Eurobonds. Auswirkungen auf die Kapitalaufnahme von EU-Mitgliedsstaaten


Seminararbeit, 2012

49 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

2 Ursachen und Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone
2.1 Finanzkrise als Auslöser
2.2 Bisher getroffene Stabilisierungsmaßnahmen
2.3 Umgestaltung der Schuldenarchitektur

3 Umsetzung einer gemeinschaftlichen Schuldenaufnahme durch Eurobonds .
3.1 Der Vorschlag - The Blue Bond Proposal
3.2 Ausgestaltung
3.2.1 Haftung
3.2.2 Sanktionsmöglichkeiten
3.3 Zinsbelastung durch einen Eurobond
3.3.1 Eurobond als Durchschnitt der gesamten EWU-Staaten
3.3.2 Eurobond-Szenarien bei ausgewählten Zinssätzen
3.3.3 Auswertung eines Kennzahlenvergleichs zwischen EWU und USA
3.4 Kritische Würdigung von Eurobonds
3.5 Kritik an der Durchschnittsbetrachtung

4 Fazit

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Renditen und Schulden der Euroländer, Stand Juni 2011

Tabelle 2: Aufteilung der Staatsschulden nach Blue- und Red Bonds

Tabelle 3: Be- und Entlastungen im Vergleich zur nationalen Verschuldung

Tabelle 4: Szenarien verschiedener Zinssätze

Tabelle 5: Ratingsystematik Fitch, Moody´s und S & P

Tabelle 6: wirtschaftliche Kennzahlen der EWU-Staaten mit Rangfolge

Tabelle 7: Vergleich errechneter Rangsummen mit den Ratingeinstufungen

Tabelle 8: Vergleich der Kennzahlen zwischen den USA und der EWU

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ausspreizung der Zinsen für Staatenanleihen

Abbildung 2: Leistungsbilanzdefizit in Prozent des BIP

Abbildung 3: Schuldensituation der Euroländer im Jahre 2011

Abbildung 4: Schulden der Euroländer nach Blue- und Red Bonds im Jahre 2011

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Integration der Europäischen Währungsunion (EWU) im Jahr 1999 war ein ökono- mischer Erfolg und ein Hauptbestandteil auf dem Weg zu einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten.[1],[2] Die Staatsschuldenkrise hat jedoch ge- zeigt, dass dieser Integrationsprozess eine nachhaltige Abstimmung der nationalen Fis- kalpolitiken nicht erreicht hat. Ende 2009 wurde das Ausmaß der Schuldenstände und der Haushaltsdefizite der sogenannten PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Grie- chenland und Spanien) deutlich. Seither fallen die Kurse von Schuldverschreibungen der betroffenen Staaten, so dass sich die Problemländer immer höheren Finanzierungs- kosten gegenübersehen. Der Anstieg der Zinsen für die Finanzierung der Staatschulden hat sich zu einem Problem entwickelt, so dass an den Kapitalmärkten Zweifel an der dauerhaften Stabilität der Währungsunion aufgekommen sind. Im Fall Griechenland wurde die Bonität zwischenzeitlich als so schlecht bewertet, dass de facto kein Kapital- marktzugang bestand.

Der Ursprung der Krise wird in Abbildung 1 (Seite 2) verdeutlicht. Sie zeigt die Ent- wicklung der Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen einiger ausgewählter Euroländer. Die Darstellung beginnt in der Zeit vor der Euroeinführung. Es ist zu erkennen, dass in der Vergangenheit bereits eine Zinsdivergenz zwischen den Staaten bestand. Die Zinsspreads zwischen deutschen Staatsanleihen und griechischen, italienischen oder portugiesischen Staatspapieren waren in dem bestehenden Wechselkursrisiko begründet. Die Investoren der Staatsanleihen der südlichen Länder Europas verfolgten mit dem Zinsunterschied die Möglichkeit eine potenzielle Abwertung der entsprechenden Wäh- rung zu kompensieren. Dieser Spread konvergierte mit der Einführung der gemeinsa- men Währung und dem damit verbundenen Wegfall der bilateralen Wechselkurse und entwickelt sich nach dem Bekanntwerden der tatsächlichen Schuldensituation Griechen- lands und den Zweifeln an der Bonität und Solvenz einzelner europäischer Mitglieds- staaten wieder auseinander.[3]

Auch durch die Anfang Mai 2010 beschlossenen Rettungsmaßnahmen gelang keine nachhaltige Beruhigung der Kapitalmärkte. Die EU-Rettungsschirme sind auf drei Jahre begrenzt und konnten somit Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit nicht ausreichend besichern. Die Kapitalmärkte honorierten die Maßnahmen zur Stabilisierung durch die EU nicht wie erhofft, so dass die Spreads wieder anstiegen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Ausspreizung der Zinsen für Staatenanleihen

Quelle: Entnommen aus: Sinn, H.-W.; Carstensen K. (2011), S. 2[4]

Aufgrund der beschriebenen Zinsanstiege für Staatsanleihen der betroffenen Länder gerieten diese in enorme Refinanzierungsschwierigkeiten.

Aus diesem Grund werden Eurobonds von den Befürwortern als zwingend notwendiges Mittel zur Bewältigung der aktuell bestehenden Staatsschuldenkrise gesehen. Dagegen führen Kritiker aus, dass Eurobonds den endgültigen Schritt hin zu einer Transferunion darstellen können.[5] Jedoch wird bei diesem Argument nicht berücksichtigt, dass bisher getroffene Maßnahmen zur Stabilisierung der Währungsunion in Form von Stabilisie- rungsmechanismen wie dem European Financial Stability Facility (ESFS), dem Europä- ischen Stabilitätsmechanismus (ESM) oder Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) am Sekundärmarkt von kriselnden Staaten wie beispielsweise Italien oder Spanien bereits die Entwicklung zu einer Transferunion darstellen.[6]

Die Abhängigkeit der Wirtschaftspolitik vom Vertrauen der Kapitalmärkte, sollte in der Konzeption der Währungsunion als Kontrollinstanz genutzt werden, um so die Staaten durch die Reaktion mittels höherer Kapitalmarktzinsen oder aber auch der Verweige- rungen weitere Kredite zu gewähren, davon abzuhalten eine defizitäre Haushaltspolitik zu betreiben.[7]

Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwiefern Kredite und Hilfsmaßnahmen Ländern helfen, die sich in einer schwierigen Schuldenlage befinden, nachhaltig ihre Finanzie- rungsprobleme zu beheben. Daher ist in diesem Zusammenhang entscheidend, ob ein Staat einer temporären Zahlungsschwierigkeit gegenübersteht oder in wie fern beste- hende Verbindlichkeiten die langfristige Zahlungsfähigkeit übertreffen. Im ersten Fall befindet sich ein Land in Liquiditätsproblemen, der zweite Fall hingegen stellt ein So l- venzproblem dar. Die vereinbarten Rettungsmaßnahmen helfen zwar Staaten mit Liqui- ditätsschwierigkeiten, aber Länder mit Solvenzproblemen werden mit solchen Maß- nahmen nicht nachhaltig entlastet. Die Probleme würden nur zeitlich verschoben wer- den. Durch eine dauerhafte Überschuldung würden aufgrund steigender Zinskosten die Staatshaushalte nicht effektiv saniert werden.[8]

Die aufgeführten Probleme zeigen, dass die Möglichkeiten der Staatsfinanzierung in der Europäischen Währungsunion reformbedürftig sind, um die Wiederherstellung ihrer Stabilität zu gewährleisten. In der aktuellen Debatte stehen dabei Eurobonds besonders im Fokus.

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

Ziel dieser Abschlussarbeit ist es, den Eurobond als mögliche Alternative zur Refinan- zierung der Staatschulden in rein staatlicher Verantwortung darzustellen und seine mög- lichen Auswirkungen auf die Kapitalaufnahme der Mitgliedsstaaten zu untersuchen.

Im zweiten Kapitel werden zunächst die Ursachen und Maßnahmen zur Stabilisierungsmaßnahmen der Eurozone thematisiert. Dabei gilt es sowohl die Ursachen der Finanzkrise herauszuarbeiten als auch darauf basierende Stabilisierungsmaßnahmen vorzustellen. Anschließend wird der Lösungsansatz einer Umgestaltung der Refinanzierungsmöglichkeit vorgestellt. Als Alternative stellt sich die kollektive Mittelbeschaffung der Euroländer durch Eurobonds heraus.

Im Hinblick auf dessen Umsetzung wird im dritten Kapitel eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme mittels Eurobonds auf Basis des Vorschlags von Jacques Delpla[9] und Jakob von Weizsäcker[10] dargelegt.[11] Neben den Haftungs- und Sanktionsschwie- rigkeiten, die durch die gemeinsame Emission entstehen können, wird die konkrete Zinsbelastung für die Mitgliedsstaaten der EU untersucht. Hierfür wird im ersten Schritt berechnet wie hoch der Durchschnittszinssatz der EWU-Staaten ist. Anschließend wird eine Szenarioanalyse unter der Annahme verschiedener Zinssätze durchgeführt, auf des- sen Grundlage gezeigt wird, welche Folgen die gemeinsame Schuldenaufnahme für die Zinsbelastungen der Mitgliedsländer im Einzelnen und für den gesamten Euroraum ha- ben. Ergänzend wird ein Kennzahlenvergleich zwischen der EWU und den USA vorge- nommen. Das Kapitel schließt mit einer kritischen Würdigung.

Abschließend folgt im vierten Kapital das Fazit. Darin werden die zentralen Erkenntnisse dieser Abschlussarbeit zusammengefasst. Ferner wird ein Ausblick hinsichtlich der Entwicklung der Kapitalaufnahme am Anleihenmarkt gegeben.

2 Ursachen und Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone

2.1 Finanzkrise als Auslöser

Die Wirtschaftskrise hat die Finanzen einiger EU-Staaten in eine bedrohliche Schieflage gebracht. Betroffen sind insbesondere Staaten mit einem zweifelhaften Bankensektor und schlechten Wirtschaftsaussichten aufgrund struktureller Probleme. In diesem Zu- sammenhang wird in der Literatur von den sogenannten PIIGS-Staaten gesprochen. Die Jahre 2008 und 2009 waren aufgrund der Finanzkrise daher durch Rettungsaktionen von Banken und Konjunkturprogrammen vieler Regierungen gekennzeichnet.[12]

Das Entstehen der Finanzkrise ist das Ergebnis langfristiger Fehlentscheidungen.[13] Die entscheidende Ursache ist insbesondere eine exzessive Kreditgewährung. Der bekann- teste Hintergrund waren die niedrigen Zinsen in den USA und die daraus resultierende Vergabe von Hypothekendarlehen an sehr bonitätsschwache Schuldner.[14] Im Zeitraum von 2002 bis 2007 stieg die Kreditvergabe in den USA an Unternehmen und private Haushalte von ca. 1.000 Milliarden US-Dollar auf fast 2.500 Milliarden US-Dollar an. Im Euroraum explodierte die Kreditvergabe von rund 50 Milliarden Euro auf über 200 Milliarden Euro.[15] Die Hypotheken wurden zu Papieren verbrieft, deren Werthal- tigkeit aufgrund der Undurchsichtigkeit ihrer Konstruktion selbst für Experten oft nicht zu erkennen war.[16] Durch die Mitwirkung mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Ver- briefung kam es dazu, dass derjenige der die Kredite gewährt, nicht mehr das Risiko trägt, und derjenige der am Ende der Verbriefungskette steht das Risiko nicht kennt. Im Vergleich zu der gewöhnlichen Vergabe von Krediten tragen Kreditvermittler, wie bei- spielsweise Banken, nicht das Risiko, dass die Darlehen nicht mehr zurückgezahlt wer- den. Sie haben daher einen großen Anreiz hohe Kredite zu vergeben, um hohe Provisio- nen zu erhalten. Zudem werden Banken an hohen Eigenkapitalrenditen gemessen. Diese impliziert jedoch einen höheren Fremdkapitalanteil und den damit verbundenen Levera- ge-Effekt. Durch gesetzliche Regelungen war die Ausweitung des Fremdkapitals be- grenzt. Um dieses zu umgehen verbrieften insbesondere US-Banken ihre Forderungen. Zins- und Tilgungszahlungen aus Hypothekendarlehen wurden an außerbilanzielle Zweckgesellschaften verkauft. Die verbrieften Kredite belasteten damit nicht mehr ihr Eigenkapital und die Kreditrisiken konnten an den Kapitalmarkt weitergegeben werden, indem die Zweckgesellschaften versuchten die Kredite zu verkaufen. Die Zweckgesell- schaften verfügen de facto über kein Eigenkapital. Sie besitzen lediglich hohe Kreditli- nien, die ihnen von Ihrer Muttergesellschaft gewährt werden. Die Bankenaufsicht der Zweckgesellschaften kann diese nicht kontrollieren, da die Kreditlinien nicht in den (Konzern-) Bilanzen erscheinen und die Zweckgesellschaften dazu häufig im Ausland z. B. Irland registriert sind. Durch dieses Vorgehen konnten beispielsweise deutsche Großbanken 2005 eine durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität vor Steuern von 31,7 Prozent und 2007 von 26 Prozent erreichen.[17]

Eine starke Kreditvergabe fand besonders am „Subprime“-Markt (Hypothekendarlehenmarkt) statt. Die Vergabe der „Subprime“-Darlehen unterlag sehr häufig einer unzureichenden Prüfung. Zudem haben Ratingagenturen die Verbriefungen aus dem „Subprime-Markt“ als gut benotet.[18]

International betrachtet kam es durch die exzessive Kreditausweitung zu hohen Leis- tungsbilanzüberschüssen von China, Japan, Deutschland und den Niederlanden. Auf der anderen Seite kam es jedoch zu stark steigenden Leistungsbilanzdefiziten in den USA, Großbritannien und den süd- und osteuropäischen Ländern, die durch hohe Kapitalim- porte finanziert wurden. Private und institutionelle Anleger aus Überschussländern leg- ten Ersparnisse in den anderen Volkswirtschaften an.[19] Die niedrigen Zinsen in der Eu- rozone und die daraus resultierenden Eurodividenden wurden nicht für strukturelle An- passungen zur Haushaltskonsolidierung und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit verwendet, sondern für privaten und öffentlichen Konsum genutzt, wie beispielsweise in Griechenland und Portugal oder in spekulative Investitionen im Immobiliensektor wie in Spanien und Irland aufgebraucht.[20] Die Sparquote in den Defizitländern sank deutlich. In den USA hat sich die Sparquote von 7,5 Prozent in den neunziger Jahren auf 0,5 Prozent in 2007 verringert, in Griechenland wurden sogar negative Werte erreicht. Bauinvestitionen hingegen stiegen erheblich an. In Spanien und Irland wurden Anteile von 22 Prozent und 18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erreicht. Der Anteil der deutschen Bauinvestitionen lag im Vergleich dazu durchgehend bei etwa 10 Prozent des BIP. Diese Entwicklung führte dazu, dass in den Überschussländern hohes Auslandsvermögen entstand, denen in den Defizitländern hohe Auslandsschulden gegenüberstanden und heut noch teilweise gegenüberstehen.[21]

Im Euroraum wurde die Entstehung dieser makroökonomischen Ungleichgewichte durch die gemeinsame Währung verstärkt. Die Geldpolitik konnte nicht adäquat auf die boomende Wirtschaft Irlands, Spanien und Griechenlands mit realen Wachstumsraten von 4 Prozent bis 6,5 Prozent reagieren, da in den anderen Eurostaaten (insbesondere Deutschland) die Konjunktur hinkte. Zudem begünstigten niedrige Zinsen und die da- rauf resultierende exzessive Kreditvergabe eine hohe Preis- und Lohnsteigerung in den PIIGS-Staaten. Die unterschiedlichen Entwicklungen der preislichen Wettbewerbsfä- higkeit in den Euroländern konnten nicht mehr durch Wechselkursanpassungen ausge- glichen werden.[22]

Die Leistungsbilanzdefizite in den südeuropäischen PIIGS-Staaten stiegen wie aus Ab- bildung 2 (Seite 8) ersichtlich bis 2008 im Durchschnitt jeweils auf 9,5 Prozent (Spani- en) bzw. 11 Prozent (Portugal) und knapp 14 Prozent (Griechenland) des BIP an. Irland und Italien wiesen 2008 Defizite in Höhe von 4,8 bzw. 1,9 Prozent auf. Im Vergleich dazu erzielte Deutschland hingegen einen Leistungsbilanzüberschuss von 6,7 Prozent des BIP.[23] Folge der Leistungsbilanzdefizite war eine Explosion der Auslandsverschul- dung der südeuropäischen PIIGS-Staaten zwischen 2002 und 2007. Ihre Auslandschul- den verdoppelten sich in Relation zum BIP und betrugen 2007 knapp 1.200 Milliarden Euro. Die Staatsschuldenquote hingegen sank z. B. in Spanien von 56 Prozent auf 37 Prozent und in Griechenland von 104 Prozent auf 96 Prozent des BIP.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Leistungsbilanzdefizit in Prozent des BIP

Quelle: Eurostat - Leistungsbilanz in % des BIP (2012a); eigene Darstellung

Ursache für die unterschiedliche Entwicklung der Auslands- und Staatsverschuldung war die exzessive Kreditaufnahme der Unternehmen und privaten Haushalte. In Grie- chenland war 2007 die Verschuldung dieser doppelt so hoch wie die Staatsverschul- dung.[24]

Zwischen 2004 und 2006 kam es zu einem schnellen Anstieg der kurzfristigen Zinsen. Der LIBOR (London Interbank Offered Rate) stieg um mehr als 4 Prozentpunkte auf 5,5 Prozent.[25] Viele Schuldner konnten ihren stark gestiegenen Schuldendienst nicht mehr leisten. Die Blase am Immobilienmarkt platzte, wodurch es zu Kreditausfällen kam. Zwangsversteigerungen und sinkende Immobilienpreise waren die weiteren Fol- gen. Wertpapiere, die die aufgenommen Kredite verbrieften sanken in ihrem Wert oder wurden sogar ganz wertlos. Die Ratingagenturen werteten die Wertpapiere ab, was dazu führte, dass auch ausländische Banken, die diese Wertpapiere in ihren Portfolios hatten, hohe Abschreibungen vornehmen mussten. Die Anleihen vieler Banken verloren an Wert und die Kosten zur Absicherung von Anleihen stiegen. Viele Länder begannen mit Rettungsaktionen für Geschäftsbanken und Versicherungen. Alle Banken konnten nicht gerettet werden.[26] Der bekannteste Fall war der Zusammenbruch der Lehman Brothers Bank am 15. September 2008.[27]

Es kam in Folge dessen zu einem Zusammenbruch des Interbankenmarktes und einer Vertrauenskrise.[28] Die Konjunktur und Konjunkturprogramme brachen ein und belaste- ten die öffentlichen Haushalte. Ab 2008 erhöhte sich die Staatsverschuldung in fast al- len Industrieländern, insbesondere in den Ländern in denen die Immobilienblase ge- platzt war. Am stärksten betroffen war Irland. Ohne staatliche Rettungsmaßnahmen drohte dort den meisten Banken die Insolvenz. In 2009 verringerten sich die Bauinvest i- tionen um ein Drittel, ebenso verringerten sich die Ausrüstungsinvestitionen. Das BIP sank um 7 Prozent und die Arbeitslosigkeit stieg. Sinkende Staatseinnahmen trafen auf hohe Kosten für Bankenrettungen. 2010 betrug das öffentliche Defizit mehr als 30 Pro- zent des BIP und die Schuldenstandsquote stieg auf fast 100 Prozent an. In Spanien sanken die Ausrüstungsinvestitionen um ca. ein Viertel, während Bauinvestitionen und Exporte jeweils um 11 Prozent sanken.

Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich in den betroffenen Staaten. Das Staatsdefizit stieg auf über 11 Prozent des BIP. Auch die Staatsdefizite in den USA und Großbritannien stie- gen auf rund 11 Prozent des BIP in 2009 und 2010. Sie mussten ebenfalls öffentliche Mittel für die Rettung der Banken aufwenden. In Griechenland sank nach dem Aus- bruch der Krise 2010 das Staatsdefizit auf 10,5 Prozent des BIP und der Schuldenstand betrug sogar 145 Prozent des BIP. Zudem wurde öffentlich, dass die griechische Regie- rung vor dem Beitritt zur Eurozone die griechische Defizit- und Schuldenstandsquote mit Finanzierungsgeschäften gesenkt hatte. Im Frühjahr 2010 wurde somit die soge- nannte Eurokrise ausgelöst.[29] Griechenland war gezwungen, immer höhere Zinsen auf Neuemissionen von Staatsanleihen anzubieten. Darüber hinaus war unklar, ob Grie- chenland zu angemessenen Konditionen genügend privates Geld finden würde um sich zu refinanzieren.

Aber auch die anderen Staaten wie insbesondere Portugal wurden als gefährdet eingestuft, was sich in Herabstufungen der Schuldner-Ratings und in deutlich höheren Credit Default Swaps[30] widerspiegelte.[31]

2.2 Bisher getroffene Stabilisierungsmaßnahmen

Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Staatsschuldenkrise für einzelne Euromitglieder wurden verschiedene Rettungsmaßnahmen auf europäische Ebene diskutiert und verabschiedet, um in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Ländern zu helfen. Das Vertrauen der Investoren in die Solidität der Krisenländer nahm immer stärker ab. In Folge dessen beschloss die EU durch umfangreiche Bürgschaften die Kreditwürdigkeit der betroffenen Länder wieder zu erhöhen, da eine Zahlungsunfähigkeit einen kompletten Ausschluss vom Kapitalmarkt impliziert hätte.[32]

Eines der Maßnahmen ist der Rettungsfonds, der sogenannte European Financial Stabi- lity Facility (EFSF), der Anleihen in Höhe des nominellen Volumens von 440 Milliar- den Euro aufnehmen kann. Da 190 Milliarden Euro als Barreserven hinterlegt sind, können die Staaten auf entsprechend 250 Milliarden Euro zurückgreifen. Hierdurch wird gewährleistet, dass der Rettungsfonds mit einem AAA-Rating eingestuft wird. Die erste Anleihe des EFSF wurde mehrfach überzeichnet und hatte mit 2,7 Prozent einen etwas höheren Zinssatz als deutsche oder französische Staatspapiere.[33] Die von der Zweckgesellschaft begebenen Schuldverschreibungen sind durch die beteiligten Länder verbürgt. Ein weiterer Baustein, bei der Bekämpfung der Schuldenkrise besteht in dem Instrument des Financial Stability Mechanism (ESM) der Europäischen Union. Durch die Berufung auf Artikel 122 AEUV Absatz 2[34] (sog. Naturkatastrophen-Paragraph) konnten direkt über die EU-Kommission Anfang Mai 2010 weitere 60 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Der Internationale Währungsfond (IWF) stellte darüber hinaus 250 Milliarden Euro zur Verfügung. Direkte Griechenland-Kredite der EU in Höhe von 80 Milliarden Euro sowie 30 Milliarden Euro Direkthilfen durch den Internationalen Währungsfonds ergeben ein Gesamtrettungspaket mit einem Volumen in Höhe von 860 Milliarden Euro.[35] Ende Oktober 2011 wurde für Griechenland ein „haircut“ beschlossen, der zu einem Schuldenerlass von ca. 100 Milliarden Euro führte und das BIP auf 120 Prozent reduzieren sollte.[36] Ergänzt wird diese Summe durch StaatsanleihenKäufe der EZB von Griechenland, Irland, Portugal Italien und Spanien auf dem Sekundärmarkt im Wert von ca. 214 Milliarden Euro. Mit diesem Kauf beabsichtigte die EZB das Ziel, die Risikoprämien der aufgeführten Länder zu senken.[37]

Als Folge des Rettungspakets sanken die Zinsen für Staatsobligationen von Griechen- land, Portugal und Irland deutlich. Dieser Effekt war allerdings nur von kurzer Dauer. Nach der Herabstufung der Bonität Italiens und Spaniens durch die Ratingagenturen im Januar dieses Jahres stellt sich erneut die Frage, ob die hinterlegten Bürgschaften und Kredite ausreichend sind. Die Schulden der Länder Griechenland, Portugal und Irland machen insgesamt 7,5 Prozent der gesamten Staatsschulden der Eurozone aus. Dagegen reichten den Investoren als Gegengewicht die mit der höchsten Ratingeinstufung AAA eingestuften Länder Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich und Luxemburg aus. Das Gefälle zwischen solventen Schuldnern und solchen, bei denen eine Zahlungs- unfähigkeit droht wird allerdings größer, falls Spanien und Italien ebenfalls in eine ver- gleichbare finanzielle Schieflage geraten würden. Folglich müssten sie ihre Staatschul- den mit steigenden Kapitalkosten refinanzieren. Diese Länder vereinen knapp 32 Pro- zent der Gesamtstaatsverschuldung der EWU-Länder auf sich.[38] Die steigenden Rendi- ten für spanische, italienische oder irische Staatstitel verdeutlicht, dass der Kapitalmarkt eine zunehmende Skepsis hinsichtlich des Volumens des Rettungsschirms von EU und IWF hat.

[...]


[1] Die EWU hat bisher 27 Mitgliedsstaaten, wobei derer 17 den Euro als gemeinsame Währung haben. In dieser Abschlussarbeit sind mit dem Begriff der EWU vordergründig die Staaten der Eurozone Belgi- en, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern gemeint.

[2] Vgl. Glomb, W. (2011), S. 266.

[3] Vgl. Carstensen, K.; Sinn, H.-W. (2010), S. 2 f.

[4] Datenquelle: Reuters Ecowin, (Government Benchmarks Bid, 10 year yield).

[5] Vgl. Kotz, H.-H.; et al. (2011), S. 1.

[6] Vgl. Fahrholz, C. (2011), S. 13.

[7] Vgl. Sievert, O. (1986), S. 336.

[8] Vgl. Dullien, S.; Schwarzer, D. (2010), S. 5.

[9] Mitglied des französischen Sachverständigenrates.

[10] Abteilungsleiter „Wirtschaftspolitik und Tourismus“ im Thüringer Wirtschaftsministerium.

[11] Vgl. Delpla, J., von Weizsäcker, J. (2010), S. 1 ff.

[12] Vgl. o. V. (2010), S. 28.

[13] Vgl. Neubäumer, R. (2008), S. 732.

[14] Vgl. Zimmermann, H. (2012), S. 101.

[15] Vgl. Neubäumer, R. (2011), S. 828.

[16] Vgl. Zimmermann, H. (2012), S. 101.

[17] Vgl. Neubäumer, R. (2008), S. 733 ff.

[18] Vgl. Neubäumer, R. (2008), S. 733 ff.

[19] Vgl. Neubäumer, R. (2011), S. 828.

[20] Vgl. Glomb, W. (2011), S. 268.

[21] Vgl. Neubäumer, R. (2011), S. 828 f.

[22] Vgl. Neubäumer, R. (2011), S. 828 f.

[23] Vgl. Eurostat - Leistungsbilanz in % des BIP (2012a).

[24] Vgl. Neubäumer, R. (2011), S. 828 f.

[25] Vgl. Neubäumer, R. (2008), S. 736.

[26] Vgl. Neubäumer, R. (2008), S. 736.

[27] Vgl. Zimmermann, H. (2012), S. 101.

[28] Vgl. Neubäumer, R. (2008), S. 736.

[29] Vgl. Neubäumer, R. (2011), S. 829 f.

[30] Credit Default Swaps (CDS) stellen eine Kreditversicherung dar, die es den Besitzern ermöglicht, sich gegen einen eventuellen Zahlungsausfall des Emittenten der Anleihen zu versichern. Der Erwerber ei- ner CDS zahlt dabei Prämienzahlungen an den CDS-Emittenten.

[31] Vgl. o. V. (2010), S. 28 f.

[32] Vgl. Meyer, D. (2011), S. 391.

[33] Vgl. o. V. (2011), S. 1.

[34] Vgl. Artikel 122 Absatz 2 AEUV: „Ist ein Mitgliedstaat aufgrund von Naturkatastrophen oder außer- gewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaat unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Bei- stand der Union zu gewähren.“.

[35] Vgl. Grossmann, V. (2011), S. 179.

[36] Vgl. Neubäumer, R. (2011), S. 831.

[37] Vgl. Berg, T.-O.; Carstensen, K. (2012), S. 79.

[38] Vgl. Erber, G. (2012), S. 15f.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Eurobonds. Auswirkungen auf die Kapitalaufnahme von EU-Mitgliedsstaaten
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
49
Katalognummer
V264907
ISBN (eBook)
9783656543947
ISBN (Buch)
9783656544685
Dateigröße
802 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Abschlussarbeit
Schlagworte
Eurobonds, Staatsschuldenkrise, Finanzkrise, Europa, Deutschland, Griechenland, Bluebonds, Redbonds
Arbeit zitieren
Hakki Gökce-Schütz (Autor:in), 2012, Eurobonds. Auswirkungen auf die Kapitalaufnahme von EU-Mitgliedsstaaten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264907

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