamationsmanagements. Hierfür ist eine systematische Dokumentation und Auswertung aller Reklamationen entscheidend. Dadurch können sowohl Kenntnisse für die kontinuierliche Verbesserung der Produktionsprozesse genutzt als auch mögliche Sicherheitsrisiken (z. B. für Rückrufaktionen) frühzeitig identifiziert werden. An dieser Stelle wird die Bedeutung der Traceability für die Produzentenhaftung besonders deutlich. Eine ordnungsgemäße Produktbeobachtung ist nur möglich, wenn der Hersteller eines Produktes weiß, wo sich seine Produkte befinden (z. B. in welche anderen Produkte seine Einzelteile eingebaut worden sind) und für welchen Zweck diese auf welche Art und Weise verwendet werden. [Reusch 2008]

Sowohl aus dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) als auch aus der Verkehrssicherungspflicht des Herstellers lässt sich eine Pflicht zum Rückruf von nicht sicheren Produkten ableiten. Bei Gefahr für Leben und Gesundheit ordnet in den meisten Fällen die entsprechende Behörde (z. B. das Kraftfahrtbundesamt) einen Rückruf an. Falls das betroffene Unternehmen dieser Verpflichtung nicht nachkommt und aufgrund des betroffenen Produktes Schäden jeglicher Art entstehen, muss der Hersteller Schadensersatz leisten. Vor allem bei Rückrufaktionen ist eine lückenlose und wirkungsvolle Rückverfolgbarkeit zwingend notwendig. Ein effizienter und effektiver Rückruf von Produkten ist nur dann möglich, wenn der Hersteller zumindest seriengenau – am besten bis auf den Produktionstag oder sogar bis zum genauen Produkt – zurück verfolgen kann, wo sich die betroffenen Teile befinden. Falls dies nicht möglich ist, ergeben sich zwei mögliche Gefahren. Zum Einen müssen dann erheblich mehr Produkte zurückgerufen werden, als eigentlich erforderlich gewesen wären (vgl. Kapitel 1.1.2), und zum Anderen kann es sein, dass Teile, die tatsächlich zurückgerufen und ausgetauscht oder repariert werden müssten, nicht erfasst wurden. In beiden Fällen drohen dem Hersteller erhebliche Kosten (z. B. Schadenersatzforderungen), ein hoher Imageschaden sowie ein daraus resultierender Wettbewerbsnachteil. Doch nicht nur die Vorwärtsverfolgbarkeit (Tracing) sondern auch die Rückwärtsverfolgung (Tracking) ist für eine erfolgreiche Traceability entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette eines Unternehmens von größter Bedeutung. Daher ist es für die Unternehmen ebenfalls wichtig, dass sie wissen, von welchen Lieferanten welche Einzelteile geliefert worden sind. Die lückenlose Rückverfolgung von defekten Bremsen oder Gaspedalen bis zum entsprechen Zulieferer ist beispielsweise für den Autobauer Toyota (vgl. Eingangsbeispiel) notwendig, um Regressansprüche gegen den Lieferanten durchsetzen zu können. [Reusch 2008]

Dies ist vor allem auch deswegen von Bedeutung, da nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG der Hersteller eines fehlerhaften Produktes dazu verpflichtet ist, für die daraus entstandenen Folgen (z. B. Krankenhausbehandlungen, gesundheitliche Beeinträchtigungen) aufzukommen. Der Höchstbetrag für Vermögensschäden und Schmerzensgeld beträgt derzeit 85 Millionen Euro. Dagegen tritt eine Ersatzpflicht bei einer Sachbeschädigung nur dann ein, wenn der Schaden an einer anderen Sache als dem defekten Produkt eintritt. Im Falle einer Sachbeschädigung muss der Geschädigte einen Schaden bis zu 500 Euro selbst tragen. [Reusch 2008]

Neben diesen übergeordneten Gesetzen gibt es auch für die verschiedenen Branchen und/oder Produkte spezielle Rechte (z. B. Lebensmittelrecht, Medizinprodukterecht, Elektro- und Elektronikgesetz), welche die jeweiligen Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit gesetzlich regeln. Im Rahmen dieser Studienarbeit soll exemplarisch auf das Elektro- und Elektronikgesetz (ElektroG) eingegangen werden.

Die EU-Richtlinien RohS (Verbot gefährlicher Stoffe) und WEEE (Umgang mit Elektronikschrott) werden in Deutschland durch das Elektro- und Elektronikgesetz umgesetzt. Die Intension dieses Gesetzes ist auf der einen Seite die Vermeidung und Reduzierung von Elektronikschrott durch Recycling und auf der anderen Seite die Reduktion von Schadstoffen in der Elektronik. Gemäß § 13 Abs. 1 ElektroG muss der Hersteller verschiedene Informationen an die entsprechenden Behörden melden. Deshalb muss sowohl über die monatlich verkaufte Art und Anzahl der elektrischen Geräte als auch über die Menge der von den öffentlichen Entsorgungsträgern abgeholten alten Gegenstände sowie die Menge der wieder verwendeten Altgeräte Auskunft gegeben werden. Nach § 13 Abs. 1 ElektroG ist insbesondere das Gewicht der Geräte anzugeben. Verstöße hinsichtlich des Elektro- und Elektronikgesetz können mit einer Geldstrafe in Höhe von bis zu 10.000 Euro geahndet werden. Dieses Gesetz kann nur dann eingehalten werden, wenn Traceability entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette implementiert ist. Denn nur dadurch können einerseits alle ausgelieferten Erzeugnisse dokumentiert und andererseits die Auslieferung der Produkte zurückverfolgt werden. [Reusch 2008]

Zurzeit wird ein weiterer EU-Richtlinienvorschlag auf Ebene des EU-Ministerrates diskutiert. Dieser sieht ein Rücktrittsrecht des Kunden von bis zu 15 Tagen nach der Übergabe des Fahrzeuges vor. Darüber hinaus ist eine Verlängerung der Beweislast für die Mangelfreiheit von derzeit sechs auf zwölf Monate sowie eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist von zwei auf zehn Jahre im Gespräch. Außerdem könnte der Rückgabe eines Produktes ein allgemeiner Vorrang vor der Reparatur eingeführt werden. Mit diesen Maßnahmen würde der Verbraucherschutz zu Lasten der Automobilhersteller gestärkt werden. Die Qualität der Automobile würde dadurch immer mehr in den Fokus rücken, da nur fehlerfreie Autos von den Verbrauchern nicht zurückgegeben werden können. Außerdem würde die Traceability weiter an Bedeutung gewinnen, da die OEMs mit Hilfe von Track&Trace-Daten eindeutig nachvollziehen können, ob und wenn ja welcher Zulieferer fehlerhafte Teile geliefert hat. Auf diese Weise können Regressansprüche gegen die Lieferanten durchgesetzt werden. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) geht davon aus, dass die Umsetzung des geplanten EU-Verbraucherschutzrechtes in deutsches Recht zu einer deutlichen Anhebung der Neufahrzeugpreise führen wird. Dies liegt vor allem an den um über zehn Prozent steigenden Gewährleistungskosten (z. B. Reparatur- und Ersatzteilkosten). Dies wird nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie insbesondere durch die zunehmende Rückgabe von Fahrzeugen durch die Käufer begründet. Diese Entwicklung wird einerseits zu einem wesentlichen Wertverlust des Autos zulasten des Hersteller führen und anderseits müssen die Autoverkäufer das Risiko der Wiedervermarktung beziehungsweise des Wiederverkaufs eines Gebrauchtfahrzeuges tragen. Aus diesen und weiteren Gründen (z. B. steigende Arbeitslosigkeit, Wettbewerbsnachteil der europäischen Autobauer) lehnt der Verband der Automobilindustrie in Deutschland diese EU-Verbraucherschutzrichtlinie ab. [Vda 2009: 208]

2.3.2 Nutzenaspekte und Druck zur Optimierung

Neben der Einhaltung der rechtlichen Vorschriften müssen auch alle Bestandteile des Qualitätsmanagements einen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele beziehungsweise zum obersten Unternehmensziel leisten. Traceability, also die Rückverfolgbarkeit von unter anderem Produkten, Modulen und Einzelteilen trägt wesentlich zur Qualitätssicherung bei.

Zunächst wird dazu die Bedeutung von Traceability hinsichtlich der globalen Trends, die in Zukunft an Bedeutung und Einfluss gewinnen werden, untersucht. Die zunehmende Überalterung der Gesellschaft, der drohende Klimawandel sowie die stetig wachsende Weltbevölkerung sind nur einige der weltweiten Entwicklungen in den kommenden Jahrzehnten. Zwar scheinen diese Themen durch ihre Medienpräsenz bald altbekannt, dennoch werden diese Entwicklungen in den nächsten Jahren zwangsläufig zu tief greifenden Veränderungen in den Supply Chains aller Unternehmen führen. Es stellt sich also die Frage, welche globalen Trends die Traceability beeinflussen werden. Das folgende Bild illustriert wesentliche Tendenzen, die zu einer zunehmenden Bedeutung der Rückverfolgbarkeit führen werden. (Bild 2-13)

Bild 2-13: Globale Trends

[ Cliparts 2010]

Die Internationalisierung und Globalisierung der Märkte wird nicht nur durch das sogenannte Global Sourcing (globale Beschaffung) sondern auch durch die weltumspannenden Absatzmärkte vieler Unternehmen deutlich. Die Rückverfolgbarkeit entlang dieser globalen Supply Chain stellt eine Herausforderung dar, die sich unter anderem mit Hilfe der vielen neuen Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien lösen lassen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 155 Seiten

Details

Titel
Traceability – Qualitätssicherung durch Rückverfolgbarkeit
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Qualitätsmanagement
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
155
Katalognummer
V265003
ISBN (eBook)
9783656545125
ISBN (Buch)
9783656545255
Dateigröße
2400 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Traceability, Qualitätssicherung, Rückverfolgbarkeit, Rückrufaktion, Tracking, Tracing, Barcode-Systeme, RFID-Systeme, Indoor-GPS, Barcode, RFID, Verfolgbarkeit, Qualitätsmanagement, Wertschöpfungskette, Datenerfassung, Datenaufzeichnung, Data Mining
Arbeit zitieren
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Thomas Luft (Autor:in), 2010, Traceability – Qualitätssicherung durch Rückverfolgbarkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265003

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